Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 229»

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Impressum

© 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-565-1

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Fußnoten

1.

Totenstille herrschte an Bord der Galeere „Conchita“. Nur das Glucksen des Wassers an den Bordwänden war zu vernehmen, und manchmal drang von weit weg grölendes Gelächter an die Ohren der Seewölfe, die angekettet auf ihren Ruderbänken hockten. Die ganze Crew, alle, ohne jede Ausnahme. Sie befanden sich im Vorschiff der Galeere, während weiter hinten, im letzten Drittel, noch acht abgezehrte Gestalten auf den Ruderbänken hockten, angekettet wie sie. Gefangene Kapitäne, deren Schiffe Don Bosco versenkt und deren Besatzungen der Tortuga-Pirat entweder als Sklaven verkauft oder in wilden Orgien getötet hatte.

Der restliche Teil der Besatzung der Galeere, üble Schnapphähne Don Boscos, die immer dann auf die Ruderbänke mussten, wenn nicht genügend Gefangene zur Verfügung standen, die aber selbstverständlich nicht angekettet wurden, feierte mit dem Herrscher von Tortuga in dieser Nacht eine wilde Orgie in einer der vielen Höhlen, die diese kleine Insel zu einem idealen Piratenversteck machten.

Der Seewolf starrte vor sich hin. Er war nicht der Mann, der so ohne weiteres den Mut sinken ließ. Aber diesmal befand er sich in einer nahezu ausweglosen Lage. Es war nocht nicht einmal zehn Minuten her, daß Don Bosco und dieser dreimal verfluchte Nuno, der Schlagmann der Galeere, der ihnen allen das Leben zur Hölle machte, gegangen waren. Zurückgelassen hatte Don Bosco die Drohnung, daß er am nächsten Morgen, falls der Seewolf nicht das Geheimnis der Schlangeninsel preisgeben und Don Bosco die Schätze dieser Insel ausliefern würde, jede Stunde einen Mann der „Isabella“-Crew töten lassen werde. Und den Anfang werde er mit den beiden Schiffsjungen seiner Besatzung machen, hatte er dem Seewolf gesagt, ohne zu ahnen, daß diese beiden Jungen die Söhne des Seewolfs waren.

Der Seewolf knirschte mit den Zähnen. Himmel, was sollte er tun? Seine Söhne, seine Männer opfern? Seine Freunde auf der Schlangeninsel verraten – wobei immer noch zweifelhaft blieb, ob damit überhaupt etwas gewonnen war? Der Seewolf kannte Schnapphähne wie diesen Don Bosco. Sie waren völig unberechenbar.

Der Seewolf und seine Männer hatten sich schon in manch einer üblen Lage befunden, aber so ausweglos wie diese war noch nie eine gewesen. Dieser Don Bosco war einer der gefährlichsten Männer, deren Kurs der Seewolf mit seiner „Isabella“ je gekreuzt hatte.

Schon die Arte und Weise, wie er die „Isabella“ und ihre ganze Besatzung in seine Gewalt gebracht hatte, war geradezu teuflisch gewesen. Er hatte den Seewölfen Pablo, diesen verdammten Giftmischer, untergejubelt. Einen Schurken, der so vertrauenserweckend und ehrlich wirkte, daß sie alle auf diesen Kerl hereingefallen waren und ihn an Bord der „Isabella“ genommen hatten. Alle?

Der Seewolf korrigierte sich. Nein, nicht alle. Nein, nicht alle. Batuti und Old O’Flynn hatten Hassard gewarnt. Sie hatten diesen Pablo nicht gemocht, sie hatten ihn abgelehnt, und der alte O’Flynn hatte sogar behauptet, dieser Mann brächte den Tod an Bord der „Isabella“. Und wie meistens hatte Hassard das für eine Spinnerei des Alten gehalten.

Gibt, das sie alle lähmte, paralysierte, hatte dieser Pablo ihnen ins Trinkwasser gemischt und sich dann selber an Deck im scheinbaren Schmerz und in Todesangst gekrümmt. Zum Schluß waren nur noch Dan und der alte O’Flynn aktionsfähig gewesen, und sie hatten Don Bosco einen Kampf geliefert, ehe er die „Isabella“ zu entern vermochte, der Don Bosco seine Karacke kostete und seine Wut zur Weißglut anfachte. Nein, von diesem Mann war kein Pardon zu erwarten, nicht die geringste Milde.

Das alles ging dem Seewolf in dem lastenden Schweigen durch den Sinn, als er endlich den Kopf hob und im Schein der blakenden Schiffslaternen zu seinen beiden Söhnen hinüberblickte, die neben dem riesigen Carberry auf der Ruderbank angekettet worden waren. Die beiden erwiderten den Blick des Seewolfs, aber sie sagten nichts. Sie wirkten blaß, ließen sich ihre Angst aber nicht anmerken. Denn auch sie hatten begrifften, daß sie sterben würden, falls ihr Vater nicht alles sagte, was der Tortuga-Pirat von ihm wissen wollte. Carberry richtete sich auf. Sein narbiges Gesicht wirkte düster, auch er war ohne den geringsten Hoffnungsschimmer, das sich das Blatt diesmal wieder zugunsten der Seewölfe wenden würde.

„ Wir stecken bis über die Ohren in der Scheiße, Sir“, sagte er grollend. „Ich hätte diesem verfluchten Pablo den Hals umgrehen sollen, aber ich war genauso dämlich wie die meisten von uns allen, dich eingeschlossen, Sir. Und jetzt werden wir die Suppe, die wir uns eingebrockt haben, wieder auslöffeln müssen. Aber das sage ich dir, Sir: Ehe der alte Carberry zur Hölle fährt, wird dieser verfluchte Don Bosco noch an den Profos der „Isabella“ denken! Das verspreche ich die bei allem, was mir heilig ist.“

Die anderen sahen Carberry an, Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann der „Isabella“ ein wahrer Hüne von Gestalt, nickte. „Klar, Ed, auch ich werde mich nicht einfach abschlachten lassen. Die werden sich noch wundern. Und außerdem, wenn ihr es wissen wollt, ich glaube noch lange nicht daran, daß dieser Don Bosco und seine Dreckskerle uns wirklich zur Hölle schicken und sich mit den Schätzen der Schlangeninsel dann ein herrliches Leben machen werden. Da dürften noch ein paar andere ein Wörtchen mitzureden haben. Der Wikinger zum Beispiel und Siri-Tong. Dieser Happen ist zu groß für Don Bosco, aber wie sehr er sich verschluckt hat, das wird er erst merken, wenn der alte Thorfin ganz Tortuga in Schutt und Asche legt, wenn Siri-Tong auf dieser verdammten Insel eine Orgie mit ihm feiert, bei der Gevatter Tod zum Tanz aufspielen wird. Das ist meine Meinung, und ich mach euch nichts vor. Unsere Lage ist beschissen, aber das war sie schon oft. Du mußt diesen Kerl hinhalten, Sir. Irgend etwas muß uns einfallen, und zwar bis morgen Früh, Sir …“

Carberry drehte sich um und starrte Ferris Tucker an.

„Du hast recht, Ferris“, sagte er, und seine Stimmer dröhnte durch die Galeere, daß die Männer im achteren Drittel erschrocken zusammenfuhren. „Und ich glaube, mir ist eben schon etwas eingefallen“, fügte er drohend hinzu. Dann sah er die Zwillinge an, die neben ihm auf der Ruderbank hockten, angekettet wie er. „Ihr beide verhaltet euch morgen, wenn man euch losschließen will, ganz still, klar? Den Rest überlaßt mir.“

Der Seewolf zuckte zusammen.

„Was hast du vor, Ed?“ fragte er leise.

Aber Carberry machte nur eine Kopfbewegung nach hinten.

„Überlaß mir das, Sir. Es geht morgen früh um das Leben deiner beiden Söhne, und ich will doch gleich meinen eigenen Affenarsch in Streifen geschnitten an die Großrah hängen, wenn ich zulasse, daß einer dieser Kerle auch nur Hand an sie legt. Aber mehr sage ich nicht.“

Die Seewölfe starrten ihren Profos an, dann steckten sie, soweit das möglich war, die Köpfe zusammen. Eine dröhnende Stimme aus dem achteren Drittel der Galeere ließ sie zusammenfahren.

„Du klopfst ziemlich rauhe Sprüche, Mann“, sagte ein großer Kerl, dessen Gesicht von einem wilden, pechschwarzen Bart umrahmt wurde und der fast so groß war wie Carberry selber und dessen tiefen Narben im Gesicht man es ansah, daß er wahrscheinlich keiner Rauferei und keinem Kampf aus dem Wege ging.

Carberry wandte sich um und musterte den Kerl.

„Hör zu, du verlauster Stint“, röhrte er, „ich habe dich nicht um deine Meinung gebeten. Wäre ich nicht angekettet, würde ich dir dein vorlautes Maul stopfen, du kalfaterter Decksaffe!“

Der Kerl reagierte ganz anders, als der Profos vermutet hatte. Er wurde nicht wütend, sondern grinste nur, dabei zeigte er zwei Reihen prächtiger weißer Zähne.

„Du bist ein Kerl nach meinem Geschmack, Profos“, erwiderte er. „Wenn ich die Hände frei hätte, wär’s mir recht, wenn wir beide es mal miteinander versuchten. Aber so, wie die Dinge im Moment liegen, sollten wir eher daran denken, aus diesem Dreckskahn wieder herauszukommen. Aber was ich eigentlich sagen wollte: Du hast morgen früh etwas vor. Gut. Hätte ich auch an deiner Stelle, wenn dieser verfluchte Don Bosco seine Finger nach den beiden Kerlchen da ausstreckt. Aber sei auf der Hut, mein Freund. Don Bosco ist nicht allein, dieser Nuno ist bestimmt dabei, und der schlägt dich eiskalt tot, wenn du ihm den geringsten Anlaß dazu gibst. Ich weiß, was bei Diego oben passiert ist, und ich wundere mich, daß du überhaupt noch lebst.“

Carberry nickte. Das wunderte ihn allerdings auch. Denn dieser Nuno, ein Kerl wie ein Baum, hatte die Prügel, die der Profos ihm bei Diego verabreicht hatte, bestimmt nicht vergessen. Auch wenn es – das mußte Carberry sich eingestehen – verdammt knapp hergegangen war, denn dieser Nuno besaß Kräfte und Muskeln wie kaum ein Mann, den er bis dahin kennengelernt hatte. Nur mit dem Hirn haperte es bei diesem Muskelpaket erheblich, zum Glück. Trotzdem, Carberry machte sich keine Illusionen: Sobald sie ausgelaufen waren, und das würde am nächsten Morgen geschehen, würde Nuno, der Schlagmann der Galeere, der zugleich auch oft die Funktion eines Aufsehers übernahm, sein Mütchen an ihm kühlen. Mit der Neunschwänzigen.

„Was also schlägst du vor, Mister Unbekannt?“ fragte Carberry grollend zurück, und gleichzeitig spürte er, wie ihm diese ganze lausige Situation an die Nerven zu gehen begann. Ihm wie allen anderen Seewölfen.

„Man nennt mich Barba“, erwiderte der Schwarzbart aus dem achteren Teil der Galeere. „Und wir sind Kollegen, ich war Profos wie du. Bis dieser Don Bosco über uns herfiel, mit sechs Schiffen auf einmal. Da war nichts zu machen, Freund, die fielen über uns her, als hätte die Hölle alle ihre Teufel auf einmal losgelassen. Im übrigen schlage ich gar nichts vor, weil ich auch nicht weiß, wie wir aus dieser beschissenen Situation wieder herauskommen sollen. Ich bin schon über drei Monate auf dieser Galeere, daher weiß ich Bescheid. Ich kenne diesen Nuno, ebenfalls den Pablo, der es euch besorgt hat, und Don Bosco auch. Seid auf der Hut, besonders vor Don Bosco. Er sieht nicht so aus, aber ist brutaler, hinterhältiger und schlauer als irgendeiner, dem ich je begegnet bin. Ein Menschenleben gilt ihm nichts, das seiner eigenen Leute sowenig wie das seiner Gefangenen. Wenn ihr überhaupt einen Rat wollt, besonders du, Seewolf, dann solltest du Zeit gewinnen. Und also mußt du reden, und wenn es Lügen sind, die du dem Don erzählst. Ich habe gehört, daß ihr noch Freunde in der Gegend habt, und von diesem verrückten Wikinger weiß ich so manches. Aber nicht nur, daß er immer mit seinem verdammten Helm herumrennt, sondern auch, daß die Piraten ihn und seinen schwarzen Segler fürchten wie sonst kaum etwas in der Karibik. Auch von jener Roten Korsarin hörte ich, die Spanier hassen sie wie die Pest. Das gleiche gilt auch für diesen Franzosen, aber er hatte Pech, ihm schossen sie sein Schiff kürzlich total zusammen.“

Ben Brighton, der Stellvertreter des Seewolfs, musterte Barba. Eine ungewöhnliche Erregung hatte sich seiner bemächtigt, denn Ben Brighton war ansonsten die Ruhe selbst und brauchte immer einige Zeit, um wirklich auf Touren zu kommen.

„Und, Mann? Was ist mit dem Franzosen? Hat’s ihn erwischt?“

Barba schüttelte den Kopf.

„Die Schnapphähne von Don Bosco unterhielten sich darüber. Er ist ihnen entwischt, ich weiß nicht, wie. Ich glaube, die Rote Korsarin hatte ihre Finger drin, die muß auf der Bildfläche erschienen sein, ehe sie dem Franzosen vollends den Garaus machen konnten.“

Der Seewolf hatte sich aufgerichtet, soweit ihm das seine Ketten erlaubten. Er warf Barba einen scharfen Blick aus seinen eisgrauen Augen zu.

„Du weißt wirklich eine ganze Menge, Barba“, sagte er dann langsam, jedes Wort betonend. „Ich habe einen schweren Fehler begangen, indem ich diesen Pablo gegen die Einwände zweier meiner Männer an Bord unserer ‚Isabella‘ nahm. Einen solchen Fehler werde ich nicht so schnell wiederholen, falls ich dazu noch Gelegenheit kriegen sollte. Und danach sieht es im Moment verdammt nicht aus. Aber zu dir. Wer sagt mir, daß du nicht ein Spitzel dieses Don Bosco bist, einer, der uns aushorchen soll und uns deswegen Märchen erzählt?“

Barba fuhr herum, zwei scharfe Falten gruben sich über der Nasenwurzel in seine Stirn. Nur mühsam hielt er an sich.

„Ich verstehe, daß du mißtrauisch bist, Seewolf“, sagte er dann. „Ich habe viel von dir und deinen Männern gehört. Ich bin auf einem Schiff gefahren, das zu einem Verband gehörte, der dich jagen sollte. Es ist schon lange her – aber erinnerst du dich an die Mocha-Insel? Dort habt ihr den Araukanern geholfen, die Dons waren wie wild. Aber ihr seid entwischt. Seither habe ich mich für dich und deine Freunde interessiert. Ich bin mal auf diesem, mal auf jenem Schiff gefahren. Ich bin kein Spanier, sondern Venezianer. Don Bosco erwischte mich auf einer portugiesischen Galeone, sie sollte nach Lissabon segeln und war mit Silberbarren beladen. Aber ich war nie ein Verräter, Seewolf. Du kannst mir glauben oder nicht, es ist mir gleich. Aber wenn du mich beleidigst, dann hast du auch mich zum Feind.“

Barba schwieg einen Moment, und die Seewölfe starrten ihn an.

„Aber nicht nur ich interessierte mich für dich und deine Freunde. Don Bosco tut das auch schon seit einer geraumen Weile. Nicht zuletzt seit dem Moment, in dem ihr die Silberflotte angegriffen habt1) denn damit habt ihr ihm einen fetten Brokken abgejagt, den er sich holen wollte, nachdem die anderen den Kampf für ihn erledigt hatten. Außerdem interessiert sich Don Bosco seit einiger Zeit schon für eure sagenhafte Schlangeninsel. Anlaß genug geben dazu ja der Wikinger mit seinem Schwarzen Segler, die Rote Korsarin mit ihrer Galeone, die man weithin an den roten Segeln erkennt und die sie ‚Roter Drache‘ getauft hat und auf der eine Crew von Engländern fährt. Und nicht zuletzt der Franzose, der den Piraten der Karibik ebenfalls immer wieder die Hölle gehörig angeheizt hat, sobald sie sich der Schlangeninsel zu sehr näherten oder ihm sonst ins Gehege gerieten. Man erzählt wirklich sehr merkwürdige Dinge über diese Insel, das kannst du mir glauben. Es soll da ein Felsentor geben, das der Satan persönlich bewacht …“

Big Old Shane brach in lautes Gelächter aus.

„Dieser Don Bosco soll sich nur in acht nehmen, daß ihn der Teufel nicht persönlich holt, wenn er sich zu nahe an die Schlangeninsel heranwagt!“ Der einstige Waffenmeister von Arwenack brüllte vor Lachen, und die anderen Seewölfe fielen ein. Die Galeere glich im Nu einem Tollhaus, und dann, wer es angestimmt hatte, wußte später niemand mehr, erscholl der alte Kampfruf der Seewölfe. Er brandete wie eine Riesenwoge durch das Schiff, schwemmte alles mit sich fort, drang bis in die Höhle, in der Don Bosco und seine Spießgesellen ihre Orgie feierten und in der die Weiber plötzlich mit ihrem Gekreische aufhörten.

„A-r-w-e-n-a-c-k!“ hörten sie den Kampfruf der Seewölfe. Und dann noch einmal und gleich darauf abermals.

Don Bosco fuhr hoch. Er stieß Conchita, die schwarzhaarige Schöne, seine Gefährtin, die ihm bedingungslos ergeben war, zur Seite. Seine Züge verzerrten sich vor Wut.

„Nuno!“ brüllte er, und der Riese erhob sich schwankend, stierte Don Bosco aus seinen kleinen, tückischen Augen an. „Nuno! Bring diese Dreckskerle zur Ruhe, sofort! Und wenn du es nicht schaffst, dann erledige ich es persönlich! Denen soll ihr Gebrüll noch vergehen, sie kennen Don Bosco noch nicht. Aber sie werden mich kennenlernen, gleich morgen früh, und sie sollen zittern vor mir!“

Don Bosco langte nach der schwarzhaarigen Conchita. Dann setzte er einen großen Weinkrug an die Lippen und trank ihn aus. So überlegt er auch sonst handelte – hatte er erst mal ein genügend großes Quantum Wein intus, dann brach seine wahre Natur plötzlich durch.

Er erhob sich gedankenschnell, ließ den Krug fallen und sprang auf Nuno zu, der immer noch dastand und ihn anglotzte.

„Du sollst sie zum Schweigen bringen, habe ich gesagt!“ brüllte er. Er versetzte dem Schlagmann einen Tritt. Mit solcher Kraft, daß Nuno zurückflog und gegen die Felsen in seinem Rücken prallte. Ein Felsvorsprung bohrte sich in seinen Rücken, der von gewaltigen Muskelsträngen durchzogen wurde, und Nuno schrie auf vor Wut und Schmerz. Aber dann sah er Don Bosco, und er kannte den Tortuga-Piraten lange genug, um zu wissen, wie gefährlich er in diesem Moment war.

Nuno überwand seine Wut und seinen Schmerz und rannte los. Das sollten ihm die Seewölfe büßen, schwor er sich. Vor allem dieser Kerl mit dem Narbengesicht und dieser Seewolf mit den kalten, eisblauen Augen …

Sie hörten Nuno den Niedergang abentern. Die Stufen bogen sich unter seinem Gewicht, und dann stand er vor ihnen, die Neunschwänzige in der Faust. Er sagte kein Wort, aber aus seinen kleinen, blutunterlaufenen Augen starrte er sie tückisch an, und dann schlug er zu. Seine Hiebe prasselten auf sie herab, sie konnten nicht ausweichen, ihre Ketten hinderten sie daran. Nuno wütete wie ein Berserker unter ihnen, und auch Barba kriegte seinen Teil, nach ihm die anderen, die im Achterschiff an die Ruderbänke gekettet waren. Etliche von ihnen verloren das Bewußtsein, aber das störte Nuno nicht. Er schlug und schlug, bis sogar seine Kräfte allmählich erlahmten.

Dann lehnte er sich gegen die Bordwand der Galeere.

„So, jetzt könnt ihr weiterbrüllen!“ sagte er und zog dabei die Neunschwänzige durch seine Linke. Hasard und Philip, die beiden Söhne des Seewolfs, bluteten aus mehreren Wunden. Carberrys Hemd hing in Fetzen um seinen gewaltigen Oberkörper, denn so gut er es vermochte, hatte er die Zwillinge gedeckt, sie vor den Hieben dieses Wahnsinnigen geschützt.

Der Seewolf starrte Nuno an, und noch nie hatten seine Männer einen solchen Zorn, eine solch tödliche Drohung in seinen Augen gesehen.

„Das wirst du büßen, Nuno!“ sagte er dumpf. „Du und dein Don Bosco. Ihr glaubt, ihr habt uns fest. Ich sage es dir heute: Wir werden euch vernichten, wir werden dich und Don Bosco jagen, bis auch der letzte von euch ausgelöscht ist, bis die Meere dieser Welt wieder frei sind von solchem Ungeziefer wie euch.“

Nuno zuckte unter seinen Worten zusammen wie unter Peitschenhieben. Seine kleinen Augen verschwanden fast hinter den dicken Fleischwülsten, die sie umgaben. Langsam trat er auf den Seewolf zu, die Neunschwänzige in der Rechten.

Aber dann überlegte er es sich. Er starrte den Seewolf aus blutunterlaufenen Augen an.

„Nein, es hat keinen Sinn, dich weiter auszupeitschen. Kerle wie dich kann man auch mit der Neunschwänzigen nicht erschlagen. Für dich gibt es andere Mittel, Seewolf, du wirst sehen. Don Bosco hat sich für euch etwas ausgedacht, und morgen früh, bei Sonnenaufgang, werdet ihr sehen, was.“

Er trat ein paar Schritte zurück.

„Diese beiden da“, er deutete auf die Zwillinge, „diese beiden werden morgen früh vor deinen Augen sterben, wenn du nicht redest. Weißt du eigentlich, wie bei Don Bosco gestorben wird, he? Nein, du weißt es nicht, aber du wirst es erfahren. Es dauert lange, Seewolf, und es ist schlimm für den, der sterben muß. Und nach diesen beiden folgt der nächste. Und bei jedem werden die Qualen schlimmer sein, die er zu erdulden hat. Don Bosco segelt erst, wenn du geredet hast, wenn er weiß, was er wissen will. Und dann werden die Schätze deiner Insel uns gehören, so, wie wir dein Schiff bereits haben. Die Legende vom unbesiegbaren Seewolf ist zu Ende, deine Stelle wird Don Bosco einnehmen. Er und wir, wir werden die Beherrscher der Karibik sein. Und nichts, gar nichts wird uns davon abhalten, auch du nicht, Seewolf.“

Durch die Reihen der Seewölfe ging ein Murren. Der alte O’Flynn war derjenige, der den alten Schlachtruf abermals anstimmte. Und alle Seewölfe fielen ein, und dabei glühten ihre Augen den Schlagmann der „Conchita“ an. Wie eine wilde Meute von Wölfen hockten sie angekettet auf ihren Bänken, und unter ihren Stimmen erbebte die Galeere.

Nuno starrte sie an. Entsetzen trat in seine Züge, seine Augen begannen zu flackern. Er spürte, welch eine Welle von Wut und Haß ihm von den Ruderbänken entgegenschlug, und er wich zurück. Er begriff nichts, aber er begann in diesem Moment zu ahnen, auf was Don Bosco sich eingelassen hatte, als er die Seewölfe in seine Gewalt brachte.

Die Seewölfe brüllten ihren alten Schlachtruf immer noch durch die Nacht, als Nuno längst wie von Furien gehetzt über die Insel jagte.

Schwer atmend verstummten sie erst eine ganze Weile später. Und als sie verstummten, hatte Don Bosco die Orgie beendet. Conchita, seine Geliebte, klammerte sich an ihn. Aus großen, angstvoll geweiteten Augen starrte sie in die Nacht, dorthin, wo die Galeere lag, die Don Bosco nach ihr benannt hatte.

„Was sind das für Männer?“ fragte sie leise, und ihre Stimme vibrierte dabei. „Du hättest dich nie mit ihnen einlassen sollen, diese Männer sind unser Tod. Du kannst sie nicht besiegen, sie haben einen Pakt mit dem Teufel. Sie …“

Conchita hielt sich die Augen zu. Schlimme Gesichte nahmen vor ihren Augen plötzlich Gestalt an. Sie sah Kampf, Feuer, Tod. Sie sah sinkende Schiffe, sie sah Don Bosco. Blutüberströmt stand er auf dem Achterdeck eines Schiffes, kämpfte verzweifelt um sein Leben, sie sah die See, die Don Bosco umgab. Sie hallte wider vom Donner schwerer Geschütze …

Conchita schrie auf, und erst die derbe Ohrfeige, die Don Bosco ihr versetzte, brachte sie in die Wirklichkeit zurück.

„Wieso kann ich diese Hundesöhne nicht besiegen?“ brüllte er sie an. „Ich habe sie schon besiegt. Angekettet sitzen sie auf den Ruderbänken der ‚Conchita‘, und morgen, bei Sonnenaufgang, wird dieser Seewolf mir alles sagen, was ich wissen will, oder er wird erfahren, wie die Hölle Don Boscos aussieht und welche Qualen sie für ihn und seine Seewölfe bereithält. Mal sehen, ob ihm dann der Satan wirklich zu Hilfe eilt, und wenn, dann nehme ich es mit ihm auch noch auf! Ich bin der Herrscher von Tortuga, und bald werde ich der Herrscher über die ganze Karibik sein, es wird niemanden mehr geben, der mir zu widerstehen vermag. Sie sollen mir Tribut zahlen, alle, so weit die Karibik reicht!“

Don Bosco stand in der Felsenhöhle, in der sie bis eben gefeiert hatten, und seine Schnapphähne starrten ihn an, als wäre er eine Erscheinung. Conchita klammerte sich an ihm fest. Ihr schlanker Körper bebte, und eine grauenhafte Angst begann sie zu erfüllen. Sie hatte den Seewolf und seine wilden Gesellen gesehen, sie war Zeuge davon geworden, wie nur zwei von ihnen, ein alter und ein junger, ganz allein die Karacke Don Boscos zu den Fischen schickten. Sie hatte über den Seewolf schon vieles gehört, zu viel, um nicht zu wissen, was ihnen allen bevorstand, falls dieser Mann jemals die Freiheit wiedererlangte. Da würde keine Rechnung offenbleiben. Der Seewolf würde sie begleichen. Auf seine Art und ohne jedes Pardon.

Conchita starrte auf die huschenden Schatten, die das flackernde Feuer gegen die Felswände der Höhle warf. Dann riß sie sich mit einem wilden Aufschrei los. Sie ertrug die schrecklichen Gesichte, die sie aus den tanzenden Schatten an den Höhlenwänden anzuspringen schienen, nicht mehr länger. Wie Gespenster drangen sie auf Conchita ein, drohten sie zu erdrücken.

Conchita rannte davon, wie von Furien gehetzt. Don Bosco fluchte wild, verwünschte alle Weiber und ihre Launen und griff erneut zum Krug. Er trank in dieser Nacht, bis er von jenem Felsbrocken rollte, die in der Höhle herumlagen und den Schnapphähnen als Sitzgelegenheit dienten. Er schlief bis zum Morgengrauen, dann erhob er sich schwerfällig und brüllte dabei nach Pablo, seinem Unterführer, und nach Nuno.

Anschließend wankten die drei Männer die Felsen herab. Dorthin, wo die Galeere lag. Aber bei jedem Schritt, den Don Bosco an diesem Morgen tat, wurde sein scharfer Verstand wieder klarer. Er begann zu denken, gründlich, wie es seine Art war und wie es ihm schon ungezählte Male das Leben gerettet hatte. Und plötzlich verfluchte er seine Geliebte, Conchita, nicht mehr. Denn er spürte sie jetzt selber, die Gefahr, die vom Seewolf und seinen Männern ausging, die diesen Morgen wie ein unsichtbarer Schatten verdunkelte.

Don Bosco fuhr sich über die Stirn und wischte den Schweiß, der sich dort bildete, mit dem Handrücken fort. Ich muß verdammt auf der Hut sein, dachte er. Aber ich will die Schätze, die dieser dreimal verfluchte Seewolf auf seiner Insel lagert, und er wird sie mir geben, so wahr ich Don Bosco bin …

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