Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 57»

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Impressum

© 1976/2014 Pabel-Moewig Verlag GmbH,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-374-9

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Ferris Tucker, der hünenhafte Schiffszimmermann der „Isabella VII.“, warf zum wiederholten Mal einen unruhigen, fragenden Blick zum Achterkastell hinüber. Aber es hatte sich nichts verändert – der Seewolf stand immer noch dort. Sein sonnengebräuntes Gesicht wirkte wie versteinert, die Lippen waren zusammengepreßt. Er hatte seine unruhige Wanderung über die Planken des Achterdecks wieder einmal unterbrochen. Ferris Tucker sah, wie sich seine Hände um die Schmuckbalustrade krampften.

Das ging schon seit Tagen so. Hasard sprach kaum ein Wort, die Männer der Crew gingen ihm aus dem Weg, die Befehle gab Ben Brighton. Die „Isabella VII.“ segelte Kurs England. Noch zwei Tagereisen, und sie würde ihr Ziel, die Hafenstadt Plymouth, anlaufen.

Carberry, der rauhbeinige Profos der „Isabella“, der aber unter seiner rauhen Schale ein weiches Herz verbarg, hatte sich zu Tucker gesellt. Auch er warf einen nachdenklichen Blick zum Achterkastell hinüber.

„Hasard gefällt mir nicht, Ferris“, sagte er schließlich und bemühte sich dabei, sein sonst so gewaltiges Organ zu drosseln. „Das geht nun schon seit Tagen so. Angefangen hat es mit dem Tode Buck Buchanans, den dieser verdammte Dreckskerl De Coria vor die Mündung kriegte, als er Hasard hinterrücks erschießen wollte. Und noch schlimmer wurde es, seit dieses Schwein von einem Don dem Vater Hasards von hinten das Messer in den Rücken stieß und der Alte an der Wunde starb. Ich glaube, Hasard hat das nicht verwunden – denn seitdem redet er kaum noch ein Wort, ißt wenig und trinkt hin und wieder ein Quart Rum.“

Der Profos schüttelte den narbigen Schädel, und in seinen Augen war zum erstenmal, seit Ferris Tucker ihn kannte, so etwas wie Ratlosigkeit und Trauer.

Aber Carberry hatte recht – an Bord der „Isabella VII.“ herrschte eine gedrückte Stimmung. Je näher sie an England heransegelten, desto verbissener und verkniffener wurden die Gesichter der Männer. Und auch den Grund kannte der Schiffszimmermann gut: Schließlich hatte man sie, als sie mit der „Isabella V.“ nach mehr als drei Jahren zurückgekehrt waren, um der Krone ein ganzes Schiff voller Schätze zu bringen, äußerst unfreundlich empfangen.

Neben den üblichen Intrigen, die man gegen sie spann, neben der wilden Jagd auf die Schätze in den Laderäumen ihres Schiffes, war es schließlich sogar bis zu jener Schlacht auf der Themse gekommen, in deren Verlauf sich die eigenen Landsleute nicht entblödeteten, auf die „Isabella V.“ mit den Kanonen der Towerbefestigungen zu schießen. Ein Wunder, daß sie das alles lebend und ohne Verluste an Menschenleben überstanden hatten! Nur: Vergessen hatten die Seewölfe diese Behandlung nicht. Und so groß auch die Freude damals gewesen war, endlich wieder nach England zu segeln, endlich die Heimat wiederzusehen – so gemischte Gefühle beherrschten sie jetzt, zwei Tagereisen von England entfernt. Denn jeder Mann an Bord spürte, daß das ganze Theater sofort mit ihrem Einlaufen in Plymouth wieder von vorn beginnen würde.

Das alles wäre noch zu ertragen gewesen – wenn der Seewolf, ihr Kapitän, noch derjenige gewesen wäre, den sie kannten: der Draufgänger, für den sie sich in Stücke reißen ließen, mit dem sie dem Teufel ein Ohr absegelten oder den Satan auch persönlich aus seiner Hölle holten, wenn der Seewolf das von ihnen verlangt hätte!

Natürlich wußten alle Männer an Bord, wie sehr den Seewolf der Tod seines so lange und unter so großen Gefahren gesuchten Vaters getroffen hatte. Sie ahnten, daß nicht einmal seine Bärennatur so einfach darüber hinwegkam, aber das änderte trotzdem nichts daran, daß die Stimmung an Bord der „Isabella VII.“, einer kleinen, äußerst schnellen und stark gebauten Karavelle, langsam, aber sicher auf den Nullpunkt sank. Denn groß genug, um sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen, war die „Isabella VII.“ ganz im Gegensatz zur „Isabella V.“ auch nicht.

Carberry sah den Schiffszimmermann an. Der Seewolf hatte inzwischen seine unruhigen Wanderungen auf dem Achterdeck wieder aufgenommen.

„Hast du schon mit Ben gesprochen, Ferris?“ fragte er, und seine Stimme hatte einen dumpfen Klang.

Tucker nickte.

„Hab’s versucht, Ed“, erwiderte er. „Ist aber nichts ’rausgekommen dabei. Ben scheint irgend etwas zu wissen, aber er läßt es nicht ’raus. Den Seewolf bedrückt etwas, aber es ist nicht der Tod seines Vaters allein. Er hat etwas vor, Ed. Und ich gehe jede Wette ein – es betrifft uns alle, die gesamte Crew. Noch ehe es Abend wird, werden wir’s wissen!“

Ed Carberry warf ihm einen schiefen Blick zu. Dann murmelte er etwas von verdammten Affenärschen, denen man die Haut in Streifen abziehen solle, und verzog sich. Auf der Back gab es Arbeit. Ein Brecher hatte die Blinde erwischt und sie zerfetzt. Will Thorne, der Segelmacher, war schon dabei, eine Ersatzblinde zu nähen, und Carberry beschloß, sich davon zu überzeugen, ob das alles auch mit der nötigen Schnelligkeit geschah. Anderenfalls würde er Will Thorne und seine Männer mal ganz gehörig aufschwänzen, in der richtigen Stimmung war er sowieso dazu.

Über dem Schiff wölbte sich ein blauer, wolkenloser Himmel. Aus Nordwest blies eine stetige, frische Brise, die Karavelle glitt mit schäumender Bugwelle durch die grüne See. Man schrieb den 15. November 1580, und für diese Jahreszeit war solches Wetter schon fast wie ein kostbares Geschenk der Götter.

Ed Carberry hatte die Back der „Isabella“ schon fast erreicht, als Ben Brightons Stimme über die Decks dröhnte.

„Alles klar zum Wenden! An die Brassen mit euch, ihr Lahmärsche, oder der Teufel soll euch alle lotweise holen!“

Die Männer jagten los. Auch Carberry, der eben noch voller finsterer Vorsätze und fest entschlossen, ja keinen Streit zu vermeiden, gerade auf das Vorkastell der Karavelle entern wollte.

Die „Isabella“ schwang herum – es war das Werk von nur wenigen Augenblicken. Dann dröhnten abermals Ben Brightons Kommandos über Deck – und die großen Lateinersegel an den langen Gaffelruten begannen zu killen. Das Schiff verlor rasch an Fahrt, und Smoky, der Decksälteste, stieß einen Fluch aus.

Es war Wahnsinn, das Schiff bei einem solchem Wetter in den Wind zu drehen und zu stoppen.

Er sandte einen schiefen Blick zum Achterkastell hinüber, aber der Seewolf stand dort, wie festgerammt, die Arme über der Brust verschränkt, und seine eisblauen Augen kontrollierten unerbittlich die Bewegungen der Männer.

Smoky stieß abermals eine Verwünschung aus, zu mehr blieb ihm auch keine Zeit.

„Alle Mann auf die Kuhl!“ dröhnte Ben Brightons Stimme abermals auf, und die Männer flitzten los.

Auf diesen Moment hatten sie seit Tagen gewartet, denn es stand für sie außer Frage, daß der Seewolf ihnen etwas Wichtiges zu sagen hatte, daß sie nun endlich erfahren würden, wie alles weitergehen sollte.

Die gedrückte Stimmung war innerhalb weniger Sekunden verflogen. Die Seewölfe versammelten sich auf der Kuhl – und keiner fehlte. Erwartungsvoll blickten sie Hasard an.

Die „Isabella“ lag beigedreht im Wind. Pete Ballie, der Rudergänger, hatte den Kolderstock festgelascht. Die Karavelle hob und senkte sich auf der leichten Dünung, die vom Atlantik her heranrollte.

Der Seewolf trat an die Schmuckbalustrade. Seine großen, kräftigen Hände legten sich um das von See und Sonne rauh gewordene Holz.

„Ich will nicht lange drumherumreden“, sagte er, und seine Stimme hatte dabei einen Klang, wie ihn die Crew noch nie gehört hatte. „Ich habe euch auf der Kuhl versammelt, weil ich etwas mit euch besprechen will, worüber wir die Entscheidung gemeinsam fällen werden. Jeder einzelne von euch ist in seiner Entscheidung völlig frei.“

Er schwieg einen Moment und sah seine Männer an. Er blickte in lauter erwartungsvolle Gesichter.

„Ihr alle wißt, wie es uns ergangen ist, als wir mit der „Isabella V.“ nach England zurückkehrten, um der Krone zu bringen, was wir ihr schuldeten. Ihr wißt es, und wir brauchen nicht lange darüber zu reden. Ihr wißt ebenfalls, was jetzt gerade hinter uns liegt. Es ist keinem von euch entgangen, daß mich die feigen Meuchelmorde, die der dreimal verfluchte De Coria an Buck Buchanan und später auch an meinem Vater begangen hat, zutiefst getroffen haben. Ich habe mich seit dieser Zeit gefragt, wer mir eigentlich das Recht gibt, euer Schicksal an meines auch weiterhin zu binden. Jeder von euch hat seinen Anteil, jeder von euch kann sich eine sichere Existenz an Land gründen, kann sich eine Frau nehmen, heiraten, Kinder haben, ohne jemals wieder in materielle Not zu geraten. Jeder von euch könnte auf diese Weise ein Leben führen, das sicherlich viele Freuden birgt, in dem er nicht jeden Augenblick damit zu rechnen hätte, durch eine Kugel, durch ein Entermesser oder durch eine herabstürzende Rah getötet zu werden oder in einem Sturm abzusaufen.“

Die Männer in der Kuhl bewegten unruhig die Köpfe. Einige von ihnen scharrten ungeduldig mit den Füßen, sie wußten nicht, auf was der Seewolf hinaus wollte. Aber Hasard, dem die Unruhe unter seiner Mannschaft nicht entging, spannte sie nicht länger auf die Folter.

„Ihr wißt inzwischen alle, was es mit meiner Vergangenheit auf sich hat. Ich bin kein Engländer, kein Spanier und auch kein Deutscher. Und trotzdem, wenn ich ganz ehrlich sein soll, fühle ich mich dem Land am meisten verbunden, in dem ich aufgewachsen bin, in dem ich meine Familie zurückgelassen habe. Ich denke und fühle wie ein Engländer, das weiß ich seit dieser letzten Reise, seit dem Tod meines Vaters besser als jemals zuvor. Aber ich weiß auch, daß ich mich nicht an Land zur Ruhe setzen kann. Ich brauche ein Schiff, ich brauche die See, die Stürme und Gefahren, die ein solches Leben birgt. Und deshalb habe ich beschlossen, mich nach unserer Rückkehr in England nach einem neuen, für meine Zwecke geeignetem Schiff umzusehen. Ich werde es kaufen – es soll so mein Eigentum sein, wie jemand anderer ein Haus und ein Stück Land besitzt. Ich will fortan über mein Schiff niemandem mehr Rechenschaft schuldig sein.“

Die Männer starrten den Seewolf an. Aber dann brandete ein wüstes Freudengeheul zu ihm hoch. Die Männer begannen auf der Kuhl herumzutanzen, allen voran Dan O’Flynn, der sich geradezu wie verrückt gebärdete.

Mit einer Handbewegung brachte Hasard die Männer zum Schweigen.

„Es ist klar, daß jeder von euch, der auch weiterhin mit mir fahren will, willkommen ist. Aber ich trage es keinem nach, wenn er sich anders entscheidet, wenn er sich eine eigene Zukunft aufbaut ...“

Wieder begannen die Männer zu brüllen, aber Hasard stoppte sie erneut.

„Hört mir jetzt erst zu, ehe ihr euch endgültig festlegt. Es gäbe die Möglichkeit, als Handelsfahrer über die Meere zu segeln, aber das liegt mir nicht. Und euch noch weniger ...“

Diesmal mußte Carberry mit seiner dröhnenden Stimme eingreifen, um die Crew wieder zur Ruhe zu bringen. Und er tat es auf eine Weise, daß die Decksplanken zitterten. Erschrocken fuhren ein paar Männer der Crew herum, denn so hatten sie ihn noch nie brüllen hören.

„Wer von euch verdammten Kakerlaken jetzt noch mal seinen Rand aufreißt, bevor der Seewolf fertig ist, dem gerbe ich das Fell so lange, bis er nicht mehr weiß, ob er noch einen Affenarsch hat oder nicht! Ist das klar?“

Die Männer verstummten, grinsten den Profos aber an. Sie wußten, wie der alte Carberry seine Sprüche meinte.

Nur Dan O’Flynn konnte sich noch nicht beruhigen.

„He, du karierter Decksaffe“, fuhr er Carberry an, und dem klappte vor Staunen fast das Rammkinn herunter, „von dir lasse ich mir das Maul noch lange nicht verbieten! Hasard hat völlig recht – ich habe auch nicht die Absicht, in Zukunft wie eine dreckige Ratte an Land herumzukriechen. Und wenn Hasard ein Schiff kauft, dann segele ich mit. Du kannst deinen gottverdammten Affenarsch meinetwegen stundenlang in die Sonne legen. So, damit das nun endlich einmal ...“

Carberry hatte seine Schrecksekunde überwunden und blitzschnell zugegriffen. Er zog Dan zu sich heran, und gegen Carberrys bärenstarke Pranken war Dan machtlos, so wild er auch um sich schlug und zappelte.

„Ich werde mich jetzt mal mit deinem Affenarsch beschäftigen, Freundchen!“ brüllte der Profos. „Du sollst jetzt mal erleben, was ein gestreifter Pavianhintern ist, du lausiger ...“

„Schluß jetzt!“

Hasards Stimme donnerte dazwischen, obwohl er sich kaum das Lachen verbeißen konnte. „Auseinander, ihr zwei, oder ihr kriegt es mit mir zu tun. Mal sehen, wer dann besser aussieht, ihr oder ich!“

Widerwillig ließ Carberry Dan los. Der warf ihm noch einen giftigen Blick zu, aber dann nahmen die nächsten Worte des Seewolfs seine Aufmerksamkeit schon wieder voll in Anspruch.

„Ich werde, sobald wir wieder in Plymouth vertäut haben, nach London reisen. Man hat uns allen Unrecht zugefügt, ich werde eine Audienz bei ihrer Majestät, Königin Elizabeth, erwirken. Und von ihr werde ich einen Kaperbrief erbitten. Ich bin sicher, daß sie meinem Wunsch zustimmt, denn sie wird von mir erfahren, welch übles Spiel ihre verfluchten Hofschranzen und Intriganten mit uns allen getrieben haben!“

Auf der Kuhl brach ein wahrer Tumult aus. Selbst der sonst so besonnene Ferris Tucker tanzte vor Vergnügen an Deck herum und schwang dabei seine riesige Axt.

Erst nach einigen Versuchen gelang es dem Seewolf, die Männer zu Ruhe zu bringen.

„Ich habe euch noch nicht alles gesagt. Hört mir noch einen Augenblick zu.“ Er sah seine Männer aus seinen eisblauen Augen an. „Wahrscheinlich könnte ich mit euch allen als Handelsfahrer reicher werden – jedenfalls auf Dauer gesehen. Aber es gibt einen Grund, warum ich wieder in die Karibik, zur Neuen Welt hinübersegeln will: Spanien bereitet gegen unser Land einen Krieg vor, daran kann kein Zweifel bestehen. Wir alle kennen die Dons – was uns an Üblem geschah, kam fast immer von dort. Denkt ah eure Zeit auf der Galeere, denkt an die Intrigen, die man gegen uns alle gesponnen hat, denkt daran, was dieser schurkische De Coria mit unserem Gefährten Buck Buchanan und mit meinem Vater angestellt hat. Und vergeßt nicht, wie diese spanischen Teufel in jener Neuen Welt wüten, wie sie die Indios aussaugen, berauben und abschlachten, wie sie sich aufspielen, so, als sei ihnen die ganze Erde untertan.“

Der Seewolf richtete sich hoch auf.

„Ich will und mag den Tag nicht erleben, an dem sie über unser Land herfallen und dort das gleiche Regime errichten, die gleiche blutige Tyrannei in unsere Städte und Dörfer tragen. Spanien ist in den letzten Jahren mächtiger und immer mächtiger geworden. Es hat Reichtümer über Reichtümer gesammelt, und seine Schiffe beginnen schon jetzt, die Meere zu beherrschen. Ich will sie bekämpfen, ich will ihnen ihre Schätze abjagen, ich will dazu beitragen, daß unser Land nicht unter die Herrschaft dieser blutrünstigen Folterknechte gerät. Und deshalb frage ich euch: Wer segelt mit mir? Wer setzt diesen Kampf mit mir als königlicher Kaperfahrer Ihrer Majestät fort?“

Ein geradezu unbeschreiblicher Tumult entstand an Bord der beigedrehten Karavelle. Die Männer rissen ihre Waffen hoch, schwenkten Entermesser, Belegnägel und Beile. Batuti, der riesige Gambianeger, schwang seinen Morgenstern, daß sogar Ferris Tucker vorsichtshalber ein paarmal seinen Kopf einzog.

Keiner der Männer dachte auch nur eine Sekunde lang daran, an Land zu bleiben. Alle wollten mit. Und von dem Plan, den der Seewolf diesmal wieder ausgebrütet hatte, waren sie hellauf begeistert.

Ein letztes Mal brachte Hasard die Crew wieder zur Ruhe.

„Ich danke euch allen“, sagte er in die plötzlich herrschende Stille hinein. „Ich ahnte schon, daß keiner von euch an Land bleiben würde. Es hätte auch zu keinem von euch allen gepaßt. Aber eins verspreche ich euch: Wir werden das beste Schiff haben, das jemals unter englischer Flagge die Meere befahren hat. Und die Dons werden vor uns zittern. Sie werden schon bald spüren, daß die Seewölfe zurückgekehrt sind.“

Erst Stunden später – Hasard hatte Rum für alle ausgeben lassen, und an Bord der Karavelle wurde auf Teufel komm ’raus gefeiert – traten Ben Brighton, Ferris Tucker und Ed Carberry zu ihm.

Ben Brighton, sein Stellvertreter und Erster Offizier, nahm das Wort.

„Deine Idee ist ausgezeichnet, Hasard. Aber zwei Fragen beschäftigen uns und wohl auch noch einige Männer mehr an Bord. Erstens: Glaubst du wirklich, daß man dich bis zur Königin vorlassen wird? Das geht nur über den Lordkanzler, Sir Battersby. Der aber hat die Schlappe, die wir ihm im Tower und an der Themse zugefügt haben, bestimmt noch nicht vergessen. Genausowenig wie seine beiden Spießgesellen, der Lordadmiral, Sir Howard, und der Schatzkanzler, Sir Pembroke. Außerdem werden auch noch andere Intriganten wieder auftauchen. Zum Beispiel dieser Keymis. Ich glaube, es gibt in ganz England keinen Mann, der dich so haßt, wie dieser Friedensrichter.“

Hasard nickte, und bei den letzten Worten hatte sich seine Stirn umwölkt. „Sicher hast du recht, Ben. Es wird nicht einfach werden, aber ich werde es trotzdem schaffen. Ich habe noch immer das durchgesetzt, was ich will. Ich glaube, du unterschätzt mich in diesem Punkt. Bin ich aber einmal bis zur Königin vorgedrungen, dann habe ich gewonnen, daran glaube ich felsenfest!“

Ben Brighton wiegte den Kopf, aber er sagte nichts. Er kannte den Seewolf, es war völlig aussichtslos, ihn von diesem Vorhaben abbringen zu wollen. Außerdem – sie brauchten den Kaperbrief, oder sie waren gewöhnliche Piraten, vogelfrei für jedermann.

„Gut, Hasard“, sagte er daher, „nehmen wir einmal an, es gelingt dir, und du erhältst den Kaperbrief. Was wird aus Gwen, was aus dem Sohn oder aus der Tochter, den oder die sie dir inzwischen geboren haben wird?“

Der Seewolf sah seine drei Gefährten an.

„Ihr wißt alle, daß ich Gwen liebe. Sie ist meine Frau. Also gilt meine Sorge und mein Denken ihr in hohem Maße. Um es noch deutlicher zu sagen: Gerade wegen Gwen will ich den Kaperbrief. Denn dann wird es niemand mehr wagen, sie auch nur zu belästigen, solange ich auf See bin. Ich habe mit Gwen über alle diese Dinge schon früher gesprochen. Sie hat mich stets ermutigt, für England zu kämpfen, auf See zu bleiben. Gwen weiß, daß ich ohne die Weite der Meere nicht mehr leben kann, sowenig, wie ihr es könntet.“

Wieder nickte Ben Brighton.

„Ich wollte es nur wissen. Gebe Gott, daß sich alles so fügt, wie du es wünscht. Auf mich und alle anderen kannst du jederzeit zählen, das weißt du.“

Ben Brighton wollte sich zum Gehen wenden, aber Ferris Tucker hielt ihn noch einmal zurück.

„Um ehrlich zu sein, Hasard, auch ich ahne Schwierigkeiten. Aber diese Hundesöhne, ganz gleich welche Stellung sie bekleiden oder wie immer sie heißen mögen, sollen sich in acht nehmen. Meine Geduld mit diesem ganzen Gelichter ist zu Ende, und zwar endgültig. Ich werde ein wachsames Auge auf alles haben, was rund um uns herum geschieht. Und wehe, wenn sich diese Ratten wieder zu weit aus ihren Löchern wagen!“

„Worauf du Gift nehmen kannst!“ ließ sich Carberry vernehmen, und instinktiv hatte er bei diesen Worten seine schwieligen Pratzen zu Fäusten geballt.

Aber Ferris Tucker war noch nicht fertig.

„Nur noch eins, Hasard“, fuhr er fort. „Wie hast du dir das mit dem Schiff gedacht? Ich sehe nicht ein, warum wir schon wieder ein neues brauchen. Die Isabella VII. ist von ausgezeichneter Qualität. Rank und stark gebaut. Die Schaluppe, die wir bei Gibraltar untergemangelt haben, hat außer ein paar Kratzern nichts an Spuren hinterlassen. Jeder schwerfälligen Galeone schnappt unsere Karavelle im Handumdrehen die Luvposition weg, und in flachen Gewässern läuft sie nicht so leicht auf Grund, wie die dickbauchigen Kähne der Dons. Die Bewaffnung ist erstklassig, das Schiff in allerbestem Zustand. Warum, zum Teufel, also schon wieder ein anderes? Da blickt man ja gar nicht mehr durch!“

Im Gesicht des Schiffszimmermanns zuckte deutlicher Unwillen. Er hing an der „Isabella VII.“ und er wußte auch genau, warum. Tatsächlich hatten sie mit Ausnahme der „Isabella V.“, die aber viel langsamer und viel schwerfälliger gewesen war, kaum jemals ein so hervorragendes Schiff mit so guten Segeleigenschaften unter den Füßen gehabt.

Hasard schwieg einen Moment. Dann aber stahl sich ein Lächeln in seine sonnengebräunten Züge. Er kannte den rothaarigen Hünen lange genug, um genau zu wissen, was in ihm vorging.

„Hör zu, Ferris“, sagte er daher. „Die ‚Isabella VII.‘ ist für das, was ich vorhabe, zu klein, zu schwach bewaffnet und trotz all ihrer Qualitäten nicht stark genug. Die Lateinertakelung erlaubt zwar, hoch am Wind zu segeln, aber vor dem Wind läuft eine gute Galeone schneller. Und denk daran, daß wir wieder in die Karibik gehen, daß wir vielleicht sogar noch einmal zum Kap der Dämonen verschlagen werden. Da brauchen wir ein größeres Schiff. Außerdem sind wir mit der Isabella VII. den meisten Galeonen unterlegen, wenn wir sie nicht ausmanövrieren, das weißt du genausogut wie ich, Und nicht zuletzt werden wir Laderaum brauchen; denn ich gedenke Beute zu machen, Ferris, fette Beute! Die Dons sollen zu spüren kriegen, daß die Seewölfe wieder da sind und ihre Küsten verunsichern. Nein – ich habe da schon eine Idee. Vertraut mir ruhig, laßt mich nur machen. Und wenn du dann mit dem neuen Schiff nicht einverstanden bist, das übrigens nicht mir, sondern uns allen gehören wird, dann können wir uns für die Isabella VII. immer noch entscheiden.“

Ferris Tucker murmelte irgend etwas – überzeugt schien er jedenfalls nicht. Aber er hatte gelernt, daß es gut war, auf den Seewolf zu hören, denn dessen Entscheidungen hatten sich fast immer als richtig erwiesen. Zusammen mit Ed Carberry zog er ab und verschwand schließlich zwischen den feiernden Männern auf dem Hauptdeck.

Zwei Tage später passierte die Karavelle Kap Lizard. Am Abend desselben Tages lief sie in Plymouth ein. Sie wurde am selben Pier vertäut, an dem auch schon ihre Vorgängerinnen und die einstige „Marygold“ gelegen hatten.

Aber es gab ein paar scharfe Augen, die das Schiff und die Männer, die mit ihm nach Plymouth gesegelt waren, argwöhnisch beobachteten. Einer von ihnen war der dicke Schankwirt der „Bloody Mary“ an der Ecke Millbay Road und St. Mary Street.

Nathaniel Plymson kniff die Schweinsäuglein, die fast unter den Fettwülsten seiner Augenlider verschwanden, zusammen. Angestrengt starrte er durch die hereinbrechende Dämmerung zur nahen Pier hinüber – und dann zuckte er plötzlich zusammen, als habe ihn der Schlag getroffen.

„Nein!“ stieß er hervor und streckte alle zehn Wurstfinger seiner spekkigen Hände weit von sich, als wolle er böse Geister abwehren. „Nein – das kann nicht wahr sein! Dieser schwarzhaarige Teufel – dieser ...“

Nathaniel Plymson spürte, wie ihm der Schweiß aus allen Poren brach. Dann warf er sich plötzlich herum und hastete davon.

Isaac Henry Burton lag lang ausgestreckt auf seinem Bett im Obergeschoß der „Bloody Mary“. Schon seit Tagen war er Logiergast beim dicken Plymson.

Er nahm einen langen Zug aus der Whiskyflasche, und über seine eingefallenen Züge glitt ein böses Grinsen. O ja, dieser Tölpel von Seewolf hatte ihn eigenhändig über Bord der „Isabella VII.“ geworfen – und nur diesem Umstand verdankte er es, daß er noch lebte. Mehr noch: Von De Coria wußte er so einiges über die weiteren Absichten des Seewolfs. Und deswegen war er auf dem schnellsten Wege nach England gereist. Dabei war zwar ein ganz hübsches Sümmchen draufgegangen, aber das tat ihm nicht leid. Denn diese Narren von der „Isabella“ waren so dumm gewesen, seine Unternehmungen auch noch zu finanzieren. Allerdings, ohne daß sie davon auch nur das geringste ahnten. Denn bei seiner Suche nach Werkzeug, mit dem er De Coria aus seinem Gefängnis im Vorschiff befreien wollte, war er auf jene Kisten gestoßen, in denen die Seewölfe ihre Schätze verwahrten.

Ein paar bange Minuten – und schon hatte eine Handvoll wertvollster Perlen den Besitzer gewechselt.

„Diese Dummköpfe“, murmelte Burton, während er abermals einen Schluck trank. „Sie halten es ja nicht einmal für nötig, ihre Kisten zu bewachen. Glauben diese Narren denn allen Ernstes, daß einer den anderen nicht beklaut, wenn er dazu Gelegenheit findet?“

Wieder nahm Burton einen langen Schluck. Seine Gedanken spannen den Faden weiter. Klar, die „Isabella“ mußte früher oder später in den Hafen von Plymouth einlaufen. Denn die Frau des Seewolfs, diese höchnäsige Gwen, befand sich irgendwo in der Nähe der Stadt. Ganz bestimmt würde ihr Mann sie besuchen.

Wieder verzog sich das Gesicht Burtons zu einer Grimasse.

„Ich habe meine Vorkehrungen getroffen, Freundchen“, murmelte er im Selbstgespräch und rülpste dabei. „Der alte Plymson ist dumm genug, sich von mir und Keymis vor den Karren spannen zu lassen. Und er hat gute Leute, du schwarzhaariger Teufel, sehr gute sogar. Sie werden dich beschatten, wenn du zu deinem Schätzchen gehst und mit ihr ein Schäferstündchen abhältst. Und dann, Philipp Hasard Killigrew, du verfluchter Bastard, dann haben wir sie und damit auch dich!“

Der Gedanke gefiel Burton so, daß er sich die Hände rieb. „Wenn wir die Frau haben, dann werden wir auch schon bald wissen, was es mit jenem Geheimnis für eine Bewandtnis hat, über das ich so einiges in Spanien in Erfahrung bringen konnte, bevor dieser verfluchte Uluch Ali mich auf eine seiner Galeeren verschleppen ließ. Und wenn auch nur etwas von dem, was mir zur Kenntnis gelangte, stimmen sollte, dann bist du, du schwarzhaariger Bastard, mitsamt deiner Frau eine verdammt lohnende Beute. Dann habe ich nichts umsonst ertragen. Deine Demütigungen nicht, meine Niederlagen und auch die Zeit auf der Galeere nicht ...“

Burton unterbrach ruckartig seine Gedanken – wie immer, wenn diese Schreckensbilder in seiner Erinnerung emporstiegen und, ihn peinigten. Schweiß rann über seine Stirn. Er sah sich wieder auf der Ruderbank, angekettet. Den Aufseher, der ihm erbarmungslos die Peitsche über den Rücken zog, wenn er nicht mehr konnte, und deren Schläge schwärende Wunden auf seinem Rücken zurückließen. Er sah sich wieder in seinem eigenen, stinkenden Kot sitzen, spürte die Fieberschauer, die seinen Körper nachts geschüttelt hatten, den Durst und den Hunger, der in seinen Eingeweiden nagte.

Burton fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Er preßte die Hände vor die Augen, wollte von alledem nichts mehr sehen, nie mehr daran denken, aber es ging nicht.

Schweratmend setzte er sich auf. Da war noch etwas, was ihm ständig zusetzte, was ihn bis aufs Blut peinigte. Wer waren die Drahtzieher, die diesen Uluch Ali auf ihn gehetzt hatten? Wo verbargen sich diese tückischen Feinde, und wann würden sie wieder zuschlagen? Daß er das alles überhaupt überlebt hatte, das allein grenzte schon fast an ein Wunder.

Burton ließ sich ächzend zurückfallen. Es gab nur noch eins: Der Coup, den Keymis und er ausgebrütet hatten und bei dem der dicke Plymson ihr nur allzu willfähriger Handlanger sein würde – dieser Coup mußte gelingen! Sie würden den Seewolf vernichten, endgültig! Dieser Narr wußte ja nicht, welch einen gefährlichen und einflußreichen Feind er in dem Friedensrichter hatte.

Wieder wollte er zur Flasche greifen, aber er zog seine bereits ausgestreckte Hand blitzartig wieder zurück. Denn Schritte polterten die steile Stiege hoch, und an dem lauten Keuchen erkannte Burton, daß es der dicke Plymson sein mußte.

Burton fuhr hoch, und fast im selben Moment wurde die Tür seiner Kammer aufgerissen. Der dicke Plymson schoß nach Atem ringend hinein und blieb vor Burtons Lagerstatt stehen.

Seine Wurstfinger deuteten aufgeregt auf das nur angelehnte Fenster.

„Sie — sie ist — da!“ stotterte er, und angelte mit der Linken gleichzeitig nach seiner verrutschten Perücke.

Burton setzte sich ruckartig auf.

„Wer ist da, verflucht noch mal?“ blaffte er den Schankwirt an. „Und wenn du wieder hier hereinkommst, ohne anzuklopfen, dann ...“

Aber Plymson hörte nicht auf ihn.

„Die ‚Isabella‘ wurde eben an der Pier vertäut! Und jetzt werden diese Halunken an Land gehen, sie werden ...“

Burton schwang sich aus dem Bett. Ohne auf Plymson zu achten, stürzte er ans Fenster. Von seiner Kammer aus konnte er den inneren Hafen überblicken.

Er hatte scharfe Augen, und die Zeit auf der Galeere hatte seinen Körper gestählt. Auf den ersten Blick erkannte er den Segler, der dort gerade vertäut worden war.

„Tatsächlich!“ stieß er hervor. „Dieser Hund ist tatsächlich hierher gesegelt. Meine Rechnung geht also auf.“

Er sah den großen, schwarzhaarigen Mann, der jetzt das Achterkastell betrat und seiner Mannschaft offenbar einige Anweisungen gab, denn die Crew hatte sich in der Kuhl versammelt und hörte ihm zu.

„Der Seewolf!“ knirschte Burton, und er dachte in diesem Moment an all die Niederlagen, die ihm dieser Teufel mit den eisblauen Augen schon zugefügt hatte.

Aber dann fuhr er herum.

„Los, auf was wartest du noch, du Fettwanst?“ fuhr er den Schankwirt an. „Setz einen deiner Männer dem Seewolf auf die Spur. Ich will alles wissen! Alles, verstanden? Wohin er geht, mit wem er redet, wie lange er bleibt, wann er zurückkehrt. Der Teufel soll dich holen, wenn der Mann den Seewolf verliert oder er sich von ihm erwischen läßt!“

Plymson schüttelte den Kopf.

„Niemand schüttelt Pete Bow ab und niemand erwischt ihn. Den Mann kenne ich länger als Sie, Burton. Aber es bleibt bei dem, was wir vereinbart haben, der Mann ist nicht billig.“ Ein verschlagener Ausdruck erschien in dem feisten Gesicht des Schankwirts.

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