Kitabı oku: «Bankrott und strafrechtliche Organhaftung», sayfa 3

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2. Zahlungsunfähigkeit

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Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 1 InsO) ist allgemeiner Eröffnungsgrund. Der Eröffnungstatbestand gilt ohne Einschränkung in sachlicher und persönlicher Hinsicht, ebenso unabhängig von der Person des Antragstellers.[38] Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner „nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen“ (§ 17 Abs. 2 S. 1 InsO). Die Legaldefinition knüpft ausschließlich an objektiven Tatbestandsvoraussetzungen an. Dementsprechend schließt ein bestehender Zahlungswille des Schuldners als subjektives Element Zahlungsunfähigkeit nicht aus.[39] Umgekehrt begründet bloße Zahlungsunwilligkeit keine Zahlungsunfähigkeit. Nicht selten versuchen objektiv zahlungsunfähige Schuldner allerdings durch die Behauptung nur zahlungsunwillig zu sein, eine tatsächlich bestehende Zahlungsunfähigkeit gegenüber Dritten zu verschleiern, um die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und die damit verbundenen negativen Auswirkungen zu vermeiden.[40]

a) Insolvenzrechtlicher Fälligkeitsbegriff

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Fälligkeit i.S. von § 271 BGB benennt den Zeitpunkt, ab dem ein Gläubiger berechtigt ist, die geschuldete Leistung zu fordern.[41] Ein Zahlungsverzug des Schuldners (§ 286 Abs. 1 BGB) ist nicht erforderlich.[42] Zu berücksichtigen sind ausschließlich Zahlungs-, d.h. Geldverbindlichkeiten.[43] Fälligkeit kann durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung (Stundung)[44] beseitigt, d.h. vorübergehend „hinausgeschoben“ werden. Die Stundungsabrede kann konkludent erfolgen.[45]

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Die Rechtsprechung in Zivilsachen hält allerdings – anders als das überwiegende Schrifttum[46] – auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung (zum 1.1.1999)[47] weiter daran fest, dass Fälligkeit im Regelungszusammenhang des Insolvenzrechts (§ 17 Abs. 2 S. 1 InsO) ein „ernsthaftes Einfordern“ der Forderung durch den Gläubiger voraussetzt.[48] Dieses Kriterium ist bereits im Zusammenhang mit der Konkursordnung[49] entwickelt worden.[50] Es genüge hierzu, so der BGH in Zivilsachen, „wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt“.[51] Zwar enthalte der Wortlaut von § 17 InsO keinen Hinweis auf dieses Erfordernis.[52] Dennoch rechtfertige und erfordere der abweichende Telos des (allgemeinen) Zivilrechts, namentlich von § 271 BGB einerseits und des Eröffnungsgrunds der Zahlungsunfähigkeit andererseits, eine abweichende Bestimmung dieses Merkmals.[53] Insolvenzrechtlich sei maßgeblich, ob die wirtschaftliche Situation des Schuldners bereits erfordere, von der Einzelzwangsvollstreckung in das Gesamtvollstreckungsverfahren überzugehen, mit dem Ziel, das Vermögen des Schuldners im Rahmen eines geordneten Verfahrens gleichmäßig unter den Gläubigern zu verteilen und einen weiteren „Wettlauf der Gläubiger“ (Prioritätsprinzip) zu vermeiden.[54] Während Fälligkeit i.S. von § 271 BGB vor allem für die Frage des Schuldnerverzugs, für die Erhebung der Leistungsklage sowie für den Verjährungsbeginn Relevanz besitze,[55] sei die insolvenzrechtlich entscheidende Fragestellung, ob das Vermögen des Schuldners ausreiche, sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Für die letztgenannte Problematik sei jedoch über den Umstand hinaus, dass ein Gläubiger Zahlung verlangen kann, ebenfalls von Bedeutung, ob die Leistung auch tatsächlich eingefordert werde.[56] Von Fälligkeit allgemeiner zivilrechtlicher Provenienz (§ 271 BGB) dürfe deshalb nicht schematisch auf eine Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 InsO geschlossen werden.[57] Es gilt danach ein erweiterter insolvenzrechtlicher Fälligkeitsbegriff. Für ein „ernsthaftes Einfordern“ genügt regelmäßig bereits die Übersendung einer Rechnung.[58] Eine wiederholte Zahlungsaufforderung ist dagegen nicht erforderlich.[59] Das „ernsthafte Einfordern“ besitzt im Unterschied zur Stundungsabrede die Rechtsnatur eines bloßen Realakts.[60] Die im Einzelfall schwierige Abgrenzung zwischen einem unterlassenen Einfordern ohne Rechtsbindungswillen (Realakt) und einer konkludenten Stundungsvereinbarung (Rechtsgeschäft) ist Frage der Auslegung.[61]

b) Zeitraum und Wesentlichkeit der Liquiditätslücke

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Vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung wurden als weitere Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit benannt, dass der Schuldner dauerhaft außer Stande geraten ist, fällige Forderungen zu einem wesentlichen Teil zu erfüllen.[62] Auf eine Übernahme der Merkmale „Dauerhaftigkeit“ und „Wesentlichkeit“ der Liquiditätslücke in die Legaldefinition des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO wurde allerdings aus Gründen der Rechtsklarheit verzichtet.[63] Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich dieses Eröffnungsgrunds insoweit bewusst weiter gefasst.[64] Ziel war, hierdurch eine frühzeitige („rechtzeitige“) Verfahrenseröffnung (vor allem zur Verbesserung möglicher Sanierungschancen) nicht zu gefährden.[65] Nach „alter“ Rechtslage war dementgegen rechtstatsächlich häufig erst eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO) eigentlicher „Verfahrensauslöser“.[66]

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Das in den Gesetzeswortlaut nicht übernommene Merkmal der „Dauerhaftigkeit“ betrifft die Abgrenzung von Zahlungsunfähigkeit zu einer, zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ausreichenden, nur vorübergehenden Zahlungsstockung.[67] Die Rechtsprechung zur Konkursordnung zog noch eine zeitliche Grenze der Illiquidität von ungefähr einem Monat,[68] teilweise auch deutlich darüber hinaus.[69] Nach aktueller Rechtslage ist dagegen maßgeblich, ob sich die Geldilliquidität voraussichtlich „innerhalb kurzer Zeit“ beheben lässt.[70] Nach der Rechtsprechung des BGH in Zivilsachen sei dabei eine Frist von einer bis höchstens drei Wochen ausreichend, um die zum Ausgleich sämtlicher fälliger Verbindlichkeiten erforderlichen liquiden Mittel ggf. durch Kredit zu beschaffen.[71] Zwar begründen nach Auffassung des Gesetzgebers kurzfristige Zahlungsstockungen eine Zahlungsunfähigkeit auch weiterhin nicht.[72] Dagegen sollte jedoch ausdrücklich vermieden werden, dass Zeiträume von mehreren Monaten noch unter bloße Zahlungsstockungen subsumiert werden können.[73] Diesem Umstand trägt die Rechtsprechung in Zivilsachen nunmehr also Rechnung.[74]

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Der Gesetzgeber ist ebenfalls davon ausgegangen, allerdings ohne das Merkmal der „Wesentlichkeit“ in den Gesetzestext aufzunehmen, dass nur „ganz geringfügige Liquiditätslücken außer Betracht bleiben müssen“.[75] Zuvor wurden Liquiditätslücken von bis zu 25 %[76] durchaus noch als „nicht wesentlich“ deklariert.[77] Die aktuelle insolvenzrechtliche Rechtsprechung verfährt nunmehr im Rahmen des § 17 InsO auch insoweit restriktiver. „Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist“.[78] Die 10 %-Grenze ist damit kein „starrer Wert“, sondern begründet insolvenzrechtlich nur eine widerlegbare Vermutung.[79] Liegt die Liquiditätslücke oberhalb dieses „Schwellenwerts“, ist dennoch nur von einer Zahlungsstockung auszugehen, sofern besondere Umstände festgestellt werden können, die mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine zeitnahe, (nahezu) vollständige Reduzierung der fehlenden Liquidität sprechen. Umgekehrt liegt Zahlungsunfähigkeit auch bei einem Liquiditätsdefizit unterhalb dieser Grenze vor, wenn bereits absehbar ist, dass deren Umfang demnächst den „10 % – Richtwert“ erreichen bzw. überschreiten wird.[80]

c) Feststellung von Zahlungsunfähigkeit

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Ausgangspunkt der Ermittlung von Zahlungsunfähigkeit ist die stichtagsbezogene Feststellung der bestehenden Liquiditätslücke durch eine Liquiditätsbilanz.[81] Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.[82] Die Abgrenzung von einer nur vorübergehenden Zahlungsstockung erfordert in einem weiteren Schritt eine zeitraumbezogene (Liquiditäts-)Prognose.[83] Entscheidend ist, wie gesehen, eine dreiwöchige Zeitspanne. Sämtliche in dem Prognosezeitraum „fällig werdende“ Zahlungspflichten sowie mit Sicherheit zu erwartende Zahlungseingänge sind zu ermitteln und gegenüberzustellen.[84] Zu den berücksichtigungsfähigen Zahlungseingängen gehören nicht nur Forderungen des Unternehmens, etwa gegenüber Kunden bzw. Geschäftspartnern, sondern ebenfalls erwartete Zahlungen aus gewährten oder erweiterten Krediten sowie Erlöse aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen, sofern sie innerhalb der „Dreiwochenfrist“ realisierbar sind.[85] Die Feststellung des exakten Zeitpunkts, in dem Zahlungsunfähigkeit eintritt, ist für Dritte, namentlich für Gläubiger ohne ausreichenden Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse des betroffenen Unternehmens, häufig schwierig.[86] Gläubiger haben regelmäßig nur Kenntnis von der eigenen (offenen) Forderung gegenüber dem Kunden und den Problemen, diese beizutreiben. Dieser Umstand beinhaltet allenfalls ein Indiz für Zahlungsunfähigkeit. Weitergehende Kenntnisse, die darüber hinaus einen Rückschluss auf die Liquiditätslage des Unternehmens insgesamt zulassen, besitzen Unternehmensgläubiger nur selten. Es bedarf rechtstatsächlich regelmäßig eines Sachverständigengutachtens, um die Voraussetzungen einer Zahlungsunfähigkeit durch eine Liquiditätsanalyse zu belegen.[87]

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Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit kann allerdings ebenfalls auf der Grundlage von Indizien, d.h. äußerer Beweisanzeichen, erfolgen.[88] Insoweit „indiziellen Charakter“ besitzen etwa die Schließung des Geschäftslokals, die Inanspruchnahme von Zahlungszielen, die Häufung von Pfändungen und Wechselprotesten, das Nichtabführen von Steuern[89] bzw. Sozialabgaben,[90] die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, (Teil-)Zahlungsrückstände oder häufig verspätete Zahlungen.[91] Indizien für eine Zahlungsunfähigkeit begründen nicht selten Erklärungen des Schuldners selbst, etwa die Mitteilung gegenüber einem Gläubiger, eine fällige Forderung nicht ausgleichen zu können, regelmäßig verbunden mit einer Stundungsbitte (Zahlungsaufschub).[92] In Einzelfällen übermitteln betroffene Unternehmer zum Nachweis freiwillig oder nach Aufforderung eine Liquiditätsübersicht an den Gläubiger, aus der sich dessen Zahlungsunfähigkeit ergibt, um die Stundungsbitte zu belegen.[93] Können die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit auf der Grundlage „kriminalistischer Beweisanzeichen“ festgestellt werden, bedarf es der Erstellung einer Liquiditätsbilanz nicht mehr.[94]

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Darüber hinaus ist nach der (widerleglichen) Vermutung[95] des § 17 Abs. 2 S. 2 InsO „Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat“. „Zahlungseinstellung“ beinhaltet allerdings mehr als eine bloße Nichtzahlung.[96] Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Vermutung ist das nach Außen erkennbare Verhalten des Schuldners,[97] aus dem sich für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängt,[98] dass der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.[99] Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten genügt.[100] Die Zahlungseinstellung kann nur durch allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen beseitigt werden.[101]

3. Drohende Zahlungsunfähigkeit

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Der besondere Eröffnungstatbestand drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) setzt einen Eigenantrag des Schuldners voraus (sog. „Innenlösung“).[102] Der Schuldner droht in Zahlungsunfähigkeit zu geraten, „wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen“ (§ 18 Abs. 2 InsO).[103] Der Begriff drohender Zahlungsunfähigkeit mag ursprünglich dem Insolvenzstrafrecht entstammen,[104] besitzt im insolvenzrechtlichen Kontext jedoch eine vom strafrechtlichen Regelungszusammenhang abweichende Funktion.[105] Die Vorstellung des Gesetzgebers bei Inkorporierung dieses Eröffnungsgrunds war,[106] eine frühzeitige Antragstellung zu ermöglichen, sofern sich Zahlungsunfähigkeit deutlich abzeichnet, damit rechtzeitig (verfahrens-)rechtliche und wirtschaftliche „Gegenmaßnahmen“ ergriffen werden können.[107] Gesetzgeberisches Ziel dieser zeitlichen Vorverlagerung einer möglichen Insolvenzantragstellung war also primär, die Chancen für Erhalt und Sanierung von Unternehmen zu erhöhen.[108] Es besteht in diesen Fällen allerdings auch bei Betroffenheit juristischer Personen keine Antragspflicht des Schuldners.[109] Der Schuldner ist danach berechtigt, den „Schutz des Insolvenzverfahrens“ zu beanspruchen, sofern es ihm opportun erscheint.[110]

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Inhaltlich knüpfen die Anforderungen drohender Zahlungsunfähigkeit an den zu § 17 Abs. 2 S. 1 InsO entwickelten Grundsätzen an, fügen jedoch ein zusätzliches prognostisches Element hinzu, da die Zahlungsunfähigkeit nur „drohen“ muss.[111] Im Unterschied zur Prüfung des Eröffnungstatbestands „eingetretener“ Zahlungsunfähigkeit erfolgt deren Feststellung nicht (primär) stichtags-, sondern zeitraumbezogen.[112] Das Tatbestandsmerkmal „voraussichtlich“ (§ 18 Abs. 2 InsO) beschreibt das „Prognoseelement“ in zeitlicher Dimension, zugleich den erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad. Der Eintritt von Zahlungsunfähigkeit muss danach mit „nahe liegender Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten sein.[113] Bei dieser Prognose sind die bestehenden Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, gleichgültig ob die Zahlungspflichten bereits fällig sind oder erst später fällig werden.[114] Der Gesetzeswortlaut legt überdies nahe, nur auf „bestehende“ Zahlungspflichten abzustellen, dagegen zum Prognosezeitpunkt rechtlich noch nicht begründete, aber „absehbare“ Verbindlichkeiten von der Prüfung auszunehmen.[115] Eine unbegrenzte Einbeziehung rechtlich (noch) nicht begründeter Verbindlichkeiten beinhalte zudem ein zusätzliches, spekulatives Element, das, zumal bei zeitlich unbegrenzter Berücksichtigung, eine in der Insolvenzrechtspraxis schwer handhabbare Finanzvorschau erfordere.[116] Teile des Schrifttums stellen gleichwohl „zu erwartende“, rechtlich noch nicht begründete Zahlungspflichten in die Liquiditätsprognose ein. Diese seien „nach vernünftiger kaufmännischer Erwägung“ als „voraussichtlich zu bedienende Ausgaben“ ebenfalls zu berücksichtigen.[117]

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Der Eröffnungstatbestand drohender Zahlungsunfähigkeit beinhaltet, wie gezeigt, die Abkehr von einer Stichtagsbetrachtung und erfordert die Feststellung einer Zeitraumilliquidität. § 18 Abs. 2 InsO ist daher die prognostische Unsicherheit zukünftiger Veränderungen der Liquiditätsentwicklung wesensimmanent. Voraussichtlich entstehende Zahlungsverpflichtungen bestimmen wie erwartete Einnahmen, die unstreitig zu berücksichtigen sind, die (künftige) Liquiditätslage des Schuldners. Zudem ist die Differenzierung, ob eine später eintretende Zahlungsverpflichtung im Prognosezeitpunkt bereits rechtlich begründet war oder nicht, zur Beurteilung der Frage, ob das Schuldnervermögen voraussichtlich zukünftig nicht (mehr) ausreichen wird, sämtliche Verbindlichkeiten zu erfüllen, auch wirtschaftlich gesehen, nicht sachgerecht.[118] Dieser Umstand ist ökonomisch nicht relevant. Um im Rahmen der anzustellenden Prognose ein realistisches Bild der Liquiditätsentwicklung zu gewinnen, sind deshalb auch zum Prognosezeitpunkt rechtlich noch nicht begründete, gleichwohl mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstehende („zu erwartende“) Verbindlichkeiten einzubeziehen, die innerhalb des zu berücksichtigenden Prognosezeitraums zur Zahlung fällig werden.[119] Dies betrifft insbesondere zukünftige Verbindlichkeiten, die zur Aufrechterhaltung und Fortführung des Unternehmens nicht verzichtbar sind. Die Restriktion, dass nur zukünftige Zahlungsverpflichtungen zu berücksichtigen sind, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstehen werden, beschränkt die Prognoseunsicherheit ausreichend. Die Einbeziehung rechtlich noch nicht begründeter, jedoch „zu erwartender“ Verbindlichkeiten bei der Feststellung drohender Zahlungsunfähigkeit verschafft zudem der Intention des Gesetzgebers Geltung, dem Schuldner durch einen frühzeitigen Eigenantrag zu ermöglichen, Sanierungschancen zu verbessern.

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Der Zeitraumbezug[120] drohender Zahlungsunfähigkeit erfordert eine Eingrenzung des relevanten Prognosezeitraums. Eine zeitlich unbegrenzte Finanzvorschau erscheint kaum praktikabel.[121] Der Gesetzgeber hat den zu betrachtenden Zeitraum nicht ausdrücklich beschränkt. Von Teilen des Schrifttums wird auf das letzte Fälligkeitsdatum einer bestehenden Verbindlichkeit abgestellt.[122] Dieser mögliche Endpunkt des Beurteilungszeitraums genügt aber häufig, vor allem bei Bestehen langfristiger Verbindlichkeiten (insbesondere im Fall von Dauerschuldverhältnissen), nicht, um eine ausreichende Eingrenzung des Prognosezeitraums zu bewirken.[123] Die Betrachtung von Zeiträumen, die eine Vielzahl von Jahren umfassen, ist zudem wegen der kaum kalkulierbaren Prognoseunsicherheit regelmäßig nicht sinnvoll.[124] Vor diesem Hintergrund werden Prognosezeiträume von einigen Monaten bis zu maximal drei Jahren vorgeschlagen.[125] Von Teilen des Schrifttums wird zudem die Auffassung vertreten, dass die Länge des Prognosezeitraums nicht allgemein, d.h. durch eine abstrakte Höchstgrenze, sondern richtigerweise individuell, d.h. in Abhängigkeit des betroffenen Unternehmens und eines für eben jenes noch überschaubaren Zeitraums, zu bestimmen sei.[126] Der Beurteilungszeitraum sollte neben dem laufenden Geschäftsjahr, jedenfalls (sofern möglich) noch das folgende Geschäftsjahr erfassen.[127] In der Praxis erfolgt die Prognose abgesehen von Evidenzfällen auf der Grundlage eines Finanz- bzw. Liquiditätsplans.[128] Hierin werden die bestehenden Zahlungsverpflichtungen sowie die zu erwartenden Einnahmen zusammengefasst und über den Prognosezeitraum hinweg gegenübergestellt.[129] Die Ermittlung drohender Zahlungsunfähigkeit kann ebenfalls anhand kriminalistischer Beweisanzeichen erfolgen.[130]

4. Überschuldung

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Überschuldung (§ 19 InsO) rechtfertigt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, sofern juristische Personen (bzw. juristischen Personen in § 19 Abs. 3 InsO gleichgestellte Vermögensträger) in eine wirtschaftliche Krise geraten.[131] Hintergrund ist, dass juristische Personen und gleichgestellte Gesellschaften, in denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürlich Person ist, Dritten grundsätzlich nur mit ihrem Eigenkapital haften. Dieses Haftungskapital ist im Falle bilanzieller Überschuldung, wenn also die Passiva die Aktiva übersteigen, bereits „aufgezehrt“.[132] Der Überschuldungsbegriff ist in § 19 Abs. 2 InsO legaldefiniert. Überschuldung liegt danach vor, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich“ (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO).

a) Rechtslage nach dem FMStG

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Die dargstellten – aktuell geltenden – insolvenzrechtlichen Voraussetzungen einer Überschuldung entsprechen inhaltlich der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung in Zivilsachen zur Konkursordnung (vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung zum 1.1.1999).[133] Sie wurden durch das „Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpaketes zur Stabilisierung des Finanzmarktes“ (FMStG) erneut eingeführt.[134] Diese Regelung trat am Tage nach Verkündung des FMStG zum 18.10.2008 in Kraft.[135] Sie war ursprünglich i.S. einer „Interimslösung“ befristet zum 31.12.2010. Der Geltungszeitraum wurde durch das „Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (FMStGÄndG) bis zum 31.12.2013 verlängert.[136] Im Anschluss war zunächst vorgesehen, dass zum 1.1.2014 die seit dem 1.1.1999 bis zum 17.10.2008 geltende Fassung[137] des § 19 Abs. 2 InsO erneut in Kraft tritt.[138] Die Befristung ist jedoch durch Art. 18 des „Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften“ entfallen.[139] Vor Einführung der Insolvenzordnung zum 1.1.1999 war der Überschuldungsbegriff innerhalb der KO nicht legaldefiniert. Nach § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG a.F.[140] lag Überschuldung vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft die Schulden nicht mehr deckte. Hieran knüpft sowohl der ab dem 1.1.1999 eingeführte, als auch der zuvor in Schrifttum und Rechtsprechung entwickelte und aktuell – nunmehr unbefristet – geltende, Überschuldungsbegriff im ersten Prüfungsschritt an (sogleich unten Rn. 32). Unterschiedliche Rechtsfolgen bewirkt dagegen das Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose (unten Rn. 33 ff.).

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