Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 7/I», sayfa 2

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2.

Hasards Befehle gellten über das Deck. Er war auf das Auftauchen der Karavelle vorbereitet gewesen und hatte bis zum letzten Augenblick gewartet, ob der Spanier beidrehte. Er wußte, daß derjenige als Sieger aus dem Gefecht hervorging, der die Nerven behielt.

Hasard begann zu grinsen, als er sah, daß der spanische Kapitän seinen Fehler wieder wettmachen wollte, indem er den Bug der Karavelle herumschwenkte.

„Feuer!“ brüllte Hasard.

Ferris Tucker und Al Conroy hatten auf dieses Wort gewartet. Ihre Lunten setzten die kurzen Zündschnüre der Geschütze in Brand, und dann entluden sich donnernd die Steuerbordkanonen.

Die Decksplanken der „Isabella“ erzitterten, als die schweren Lafetten zurückrumpelten und von den armdicken Brooktauen aufgefangen wurden. Pulverdampf hüllte die Männer ein.

Stenmark, der immer noch oben im Mars hockte, schrie vor Begeisterung, und als sich der Qualm ein wenig verzogen hatte, sah auch Hasard, daß die kleine Karavelle von der Breitseite der „Isabella“ förmlich zerhackt worden war. Das, was dort noch auf dem Wasser trieb, war nichts weiter als ein riesiger Sarg. Die beiden großen Masten waren wie Zahnstocher umgeknickt, nur noch der hintere Besan stand.

Die Spanier, die die Kanonen an Steuerbord der Karavelle bedient hatten, waren tot. Hasard sah ihre zertrümmerten Leichen an Deck liegen, doch er riß sich von diesem Anblick los.

Sie hatten gewußt, was sie erwartete, als sie in den Plymouth Sound eingelaufen waren.

Von der Karavelle drohte keine Gefahr mehr. Die überlebenden Spanier würden sich an Land in Sicherheit bringen, aber es war eine Frage, ob die Gefangenschaft, in die sie geraten würden, besser war als der Tod.

Hasard versuchte sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Im Pulverdampf der Küstenbatterien der beiden Stonehouse Forts sah er, wie zwei Kriegsgaleonen versuchten, in die Hamoaze einzudringen. Wahrscheinlich wollten sie die neben Fort Western King liegenden Arsenale und Docks mit ihren Kugeln beharken.

Der Seewolf fluchte unterdrückt. Die Burschen in den Forts feuerten zwar unablässig, aber die Trefferquote war äußerst gering, obwohl die Entfernung zu den Schiffen knapp vierhundert Yards betrug. Die Batterien auf Mount Edgcumbe, die Devil’s Point genau gegenüberlagen, waren noch nicht, in Aktion getreten. Hasard hätte es nicht gewundert, wenn die Schlafmützen noch nichts von dem Überfall der Spanier bemerkt hatten.

Die dritte Kriegsgaleone beschoß die Zitadelle und hatte dort schon beträchtliche Schäden angerichtet, denn nur selten wurde von dort zurückgefeuert. Neben der Galeone, die mindestens sechsunddreißig Kanonen führte, segelte die zweite Karavelle, die ihre Kanonen in die Einfahrt des Cattewater gerichtet hatte und auf die Handelsschiffe schoß, die dort vor Anker lagen.

Hasard brauchte nicht lange zu überlegen. Er gab Befehl, auf Cattewater zuzuhalten. Die Steuerbordgeschütze waren bereits wieder feuerbereit. Einen Moment fragte sich Hasard, wie die „Isabella“ wohl aussehen würde, wenn sie von einer Breitseite des mächtigen spanischen Kriegsschiffes getroffen wurde. Er schüttelte den Kopf. Er durfte nicht daran denken. Er mußte die mangelnde Feuerkraft eben durch geschicktes Manövrieren ausgleichen.

Die „Isabella“ war ein wendiges, gut zu segelndes Schiff. Das hatte sich so richtig erst herausgestellt, als sie entladen worden war. Die dreißig Tonnen Silber, die Capitan Romero Valdez im Bauch der „Isabella“ aus der Neuen Welt nach Spanien hatte bringen wollen, hatten das Schiff schwerfällig wie eine Seekuh gemacht.

Hasards Blick fiel hinüber zur Küste. Unter den Leuten, die an der Hoe Pier standen, glaubte er für einen Augenblick Ben Brighton und Blacky zu erkennen, aber er hatte keine Zeit, genauer hinzuschauen.

„Verdammt, holt die Schoten dicht!“ schrie er, als die Fock zu flattern begann.

Bei Ben Brighton wäre das nicht passiert, dachte Hasard grimmig, doch dann nahm die Kriegsgaleone, die den neuen Feind erkannt hatte, seine volle Aufmerksamkeit in Anspruch.

Der Kapitän der Kriegsgaleone schien die „Isabella“ nicht für voll zu nehmen, denn er feuerte weiter auf die Zitadelle. Die kleine Karavelle allerdings stellte die Bombardierung der Handelsschiffe im Cattewater ein und wandte sich dem Gegner zu.

Fast tausend Yards lagen zwischen den beiden Schiffen – eine zu große Entfernung, um sichere Treffer anbringen zu können. Dennoch begannen die Geschütze der Karavelle zu feuern. Die erste Breitseite lag gar nicht einmal so schlecht. Zwei Kugeln zischten kurz vor dem Rumpf der „Isabella“ ins Wasser.

Hasard sah Ferris Tuckers fragenden Blick. Er reagierte nicht darauf. Wenn er Erfolg haben wollte, mußte er das Risiko eingehen, näher an den Feind heranzusegeln. Die Karavelle hatte noch die feuerspeiende Kriegsgaleone als Rükkendeckung. Hasard war auf sich allein gestellt. Die Batterien auf der Zitadelle hatten inzwischen ganz zu feuern aufgehört.

Um nicht von der Backbordbreitseite der Kriegsgaleone bedroht zu werden, hielt Hasard auf das Heck der Galeone zu. Dadurch gab er sich gegenüber der Karavelle eine Blöße, aber das gehörte zu dem Risiko, das er einging.

Er merkte, wie seine Männer unruhig wurden, obwohl keiner ein Wort sprach. Er blickte über die Schulter zurück zu den beiden anderen spanischen Kriegsschiffen. Sie hatten es nicht geschafft, in den Hamoaze einzudringen. Die Kanonen von Fort Western King hatten sie zum Rückzug gezwungen.

Hasard wollte sich gerade wieder umdrehen, als eine gewaltige Explosion eine der beiden Kriegsgaleonen vor Devil’s Point förmlich in Stücke riß. Eine Stichflamme raste in den Himmel. Spieren und Planken flogen durch die Luft. Die Masten zersplitterten, und dann sackte das Heck der Galeone innerhalb von Sekunden ab.

Die Explosion hatte auch die Spanier auf der Kriegsgaleone vor der Zitadelle in Atem gehalten. Sie hatten das Feuer eingestellt. Hasard wußte, daß der Augenblick der Entscheidung nahte, denn jetzt würde sich die Galeone der „Isabella“ zuwenden, um sie mit ihren Feuerschlünden auf den Grund des Plymouth Sound zu schicken.

Alles mußte jetzt blitzschnell gehen. Die „Isabella“ mußte ihre erste Breitseite abgefeuert haben, bevor die spanische Kriegsgaleone ihr Segelmanöver beendet hatte.

An Deck der Karavelle stiegen wieder graue Rauchwolken auf. Der Kanonendonner wehte herüber. Die „Isabella“ erzitterte. Eine Kugel war an Steuerbord in den Bug geschlagen. Ein Zischen ließ Hasards Kopf hochrucken. Er sah das Loch im Großbramsegel.

Hasard richtete den Blick stur auf die große Galeone. Er konnte und durfte sich jetzt nicht um die Karavelle kümmern. Die sechsunddreißig Geschütze der Kriegsgaleone waren der Feind, den sie ausschalten mußten, wenn sie überleben wollten.

„Hart Backbord!“ brüllte er, als die Kriegsgaleone langsam herumschwang. Die „Isabella“ beendete ihr Manöver schneller.

„Feuer!“

Ein einstimmiger Schrei stieg aus den Kehlen der Männer. Die Spannung machte sich Luft. Das Warten war zu Ende. Jetzt galt es zu kämpfen und zu siegen. Die Kanonen brüllten auf und jagten ihre tödlichen Ladungen dem Feind entgegen.

Ferris Tucker und Al Conroy trieben die Männer an, die hinter den Kanonen standen und durch den beißenden Qualm nicht erkennen konnten, ob ihre Kugeln ins Ziel gestoßen waren.

Der Seewolf ließ kein Auge von der Kriegsgaleone. Er hatte die aufsteigenden Pulverwolken am Heck der Galeone gesehen und wartete jeden Moment auf den Einschlag der Kugeln. Doch nichts geschah. Nicht einmal das Eintauchen der Kugeln ins Wasser hatte er gesehen.

Die Kriegsgaleone schien ihr Manöver unterbrochen zu haben. Hasard kniff die Augen zusammen, um mehr erkennen zu können. Und dann sah er, daß Conroy und Tucker ganze Arbeit geleistet hatten.

Die Kugeln der „Isabella“ waren ins Zwischendeck eingeschlagen und hatten unter den spanischen Geschützmannschaften gewütet. Die Zähne an der Backbordseite des Kriegsschiffes waren stumpf geworden.

Die Männer auf der „Isabella“ arbeiteten wie die Verrückten. Hasard schrie ein paar Befehle zu Carberry hinüber, und wenig später schwenkte die „Isabella“ von der Kriegsgaleone fort. Die Männer, die gedacht hatten, sie würden jetzt der Kriegsgaleone den Rest geben, blickten erstaunt zum Quarterdeck hoch. Doch als sie Hasards unbewegliches Gesicht sahen, wußten sie, daß der Seewolf wieder einmal seinem Namen gerecht werden wollte. Er setzte alles auf eine Karte.

Er wollte die lästige Wespe, die unablässig ihre Kanonen auf die „Isabella“ abfeuerte, ausschalten. Dabei mußte er der Kriegsgaleone seine Backbordseite zeigen, aber Hasard hoffte, daß bei den Dons Zustand herrschte und sie nicht in der Lage waren, ihre Backbordkanonen in Aktion zu bringen.

Die Karavelle reagierte zu spät. Wahrscheinlich hatte der Capitan nicht damit gerechnet, daß sich der Engländer einfach vom stärkeren Feind abwenden und auf den schwächeren stürzen würde.

Die Karavelle wollte abdrehen, doch da schlug die „Isabella“ bereits zu. Die Kartuschen schleuderten Stangenkugeln und Langgeschosse zum Spanier hinüber, die die Spieren und die Takelage der Karavelle einfach hinwegfegten. Es sah aus, als sei jemand mit einer riesigen Sense über das Schiff gefahren.

Nur Sekunden, nachdem die Breitseite abgefeuert war, fuhr die „Isabella“ eine enge Halse. In dieser Zeit schafften es Conroy und Tucker, die Geschütze erneut zu laden.

Die Männer schrien vor Begeisterung. Jetzt hatten sie den übermächtig erscheinenden Gegner in der Klemme. Und der Seewolf hatte nicht die Absicht, den angeschlagenen Feind zu schonen.

„Die erste Breitseite in die Spieren, Ferris!“ schrie er.

„Aye, aye!“ brüllte der Schiffszimmermann zurück, der sich mit Al Conroy, dem Geschützführer von der „Isabella“, so gut verstand, als seien sie ein jahrelang eingespieltes Gespann.

Die „Isabella“ schob sich langsam an die Kriegsgaleone heran, die jetzt ihr Heil in der Flucht suchte und zwischen der St.-Nicholas-Insel und Bottlenose Point das freie Meer erreichen wollte.

Hasard beobachtete, wie an Bord des spanischen Schiffes hektisch gearbeitet wurde. Der Spanier war vom Jäger zum Gejagten geworden. Er war angeschlagen, und das ließ ihn gefährlich werden.

Die Heckkanonen der Kriegsgaleone wurden abgefeuert, und im ersten Moment glaubte Hasard, die Schüsse gelten der „Isabella“. Doch dann sah er das hochaufspritzende Wasser. Die Spanier hatten auf zwei Boote gezielt, die auf die Galeone zugepullt wurden. Hasard erkannte John Thomas und Ben Brighton.

Der Seewolf hätte gern noch ein paar Minuten gewartet, bis er auch gleicher Höhe mit der Kriegsgaleone gewesen wäre. Doch er mußte schon jetzt handeln. Die Gefahr, daß die nächsten Kugeln eines der beiden Boote treffen könnten, war zu groß.

Er gab Ferris Tucker ein Zeichen, und dann sprachen die Geschütze der „Isabella“ ein weiteres Mal. Wirbelnde Eisenkugeln fuhren aus den Feuerschlünden und rissen die Takelage des Spaniers in Fetzen.

Hasard sah, wie Splitter durch die Luft flogen und Spieren und Stengen auf das Deck des Kriegsschiffes krachten. Der Großmast knickte in der Mitte ab und senkte sich nach Steuerbord. Noch wurde er von den Wanten gehalten, aber das nutzte dem spanischen Capitan nichts mehr. Sein Schiff war manövrierunfähig geworden. Er war dem Feind hilflos ausgeliefert.

Wenn Hasard geglaubt hatte, dieser Treffer würde die Spanier zur Aufgabe zwingen, so hatte er sich“ getäuscht. Fast unmittelbar auf die fürchterliche Breitseite der „Isabella“ antworteten ein paar Kanonen, die die Spanier wieder klar zum Schuß hatten.

Der Jubelschrei der Engländer erstickte in ihren Kehlen. Entsetzt starrten sie auf die Stelle im Schanzkleid, wo die Kugel der Spanier eingeschlagen war. Zwei Männer lagen bewegungslos in ihrem Blut, das den ausgestreuten Sand dunkel färbte. Einer von ihnen hatte keinen Kopf mehr, und Hasard fragte sich, ob es einen von seinen Männern erwischt hatte. Er versuchte seine Männer zu zählen, doch dann gab er es auf. Er mußte etwas tun, um das Entsetzen der Leute in andere Bahnen zu lenken.

„Männer!“ schrie er. „Gebt es den Tintenfischfressern!“

Ein einziger Wutschrei stieg in den heller werdenden Morgenhimmel. Ferris Tucker gab knappe Befehle, die beiden Toten wegzuschaffen, und dann jagte er wieder eine Breitseite zur Kriegsgaleone hinüber. Diesmal hatte er tiefer gehalten, und die Eisenkugeln wüteten auf dem Deck des spanischen Schiffes.

Jetzt erst sah Hasard Batuti, der die ganze Zeit an der ersten Kanone gestanden hatte, mit seinen Brandpfeilen auftauchen. Mit einem Langbogen schickte er die ersten auf die Reise. Er setzte das Focksegel in Brand.

Pfeil auf Pfeil zischte jetzt zu den Spaniern hinüber, die alle Mühe hatten, die Flammen zu löschen.

Die „Isabella“ war nur noch hundert Yards von der Kriegsgaleone entfernt. Hasard sah, wie sich die beiden Boote dem spanischen Schiff näherten. Sie würden noch vor der „Isabella“ bei der Galeone sein.

„Fertigmachen zum Entern!“ rief er. „Wir werden den Dons zeigen, was es heißt, sich mit einem Engländer anzulegen!“

Er warf noch einen Blick zur letzten kampfbereiten Kriegsgaleone der Spanier hinüber, aber sie schien nicht darauf erpicht zu sein, in den Kampf einzugreifen. Es ärgerte Hasard, daß er ein Schiff entkommen lassen mußte, aber vielleicht war es ganz gut so, wenn es jemanden gab, der berichtete, was geschah, wenn spanische Schiffe es wagten, einen englischen Hafen anzugreifen.

Er packte sein Entermesser fester. In der linken Hand hielt er die sächsische Pistole mit den zwei Ladungen, die er einem bretonischen Piraten abgenommen hatte. Er blickte hinunter zu den Männern, die gleich an seiner Seite kämpfen würden.

Da waren Ferris Tucker und Smoky, dessen Gesicht vom Pulverdampf geschwärzt war. Batuti ließ seine weißen Zähne blitzen und schwang ein Krummschwert über dem Kopf. Matt Davies mit seinem Eisenhaken war da, und von der Crew der „Marygold“ sah er Carberry, den Profos, Patrick Evarts, den Segelmacher, und Mac Pellew, den Koch, der jetzt noch grimmiger dreinschaute als sonst.

Hasard vermißte Dan O’Flynn mit seiner gekürzten Pike. Zu gern hätte er ihn und Ben Brighton an seiner Seite gesehen. Aber vielleicht waren die beiden schon vor ihm an Bord des Spaniers.

3.

Beim Hoe Pier waren Ben Brighton, Blacky und Dan O’Flynn auf Kapitän Thomas und die Männer der „Santa Cruz“ gestoßen. Die Männer hatten schon in zwei Booten gesessen und stießen gerade von der Pier ab, als die drei von der „Isabella“ auftauchten. Sie hatten nicht lange gezögert, waren in das zweite Boot gesprungen und pullten jetzt mit den anderen auf die Kriegsgaleone zu, die nach der ersten Breitseite der „Isabella“ von der Zitadelle abgedreht hatte und nun auf die St.-Nicholas-Insel zulief.

Am Heck der Galeone krachten zwei Kanonen. Ben Brighton zuckte nicht einmal mit der Wimper, als eine Kugel gefährlich nahe neben dem Boot ins Wasser klatschte und eine große Fontäne hochstieß.

Er ärgerte sich immer noch, daß er nicht auf der „Isabella“ war. Er hatte sein Schiff genau beobachtet, und ein paarmal hatte er grimmig festgestellt, daß die Segel nicht so getrimmt waren, wie es hätte sein können.

Wieder brüllten die Kanonen auf. Ben Brighton grinste erleichtert, als er sah, wie die Stangenkugeln der „Isabella“ die Takelage des Spaniers zerfetzten. Verdammt, der Seewolf war ein Teufelskerl. So leicht machte ihm dieses Kunststück keiner nach.

Die Kriegsgaleone war jetzt bewegungsunfähig. Der Capitan und seine Offiziere schrien sich die Kehlen heiser, aber das nutzte jetzt auch nichts mehr. Das Spiel war gelaufen. Sie konnten sich ergeben oder kämpfend sterben.

Ben fluchte, als Musketen über das Schanzkleid der Kriegsgaleone geschoben wurden und die ersten Schüsse aufpeitschten. Die verdammten Dons dachten nicht daran, sich zu ergeben. Wahrscheinlich hatte man ihnen Greuelmärchen über die englische Gefangenschaft erzählt, so daß sie den Tod vorzogen.

Vielleicht taten sie sogar recht daran, denn seit die Spanier vor Jahren einmal über fünfzig Engländer auf der Plaza von Valladolid verbrannt hatten, nahmen die Greueltaten auf beiden Seiten kein Ende mehr. Wenn man sich nur entschließen könnte, Gefangene anständig zu behandeln, dachte Ben Brighton.

Er zuckte zusammen, als der Mann neben ihm zusammenbrach. Eine Kugel hatte ihn unter dem linken Schlüsselbein getroffen. Der Mann bewegte sich nicht mehr.

Ben hatte keine Zeit, sich um ihn zu kümmern. Die Boote schossen jetzt schnell auf die Kriegsgaleone zu. Das Musketenfeuer verstärkte sich, doch dann krachte die nächste Breitseite der „Isabella“ in den Rumpf des havarierten Schiffes.

An Deck der Kriegsgaleone brach die Hölle los. Viele Männer sprangen über Bord. Das Feuer, das die Fock aufgezehrt hatte, breitete sich jetzt schnell über die Back aus.

Dumpf schlug das Boot gegen den Rumpf der spanischen Galeone. Taue mit Enterhaken flogen hoch, und katzengewandt kletterten die Engländer daran hoch.

Dan O’Flynn war einer der ersten. Seine Enterpike bohrte sich einem Spanier in die Brust, der gerade seine Muskete abdrücken wollte. Schreiend stürzte der Mann zurück und preßte beide Hände auf die Wunde, aus der Blut quoll.

Blacky hieb einem anderen Spanier mit dem breiten Entermesser, das er einem seiner Kameraden einfach aus der Hand gerissen hatte, den Helm vom Kopf. Doch bevor er zum zweitenmal zustechen konnte, war der Mann über Bord gesprungen.

Innerhalb weniger Minuten hatten die Engländer sich einen kleinen Brückenkopf auf dem Achterdeck geschaffen. Spanische Soldaten drangen auf sie ein, aber die wirbelnden Messer und Piken schlugen sie zurück.

Blacky und Dan O’Flynn kämpften wie besessen. In ihrem Eifer sahen sie die „Isabella“ erst, als sie Rahnock an Rahnock neben der Kriegsgaleone lag. Ein Schrei aus vielen Kehlen brandete über das spanische Schiff, Enterhaken flogen von der „Isabella“ herüber, und an der Spitze der Männer schwang sich der Seewolf an einer Brasse herüber auf die spanische Galeone.

Er sah furchterregend aus mit dem breiten, hocherhobenen Entermesser und dem Dolch, den er zwischen den Zähnen hielt.

Fast ein Dutzend Spanier erwarteten ihn mit blitzenden Degen. Wie ein Berserker war der Seewolf zwischen ihnen. Er riß seine Pistole hervor und feuerte sie zweimal ab. Die ersten beiden Spanier sanken auf die Decksplanken. Ihre Uniformen färbten sich rot von ihrem Blut.

Hasard hieb sich förmlich eine Gasse in die Spanier. Er hatte Ben Brighton und Dan O’Flynn auf dem Achterdeck gesehen, und er wollte sich zu ihnen durchschlagen.

Die Gasse hinter Hasard wurde blitzschnell von den folgenden Engländern ausgefüllt. Matt Davies wütete mit seinem Eisenhaken, Batuti wirbelte sein Entermesser über dem Kopf und brüllte jedesmal wild, wenn er es auf einen Spanier niedersausen ließ.

Smoky kämpfte Seite an Seite mit Carberry und dem Segelmacher Patrick Evarts, während Ferris Tucker mit den anderen Leuten eine zweite Bresche in die Leiber der Spanier schlug, die sich mit dem Mut der Verzweiflung wehrten.

Ein ohrenbetäubendes Krachen übertönte den Kampflärm auf der spanischen Kriegsgaleone, und Sekunden später war das Bersten von Holz und die furchtbaren Todesschreie von Menschen zu hören.

Al Conroy, der an Bord der „Isabella“ zurückgeblieben war, hatte aus der Drehbasse auf der Back eine Kartätsche mitten zwischen die Spanier in der Kuhl gefeuert.

Der Kampf stockte ein paar Herzschläge lang. Alle Männer, Spanier wie Engländer, starrten entsetzt auf das blutige Massaker, das die Kartätsche angerichtet hatte. Mindestens fünf Spanier lagen tot auf den Decksplanken. Zwei Dutzend waren mehr oder weniger schwer verwundet. Ein Soldat starrte mit weit aufgerissenen Augen auf seinen blutigen Armstumpf.

Eine laute Stimme hallte über das Achterdeck. Ben Brighton forderte die Männer der Kriegsgaleone auf Spanisch auf, die Flagge zu streichen.

Alles starrte nach oben zum Achterdeck, wo sich der Capitan mit seinen Offizieren verschanzt hatte. Hasard schob sich unbemerkt weiter an den Niedergang heran, der hinauf zum Achterdeck führte. Er glaubte nicht daran, daß der Spanier aufgeben würde. Wahrscheinlich war der Capitan einer von den blaublütigen Holzköpfen, die meinten, nicht mehr leben zu können, wenn sie einmal eine Niederlage erlitten hatten.

An ihre Leute dachten diese Kerle zuletzt. Für sie war es eine Selbstverständlichkeit, daß sie ihr Leben für die Ehre ihres Capitans opferten.

Die Spanier hatten nicht den Hauch einer Chance mehr. Ihr Schiff brannte. Die Back war in lodernde Flammen gehüllt. Fast hundert schwerbewaffnete Engländer befanden sich jetzt an Bord ihres Schiffes, und von Land legten jetzt mehr als ein Dutzend Boote ab, jedes mit einem Pulk Soldaten, die mit Musketen bewaffnet waren.

Die Stimme des Capitans gellte über die Decks.

Hasard verstand die Worte nicht, die er rief, aber er erkannte ihren Sinn. Er sah, wie ein paar Spanier ihre Waffen fester packten.

Mit ein paar Sätzen hatte Hasard den Niedergang geentert. Eine Pistolenkugel zischte haarscharf an seinem rechten Ohr vorbei. Mit einem kurzen Hieb traf Hasard den Schützen quer über die Brust. Gurgelnd stürzte der Mann auf die Planken.

Hasard warf einen Blick hinüber zu Ben Brighton, der sich an der Reling in Igelstellung verschanzt hatte.

„Wir holen uns den Capitan!“ schrie Hasard.

Die zusammengedrängten Engländer schienen zu explodieren. Hasard hatte kaum ausgesprochen, da stürmten sie mit wildem Geschrei auf die Spanier zu.

Die Soldaten wurden überrumpelt. Ehe sie ihre Lanzen und Piken anheben konnten, waren die Engländer über ihnen.

Der Capitan brüllte wie ein Wahnsinniger. Er fuchtelte mit seinem Toledodegen in der Luft herum. Ans Kämpfen dachte er nicht. Dazu hatte er schließlich seine Leute. Er schrie seine Offiziere an, und zögernd gingen diese in Abwehrstellung.

Hasard hatte sich in die Wanten des Besanmastes geschwungen, nachdem er drei weitere Soldaten aus dem Weg geräumt hatte. Einer der Offiziere hatte ihn entdeckt und die Pistole auf ihn angelegt. Doch bevor er abdrücken konnte, sirrte Hasards Messer durch die Luft und blieb mit zitterndem Griff in der Brust des Mannes stecken. Der Offizier drehte sich um seine Achse. Seine Hände griffen haltsuchend um sich und packten den Ärmel des Capitans.

Kreischend versuchte sich der Don von dem tödlich Verwundeten zu lösen. Schließlich wußte er sich nicht anders zu helfen, als ihn mit dem Knauf seines Degens von sich zu stoßen.

Die anderen Offiziere hatten alles beobachtet. Hasard sah den Haß in ihren Augen blitzen – Haß auf ihren Capitan, der ihnen auf diesem Schiff die Hölle bereitet hatte. Niemand von ihnen erhob noch einen Arm. Ungehindert konnten Ben Brighton, Kapitän Thomas und Dan O’Flynn bis zum Capitan vordringen.

Hasard schwang sich aus den Wanten hinunter und federte in den Knien ab, als er auf den Decksplanken landete. Die Offiziere ließen sich widerspruchslos von Blacky und Dan O’Flynn entwaffnen.

Plötzlich war es still auf dem Schiff. Nur noch das Prasseln des Feuers auf der Back und das Knattern des zerfetzten Lateinersegels am Besan waren zu hören. Die spanischen Soldaten hatten den Kampf aufgegeben, nachdem sie sahen, daß die Offiziere die Waffen gestreckt hatten. Jetzt waren alle Augen auf den Capitan gerichtet, der mit bleichem Gesicht an der Reling lehnte und den goldenen Toledodegen dem schlanken, schwarzhaarigen Engländer entgegenstreckte.

Alles wartete auf den Befehl des Capitans, die Flagge zu streichen, doch der Spanier schwieg verbissen. Sein Gesicht färbte sich langsam rot, denn einer seiner Offiziere hatte ein Wort ausgespuckt, das ihn zu beleidigen schien.

Hasard war auf der Hut. Es genügte ein kleiner Schritt zur Seite, um der vorstoßenden Klinge des Toledodegens auszuweichen.

Der Capitan keuchte. Schweiß stand ihm in dicken Perlen auf der Stirn. Er griff sofort wieder an, doch auch diesmal war der Seewolf schneller. Er ließ sein Entermesser fallen und fing den Degen, den ihm Dan O’Flynn zuwarf. Die Klinge schwang hoch und wehrte in letzter Sekunde einen Hieb des Spaniers ab.

Hasard sah, daß der Capitan seine Angst verloren hatte. Er mochte ein Feigling sein, aber jetzt hatte er sich entschlossen, zu kämpfen. Er wußte, daß es nur zwei Möglichkeiten für ihn gab: zu siegen oder zu sterben. Niemals würde er dem jungen Engländer den Triumph gönnen, ihn gefangenzunehmen.

Hasard unterschätzte den Capitan nicht. Der Mann war ein guter Fechter. Wenn ihm vielleicht auch die Kondition fehlte, er beherrschte jedenfalls alle Tricks, die einen guten Fechter ausmachten.

Es war nicht Hasards Natur, abzuwarten, bis der andere angriff. Er wollte die Entscheidung. Er wollte der Angreifer sein und den anderen in die Enge treiben, bis es keinen Ausweg mehr für ihn gab.

Der Spanier zerrte mit der Linken einen Parierdolch aus der verzierten Scheide an der Hüfte. Er ließ sich von Hasards Scheinangriffen nicht täuschen, sondern wartete mit zusammengepreßten Lippen auf seine Chance.

Hasard verzichtete auf jede Tändelei. Er griff an. Die Klinge seines Degens fauchte durch die Luft und klirrte gegen den Toledodegen des Gegners. Immer schneller folgten seine Ausfälle aufeinander. Der Spanier hatte Mühe, die Angriffe abzuwehren. Er fand keine Zeit, selbst einen entscheidenden Stoß anzubringen. Er stieß einen spitzen Schrei aus, als Hasard seine Klinge gefaßt hatte, sie blitzschnell rotieren ließ und dann kräftig hochriß.

Der Capitan konnte die Waffe nicht mehr halten. Der Toledodegen wurde aus seiner Faust gerissen, flog durch die Luft und fuhr mit der Spitze in den Besanmast. Dort blieb er stecken. Der schwere Korb pendelte hin und her.

Mit zwei Schritten war Hasard neben dem Besanmast und schnitt dem Capitan den Weg zu seinem Degen ab. Es wurde Zeit, daß dem Kampf ein Ende bereitet wurde. Das Feuer hatte bereits aufs Hauptdeck übergegriffen, und es war nur noch eine Frage der Zeit, wann es die Pulverkammern der Kriegsgaleone erreichte und sie samt aller Männer an Bord in die Luft flog.

Der Capitan hatten seinen Parierdolch mit beiden Händen gepackt.

Hasard schüttelte den Kopf.

„Geben Sie auf, Capitan“, sagte er.

Der Spanier spuckte aus, und bevor Ben Brighton und Kapitän Thomas eingreifen konnten, hatte er sich den Dolch bis zum Heft in die Brust gestoßen.

Einen Moment stand er schwankend da, die Augen weit aufgerissen.

„Viva España!“ rief er, dann quoll Blut aus seinem Mund, und er stürzte nach vorn auf die Decksplanken.

Hasard war einen Augenblick benommen. Damit hatte er nicht gerechnet. Er zollte seinem Gegner Anerkennung, indem er sich leicht vor dem Toten verbeugte. Doch dann gab er Ben Brighton den Befehl, das Schiff räumen zu lassen.

Inzwischen waren die Boote mit den Soldaten heran. Sie nahmen die gefangenen Spanier in Empfang. Hasard ging mit seinen Leuten und den Männern von Kapitän Thomas auf die „Isabella“ zurück, die sich sofort von der Kriegsgaleone entfernte.

Hasard beobachtete die geblähten Segel der letzten spanischen Galeone, der die Flucht aus dem Plymouth Sound zu gelingen schien. Ihre Takelage war zwar mächtig zerrupft, aber sie lief noch genügend Fahrt, um ihren Verfolgern entrinnen zu können.

Hasard überlegte, ob es Sinn hatte, den Spanier zu verfolgen, doch dann schüttelte er den Kopf. Die Galeone hatte einen zu großen Vorsprung. Außerdem war der Besanmast der „Isabella“ zur Hälfte zerstört, und am Hafen wartete sicher Francis Drake, der bereits angedeutet hatte, daß eine neue Aufgabe auf die Schiffe seines Geschwaders wartete.

Als die „Isabella“ in die Mill Bay glitt, hatte das Feuer auf der spanischen Kriegsgaleone die Pulverkammern erreicht. Hasard blickte zurück und sah, wie das große Schiff auseinanderbarst. Die Boote mit den Gefangenen hatten das Ufer erreicht, so daß niemand mehr zu Schaden kam.

„Zum Teufel, Killigrew“, sagte John Thomas neben Hasard. „Der Herr möge mich davor bewahren, daß wir uns mal als Feinde gegenüberstehen!“

Hasard hatte richtig vermutet. Kapitän Drake hatte die Schlacht im Plymouth Sound von der Zitadelle aus verfolgt. Immer wieder hatte er den Kopf geschüttelt über soviel Leichtsinn, und dennoch konnte er dem jungen Killigrew seine Achtung nicht versagen. Er tat in den entscheidenden Augenblicken immer genau das Richtige.

„Ein bissiger Seewolf“, murmelte er. „Einer mit Mut, Verstand und Glück, die Mischung, die einen großen Mann auszeichnet.“

Francis Drake wartete nicht ab, bis die Galeone der Spanier in die Luft flog. Er wollte an den Piers der Mill Bay sein, wenn die „Isabella“ anlegte. Er hatte schon gesehen, daß die „Marygold“ und die „Santa Cruz“ beschädigt worden waren, aber er würde schon dafür sorgen, daß schnell neue Masten herbeigeschafft wurden. In zwei Tagen sollten die drei Schiffe auslaufen und Soldaten nach Irland bringen, die eine geheime Mission zu erfüllen hatten.

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