Kitabı oku: «Mein Leben - Meine Musik»

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Widmung

Für Julie …

Ich liebe dich mehr als den Himmel.

Impressum

Über den Autor: John Fogerty ist einer der einflussreichsten Gitarristen, Sänger und Songwriter in der Geschichte der Rockmusik. Er ist Mitglied der Rock and Roll Hall of Fame und einer der wenigen Musiker, die sich sowohl auf der Liste der 100 besten Sänger als auch der 100 besten Gitarristen des Rolling Stone befinden.

Deutsche Erstausgabe 2016

Titel der Originalausgabe:

„Fortunate Son – My Life, My Music“

© 2015 John Fogerty

ISBN 978-0-316-24457-2

Little, Brown and Company, a division of Hachette Book Group, Inc.

1290 Avenue of the Americas, New York, NY 10104, USA

Foto Buchvorderseite © Myriam Santos

Fotos Innenteil © John und Julie Fogerty, außer anders angegeben

Coverdesign und Satz: Thomas Auer, www.buchsatz.com

Übersetzung: Paul Fleischmann

Lektorat: Otmar Fischer

© 2016 by Hannibal

Hannibal Verlag, ein Imprint der KOCH International GmbH, A-6604 Höfen

www.hannibal-verlag.de

ISBN 978-3-85445-600-1

Auch als Hardcover erhältlich mit der ISBN 978-3-85445-499-1

Hinweis für den Leser:

Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Es kann jedoch keinerlei Gewähr dafür übernommen werden, dass die Informationen in diesem Buch vollständig, wirksam und zutreffend sind. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.

Inhalt

Vorwort: Wunderbare Träumereien

1. Meine Kindheit in El Cerrito

2. Das Wort mit „Sch“

3. Meine Einflüsse

4. „Da fehlt etwas“, meint R. B. King

5. The … Golliwogs?

6. Schmutzige kleine Kriege

Bildstrecke 1

7. Susie Q

8. Nur mithilfe der Musik

9. „Wir sind bei dir, John!“

10. Tom steigt aus

11. Dreibeiniger Stuhl

12. Vom Pech verfolgt

13. Frühling auf den Bahamas

Bildstrecke 2

14. Wechsel mich ein, Coach

15. Wild wie ein Nerz und süß wie Limonade

16. Zanz kann nicht tanzen, dein Geld stiehlt er dir aber dennoch

17. Wegkreuzungen

18. „Dies darf nur auf eine Weise enden!“

19. Warum ich nicht in der Rock and Roll Hall of Fame spielen wollte

20. Revival

21. Ein Song für jedermann

Epilog: Von oben betrachtet

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ALLES BEGANN mit einer Schallplatte. Für Kinder. Meine Mutter Lucile unterrichtete an einer Vorschule, die ungefähr eine halbe Meile eine staubige Straße hinunter von unserem Haus entfernt lag. Ich erinnere mich daran, wie ich mit vier oder fünf Jahren ein paar Mal dorthin spaziert bin. Ganz allein. So unschuldig war unsere Stadt – El Cerrito, Kalifornien – damals.

Eines Tages brachte mich meine Mutter nach der Schule nach Hause und gab mir diese Platte. Es war eine kleinformatige Kinderschallplatte und womöglich der erste Gegenstand, von dem ich noch weiß, dass er mir gehörte – mir allein. (Mein allererster Besitz war tatsächlich eine Puppe, die einen kleinen schwarzen Jungen darstellen sollte.) Meine Mom präsentierte sie mir richtiggehend, und wir hörten sie uns gemeinsam an.

Dieser Sound! Mir fuhr er ins Gehirn wie ein Blitz. Natürlich befand sich auf beiden Seiten dieser Platte jeweils ein Song. Die Interpreten könnten Fred Merkle and the Boneheads gewesen sein. Besser kann ich mich an die Songs erinnern: „Oh! Susanna“ und „Camptown Races“. Ich trug das Ding, bis ich drei oder vier Jahre alt war, mit mir herum. Oft denke ich darüber nach, ob darin der Ursprung meiner Liebe zu schwarzer Musik und schwarzer Kultur liegt.

Aus irgendeinem seltsamen Grund erklärte mir meine Mutter, dass Stephen Foster beide Songs geschrieben habe. Er sei ein Songwriter. Mich fasziniert einfach heute noch, dass meine Mom dies so betonte. Wenn man einem Kind „Rudolph the Red-Nosed Reindeer“ vorspielt, weist man es ja auch nicht darauf hin, dass der Song von Johnny Marks geschrieben wurde. Aber meine Mom nahm mich beiseite und erzählte mir das. In meinem Leben sind viele Dinge passiert, aber dieses Erlebnis hat bei mir einen riesigen Eindruck hinterlassen. Und wie ich schon gesagt habe, war ich damals noch nicht einmal vier Jahre alt.

„Camptown Races“ war eine eigenartige Nummer mit diesem ständigen „Duuh-daah, duuh-daah“. Allerdings hatte dieser Song auch etwas an sich, das mir gefiel. „Oh! Susanna“ war aber sogar noch besser! Ich mochte, wie die beiden klangen. Sie schienen richtig zu sein. Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken sollte, doch dasselbe Gefühl habe ich auch heute noch – ich spüre bis heute einfach die Richtigkeit eines Songs, wenn er funktioniert – Musik, Text, Herz, alles. Diese beiden Songs gehörten jedenfalls von da an zu meinen Lieblingsliedern, weshalb auch Stephen Foster sehr wichtig für mich wurde.

Nur eine Mom, ein Kind und eine kleine Schallplatte. Mich verblüfft das bis heute noch. Tatsächlich habe ich darüber sinniert, ob meine Mom nicht eine Art Plan gehabt haben könnte. Vielleicht wusste sie ja, dass dieser Augenblick eine wichtige Rolle für mich spielen würde – durch mein ganzes Leben hindurch. Indem sie einfach nur sagte: „Diese Songs sind von Stephen Foster“, öffnete sie mir eine Tür.

Wenn etwas einen so starken Eindruck auf dich macht, auch wenn du erst drei Jahre alt bist, dann willst du mehr davon. Und jedes Mal, wenn der Name Stephen Foster fiel, spitzte ich die Ohren: „Old Folks at Home“ (auch bekannt als „Swanee River“), „Old Black Joe“, „My Old Kentucky Home“ oder „Beautiful Dreamer“ – es gab so viele Songs von ihm. Über 200, wie ich später erfahren sollte.

All diese Geschichten, die Bilder, die Art und Weise, wie die Songs erzählt wurden – das alles nahm ich mir sehr zu Herzen. Fosters Songs schienen historisch, Teil Amerikas zu sein. Es war wichtig für mich – auf dieselbe Weise, wie auch Mark Twain wichtig für mich wurde. All dies fühlte sich an, als wäre es das Fundament Amerikas, so wie die Mayflower oder die Art, wie in Indiana Mais angebaut wird. Dies waren Dinge, die mir als Kind nicht bewusst waren – ich wusste nur, dass sie mir wirklich sehr gut gefielen.

Als schließlich die Zeit anbrach, mich selbst künstlerisch zu betätigen und zu entwickeln, wies mir Stephen Foster den Weg. Schaufelraddampfer und der Mississippi … Ich meine, hört euch nur „Proud Mary“ an, das könnte direkt von Stephen stammen! Und dann kam der Moment, in dem mir klar wurde, dass, wenn ich diesen Weg beschritt, es gut war. Wenn ich es richtig hinbekam, war der Nachhall immens – aber nicht immer unmittelbar und manchmal erst Jahrzehnte, nachdem ich zu einem Song inspiriert worden war. Ich begann aber, mir selbst Mut zuzusprechen, diese Richtung ausführlicher zu erkunden.

Hättet ihr mir aber erzählt, als ich 15 war und vor Betrunkenen in Kaschemmen wie dem Monkey Inn auftrat, es werde mir irgendwie gelingen, Rock ’n’ Roll mit Stephen Foster zu kombinieren, hätte ich euch für verrückt erklärt. Die Leute hörten sich meine Song an und fragten: „Woher kommt das bloß alles?“ Mir fiel es aber schwer, das zu erklären. Schließlich war ich noch nie am Mississippi gewesen, als ich „Proud Mary“ schrieb, und ich war noch nicht in Louisiana gewesen, als ich „Born on the Bayou“ schrieb. Trotzdem kam mir das alles vertraut vor. Und das tut es immer noch. Erst vor ein paar Jahren habe ich herausgefunden, dass Stephen Foster, obwohl er all diese Lieder über den Süden schrieb, eigentlich aus Pittsburgh stammte! Soweit ich weiß, schrieb er „Swanee River“, lange bevor er jemals den Süden besuchte. Zwischen unser beider Leben gibt es aber noch andere Parallelen. So wurde etwa auch Stephen um seine Tantiemen betrogen. Und es hätte auch noch andere Überschneidungen geben können: Foster endete nämlich als Alkoholiker und starb verarmt im Alter von nur 37 Jahren. Ein ziemlich trauriges, aber auch recht typisches Schicksal. Und wenn nicht meine Frau Julie gewesen wäre, dann hätte es mir auch so ergehen können.

Ich begann mit der Musik nicht, um Mädchen abzubekommen. Oder um berühmt zu werden. Oder reich. Diese Dinge wären mir gar nie in den Sinn gekommen. Ich begann mit der Musik wegen der Musik selbst. Ich liebte sie einfach. Für mich war (und ist) sie etwas Mystisches, etwas Magisches, und ich wollte Songs schreiben – gute Songs, großartige Songs, Songs, über die Stephen Foster nicht die Nase gerümpft hätte: „Proud Mary“, „Born on the Bayou“, „Have You Ever Seen the Rain“, „Lodi“, „Who’ll Stop the Rain“, „Green River“, „Fortunate Son“. Vermutlich kennt ihr ein paar davon. Wenn ihr mit dem letzten Song vertraut seid, dann verwundert es euch vielleicht, dass der Titel sogar für eine Biografie von George W. Bush entlehnt wurde! Anscheinend ist George W. ein Fan meines Songs „Centerfield“. Ich hörte jedenfalls, er habe ihn auf seinem iPod. Das brachte mich ins Grübeln: Hat er je irgendeinen meiner anderen Songs gehört – wie eben etwa „Fortunate Son“? Im Englischen trägt meine Autobiografie jedenfalls denselben Titel, doch wie passt er nun zu mir? Am besten lässt sich dies mithilfe einer Geschichte erklären, die mir erst unlängst – nämlich am amerikanischen Veteran’s Day – passiert ist.

Ich trat in einer Fernsehsendung mit dem Titel A Salute to the Troops: In Performance at the White House auf. Als Gastgeber fungierten hierbei auf dem Südrasen des Weißen Hauses Präsident Obama und die First Lady. Kurz nach der Übertragung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wurde die Aufzeichnung via American Forces Network auch rund um den Globus ausgestrahlt. Ein Teil dieses Abends zu sein war mir eine große Ehre. Der Produzent der Veranstaltung war Ken Ehrlich, der auch die Grammy-Award-Show produziert. Schon Jahre zuvor hatten Ken und ich uns für einen anderen Event zu Ehren von Vietnam-Veteranen in Washington zusammengetan. Dieses Mal fanden Ken, Julie und ich, „Fortunate Son“ sei genau der richtige Song für den Anlass. Unter anderem ist es ein Anti-Kriegs-Song, weshalb sich auch Widerstand formierte: „Nein, nein, bloß nicht diesen Song!“

Ich hatte großen Respekt: Wenn die Entscheidungsträger zu große Angst hätten und nicht wollten, dass ich den Song spielte, würde ich keinen Ärger machen. Ich war da, um für unsere Veteranen zu spielen, Männer und Frauen, die ich achte und denen ich mich ein wenig ähnlich fühlte. Wir haben jedenfalls schon seit Langem eine Beziehung zueinander, wenn man so will.

Also waren alle ein wenig angespannt. Präsident Obama saß ganz vorn, und ich bin mir sicher, dass er sich fragte: „War es die richtige Entscheidung, zu alldem hier meinen Segen zu geben?“ Als ich ans Mikro ging, sagte ich: „Ich möchte nur loswerden, was für ein tolles Land das ist, in dem wir leben. Gott schütze die Männer und Frauen, die uns beschützen.“ Anschließend stiegen meine Band und ich in den Song ein. Ich spielte den Riff an, und alle Soldaten sprangen auf. Da stand ich nun und schrie den Text: „It ain’t me! It ain’t me!“ All die Veteranen sangen begeistert mit und amüsierten sich prächtig. Unter ihnen befand sich auch ein Viersternegeneral. Sogar der Präsident tanzte mit, was überhaupt das Coolste war.

Ich beendete den Song und erntete eine überschwängliche Reaktion. Ich kehrte kurz ans Mikro zurück und sagte. „Und ja, ich bin ‚fortunate‘.“ Ich war tatsächlich ein Glückspilz. Über diese Ansage hatte ich mir bereits vor der Veranstaltung Gedanken gemacht, aber ich war mir bis zuletzt nicht sicher, ob ich sie tatsächlich bringen würde. Aber so sagte ich diese Worte und verließ die Bühne. Ich wollte damit ausdrücken: Das ist mein Song, und ich glaube an jedes einzeln Wort davon. Es sollte heißen: Seht mich an, mein Traum ist wahr geworden. Und außerdem wollte ich sagen: Was für ein tolles Land. Hier in Amerika, im Land der Freiheit, ist uns dies möglich. In Nordkorea ginge das nicht. In dieser Hinsicht bin ich tatsächlich ein Fortunate Son.

Für dieses Buch hatten wir bereits ein anderes Vorwort parat. Es war ziemlich actionreich und einigermaßen reißerisch. Fast schon filmisch. Robert Johnson, Bob Dylan, dröhnende Gitarren und ein unüberschaubares Ensemble inklusive. Sogar Richard Nixon hätte darin einen kleinen Gastauftritt gehabt, wenn ich nicht irre. Aber wisst ihr was? Das hätte nicht zu mir gepasst. Ich bin nämlich kein schriller Typ – eher simpel und herzlich. Und so sollte auch dieses Buch sein. Meine Miss Julie hat mich darauf hingewiesen. Julie. Ihr werdet diesen Namen noch oft in diesem Buch lesen. Es ist mein Ernst, wenn ich behaupte, dass ich mein ganzes Leben darauf gewartet hatte, ihr zu begegnen. Jeder, der mich besser kennt, weiß, dass sie die Liebe meines Lebens ist. Julie wird später noch selbst zu Wort kommen, denn sie weiß alles über mich. Es ist etwas ganz Besonderes, jemanden zu haben, mit dem man so offen sein kann. Und wenn ihr dieses Buch erst einmal zu Ende gelesen habt, werdet ihr so wie sie wissen, dass ich keine Angst vor der Wahrheit habe. Julie ist einer der Hauptgründe dafür, dass ich dieses Buch geschrieben habe. Sie ist sich der emotionalen Komponente durchaus bewusst. Früher habe ich es eher vermieden, darüber zu sprechen. Ich kann zwar drei Tage lang über James Burtons Gitarrenspiel quasseln und andererseits Themen wie Wut, Angst oder Unsicherheit in zwei Sätzen abhandeln. Es gab einmal eine Zeit, in der ich die Konflikte und Kontroversen rund um meine Band heruntergespielt hätte. Schließlich wollte ich mich nicht wie ein Jammerlappen anhören, und schon gar nicht wollte ich das Andenken von Creedence beflecken – immerhin war das ja noch immer meine Band.

Und so habe ich letzten Endes sehr oberflächlich über all diese Dinge berichtet, ohne dabei Einblick in meine wahren Gefühle zu gewähren. Ich kam einfach nicht auf den Punkt. Dies ist nun meine Chance, endlich ein paar Dinge geradezurücken.

Ich werde nichts schönreden oder für irgendjemanden Entschuldigungen erfinden – schon gar nicht für mich selbst. Teufel noch eins, ich bin schließlich kein Präsidentschaftskandidat. Also muss ich auch nichts verstecken. Es ist eigentlich sogar recht befreiend, Dinge im Kopf aufzuarbeiten und alles herauslassen zu können. Sobald man einmal die eigenen Fehlschläge unter die Lupe genommen hat, gibt es nicht mehr viel, das einen erschüttern könnte.

Ich werde euch einfach meine Lebensgeschichte erzählen, so wie ich sie sehe. Es ist die Geschichte eines Jungen aus El Cerrito und seines musikalischen Traums. Zuerst wurde er wahr – und dann verwandelte er sich in einen Albtraum. Seine Plattenfirma zog ihn über den Tisch und dann verriet ihn auch noch seine Band. Am schlimmsten von allem war, dass ihm seine Musik entrissen wurde, jene Songs, die ihm bis heute alles bedeuten.

Lest euch dennoch alles bis zum Ende durch, denn anders als so viele andere Geschichten über das Musikbusiness hat diese ein ehrliches Happy ­End.


ICH FUHR MIT MEINER FRAU JULIE und unserer Tochter Kelsy unlängst nach einem langen Tag nach Hause. Es fühlte sich so richtig an – wir drei zusammen im warmen Auto, zufrieden damit, wie der Tag verlaufen war. Plötzlich holte mich die Erinnerung ein an etwas, woran ich seit sehr langer Zeit nicht mehr gedacht hatte. Ich erinnerte mich daran, wieso ich diese gewöhnlichen Momente mit meiner Familie so schätze. In Gedanken war ich wieder in der neunten oder zehnten Klasse. An jenem Tag musste ich meine Hausaufgaben bei meinem Freund Michael Still abholen, da ich aus irgendeinem Grund der St. Mary’s High School ferngeblieben war. Er und sein jüngerer Bruder öffneten mir die Tür; beide trugen sie schmucke Bademäntel und Pyjamas und sahen aus wie frisch gewaschen. Mein Freund entschuldigte sich dafür, dass sie im Pyjama waren, und sagte: „Meine Mom möchte, dass wir uns schon vor dem Abendessen baden, damit wir dann einfach entspannen können.“ Entspannen.

Ich weiß noch genau, wie ich da stand und all die Wärme und Glückseligkeit, die mir aus diesem Haus entgegenströmte, spüren konnte. Ich dachte daran, wie gut diese Jungs versorgt waren. Obwohl ich noch ein Kind war, war mir die Diskrepanz zwischen dem Leben meines Freundes und meinem eigenen nur allzu bewusst: Er durfte sich entspannen, während ich nun nach Hause ging, in ein kaltes, leeres Haus, in mein karges Kellerschlafzimmer, das öfters überflutet war. Es gab keine fixen Essenszeiten – meine Mom war auf der Arbeit und mein Dad lebte nicht mehr bei uns. Nein, ich würde mich ganz sicher nicht entspannen.

Ich kam am 28. Mai 1945 zur Welt. Aufgewachsen bin ich in El Cerrito, Kalifornien. Vor Jahren machte ich den Fehler, ein Formular auszufüllen, in dem nach meinem Geburtsort gefragt wurde. Da es in El Cerrito kein Krankenhaus gibt, trug ich korrekt „Berkeley“ ein. Aber ich lebte dort nicht, und nun wird jedes Mal, wenn es um meine Kindheit geht, ein Ort genannt, der gar nicht meine Heimat ist.

Ich bin nämlich stolz darauf, aus El Cerrito zu stammen. Warme Bäder vor dem Abendessen hin oder her, ich liebte meine Kindheit und würde mit niemandem tauschen wollen. El Cerrito vermittelte mir eine andere Perspektive als jene, über die ein Junge aus New York City oder ein Songwriter aus Nashville verfügen würden. Solche Leute sind weltgewandter. Aus El Cerrito kam im Grunde genommen rein gar nichts, obwohl immerhin die Baseballspieler Pumpsie Green und Ernie Broglio die El Cerrito High School besucht haben. Dennoch bin ich sehr glücklich darüber, in einer Kleinstadt aufgewachsen zu sein.

Hier ging es geruhsam zur Sache. Alles lag nah beieinander, alles war einem vertraut und wohlgesinnt – und nicht annähernd so beängstigend wie heute. In der Nähe unseres Hauses befand sich eine Reihe von Geschäften: Bert’s Barber Shop, ein Lebensmittelladen, ein Drugstore, ein Schönheitssalon und Ortman’s Ice Cream, wo man für einen Vierteldollar ein Slush ‒ ein halbgefrorenes Erfrischungsgetränk ‒ erhielt. Als ich mit dem Fahrrad die Zeitung austrug, holte ich mir täglich eines. Es waren andere Zeiten. Als ich aufwuchs, gab es noch nicht viel Verkehr. Ein Sechsjähriger konnte noch ganz allein herumstreunen, mit einem Fünfcentstück in der Tasche zum Markt schlendern und sich einen Apfel kaufen. Ich weiß etwa noch, wie ich zum Metzger spazierte, um ihm Knochen für meinen Hund abzuschwatzen. Auch zur Schule bin ich zu Fuß gegangen. Wahrscheinlich waren die Klassen ziemlich groß, doch in meiner Erinnerung sind sie gemütlich. Der Lehrer sah und sprach mich direkt an. Einige Lehrer mochte ich richtig gern, etwa meine Lehrerin in der zweiten Klasse, Mrs. Fuentes. Auch Miss Begovich, die mich in der sechsten Klasse unterrichtete. Sie sprach über Bildung und intellektuelle Dinge auf eine Art und Weise, die Bedeutung vermittelte. Miss Begovich war eine Inspiration und nahm sich immer viel Zeit für mich.

Der örtliche Polizeibeamte hieß Ray Morris. Er fuhr auf einem dreirädrigen Motorrad, an das ich mich noch gut erinnere. Sein Name blieb mir aber deswegen im Gedächtnis, weil er in gewisser Weise mein Vorgesetzter war, schließlich war ich in der fünften und sechsten Klasse Schülerlotse ‒ ein Lieutenant mit einer Pfeife und einem Pullover. Und Officer Ray hatte das Kommando. Einmal besorgte ich mir eine Sirene, die man am Vorderrad des Fahrrads anbringen konnte; zusätzlich montierte ich einen alten Küchenwecker. Jedes Mal, wenn ich nun irgendwo vorfuhr, erklang dieser völlig abgefahrene Sound! Eines Tages brauste ich mit 20 Meilen die Stunde und unter dem Geheul von Sirene und Wecker die Fairmont Avenue hinunter und überquerte die Kreuzung mit der Ashbury Avenue, an der unsere Schule lag. Ray Morris saß dort auf seinem Motorrad und schüttelte nur den Kopf. Er kam aber nicht, um mich auszuschimpfen – ein Blick von ihm genügte. Officer Morris besuchte auch immer wieder mal unsere Pfadfindertreffen. Einmal wurde mir mein Fahrrad gestohlen, und im Handumdrehen brachte er es mir wieder zurück. Wenn ich heute daran zurückdenke, ist es schon bemerkenswert, wie vernetzt mein damaliges Leben doch war. Es war eine richtige Gemeinschaft.

Kinder – auch heute noch bevorzuge ich ihre Welt. Ich gehe jede Wette ein, dass ich jede einzelne Folge von SpongeBob Schwammkopf kenne. Das gilt auch für Hannah Montana und andere Kinderserien. Ich sehe mir diese Sendungen mit meinem eigenen Nachwuchs an. Ein Kind kann sich eine Ewigkeit mit einer unscheinbaren Sache befassen. Erwachsene wirken kurz angebunden und fahrig auf sie, weil sie sich auf nichts einlassen können und ständig in Eile sind. Kinder sind sich dieser Erwachsenenwelt bewusst und denken sich: Das ist schon okay – wenn ich nichts allzu Schlimmes anstelle, werden sie mich schon in Frieden lassen. Also wandert man durch seine eigene kleine Welt, während einen das, was die Erwachsenen so treiben, in der Regel kaltlässt. Zumindest traf das auf mich zu.

Im Drugstore in der Nähe unseres Hauses gab es auch einen Getränkespender. Ich legte meine zehn Cent auf den Verkaufstresen, und aus ein wenig Sirup und Sprudelwasser machten sie einem eine Limo. Irgendwann saß ich da und starrte das Etikett der Green-River-Limo auf der Sirupflasche an. Es war eine anheimelnde Illustration eines gelben Mondes, der zwischen beiden Ufern über einem Fluss hing – ein bisschen in der Art des Logos der Plattenfirma Sun Records. Dieses Design fesselte mich, und ich dachte mir: „Wow, da würde ich gerne mal hingehen.“

Green River – ich speicherte diesen Namen in meinem Kopf ab. Warum tat ich so etwas bloß? Ich war ja erst acht, dennoch saugte ich alles auf, von dem ich dachte, dass es mir irgendwann später im Leben einmal nützlich sein könnte – auch wenn ich nicht wusste, wofür. Aber so ist man als Kind eben. Alles ist wichtig.

In El Cerrito gab es ein Autokino, „Motor Movies“, wie wir es nannten. Als wir in der Ramona Avenue 226 wohnten, lag mein Zimmer über der Garage, und ich schlief in der obersten Etage eines Stockbetts. Von dort aus konnte ich die Filme mitansehen. Ich weiß noch, wie ich Blondinen bevorzugt und Moulin Rouge durch mein Fenster sah – und außerdem noch ein paar Gruselfilme, die mich meine Mom nicht hätte sehen lassen.

Wir Kids fuhren gerne mit unseren Rädern auf dem Gelände des Autokinos umher. Ich kletterte dort auch regelmäßig an der Innenseite der Leinwand bis ganz oben hoch. Neben dem Autokino befand sich ein altes Ziegelsteinhaus, das Adobe Restaurant. Meine Mom erzählte mir, dass es dort einst Spielautomaten gegeben hatte. Außerdem erfuhr ich, dass dieser Ort in den Dreißiger- und Vierzigerjahren wohl einen zweifelhaften Ruf genossen hatte. Als das Autokino schließlich geschlossen wurde, um einem Einkaufszentrum Platz zu machen, fackelte ein Brandstifter das Adobe ab – womöglich, um auch dieses Grundstück für das Einkaufszentrum frei zu machen. Ich weiß jedenfalls noch, wie ich durch die Ruine schritt und dort Nägel aus dem frühen 19. Jahrhundert fand.

Nicht weit von unserem Haus lag ein echt cooler Ort zum Spielen. Er hieß Indian Rock, es handelte sich dabei um ein paar Felsblöcke, zwischen denen man sich hindurchquetschen konnte. Es war toller Ort zum Versteckenspielen.

Allerdings bot uns damals, als ich auf der anderen Straßenseite in der Eureka Avenue wohnte, unsere Highschool immer noch den ultimativen Spielplatz. Eigentlich ist es ein Wunder, dass wir dort nicht alle draufgingen. Ich erinnere mich lebhaft an diese großen Röhren, zwischen eineinhalb und zweieinhalb Fuß im Durchmesser. Wir waren ja noch klein, weshalb wir in sie hineinkriechen und uns am hinteren Ende verstecken konnten. Um Himmels willen, es wäre einfach gewesen, uns darin einzusperren. Niemand hätte uns jemals gefunden! Dann gab es da noch Hügel aus Sand und Kies, die vermutlich der Zementproduktion dienten. Außerdem hingen da noch überall Seile herum, an denen man hinaufklettern und wieder hinunterrutschen konnte. Ich denke aber, dass wir den Bogen überspannten, als wir, die wir alle ehrgeizige junge Baseball-Cracks waren, Glasscheiben, die wir dort fanden und die vermutlich für die Fenster unserer Klassenräume vorgesehen waren, als Zielscheiben verwendeten. Und natürlich kam man uns auf die Schliche!

An einem sonnigen Vormittag – ich war ungefähr vier Jahre alt – kletterten Mickey Cadoo und ich zuerst auf ein paar kleinere Aprikosenbäume und stopften uns unsere Taschen mit unreifen Früchten voll. Dann, nachdem wir ein paar der grünen Aprikosen verputzt hatten, beschlossen wir, das Schulgebäude zu erklimmen. Das oberste Stockwerk befand sich immer noch im Bau, jedenfalls standen da viele Holzteile kreuz und quer, die noch nicht vernagelt waren. Irgendwie gelang es uns, dorthin zu gelangen und uns auf das Gerüst zu stellen. Über uns war nur noch der freie Himmel. Um alles noch ein wenig gefährlicher zu machen, hatte ich meine Schuhbänder geöffnet und ließ sie hinunterbaumeln. Die beiden gegenüberliegenden, vielleicht zehn Fuß voneinander entfernten Seiten des Gerüsts waren durch eine lange, schmale Planke miteinander verbunden. Dieses Holzbrett war ungefähr sechs Zoll breit und ein Zoll dick. Als ich es betrat, begann es auf und ab zu schwingen. Da erspähte ich meinen Dad, der vor unserem Haus stand, das ja auf der anderen Straßenseite lag. Da war ich nun 50 Fuß über dem Boden und rief ihm zu: „Hey, Dad, sieh mal! Ich bin hier oben!“

Nun, mein Dad blickte tatsächlich zu mir hoch. Sein Herz muss stehen geblieben sein. Er sprang auf und ab, als ob er tanzte, und gestikulierte wie wild. Schließlich rief er mir zu: „Beweg dich nicht, Johnny! Bleib, wo du bist! Beweg dich bloß nicht!“ Irgendwie gelang es mir, meine Position zu halten, bis mein Dad das Gebäude hochgeklettert war, um uns in Sicherheit zu bringen. Das war ganz schön knapp!

Ich lebte, bis ich 40 Jahre alt war, in El Cerrito und Umgebung. 1986 – also lange nachdem ich meinen Dienst als Schülerlotse quittiert hatte – wurde der 15. Juli dort zum John-Fogerty-Day erklärt. Die zugehörige Zeremonie fand im kleinen, aber feinen Rahmen statt. Der Bürgermeister hielt eine Rede, und auch ein paar Fans hatten sich eingefunden. Normalerweise wird einem ein eigener Tag gewidmet, wenn man etwas erfunden oder ein Heilmittel für eine Krankheit entdeckt hat. In meinem Fall berief man sich auf ein paar meiner Songs wie etwa „Proud Mary“ und „Down on the Corner“. Nicht jedem wird seitens seiner Heimatstadt ein eigener Tag zuteil, weshalb diese Ehre für mich etwas ganz Besonderes darstellte. Ich werde mich immer dankbar daran erinnern.

Ich liebte den Song „Shoo-Fly Pie and Apple Pan Dowdy“, als Kind sang ich ihn ununterbrochen. Anscheinend fing ich eines Sonntagmorgens auch in der Kirche an, ihn zu singen. Vielleicht hatte mich ja auch der Heilige Geist am Wickel, als ich aufsprang, um zu tanzen, und mir, um den Text des Liedes zu illustrieren, mit weit aufgerissenen Augen den nackten Bauch rieb. Die versammelte Kirchengemeinde amüsierte sich prächtig über diesen aufgedrehten, windeltragenden Dreikäsehoch, der laut vor sich hin krakeelte. Je mehr meine Eltern versuchten, mich zum Schweigen zu bringen, desto mehr lachte mein „Publikum“. Mir wurde jedenfalls erzählt, ich hätte einen ziemlichen Tumult verursacht. Erst zwei Jahre alt und schon auf dem Weg zur ewigen Verdammnis!

Übrigens konvertierten meine Eltern zum Katholizismus, als ich zwei Jahre alt war. Sie ließen mich taufen – und ja: Ich kann mich sehr wohl noch daran erinnern, und mir gefiel es überhaupt nicht. Jemand hielt mich fest, und als der Priester mir Wasser über die Stirn goss, dachte ich: Willst du mich etwa ersäufen?

Ich erinnere mich noch daran, wie wir damals im Dunkeln im Auto fuhren. Meine Eltern sangen dabei traditionelle amerikanische und irische Lieder wie „By the Light of the Silvery Moon“, „Shine On, Harvest Moon“, „Little Sir Echo“, „Danny Boy“. Solche Sachen eben. Sie sangen nicht etwa zum Radio, sondern nur miteinander. Sie sangen auch einen Song mit dem Titel „Cadillac“: „Cadillac, you got the cutest little Cadillac.“ Ich fand es komisch, dass jemand einen Song über ein Auto schrieb, aber meine Eltern erklärten mir, es handele sich dabei um eine Nummer, die eigentlich „Baby Face“ heiße, sie aber einfach den Text abgeändert hätten.

Als schließlich Little Richards zweites Album sowohl „By the Light of the Silvery Moon“ als auch „Baby Face“ enthielt, leuchtete mir das ohne Weiteres ein.

Meinen Eltern beim Singen zuzuhören war echt schön. Sogar damals fiel mir schon auf, dass es sich „voll“ anhörte. Ich saß da zwischen ihnen und sang manchmal auch schon mit. Wenn einer von beiden einen anderen Ton anstimmte, um die Melodie eines Liedes wie etwa „Jingle Bells“ zu ergänzen, machte mich das neugierig. „Das klingt gut, aber was macht ihr da?“, fragte ich nach. Sie meinten, dass sie Harmonien sängen. Meine Eltern waren richtig gut darin.

Das war das erste Mal, dass ich von Harmonien erfuhr, dort auf dem Vordersitz unseres alten Familienautos. Kurze Zeit später, als ich wahrscheinlich gerade die vierte Klasse besuchte, erhielten wir ein Mal pro Woche eine Stunde Musikunterricht von einer gewissen Mrs. Gustavson. Dort sang ich zum ersten Mal „The Erie Canal Song“ und „This Land Is Your Land“. Wir lernten diese Songs aus einem amerikanischen Liederbuch. Manchmal sangen wir a cappella und manchmal zur Klavierbegleitung. Ich freute mich jedenfalls immer darauf. Alle sangen und folgten der Melodie, während ich versuchte, Harmonie dazu zu singen. Es machte mir großen Spaß, einen Ton unter oder über dem zu singen, was der Rest der Klasse sang. Und da 40 andere Kinder ihren Part sangen und nur ich meinen Part, konnte ich das Experiment wagen. Zwar ging ich ein wenig unter zwischen all den anderen Stimmen. Aber ich konnte mich hören. Wenn ich schief sang, konnte ich mich schnell genug korrigieren. Meiner Klassenlehrerin ebenso wie der Musiklehrerin fiel auf, dass ich Harmoniegesang beisteuerte – und es sich gut anhörte. Eines Tages sangen wir „Come Now and See My Farm for It Is Beautiful“, und Mrs. Gustavson blickte in meine Richtung, während ich vor mich hin sang. Ich fragte: „Ist das gut so?“ Sie bejahte dies und lächelte.

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