Kitabı oku: «Haftungsrisiken des automatisierten und autonomen Fahrens», sayfa 6

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aa. Gesetzgebungsverfahren

Bevor eine Änderung des StVG beschlossen werden konnte, musste auf europäischer Ebene das Wiener Übereinkommen (WÜ) über den Straßenverkehr von 1968 entsprechend angepasst werden. Das Wiener Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag zur Harmonisierung des internationalen Straßenverkehrs, der von der Bundesrepublik 1979 ratifiziert wurde und seither Grundlage vieler verkehrsrechtlicher Regelungen ist.201 Den 2016 vorgenommenen Änderungen von Art. 8 und Art. 39 des Wiener Übereinkommens hat der Bundestag im September 2016 zugestimmt.202 Damit war der Weg frei für neue nationale Regelungen.

Den ursprünglich vom Ministerium für Verkehr und Infrastruktur vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes segnete die Bundesregierung am 27.01.2017 ab.203 Am 20.02.2017 wurde der Entwurf dann durch die Bundesregierung direkt dem Bundestag vorgelegt.204 Der Bundesrat wurde wegen „besonderer Eilbedürftigkeit“ nicht angehört (Art. 76 II S. 4 GG).205 Begründet wurde die Eilbedürftigkeit mit dem dringenden Bedürfnis nach Rechtssicherheit aufgrund der bereits auf dem Markt verfügbaren technischen Systeme.206 Der Bundestag kritisierte in einer Stellungnahme vom 10.03.2017 das Fehlen klarer Regelungen und das Abwälzen bestehender Risiken auf den Fahrzeugführer.207 Erforderlich sei daher eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzesentwurfes.208 Daraufhin überwies der Bundestag den Gesetzesentwurf zur Beratung an den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz und den Ausschuss Digitale Agenda.209 Es erfolgten nunmehr eher geringfügige Änderungen hinsichtlich Datenschutz- und Straßenverkehrsrecht.210 Am 30.03.2017 wurde das Änderungsgesetz schließlich gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen nach einer 38-minütigen Diskussion im Bundestag angenommen.211 Der Bundesrat stimmte am 12.05.2017 zu.212 Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten trat das 8. StVG-Änderungsgesetz gem. Art. 2 des Gesetzes am 21.06.2017 in Kraft.

Damit ist vom ersten Entwurf Mitte 2016 bis zum Inkrafttreten lediglich ein Jahr vergangen, was angesichts der Tragweite der neuen Vorschriften teilweise als übereilt angesehen wird.213 Eine nicht unwesentliche Rolle dürfte dabei das Ende der Legislaturperiode des 18. Deutschen Bundestages am 24.10.2017214 gespielt haben.

bb. Anwendbarkeit der §§ 1a, 1b StVG

Haftungsrechtliche Bedeutung haben insbesondere die §§ 1a, 1b StVG, die allerdings nicht den Betrieb von automatisierten Fahrzeugen per se regeln. Erforderlich ist vielmehr, dass das System auch tatsächlich verwendet wird.215 Die Fahrfunktionen müssen dabei zwingend dem Anforderungskatalog des § 1a II S. 1 StVG entsprechen. Zusätzlich muss der Hersteller gem. § 1a II S. 2 StVG erklären, dass das von ihm in den Verkehr gebrachte Fahrzeug diesen Anforderungen Genüge tut. Für die Anwendbarkeit der §§ 1a, 1b StVG ist auch § 1a III StVG von essenzieller Bedeutung. Nach § 1a III Var. 1 StVG muss das Fahrzeug – selbstverständlich – zunächst nach § 1 I StVG zugelassen sein.216 Zudem müssen die Fahrfunktionen entweder in internationalen Vorschriften beschrieben sein und diesen entsprechen oder eine EG-Typengenehmigung nach Art. 20 der Rahmenrichtlinie 2007/46/EG ausgestellt sein. Liegt auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht vor, so sind die §§ 1a, 1b StVG nicht anwendbar. Die Verhaltensanforderungen an den Fahrer richten sich dann wie gewohnt nach § 1 StVG mit dementsprechend erhöhten Sorgfaltspflichten.

cc. Keine Differenzierung der Automatisierungsstufen

Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers wurde regelungstechnisch nicht zwischen hochautomatisiertem Fahren der Stufe 3 und vollautomatisiertem Fahren der Stufe 4 unterschieden. Eine Differenzierung sei aufgrund des stetigen und kontinuierlichen Fortschritts „nicht notwendig und auch nicht zweckmäßig.“217 Gleichwohl bezieht sich der Gesetzgeber auf das oben beschriebene Stufenmodell,218 was angesichts der technisch durchaus beachtlichen Unterscheidungen zwischen Stufe 3 und 4 einige Fragen aufwirft. Aufgrund fehlender Erfahrungswerte mit automatisierten Fahrzeugen ist es aber in Anbetracht der Verkehrssicherheit zu begrüßen, dass auch der Fahrer eines vollautomatisierten Fahrzeugs der Stufe 4 nicht von jeglichen Pflichten entbunden wird.219 Eine Anpassung des Gesetzes kann erfolgen, wenn Systeme dieser Stufe tatsächlich existieren und sich bewährt haben.

dd. Fahrzeugführer

Im Vorfeld der Gesetzesänderung wurde auch immer wieder diskutiert, ob die sich auf dem Fahrersitz befindliche Person überhaupt noch als Fahrzeugführer zu qualifizieren ist.220 Obgleich die Rechtsprechung mehrere Anforderungen an die Fahrereigenschaft stellt,221 ist Fahrzeugführer zunächst einmal derjenige, der das Fahrzeug selbst unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt, um es unter Handhabung essentieller technischer Vorrichtungen während der Fahrbewegung ganz oder wenigstens zum Teil durch den Verkehrsraum zu leiten.222 Auch nach Art. 1 v) des WÜ ist Führer eines Kraftfahrzeuges derjenige, der es lenkt.

Weil gerade bei der Verwendung automatisierter Systeme offensichtlich nicht der Insasse das Fahrzeug „unter Handhabung technischer Vorrichtungen durch den Verkehrsraum leitet“, betrachtete vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes die vorherrschende – aber keineswegs einhellige – Meinung diesen Insassen nicht mehr als Fahrzeugführer.223 Der Gesetzgeber teilte diese Ansicht aus Opferschutzgründen nicht224 und regelte die Fahrzeugführereigenschaft in hoch- und vollautomatisierten Fahrzeugen der Stufen 3 und 4 im neuen § 1a IV StVG. § 1a IV StVG hat dabei nicht den rechtlichen Charakter einer reinen Klarstellung, wie durch den Gesetzgeber formuliert,225 sondern stellt vielmehr eine Fiktion der Fahrzeugführereigenschaft dar.226 Eine reine Klarstellung liegt deshalb nicht vor, weil der Insasse während des automatisierten Betriebs die definitionsgemäß erforderlichen Merkmale eines Fahrzeugführers gerade nicht mehr erfüllt. Die Rolle des Insassen eines automatisierten Fahrzeugs ist insofern gut vergleichbar mit der eines Fahrlehrers. Auch er greift solange nicht in die Steuerung ein, wie das Fahrzeug sicher geführt wird. Richtigerweise qualifiziert der BGH den Fahrlehrer in dieser Zeit gerade nicht als Fahrzeugführer, weil er nicht einmal einen Teil der wesentlichen Fahreinrichtungen bedient hat.227 Allein der Umstand, dass es ihm möglich ist, jederzeit einzugreifen, reicht noch nicht aus.228 Würde man die bloße Möglichkeit der Intervention ausreichen lassen,229 dann müssten auch jeder beliebige Beifahrer und ggf. sogar alle anderen Insassen (Mit-) Fahrer sein. Die tatsächliche Gewalt über ein Fahrzeug kann nur derjenige innehaben, der auch ein ursächliches Verhalten für eine bestimmte Fahrbewegung setzt.

Der Insasse kann daher in tatsächlicher Hinsicht kein Fahrzeugführer sein. Will man ihn dennoch aus rechtspolitischen Erwägungen weiterhin nach § 18 I StVG haften lassen, dann muss die Fahrereigenschaft fingiert werden.230 So ist es geschehen: Nach § 1a IV StVG bleibt derjenige Fahrzeugführer, der eine hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktion nutzt, obwohl er das Fahrzeug nicht mehr eigenhändig durch den Verkehr leitet.231

Der Anwendungsbereich des § 1a IV StVG ist nach seinem Wortlaut in zweifacher Hinsicht begrenzt: Erstens auf solche Fahrzeuge, die auch tatsächlich den technischen Anforderungen des § 1a II StVG genügen, andernfalls ist auf die „herkömmliche“ Definition des Fahrzeugführers zurückzugreifen.232 Das hat zur Folge, dass sich bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 1a II StVG die Sorgfaltsanforderungen an den Fahrer nicht nach § 1b StVG, sondern nach allgemeinen Grundsätzen richtet. Des Weiteren ist für die Anwendbarkeit von § 1a IV StVG die „bestimmungsgemäße Verwendung“ des Systems erforderlich. Auch wenn ein Fahrzeug also alle technischen Voraussetzungen erfüllt, gelangen die §§ 1a, 1b StVG dann nicht zur Anwendung, wenn das System entgegen seinem Zweck verwendet wird. Es kommt bei bestimmungswidriger Verwendung dann zu einem gesetzlich nicht lösbaren Widerspruch.233 Einerseits ist der Insasse nicht nach § 1 IV StVG Fahrzeugführer, weil er das System nicht ordnungsgemäß einsetzt. Andererseits ist er aber auch nicht nach allgemeinen Grundsätzen als Fahrzeugführer zu betrachten, weil er das Fahrzeug nicht eigenhändig durch den Verkehrsraum führt, sodass er nicht nach § 18 I StVG haftbar wäre. Im Ergebnis würde folglich nur derjenige haften, der das System bestimmungsgemäß einsetzt, was der Gesetzgeber so nicht gewollt haben kann. Es ist eine gesetzliche Ergänzung dahingehend erforderlich, dass derjenige, der das System zweckwidrig nutzt, wie ein Fahrzeugführer ohne hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktionen zu behandeln ist.

ee. Neue Rechte und Pflichten des Fahrzeugführers

Wie die amtliche Überschrift von § 1b StVG bereits offenlegt, richten sich an den Fahrer automatisierter Fahrzeuge einerseits neue Rechte während der Fahrt, anderseits aber auch besondere Verhaltensanforderungen, die im Allgemeinen als „Übernahme- und Überwachungspflichten“ bezeichnet werden können. § 1b I StVG berechtigt den Fahrer nunmehr dazu, sich während der Nutzung von automatisierten Fahrfunktionen „vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abzuwenden“. Dabei muss er aber derart wahrnehmungsbereit bleiben, dass er seinen Pflichten nach § 1b II StVG jederzeit nachkommen kann. § 1b II StVG verlangt vom Fahrer, die Fahrzeugsteuerung „unverzüglich wieder zu übernehmen, wenn ihn das System dazu auffordert oder wenn er erkennt oder auf Grund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen.“ Der Pflichtenkatalog aus § 1b II StVG stellt damit eine Konkretisierung der Pflicht zur Wahrnehmungsbereitschaft aus § 1b I StVG dar.

aaa. Die bestimmungsgemäße Verwendung

Grundvoraussetzung der Abwendungsbefugnis ist die bestimmungsgemäße Verwendung des hoch- oder vollautomatisierten Systems (§ 1a I StVG). So darf ein für die Autobahn konzipierter Staupilot nicht auf der Landstraße oder in der Stadt eingesetzt werden.234 Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, den aus einer Zweckentfremdung entstehenden Gefahren entgegenzuwirken.235

Für den Fahrer ergibt sich daraus die Pflicht, das System nur dann zu aktivieren, wenn ihm die entsprechende Systembeschreibung vertraut ist und der Einsatz des Systems in der jeweiligen Situation im Rahmen der Funktionsgrenzen liegt.236 Durch den Wortlaut der Norm und ihre systematische Stellung als Ergänzung zu § 1 StVG könnte der Eindruck entstehen, das automatisierte Fahrzeug könnte seine straßenverkehrsrechtliche Zulassung verlieren, wenn es nicht entsprechend der Funktionsbeschreibung verwendet wird.237 Gemeint sein dürfte vielmehr, dass sich die Verantwortlichkeit des Fahrers bei systemwidriger Verwendung nicht nach § 1b StVG, sondern nach allgemeinen Regeln richtet.

Die Systembeschreibung selbst ist Angelegenheit des Herstellers und soll dem Nutzer „unmissverständlich“ über die Systemfunktionen und den Grad der Automatisierung Auskunft geben.238 Man könnte kritisch anmerken, dass der Hersteller dadurch „stellvertretend“ für den Gesetzgeber die Zulässigkeit automatisierter Systeme bestimmt.239 Ganz so erheblich dürfte der Einfluss des Herstellers allerdings nicht sein. Zum einen gibt der Gesetzgeber in § 1a II StVG verbindliche Mindestfunktionalitäten vor, die für den Hersteller nicht disponibel sind.240 Zum anderen gibt es nach wie vor eine behördliche Zulassung, durch die dann eine Legitimierung der vom Hersteller gelieferten Systembeschreibung erfolgt.241 Auch die Gefahr einer eher restriktiven Systembeschreibung zur Haftungsprävention seitens der Hersteller ist nicht allzu hoch.242 Der Hersteller dürfte kein Interesse an der Beschränkung des eigenen Systems haben, schließlich greift der Kunde zu dem System, das seiner Ansicht nach den größten Mehrwert bietet. Eine „defensive“ Systembeschreibung würde schnell auffallen und zum Fallstrick für den Hersteller werden, gerade auch im Hinblick auf den wachsenden Konkurrenzkampf mit Technologiekonzernen und die daraus zu erwartende offensive Vermarktung mit dementsprechenden Werbeversprechen, die dann auch einen Teil der Systembeschreibung darstellen.243 Es erscheint daher zulässig, den Umfang der bestimmungsgemäßen Verwendung dem Hersteller zu überlassen.

Dagegen dürfte es zu Problemen führen, dass jeder Hersteller seine eigenen, ganz individuellen Systeme auf den Markt bringt und auf den Fahrer somit eine erhebliche Informationspflicht zukommt.244 Vielfach wird daher gefordert, die bestimmungsgemäße Verwendung gesetzlich zu definieren.245 Wie eine solche Definition aber konkret ausgestaltet sein soll, ist äußerst fraglich. Dem Gesetzgeber ist es schon vom technischen Kenntnisstand her unmöglich, die Spezifikationen der verschiedenen Systeme zu überblicken. Hinzukommt, dass gerade der Gesetzgeber in der Pflicht steht, Gesetze so verständlich wie möglich zu formulieren. Was aktuell von den Herstellern verlangt wird, würde erst recht für eine gesetzliche Definition gelten. Die Frage ist also, ob der Hersteller oder der Gesetzgeber eher in der Lage ist, eine hochkomplexe Technologie „unmissverständlich“ zu erläutern. Es erscheint richtig, den Hersteller mit dieser Aufgabe zu betrauen, schließlich wird dieser den Funktionsumfang des eigenen Werkes am besten beurteilen können.246 Nicht zu unterschätzen ist außerdem die Flexibilität, die mit einer gesetzlichen Definition nicht hätte erreicht werden können. Über die stetig wachsenden Funktionalitäten der Systeme können die Hersteller über ihre Systembeschreibung wesentlich schneller informieren als der Gesetzgeber über eine Gesetzesänderung.247 Hier kommt auch zum Tragen, dass sowohl das hoch- als auch das vollautomatisierte Fahren in einem Zug geregelt wurden. Aufgrund der technischen Unterschiede wird sich kaum eine allgemeingültige Definition finden lassen, die den bestimmungsgemäßen Gebrauch für beide Stufen gleichermaßen bestimmt.248 So ist ein System der Stufe 4 ausweislich der Definition der Bundesanstalt für Straßenwesen dazu in der Lage, das Fahrzeug selbstständig in einen risikominimalen Zustand zu überführen,249 was ein Fahrzeug der Stufe 3 eben noch nicht kann. Der bestimmungsgemäße Gebrauch wird sich zwischen den Stufen also erheblich unterscheiden.

Ein weiteres Problem ist der gesetzliche Widerspruch, der sich aus der bestimmungsgemäßen Verwendung nach § 1a I StVG und dem technischen Erfordernis der Einhaltung der Verkehrsvorschriften aus § 1a II S. 1 Nr. 2 StVG ergibt. Einerseits überträgt das Gesetz in § 1a I StVG die Bestimmung der Systemgrenzen (zu Recht) auf den Hersteller, andererseits muss das System nach § 1a II S. 1 Nr. 2 StVG den an die Fahrzeugführung gerichteten Verkehrsvorschriften entsprechen.250 Fasst man diese Formulierung wörtlich auf, muss man zu dem Ergebnis gelangen, dass das System ausnahmslos alle straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften einzuhalten hat.251 Das wiederum wird gerade im Hinblick auf besondere Regelungen wie § 36 I StVO, der das Befolgen von polizeilichen Zeichen und Weisungen vorschreibt, aber kaum möglich sein. Der Hersteller kann diese indisponiblen Vorgaben nicht durch eine entsprechende Systembeschreibung korrigieren und die automatisierte Fahrt wäre demzufolge unzulässig, weil das System die technischen Voraussetzungen des § 1a II StVG nicht erfüllt.252 Eine derartig hohe gesetzliche Hürde kann vom Gesetzgeber so nicht beabsichtigt gewesen sein.253 § 1a II S. 1 Nr. 2 StVG kann sich nur auf diejenigen Verkehrsvorschriften beziehen, die innerhalb der bestimmungsgemäßen Verwendung auch erkannt werden können. Ist das nicht der Fall, hat das lediglich zur Folge, dass in der spezifischen Situation eine Übernahmesituation vorliegt, nicht aber, dass das Fahren mittels des Systems gänzlich unzulässig ist.254

Insgesamt haben das viel diskutierte Erfordernis der bestimmungsgemäßen Verwendung und der damit implizierte Verweis auf die Herstellervorgaben ihre Berechtigung und sind unserem Rechtssystem auch nicht völlig neu.255 Wünschenswert wäre allerdings, in § 1a II S. 1 Nr. 2 StVG noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Verkehrsvorschriften durch das System nur insoweit einzuhalten sind, wie es nach der Art seiner Verwendung in der Lage ist.

bbb. Das Recht zur Abwendung

Der Gesetzgeber versteht die Befugnis zur Nichtbeachtung des Verkehrsgeschehens gem. § 1b I StVG als reine klarstellende Regelung.256 In der Tat ergibt sich das Recht zur Abwendung bereits durch den Umkehrschluss aus der in § 1b II StVG formulierten Verpflichtung, die Steuerung unverzüglich wieder übernehmen zu können. Gleichzeitig schließt § 1b II StVG allerdings das Abwendungsrecht hinsichtlich bestimmter Tätigkeiten von vorneherein aus.257 So ist es nach wie vor nicht zulässig, zu schlafen oder den Fahrersitz zu verlassen.258 Nach der gesetzgeberischen Intention soll es aber nunmehr möglich sein, „die Hände vom Lenkrad zu nehmen, den Blick von der Straße zu wenden oder E-Mails am Infotainmentsystem zu bearbeiten.“259 Abseits der Gesetzesbegründung lässt der Wortlaut der Norm jedoch noch viele Fragen offen. Die Unbestimmtheit des Tatbestandes führt zwangsläufig zu einem rechtlichen Graubereich von Tätigkeiten, die die Aufmerksamkeit des Fahrers zumindest zum Teil beanspruchen und einschränken. Schirmer verweist hier etwa auf das Schauen von Videos oder das Surfen im Internet.260 Vor allem die Nutzung von elektronischen Geräten – allen voran des Mobiltelefons – steht in der Diskussion, weil § 1b I StVG in offensichtlicher Diskrepanz zum „Handheldverbot“ des § 23 Ia StVO steht. So empfahl etwa der 56. Deutsche Verkehrsgerichtstag 2018 die gesetzliche Klarstellung, dass der § 23 Ia StVO bei der Nutzung automatisierter Fahrfunktionen nicht zur Geltung kommen soll.261 § 23 Ia S. 5 StVO stellt allerdings bereits klar, dass § 1b StVG unberührt bleibt.262 Da § 1b I StVG keine konkreten Tätigkeiten erlaubt oder für unzulässig erklärt, können die Regelbeispiele des § 23 Ia StVO schon wegen mangelnder Bestimmtheit des § 1b StVG nach Art. 103 II GG nicht auch als Nutzungsverbote während der automatisierten Fahrt betrachtet werden.263 Eine Aufrechterhaltung des § 23 Ia StVG auch während des automatisierten Betriebs würde zudem den Sinn und Zweck des § 1b StVG unterlaufen, der ja gerade das Ausüben bestimmter (fahrfremder) Tätigkeiten ermöglichen soll.264 Schon nach derzeitiger Gesetzeslage ist es dem Fahrer somit gestattet, elektronische Geräte während der automatisierten Fahrt zu benutzen.265

Damit ist in Sachen Rechtssicherheit allerdings noch nicht viel gewonnen, weil die eigentliche Schwierigkeit darin besteht zu beurteilen, in welchem Umfang diese Geräte genutzt werden dürfen. Aus diesem Grund ist es auch nicht sinnvoll, einen gesetzlich festgelegten Verhaltenskatalog zu schaffen, der konkrete Tätigkeiten für zulässig oder unzulässig erklärt.266 In sehr weiten Grenzen („schlafen“) ist nämlich jede Tätigkeit gestattet, solange alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Relevant sind vielmehr die Intensität der Ablenkung und die damit verbundenen geistigen Beeinträchtigungen des Fahrers. Diese Frage ist dem Straßenverkehrsrecht keineswegs neu. So ist auch das Tragen von Kopfhörern während der Fahrt grundsätzlich gestattet, jedoch nur solange, wie die Nutzung nicht zu Gehörbeeinträchtigungen führt, aufgrund derer der Fahrer nicht mehr in der Lage ist, akustische Eindrücke aus dem Verkehrsumfeld wahrzunehmen.267

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