Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 285»

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Impressum

© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-682-5

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

1.

Bill fielen fast die Augen zu. Zu lange hatte er nach Westen in die Dunkelheit gestarrt, ob die Piraten mit ihren beiden Schiffen, die das Gefecht überstanden hatten, einen zweiten Angriff wagten.

Bill wußte, daß Ben Brighton beunruhigt war. Der Seewolf und Easton Terry, die am gestrigen Morgen an Land gegangen waren, hatten immer noch nichts von sich hören lassen. Vergeblich hatten sie den ganzen Tag über auf Kampflärm gelauscht, aber da Westwind geherrscht hatte, war nicht das geringste Geräusch bis zu den Schiffen vorgedrungen.

In der Nacht hatte der Wind gedreht.

Wenigstens etwas, hatte Ben Brighton gemeint, denn nun würden sie bei einem Angriff der Piraten leicht die offene See gewinnen können.

Bill rieb sich über die Augen und gähnte. Der konturenlose Schatten der „Fidelity“, bewegte sich leicht in den Morgennebeln, die wie weiße Tücher über dem Wasser schwebten. Ein Blick zurück zur Küste zeigte ihm, daß es nicht mehr weit bis zur Dämmerung war. Ein schwacher grauer Streifen kündigte den Beginn des neuen Tages an.

Bill erhob sich. Er hatte auf der untersten Stufe des Aufgangs zum Achterdeck gesessen. Langsam schlenderte er am Backbordschanzkleid entlang. Er blieb stehen, als er ein leises, schabendes Geräusch außenbords hörte. Mißtrauisch beugte er sich über das Schanzkleid und zuckte sofort zurück. Er hatte die Schatten der Boote gesehen, die sich unbemerkt von der Landseite der „Hornet“ genähert hatten!

Mit einem Satz war Bill bei der Nagelbank, an die er seine Muskete gelehnt hatte, riß sie an sich, spannte den Hahn und hetzte zurück.

Er sah, wie einer der Männer im vordersten Boot die Hände nach den Berghölzern der „Hornet“ ausstreckte, und während er schoß, brüllte er. „Alarm! Die Piraten greifen in Booten an!“

Er sah, wie einer der Männer in dem ersten Boot die Arme hochwarf und ins Wasser stürzte.

Jemand schrie auf Französisch: „Greift an, Männer! Entert das Schiff! Zeigt, was ein französischer Korsar ist! Tötet alles, was sich euch in den Weg stellt!“

Bill war zurückgewichen und zerrte seine Pistole hervor. In diesem Augenblick donnerte die Drehbasse auf dem Achterdeck. Hastig beugte sich Bill vor und sah, wie die Ladung aus Eisen ein Boot voll traf.

Männer schrien, Holz splitterte. Das Wasser gurgelte laut, als das Boot von einer Sekunde zur anderen versank.

Bill schoß auf das zweite Boot, das sich neben das erste gelegt hatte. Er traf einen Mann, der zwischen den Duchten zusammensackte. Dann hörte er eine Stimme etwas auf Französisch rufen, und er verstand, daß die Piraten abhauen sollten. Sie dachten offensichtlich, daß man sie erwartet hatte.

Die Drehbasse auf dem Achterdeck brüllte erneut auf und jagte ihre Ladung mitten in ein weiteres Boot. Schreiende Männer gingen zu Boden. Riemen splitterten und wurden ihnen aus den Händen gefegt. Trotz der Dunkelheit konnte Bill sehen, daß niemand in dem Boot mehr auf den Beinen stand.

Neben Bill tauchten plötzlich mehrere Männer auf. Bill erkannte Batuti, Smoky, Pete Ballie und Gary Andrews. Sie zerrten eine der Culverinen zurück, luden sie hastig und rissen die Stückpforte hoch.

Luke Morgan, Sam Roskill und Bob Grey hatten sich mit Musketen bewaffnet und schossen auf die Angreifer.

Aus den Augenwinkeln sah Bill, daß jetzt auch die Drehbasse auf der Back besetzt war. Old Donegal Daniel O’Flynn und Will Thorne hatten die drehbare Kanone geladen und hielten auf die Boote, die sich inzwischen gegenseitig behinderten. Die einen, die schon was abgekriegt hatten, wollten fliehen, während die anderen noch auf die „Hornet“ zupullten.

Das Boot, das Bill zuerst gesehen hatte, wurde nach Westen aufs Meer hinausgepullt. Bill sah, wie eine Ladung aus der Achterdeckdrehbasse, die wahrscheinlich von Al Conroy bedient wurde, dicht neben dem fliehenden Boot einschlug. Ein Mann sackte zusammen- und auch die beiden anderen, die im Heck des Bootes gestanden hatten, duckten sich. Dann wurde das Boot von der Dunkelheit verschluckt.

Die Culverine war feuerbereit, und Smoky drückte die Lunte ins Zündpulver. Das Geschütz donnerte auf. Smoky fluchte leise, als er sah, wie das Geschoß neben dem fliehenden Boot einschlug, aber Bill wußte, daß es bei diesen Lichtverhältnissen fast unmöglich war, einen Treffer zu erzielen.

Ein weiteres Boot ging auf Tiefe. Die Piraten sprangen ins Wasser. Während einige versuchten, wegzuschwimmen, gelang es anderen, an der Bordwand der „Hornet“ hochzuklettern.

Drei von ihnen schwangen sich schreiend über das Schanzkleid und griffen sofort mit ihren Entermessern an. Bill hatte Mühe, einem wilden Hieb zu entgehen, und wenn Batui dem Kerl nicht einen Stoß versetzt hätte, der ihn ins Wasser zurückbeförderte, wäre Bill wahrscheinlich von dem nächsten Hieb entleibt worden.

Die beiden anderen starben unter den Pistolenschüssen der Seewölfe und wurden sofort über Bord geworfen.

Niemand griff mehr an.

Smoky jagte noch eine Kugel aus seiner neu geladenen Culverine hinter dem fliehenden Boot her, aber auch diesmal traf er nicht. Dann schrie Old Dan von der Back.

„Schaut mal zur Küste, Männer! Wenn mich nicht alles täuscht, ist das der Seewolf! Jetzt geht es den verfluchten Franzosen an den Kragen!“

Bill starrte zur Küste hinüber, wo sich der graue Streifen schnell verbreitert hatte. Immer mehr Nebelschwaden zogen über das Wasser, und aus einem von ihnen tauchten zwei Boote auf, die mit großer Geschwindigkeit durchs Wasser gepeitscht wurden.

In diesem Augenblick traf eine Ladung der Achterdeckdrehbasse ein weiteres Boot und schlug es leck. Es sackte sofort zur Seite weg, und sämtliche Insassen, die meisten von ihnen schwer verletzt von der Eisenladung, mußten ins Wasser.

Bill starrte zu den beiden heranschießenden Booten hinüber. Sie hielten auf die Piraten zu, die mit zweien ihrer Jollen versuchten, die Küste zu erreichen.

Die ersten Schüsse peitschten zu ihnen herüber. Eine Nebelbank schob sich wieder davor, und Bill, der wußte, daß der Kampf um die „Hornet“ entschieden war, hoffte, daß es nicht noch einen Mann in Hasards oder Easton Terrys Boot erwischte.

Neben Bill tauchten die beiden Zwillinge auf. Auch sie hielten Entermesser in ihren Händen und ihre jungen Gesichter glühten noch von der Aufregung des Kampfes. Aber keiner der beiden sagte ein Wort. Auch sie starrten den herannahenden Booten entgegen.

Ausgelaugt hatten sie den schmalen Sandstreifen erreicht, an dem sie ihre Boote am gestrigen Morgen zurückgelassen hatten. Der Seewolf hatte darum gebetet, daß die Boote nicht entdeckt und gestohlen worden waren, aber zum erstenmal, seit sie den französischen Boden am gestrigen Morgen betreten hatten, waren sie nicht vom Pech verfolgt gewesen.

Die Boote hatten unversehrt am Strand gelegen.

Dan O’Flynn hatte mit seinen scharfen Augen die beiden Galeonen draußen in der Bucht erkennen können, und dann hatte er ein paar dunkle Punkte entdeckt, die sich den Schiffen näherten. In diesem Augenblick war auch schon der Schuß gefallen, der wie ein leises, dumpfes Pochen an ihr Ohr gedrungen war.

Hasard hatte die Männer zur Eile angetrieben, denn er wußte, was dort bei der „Hornet“ und der „Fidelity“ geschah.

Die Piraten waren schneller gewesen als sie, und sie hatten nur soviel Zeit verloren, weil sie die englischen Galeonen umgangen hatten. Offensichtlich hatten sie von der Landseite aus keine Entdeckung befürchtet.

Während der Seewolf und Easton Terry ihre Leute anfeuerten, noch einmal die letzten Kräfte zu mobilisieren, brach bei der „Hornet“ die Hölle los.

Hasard sah die Mündungsfeuer der Drehbassen, das leise Krachen drang erst später an seine Ohren, da der Wind gedreht hatte und nun von Land wehte.

Nebelschwaden wuchsen aus dem Wasser und hüllten den Seewolf immer wieder ein. Über eine längere Zeit konnten sie nichts sehen, aber als die Nebelbank dann endlich wieder aufbrach und ihnen den Blick auf die „Hornet“ freigab, erkannte er, daß der Kampf zugunsten der Seewölfe entschieden war. Zwei Boote versuchten, auf die offene See zu entkommen, zwei andere wurden ihnen entgegen auf die Küste zugepullt. Dicht neben der „Hornet“ kenterte gerade ein fünftes Boot. Von den beiden anderen war nichts zu sehen.

„Achtung, Männer!“ schrie er. „Die beiden Boote schnappen wir uns!“ Er drehte sich zu Terrys Boot um, das etwas zurückgeblieben war, weil ihm ein Mann fehlte und er deshalb auch nicht den siebten Rudergast einsetzen konnte.

Auch Terry hatte seine Männer schon vorbereitet. Er selbst und der siebte Mann hielten Musketen in den Händen und legten gerade auf eins der Piratenboote an, die aus einer Nebelbank auftauchten und nur noch etwa hundert Faden von ihnen entfernt waren.

Hasard wollte brüllen, daß er nicht schießen solle, damit sich die Kerle vielleicht ergaben, aber da krachten die Musketen Terrys und Halibuts bereits.

Im ersten Boot der Piraten sackten zwei Männer auf der Backbordseite zusammen. Hasard glaubte für einen Moment, die Einschußwunden auf ihren Rücken zu erkennen, aber das war wohl nur eine Täuschung.

Wütend wandte er sich um und schrie: „Aufhören, verdammt noch mal! Wir wollen sie lebend!“

Die Piraten brauchten einige Zeit, um den Schock zu überwinden. Das Boot, in dem die beiden Rudergasten tot zusammengebrochen waren, krebste herum. Einer der Piraten war von Steuerbord nach Backbord gewechselt und stieß die beiden Toten von den Duchten. Erst sah es so aus, als wollten sie weiterpullen, doch dann duckten sich alle, und auf einmal richteten sie sich mit Musketen in den Händen wieder auf.

„Vorsichtig!“ brüllte Hasard.

Sie warfen sich hin. Es war keinen Augenblick zu spät. Eine Salve jaulte dicht über ihr Boot weg, die eine oder andere Kugel schlug mit dumpfem Pochen in den Rumpf.

Hasard fluchte lauthals. Da sie Terrys Boot voraus waren, mußten sie die Antwort auf die beiden Morde an den Piraten hinnehmen.

Jetzt blieb ihnen nichts anderes übrig, als ebenfalls zu den Waffen zu greifen.

Hasard gab den Befehl, die Musketen aufzunehmen. Er ahnte, daß die Piraten nach den ersten beiden Schüssen, die ihre Kameraden in den Rücken getroffen hatten, bis zum letzten Atemzug kämpfen würden.

Niemand in den vier Booten pullte mehr. Immer wieder peitschten Schüsse auf und zwangen die Gegner in Deckung.

Aber die Zeit lief für den Seewolf und Easton Terry. Durch den ablandigen Wind trieben sie immer dichter zur „Hornet“ hinüber, von der aus der Kampf gespannt beobachtet wurde.

Dann krachte der erste Schuß von der „Hornet“ herüber, und das Geschoß der Culverine klatschte nur ein paar Faden neben den beiden Piratenbooten ins Wasser.

Die Besatzung des einen Bootes geriet in Panik. Zwei Männer wollten sich über Bord stürzen, um sich schwimmend an die Küste in Sicherheit zu bringen, aber sie wurden von ihren eigenen Leuten erschossen.

Terry hatte in seinem Boot drei Männer mit Musketen nach vorn in den Bug beordert. Sie schossen abwechselnd, während die anderen ihre Muskete wieder luden. Damit konnten sie die Piraten einigermaßen in Schach halten, nachdem sie drei von ihnen erwischt hatten.

Die vier restlichen Männer in Terrys Boot hatten ihre Riemen aufgenommen und begannen zu pullen – genau auf die beiden Piratenboote zu.

Terry hatte sich hinter den drei knienden Musketenschützen aufgebaut. Seine langen blonden Haare wehten ihm nach vorn ins Gesicht. Er hatte die schmalen Lippen zu einem Strich zusammengepreßt. Seine grauen, kalten Augen waren starr auf die Piratenboote gerichtet. Er hielt in beiden Händen eine Pistole und schien nur darauf zu warten, daß die Entfernung sich so weit verringert hatte, daß er sie einsetzen konnte.

Der Seewolf mußte den Mut des Mannes bewundern. Wenn er auch ein arroganter, zynischer Mörder war, so hatte er keine Angst vor der Gefahr.

Terrys Boot war schon auf gleicher Höhe mit Hasards, als dieser den Befehl gab, ebenfalls weiterzupullen.

Die Piraten saßen in der Klemme. Weiter zurück zur „Hornet“ durften sie sich nicht treiben lassen, dann gerieten sie bald wieder in die Reichweite der fürchterlichen Drehbassen. Und von der anderen Seite pullten die verfluchten Engländer, mit denen sie im Wald zusammengestoßen waren, auf sie zu.

Sie stellten sich zum Kampf.

Mit dem Mut der Verzweiflung schossen sie ihre Waffen leer, obwohl einer nach dem anderen von Terrys Scharfschützen über den Haufen geknallt wurde und sie selbst außer ein paar Löchern in den Booten des Gegners keinen Schaden anrichteten.

Dann waren die Boote heran. Terry schoß erst jetzt seine Pistolen ab und tötete damit zwei Piraten gleichzeitig. Nur drei waren in dem einen Boot noch übriggeblieben, und die stürzten sich brüllend in das Mündungsfeuer der Musketen, die Terrys Rudergasten jetzt in den Fäusten hielten. Ihre Körper klatschten leblos ins Wasser, bevor sie ihre Füße vom Dollbord des eigenen Bootes abstoßen konnten.

In dem anderen Boot lebten nur noch zwei Männer. Einer warf sich mit dem Entermesser Terry entgegen, doch der hatte seinen Säbel gezogen und stieß ihn dem Piraten in die Brust. Mit einem Aufschrei sank der Mann zurück und blieb mit ausgebreiteten Armen im Fischerboot liegen.

Der letzte Mann rettete sich mit einem Sprung ins Wasser, doch noch ehe Hasard einen Schrei ausstoßen konnte und ehe der Mann aufs Wasser klatschte, traf ihn die Kugel Halibuts in die Seite.

Es schien, als würde der Mann im Sprung herumgewirbelt. Hasard sah weit aufgerissene Augen, die den Tod schon in sich trugen, und er schrie: „Verdammt, wir wollten sie lebend haben!“

Halibut drehte den Kopf und zeigte ein Grinsen, daß er offensichtlich seinem Kapitän abgeschaut hatte.

Hasard hätte ihm am liebsten die Pistole an den Kopf geworfen. Er atmete heftig aus, damit er sich wieder beruhigte. In seinem Blick war Bitterkeit, als er die toten Piraten betrachtete. Er wußte nicht, ob sie sich ihnen ergeben hätten, aber einen Versuch wäre es immerhin wert gewesen. Der Mord an fliehenden Männern gefiel Hasard absolut nicht, auch wenn die Piraten vorher versucht hatten, die „Hornet“ zu kapern und dabei sicher nicht zimperlich vorgegangen wären, wenn sie Erfolg gehabt hätten.

Easton Terry, dessen Boot nur fünf Faden neben Hasards auf den leichten Wellen dümpelte, lächelte Hasard abfällig an. Er sagte nichts, aber Hasard las in seinen Augen, was er dachte.

Jetzt habe ich dir Bastard mal gezeigt, wie gekämpft wird! hieß dieser Blick.

Der Seewolf wandte sich ab. Er wußte, daß Terry und er zwei Männer aus verschiedenen Welten waren. Terry war wirklich nichts anderes als ein skrupelloser Korsar. Er mordete mit einem Lächeln im Mundwinkel und schien sich an den Qualen seiner Gegner und Opfer zu ergötzen.

Nein, mit einem solchen Mann wollte der Seewolf nichts gemein haben, und er schwor sich, mit Lord Cliveden ein ernstes Wort zu reden, wenn sie nach Plymouth zurückkehrten.

„Wir nehmen die beiden Boote mit“, sagte er zu Carberry. „Laß die Toten über Bord werfen.“

Der Profos nickte, gab Stenmark einen Wink und turnte mit ihm in die beiden Piratenboote hinüber. Gemeinsam schafften sie die Toten über Bord und warfen Matt Davies die Leinen zu, mit denen sie die Fischerboote hinter sich herziehen wollten.

Easton Terry hatte sich abgemeldet und pullte mit seinen Männern zur „Fidelity“ hinüber, wo ebenso wie auf der „Hornet“ sämtliche Besatzungsmitglieder an Deck standen und zu den Booten herüberstarrten.

Der Seewolf warf ihm noch einen bösen Blick nach, aber Terry drehte sich nicht ein einziges Mal mehr um.

Hasard sah, wie er plötzlich die Hand hob, um seine Leute an Deck der „Fidelity“ auf etwas hinzuweisen, und dann sah auch er es.

An der Kimm, über der noch die Dunkelheit der Nacht lag und nur scheinbar widerstreband dem ersten Grau des neuen Tages wich, erschienen die Segel von zwei Schiffen.

Er winkte Dan an seine Seite, wies auf die Segel und sagte: „Kannst du was Genaues erkennen?“

Dan nickte.

„Es ist die Galeone, gegen die wir gekämpft haben“, sagte er. „Das andere ist die Karavelle, die das Gefecht überstanden hat.“

Hasard preßte die Lippen aufeinander. Jetzt war wahrscheinlich auch die Möglichkeit verspielt, die beiden Boote, die aufs Meer hinaus geflohen waren, einzuholen.

Wieder hatten sie es nicht geschafft, einen der Piraten gefangenzunehmen, und wenn er vorher auch hatte zugeben müssen, daß er nicht gerade glücklich operiert hatte, so wußte er diesmal ganz genau, wer die Schuld an dem Mißlingen trug.

Während die Segel an der westlichen Kimm größer wurden, erreichten sie mit den Booten die „Hörnet“. Carberry und die anderen im Boot sahen die Erleichterung in den Augen ihrer Kameraden, als sie erkannten, daß niemand von ihnen fehlte.

Als erstes hievten sie Ferris Tukker hoch, dessen Beule an der rechten Schläfe sich zu einem wunderschönen blauen Fleck entwickelt hatte. Sie war etwas flacher geworden, aber dafür schimmerten die Ränder in den herrlichsten Farben. Ferris fielen vor Müdigkeit schon die Augen zu. Sein ganzer Körper fühlte sich wie gemartert an, und die Füße spürte er von dem langen Fußmarsch nicht mehr.

„Was habt ihr denn mit dem angestellt?“ fragte Smoky, der Ferris als erster in Empfang nahm.

Ferris blinzelte ihn mit dem linken Auge an. Gähnend erwiderte er: „Ein krummes Wort, und ich stampfe dich durchs Deck, bevor ich mich schlafen lege.“

„Er ist noch der Alte“, sagte Smoky grinsend und schob ihn in Batutis Arme, um den anderen an Bord zu helfen.

Ben Brighton erwartete Hasard schon auf dem Achterdeck, und seinem Gesicht war anzusehen, daß er gespannt war, was der Seewolf von seinem Landgang zu berichten hatte. Aber die erste Frage stellte Hasard an ihn.

„Habt ihr einen von den Piraten gefangennehmen können?“

Ben Brighton schüttelte den Kopf. Er hatte die Frage Hasards als Vorwurf aufgefaßt und erwiderte ein wenig gereizt: „Wir waren froh, sie noch rechtzeitig entdeckt zu haben. Wir konnten sie nur mit allem Einsatz zurückschlagen. Wenn die Kerle ein bißchen mutiger gewesen wären, hätte es schlecht für uns ausgesehen.“

Der Seewolf schüttelte leicht den Kopf und legte eine Hand auf Bens Schulter.

„Die Frage sollte keine Kritik an deinem Vorgehen sein, Ben“, sagte er müde. „Verdammt, wir versuchen seit gestern morgen nach dem Gefecht, einen der Burschen zwischen die Finger zu kriegen, um von ihm zu erfahren, was sie beabsichtigen, für wen sie kämpfen und wo sie ihre Schlupfwinkel haben. An Land ist es uns schon nicht geglückt, weil sie plötzlich alle schwer bewaffnet waren und uns sogar eine Falle stellten. Dann haben sie Ferris verschleppt, und wir mußten hinter ihnen her, um ihn zu befreien. Sie stahlen sich in einem Fischerdorf weiter westlich sieben Boote und entwischten uns. Ferris konnte sich von ihnen absetzen, indem er einfach über Bord sprang. Wir trafen uns auf dem Weg in die Bucht da drüben. Ich ahnte, was die Piraten vorhatten, aber wir konnten euch nicht vor ihnen warnen.“

Ben nickte.

„Zum Glück war Bill auf seinem Posten“, sagte er. „Niemand sonst hat etwas von den Kerlen bemerkt, weil wir alle mit einem Angriff aus Westen gerechnet hatten.“

Hasard hob müde die Schultern. Er schaute zum Großmars hinauf, wo Bill und Dan O’Flynn mit den Kiekern saßen und die beiden Schiffe beobachteten, die sich von Westen her gegen den Wind näherten.

„Sie nehmen die Piraten in den beiden Booten an Bord!“ rief Dan.

„Wir laufen aus“, sagte Hasard entschlossen. „Gib Signale zur ‚Fidelity‘ hinüber. Falls die Piraten ihren Kurs beibehalten, nehmen wir die Herausforderung an. Ich hoffe, ihr habt in den letzten vierundzwanzig Stunden genug geschlafen, daß ihr eine Weile ohne uns Landgänger auskommt. Wir sind alle hundemüde.“

„Hau dich in die Falle“, sagte Ben, „aber vorher soll sich der Kutscher noch deine Wunde anschauen – warte mal!“

Ben Brighton fuhr herum und hielt den zweiten Koch der Seewölfe, Mac Pellew, fest, als er gerade an ihm vorbeilaufen wollte. „Hol den Kutscher, Mac, und sag ihm, was los ist, damit er die richtigen Sachen mitbringt!“

Mac Pellew nickte, dann enterte er zum Hauptdeck ab.

Hasard winkte ab. „Nur ein Streifschuß. Das ist schon in Ordnung.“ Seine Beine fühlten sich an, als seien sie mit Blei gefüllt, und nur mühsam brachte er die Füße von den Decksplanken hoch.

Als er endlich in seiner Kammer war und die Stiefel von den geschwollenen Füßen gezerrt hatte, tauchte der Kutscher auf. Er ließ keinen Widerspruch gelten und löste den Verband von Hasards Oberarm.

„Sieht nicht besonders gut aus“, murmelte er. „Habt ihr keine Zeit gehabt, die Wunde auszubrennen?“

Hasard gähnte.

„Beeil dich“, sagte er müde. „Du stiehlst mir meinen Schlaf!“

Er wollte sich hinlegen, als der Kutscher aus einer kleinen braunen Flasche eine Flüssigkeit auf die Wunde träufelte. Mit einem Ruck war Hasard wieder hoch.

„He!“ brüllte er. „Willst du mir den Arm amputieren?“

Der Kutscher grinste.

„Keine Sorge“, sagte er. „Jetzt kriegst du keinen Brand mehr in die Wunde.“

Der Seewolf warf ihm noch einen bösen Blick zu, dann ließ er sich auf den Rücken fallen. Er schlief schon, als der Kutscher den neuen Verband verknotete.

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