Kitabı oku: «Psychophysiologie (1899)», sayfa 3
Die Physiologie hat sich hauptsächlich in zwei Schulen gespalten, wovon die eine die mentalen Phänomene verkörperlicht, indem sie sie ausschließlich auf physiologische und physische Ursachen zurückführt, während die andere sie idealisiert, indem sie ihnen bildhafte Namen gibt, die aber eigentlich keine Erklärung der Phänomene liefern. Durch die Kombination beider Anschauungen haben wir eine grundlegende physische und physiologische Basis für die ideale Interpretation dieser Phänomene. Sobald wir den Bereich des Transzendenten betreten und hinter all diesen physischen oder mentalen Phänomenen die Existenz einer metaphysischen Essenz voraussetzen, wird die Erklärung deutlicher, denn dann erweisen sich diese geistigen und körperlichen Phänomene schlicht als Offenbarungen jener inneren, tieferen und wahreren Existenz. Die Schwierigkeit dabei ist aber, dass ein derartiges Wesen, das die Metaphysiker als Seele identifizieren würden, in keiner Weise durch die Wissenschaft bewiesen werden kann. Im besten Fall handelt es sich einfach um eine metaphysische Konzeption.
Wir versuchen nicht, diese Frage zu lösen. Doch es bleibt eine bedeutende physiologische Frage: Hat die Physiologie irgendeine Begründung dafür, dass sie das Bewusstsein und die gesamten psychischen Phänomene im frontalen Bereich des Gehirns lokalisiert? Sofern wir die Fakten der vergleichenden Physiologie richtig interpretieren, gründet diese Theorie nicht auf Tatsachen. Die Physiologen lokalisieren im Gehirn die Sinnesempfindungen, womit gemeint ist, dass dort all jene Impulse enden, die in Bewusstsein resultieren. Doch die anderen Anteile des Nervensystems, die die Impulse zu diesem Sensorium übertragen, können ebenso viel mit Bewusstsein zu tun haben wie das Sensorium selbst. Auch bei den niederen Tieren, deren Gehirnentwicklung relativ einfach ist und die keine der charakteristischen kortikalen Gehirnwindungen besitzen, die man beim Menschen mit mentalen Phänomenen in Verbindung bringt, finden wir Bewusstsein. Diese auf der vollkommenen Einheit des Körpers und insbesondere des Nervensystems basierende Sichtweise überwindet die von der modernen Physiologie betonte Schwierigkeit einer perfekten Lokalisierung der verschiedenen Funktionen.
In den frühesten Zuständen der Zellentwicklung erkennen wir, dass die einzelne Zelle der Stimulation unterliegt und bestimmte molekulare Veränderungen durchmacht. Diese Veränderungen senden Impulse an andere Zellen und ebenso entlang der Nervenbahnen bis zur Oberfläche des Körpers. Wird die erste Zelle, die aufgrund ihrer Fähigkeit, Impulse zu empfangen und zu übermitteln, funktionell mehr oder weniger differenziert ist, durch kontinuierliche Stimulation stärker spezialisiert, sodass ihre Veränderungen an diese besondere Art der Stimulation angepasst werden und auf derartige äußere Stimuli gewohnheitsmäßig reagieren, dann sind das die ersten Anfänge von Bewusstsein und Gedächtnis. Sogar hier ist aber Bewusstsein nicht das Produkt von Veränderungen, die in den Zellen stattfinden, denn selbst eine Kenntnis aller inneren Veränderungen würde kein Bewusstsein zur Folge haben, weil das Bewusstsein nur in Verbindung mit äußeren Manifestationen entsteht. Einige haben dies mit der Vermutung zu erklären versucht, dass mit Materie ein Bewusstsein verbunden ist. Das kann jedoch nicht der Fall sein, denn wir finden keine Verbindungslinie zwischen physischer Materie und psychischem Bewusstsein. Folglich finden wir zwei anscheinende Gegensätze, die einander nicht verursachen. Manche haben diese Verbindung dadurch vervollständigt, dass sie irgendeine Art von Energie mit dem Verursachen von Bewusstsein gleichsetzen. Energie ist aber eine physische Eigenschaft, aufgrund derer eine bestimmte Materie oder bestimmte Materien die Fähigkeit zu agieren besitzen. Dieses Agieren hängt von den aktiven Veränderungen ab, die in den einzelnen Elementen stattfinden. Bilden diese Veränderungen, die in den Zellen vermutlich auf der Basis molekularer Aktivität geschehen, die Grundlage des Bewusstseins, dann muss Bewusstsein eine materielle und keine psychische Qualität sein. Denn das Ergebnis kann nicht mehr enthalten als die Ursache. Bewusstsein lässt sich also nicht anhand einfacher Substanzveränderungen oder Materiebewegungen erklären und ist daher unerklärbar – es sei denn, wir stellen für das Psychische wie für das Physiologische die Hypothese auf, dass jedes in seiner eigenen Sphäre die Basis seiner eigenen charakteristischen Aktivität bildet. Betrachten wir das Nervensystem als komplexes Gebilde aus Nervenmechanismen, wobei jeder Mechanismus in seiner einfachen Form eine Aktivität erzeugt, in der es Bewusstsein gibt, dann ist das gesamte Nervensystem aus psychischer Sicht eine komplexe Serie bewusster Zustände. Bewusstsein kann dann nicht nur im ganzen Gehirn existieren, sondern auch in allen Zellen, die das komplexe Gehirn konstituieren. Wird ein sensorischer Teil des Körpers stimuliert, kommt es zur Übertragung des Eindrucks in das Zentrale Nervensystem und löst irgendeine Reflexbewegung aus. Dies bezeichnet eine Reflexhandlung, die, zumindest vom Gehirnzentrum her, ohne Volition vor sich geht. Und doch gibt es ein Bewusstsein der Veränderungen, die im Zusammenhang mit dem Empfangen und Verteilen der Impulse stattfinden. Das Zentrum der Reflexreaktion außerhalb des Gehirns besitzt eine enge Verbindung mit den Zellen der grauen Substanz im Gehirn, sodass jeder sensorische Bereich des Körpers eine Verbindung mit einem Gehirnbereich besitzt. Eindrücke können von diesen zerebralen Zentren reflektorisch nach außen zu anderen Zentren verlaufen, woraus unwillkürliche Bewegungen entstehen. Es können aber auch Impulse von den sensorischen Zentren im Kortex zu den Zentren der volitionalen Impulse passieren, woraus willkürliche Bewegungen entstehen. Jeder willkürliche Vorgang ist jedoch im Wesentlichen eine Reflexreaktion, abhängig von einer afferenten Stimulation, die beim Hervorrufen des Vorgangs oder schon zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt.
Die Eindrücke in den Zellen oder Zellen-Kombinationen bleiben erhalten und bilden das Gedächtnis, sodass die Volition bei einer Erregung der Impulse eine Basis hat, auf der sie agieren kann. Hinzu kommt, dass beim Sehvorgang ein auf der Retina geformtes Bild vom Nervus opticus zu den koordinierenden Corpora quadrigemina11 und von dort weiter zum optischen Bereich im Kortex übermittelt wird. Dieses Bild erzeugt, wenn es sich den Zellen einprägt, ein Erinnerungsbild, das unter dem Einfluss von Impulsen im Bewusstsein geweckt werden kann, um eine Aktivität hervorzurufen. Solche sensorischen Eindrücke können jedoch nicht nur Bewusstsein im Zerebrum erregen, sondern auch im Zerebellum, in welchem die Koordination stattfindet. Es ist wahrscheinlich, dass es sensorische Bereiche sowohl im Zerebrum als auch im Zerebellum gibt. Verhält es sich so, dann stellen die Gehirnwindungen des Zerebrums und den Sitz der regulären rhythmischen, von Volition unabhängigen Bewegungen dar und die des Zerebellums das willkürliche Element in allen Bewegungen. Werden aufgrund der Aktivität eines Objekts bzw. von Objekten verschiedene Sinnesempfindungen als Stimuli auf verschiedene Teile der sensorischen Fläche hervorgerufen, beginnen in verschiedenen kortikalen Bereichen molekulare Veränderungen. Diese Bereiche sind durch die Assoziationsfasern so miteinander verbunden, dass das Bewusstsein, sobald es die verschiedenen Eindrücke empfängt, sie zu einer einzigen Anschauung kombinieren kann. Anstatt zu einem mentalen Bild zusammengefasst zu werden, können diese kombinierten Impulse jedoch auch Muskelbewegungen hervorrufen, wobei die Bewegungen weitestgehend von den stimulierenden Ursachen abhängen. Sind die Stimuli stark, laufen die Impulse zu den Nervenzellen im Gehirn, wo sie aufgrund ihrer Stärke einen lebhaften Eindruck hinterlassen, der auch bei abgeblasster Stimulation verbleibt und sich durch eine leichte äußere oder innere Stimulation wieder abrufen lässt.
Hier haben wir die physiologische Basis der Gedankenassoziation, die in der Psychologie einen herausragenden Platz einnimmt, und ebenso die Basis von Gedächtnis und Erinnerung. Durch andauernde Wiederholung dieser Prozesse werden die Eindrücke so eng mit dem Zellkörper verbunden, dass sie schließlich inhärenter Teil des Zelllebens sind, somit durch Vererbung von Generation zu Generation weitergegeben werden und die physiologische Grundlage mentaler Intuitionen bilden. Derartige Intuitionen repräsentieren Modifikationen des Gehirns unter dem Einfluss der mentalen Entwicklung, wobei jedes Gehirn seine eigene Entwicklungsstufe in der Evolution darstellt. Wo es eine große Anzahl und Vielfalt von Eindrücken gibt, finden wir auch große Variationen in den Zellveränderungen und auch eine entsprechende Vielfalt bei den mentalen Phänomenen. Sind diese Eindrücke im Gehirn derart festgelegt, dass ein Stimulus aus einem anderen Bereich des Gehirns eine Reaktion hervorrufen kann, dann liegt ein voll entwickelter Geisteszustand vor. Auf diese Weise lassen sich Bilder von Szenen, die vom Sehsinn erfasst werden, oder Objekte, die in Kontakt mit dem Tastsinn kommen, in den Gehirnzellen speichern, um dann durch einen mentalen Stimulus wachgerufen zu werden.
Manche Physiologen behaupten, sie ließen sich spontan erwecken, was aber vermutlich nicht richtig ist, weil die dem Anschein nach spontanen Aufrufe eben doch von einer schwachen, oft indirekten Stimulation abhängen. Der Anblick eines Objekts kann Eindrücke abrufen, die zuvor mit einem derartigen oder einem analogen Objekt verbunden waren. Ein einfacher Abruf genügt, um schlummernde Eindrücke zu wecken. Phänomene, die zunächst rein willkürlich zu sein scheinen, werden dann zu reinen Reflexen oder sind zumindest nicht mehr mit bewusstem Wollen verbunden. Ein Kind etwa wird durch beharrliches Bemühen fähig, willentlich zu laufen. Nach der Kindheit können diese Bewegungen aber auch gänzlich unbewusst ausgeführt werden. Auf dieselbe Weise können mentale Phänomene so vollständig unbewusst werden, dass man bestimmte Handlungen oft als rein instinktiv bezeichnet.
Man stimmt allgemein darin überein, dass es unbewusste mentale Aktivität geben kann, deren Ergebnis später bewusst wird. Geistige Entwicklung setzt einen aufnahmefähigen Zustand der Nervenzellen ebenso voraus wie ein aktives Mitarbeiten dieser Zellen bei den zur molekularen Entwicklung gehörenden Veränderungen. Reguliert wird dies gewissermaßen durch die Selektionsfähigkeit, die im Falle verschiedener Eindrücke eine Konzentration auf bestimmte Eindrücke bei gleichzeitigem Ausschließen anderer erlaubt, sowie durch die Zellenaktivität im Zusammenhang mit speziellen Eindrücken und durch die Fähigkeit, diese Eindrücke zu assoziieren. Jedes dieser Elemente hat eine physiologische Grundlage im Zentralen Nervensystem und kann durch Übung stabiler werden, denn die Gehirnentwicklung hängt weitestgehend von geeignetem Training ab. Das bedeutet, dass sich Individuen in Bezug auf die Grundbeschaffenheit ihres Nervensystems voneinander unterscheiden, was wiederum die Grundlage für graduell unterschiedliche Intelligenz und Entschlusskraft bildet. Allerdings basieren diese primär auf erblich Erworbenem, das zusammen mit dem System selbst von den Vorfahren weitergegeben wurde.
So erhält jeder durch die Geburt nicht nur einen Körper, sondern auch einen Geist – die Basis mentaler Eigenart und Entwicklung. Während der Mensch nun von diesem Anfangspunkt seiner geistigen Entwicklung ausgehend beginnt, wird diese Entwicklung hauptsächlich durch Umweltgegebenheiten und Erziehungsprozesse bestimmt. Die Willensstärke lässt sich ebenfalls durch Übung steigern, sodass die hemmende Kraft weitestgehend von denselben Erziehungseinflüssen abhängt. Das meinen wir, wenn wir vom Geist als einer Einheit sprechen, die aus bestimmten, die Stufe der mentalen Entwicklung kennzeichnenden Handlungsfunktionen besteht. Die Fähigkeit zu weiterer Entwicklung ist das Charakteristikum jedes normalen Geistes.
Methode
Da Physiologie und Psychologie wie gesagt miteinander verbunden sind, muss die Vorgehensweise auf zweierlei Art erfolgen. Physiologie ist dabei das Mittel zum Aufbauen der Wissenschaft von der Psyche. Mit anderen Worten: Es geht um Psychologie mit physiologischer Methode. Die ältere Definition von Psychologie bezieht sich auf die Wissenschaft von der menschlichen Seele. Manche drücken es noch spezifischer aus, indem sie die Seele auf den subjektiven Geist begrenzen, so wie es Erdmann allein dadurch tut, dass er behauptet, es handele sich um die Grundlage des spirituellen Lebens. Wir nehmen die Existenz einer metaphysischen Entität als gegeben an, obwohl wir keinerlei Möglichkeiten haben, sie nachzuweisen. Da wir erkennen, dass es schwierig ist, eine Wissenschaft, insbesondere eine neue, zu definieren, dürfen wir nicht den Fehler machen, eine ideale Definition zu akzeptieren und dann zu versuchen, die Tatsachen mit dieser Definition in Übereinstimmung zu bringen. Deshalb sollten wir Psychologie eher beschreiben als definieren – nämlich als jenen Wissenschaftszweig, der die Phänomene des menschlichen Bewusstseins anhand physiologischer Methoden aus psychophysiologischer Perspektive erforscht. Denn wir haben es hier mit Daten zu tun, die nicht definiert werden können: nämlich mit dem Bewusstsein und seinen Phänomene.
Wenn wir die Phänomene richtig verstehen, können wir sie mit den Fachbegriffen »psychische« oder »bewusste Zustände« bezeichnen. Da allein Erfahrung solche Phänomene entdecken kann, ist der Versuch, sie zu beschreiben, wie sie sind, und ihre Zusammenhänge, die Art und Weise ihres Entstehens und ihres Miteinanderverbundenseins aufzuzeigen, Gegenstand unserer gegenwärtigen Untersuchung. Phänomene implizieren selbstverständlich, dass hinter ihnen ein Urgrund steckt. Daher können wir sie nicht erforschen, ohne die Existenz eines empfindenden Wesens vorauszusetzen, das »ego« oder »ich« sagen kann. Worin aber besteht nun dieses Ego?
Rein theoretisch sagen wir, dass es sich um die Seele handelt, doch es existiert und empfindet praktisch im Körper. Für den Menschen ist nun wiederum reiner Materialismus unmöglich, denn für ihn gibt es nur eine einzig reale Welt: die Welt des Denkens. Das Denken und der Gedanke erschaffen ihre eigenen Umgebungen. Der Mensch baut sich seine objektiven Verhältnisse aus der subjektiven Perspektive auf, sodass die Materie, ob sie nun aus dem pflanzlichen oder tierischen Bereich stammt, nach dem Abbild der Seele und durch die Seelenkraft der Person selbst geformt wird. Durch diese konstruktive Kraft der Erfahrung baut der Mensch für sich selbst seine personale Identität auf, wobei die Erinnerung an dieses Gleichsetzen von Sein mit einer Person das verbindende Glied in seinen sich stets verändernden Lebenserfahrungen bildet. Dies führt den Menschen zu der Schlussfolgerung, dass es innen ein Subjekt geben muss, das allen Phänomenen des Bewusstseins zugrunde liegt. In diesem Licht betrachtet der Mensch seine Erfahrungen als sein eigenen, seine Verantwortlichkeit als seine eigene und nicht als die eines anderen, empfindet diese Identität oder dieses Selbstsein als zu ihm gehörend und setzt sie von Tag zu Tag fort. Das Wort Geist oder Seele wird daher als gleichbedeutend mit dem Subjekt bewusster Phänomene verwendet. Wir bevorzugen das Wort Geist, weil es in gewissem Sinn von den mit dem Begriff Seele verbundenen Vorurteilen frei ist und keine besonders kompromittierenden Bezüge auf das soziale oder religiöse Leben hat. Demnach ist physiologische Psychologie eine Wissenschaft, die den menschlichen Geist aus der Perspektive seiner physischen und psychologischen Zusammenhänge erforscht.
Physiologie als Wissenschaft beschäftigt sich mit jenen Funktionen des Lebens, die wir im physischen Organismus verkörpert finden. In der Psychologie haben wir es dagegen mit den Phänomenen des Bewusstseins zu tun, wie sie in Verbindung mit dem Nervensystem und den körperlichen Bewegungen und Vorgängen auftreten. Daher müssen wir uns mit Relationen und Korrelationen befassen, die zwischen der Struktur und den Funktionen des Nervensystems und des Körpermechanismus sowie den Phänomenen des Bewusstseins bestehen. Das Nervensystem wird als Mechanismus betrachtet, der enge Beziehungen zum gesamten Körpersystem hat und es über diese Beziehungen steuert. Die Psychologie betrachtet die Physiologie des Nervenmechanismus in seinem Ursprung und seiner Struktur, bestehend aus materiellen Teilchen, die einer mit benachbarten Teilchen zusammenhängenden inneren Stimulation, aber auch einer mit externen Formen zusammenhängenden äußeren Stimulation unterworfen sind. Folglich konstituiert das Agieren und Interagieren der Moleküle die lebende Substanz und stellt bestimmte Beziehungen und Einflüsse dar – und zwar nicht nur physiologische Funktionen, sondern auch psychische Phänomene.
Was die Methode anbelangt, haben wir bereits festgestellt, dass sie zweifach sein muss. Beim Verbinden zweier Wissenschaften müssen beide wissenschaftlichen Methoden übernommen werden. Die einzige Methode, die sich in Bezug auf das Bewusstsein und dessen Phänomene anwenden lässt, ist Selbstbeobachtung. Beobachtung und Experiment stellen dagegen die geeignete physiologische Methode dar, um sich mit Struktur, Funktionen und Entwicklung zu befassen. Da es sich um zwei Reihen von Tatsachen handelt, müssen beide Methoden befolgt werden. Das einzig [brauchbare] wissenschaftliche Verfahren zum Aufbauen einer Wissenschaft setzt bei einzelnen Fakten an oder verwendet die induktive Methode. Daher müssen wir
(1) die mit dem Bewusstsein verbundenen Phänomene entdecken und erörtern,
(2) versuchen, sie in bestimmte Beziehungen und Zusammenhänge zu bringen, um die Gesetze herauszufinden, die das Hervorbringen von Phänomen steuern, und
(3) von den Phänomenen und den Prinzipien, die deren Beziehungen regeln, emporsteigen zum Wesen des denkenden Subjekts, das den Phänomenen zugrunde liegt.
Hier ist die Methode deshalb zweifach, weil es zwei Reihen von Phänomenen gibt und weil die Gesetze, die diese beiden Reihen bestimmen, verschiedener Ordnung sind oder zumindest im Physischen und im Psychischen unterschiedlich angewendet werden müssen. Die eine Ordnung unterliegt den Zwängen materieller Gegebenheiten, während die andere von einem freien Geist bestimmt ist. Nicht Beziehungen, sondern Wechselbeziehungen zwischen den beiden Ordnungen der Phänomene sind es, die wir hier herstellen müssen, indem wir sie zusammenbringen und enthüllen, worin das Geheimnis harmonischer Korrelation zwischen dem Physischen und dem Psychischen liegt. Gelingt uns das, dann haben wir eine psychophysische Basis, um den Geist darauf zu stützen, und einen psychophysischen Standpunkt, von dem aus wir sein Wesen, seinen Ursprung, seine Bestimmung sowie seine Ansprüche auf permanente Existenz erörtern können.
Da Wissenschaft aus Wissen besteht und eine wissenschaftliche Methode das rationalste Mittel zum Erwerben dieses Wissens ist, kann nichts geheim oder mysteriös bleiben. Juvenal sagte: »Aus dem Himmel erhielten wir das Gebot: Erkenne dich selbst!« Bewusstsein und bewusste Methoden werden vernünftig eingesetzt, um die grundlegenden Tatsachen bewussten Lebens zu finden, diese Tatsachen in ihre Faktoren aufzulösen, ihre Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen ebenso nachzuverfolgen wie ihre Zusammenhänge und dabei nie aus dem Auge zu verlieren, dass der Mensch eine lebendige Einheit darstellt. Der Mensch ist kein verkörperter Geist (spirit) oder ein geistloser Mechanismus materieller Teilchen. Die Methode der Introspektion ins Bewusstsein bedeutet, »in den eigenen Geist schauen«. Herbart hat gegen diese Methode eingewendet, dass beim Anschauen dieser Phänomene die Tatsachen aus ihren unverzichtbaren Zusammenhängen gerissen und zu Abstraktionen werden. Comte zufolge ist der Geist sowohl beobachtendes Subjekt als auch beobachtetes Objekt. Beides tendiert dazu, das jeweils andere aufzuheben, denn das Beobachten der eigenen Aktivität muss aufhören – und damit löscht man aus, was man beobachten möchte. Dabei wird jedoch vergessen, dass in der modernen Psychologie das Nervensystem die Bedingung und das Medium für mentale Aktivität darstellt, sodass wir beim Beobachten von Phänomenen beobachten, wie sich das mentale Leben selbst ausdrückt oder wie die mentalen Phänomene »sich auf die allgemeineren Offenbarungen des physischen Lebens aufpfropfen«. Selbstbeobachtung (Introspektion) führt einen Irrtum in die Beobachtung ein, doch dies ist bei allen Beobachtungen der Fall. Will ich meine Beobachtung auf eine Tatsache konzentrieren, muss ich diese aus ihren notwendigen Zusammenhängen herausholen und beobachte sie dann abstrahiert. Das gilt für jede Beobachtung.
Gehirn und Geist sind nicht genau identisch. Geistige Phänomene und das Gehirn, oder zumindest neuronale Veränderungen, können zwar korrelativ sein, ein Gedanke ist jedoch nicht erklärbar durch simples Analysieren des Gehirns oder der Nervenveränderungen, die ihn begleiten. Wir können Geisteszustände niemals in Gehirnzustände auflösen, so eng auch die Beziehungen zwischen ihnen sein mögen. Mit anderen Worten: Gehirnfunktionen können zwar mit geistigen Vorgängen korrespondieren, lassen sich aber nicht mit ihnen gleichsetzen. Wir finden also einen psychophysischen Parallelismus vor. »Mentales Leben ist eine Kette von Ereignissen, parallel zu einer Kette physischer Ereignisse.« Manche behaupten, die mentalen Phänomene seien zu kompliziert, um eine Parallele im neuronalen Mechanismus zu finden. Sofern dieser Parallelismus überhaupt irgendeinen Wert hat, muss er vollständig sein. Und er muss in der Entwicklung beider vollständig sein – vom Anfang bis zum Ende. Handelt es sich um psychische Prozesse, die nicht von physischen Prozessen abhängen oder korrelativ zu ihnen sind, dann gehören sie in den metaphysischen Bereich. Wir jedenfalls vertreten beim Betrachten des Geistes den Standpunkt, dass er eine physische Grundlage besitzt, weil es für uns ohne eine derartige Grundlage gar keine Bewusstseinsphänomene gäbe.