Kitabı oku: «Der rätselhafte Findling»
Jörn Dassow
Der rätselhafte Findling
Das Leben des Kaspar Hauser
Impressum
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN: 978-3-86408-102-6 (epub) // 978-3-86408-103-3 (pdf)
Korrektorat: Alexander Schug
© Copyright: Vergangenheitsverlag, Berlin / 2012
Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
Inhalt
1. Einleitung
2. Der historische Kaspar Hauser
2.1. Verhör und Inhaftierung
2.2. Das Opfer eines Verbrechens?
2.3. Vom Tiermenschen zum Schuljungen
2.4. Ein Attentat?
2.5. Der neue Vormund: Gottlieb von Tucher
2.6. Ein englischer Lord tritt auf
2.7. Die letzten Lebensjahre
2.8. Rätselhafte Herkunft - Rätselhafter Tod
3. Die prominentesten Kaspar-Hauser-Legenden
3.1.Die Kerkerlegende
3.2. Die Prinzenlegende
4. Fazit
Quelle 1 (Zitiert nach: Weckmann, Kaspar Hauser. Die Geschichte und ihre Geschichten, S. 83f.):
Quelle 2 (Aus: Peter Josef Keuler: Der Findling Kaspar Hauser als medizinisches Phänomen, S. 86f.)
Quelle 3 (Aus: Feuerbach, Kaspar Hauser, S. 139f., 169):
Quelle 4 (Aus: Hermann Pies, Die amtlichen Aktenstücke über Kaspar Hausers Verwundung und Tod, Bonn 1928, S. 12f.)
Quelle 5 (Aus: Ulrich Struve, Der Findling Kaspar Hauser in der Literatur, S. 191ff.)
Abbildungsverzeichnis
Quellen und Literatur
1. Einleitung
Am zweiten Pfingsttag des Jahres 1828 tauchte auf dem Unschlittplatz in Nürnberg eine merkwürdige Gestalt auf. „Possierlich und pudelnärrisch“, so wurde später zu Protokoll gegeben, war ein etwa 16 bis 17-jähriger Junge den Berg „heruntergewackelt“ gekommen.1 Er hatte eine auffällig untersetzte Statur und die „unteren Teile“ seines Gesichtes traten hervor, was ihm ein „gemeines“ Aussehen gab.2 Seine Augen hatten den Ausdruck „thierischer Stumpfheit“3 und sein Wortschatz beschränkte sich auf wenige, schwer verständliche Wortfetzen wie „ reutha wöan“, „woas nit“ oder „hoam weissa“.4 Auf die Frage nach seiner Herkunft konnte oder wollte der junge Mann keine sinnvolle Antwort geben. Auch die Beamten der städtischen Polizeibehörde, die ihn noch am selben Abend verhörten, hatten Mühe, aus seinen wirren Äußerungen brauchbare Informationen zu ziehen. Das einzige Resultat der langen Vernehmung bestand darin, dass der Junge auf einem ihm vorgelegten Bogen Papier den Namen „Kaspar Hauser“ schrieb.5
Die Nachricht über den auffälligen, offenbar schwer verwahrlosten jungen Mann verbreitete sich schon bald wie ein Lauffeuer in ganz Deutschland. Dies war vor allem auf eine öffentliche „Bekanntmachung“ zurückzuführen, die vom Nürnberger Bürgermeister Jakob Binder herausgegeben worden war. Kaspar Hauser, so wurde hier erklärt, sei als Kind das Opfer eines schweren Verbrechens geworden. Über viele Jahre sei er in einem finsteren Kerker eingesperrt gewesen und nur mit Wasser und Brot ernährt worden. Völlig abgeschnitten von seiner Umwelt und ohne jeglichen Menschenkontakt habe er in einem dunklen Raum dahinvegetieren müssen, bis er im Alter von 16 Jahren in die Freiheit entlassen wurde.6
Ob diese These tatsächlich der Wahrheit entspricht, ist jedoch bis heute umstritten. Die Ursache hierfür liegt in der unklaren Quellenlage begründet: Es sind keine schriftlichen Dokumente überliefert, anhand derer wir mit absoluter Sicherheit Aussagen über Kaspar Hausers Kindheit und Jugend treffen können.7 Erst nachdem der Junge im Jahr 1828 zum ersten Mal in der Öffentlichkeit aufgetaucht war, ist sein Leben von zahlreichen Zeitzeugen dokumentiert worden.8 Alles andere davor liegt im Ungewissen. Und dennoch: Der Fall Kaspar Hauser hat einen nachhaltigen Eindruck bei vielen Generationen von Schriftstellern und Intellektuellen hinterlassen. Namhafte Autoren wie Georg Trakl, Jakob Wassermann oder Klaus Mann haben sich von Hausers Schicksal inspirieren lassen und ihn zum Thema gemacht.9 Auch viele Historiker, Kriminologen und Mediziner haben sich mit der Geschichte des Nürnberger Findeljungen auseinandergesetzt und sie unter wissenschaftlichen Aspekten untersucht.10 In der Psychologie und in der Verhaltensbiologie sind sogar eigene Fachtermini in Anlehnung an den Jungen entstanden. So ist der Ausdruck „Kaspar-Hauser-Versuch“ ein gängiger Begriff für Experimente, bei denen Tiere ohne jeglichen Kontakt zu Artgenossen oder anderen Tieren aufgezogen werden.11
Bild 1: Kaspar Hauser im Jahr 1830, Pastell von J.F.C Kreul.
Auch in den populären Medien ist der Fall Kaspar Hauser bis heute präsent geblieben. Als „Rätsel seiner Zeit“, als „Kriminalfall“ oder als „Kronprinz oder Schwindler?“ ist er noch immer Gegenstand zahlreicher Film- und Buchveröffentlichungen.12 Manchmal wird sein Name auch fallen gelassen, um den Folgen von jahrelanger, menschenunwürdiger Isolation einen Namen zu geben. So wurde etwa das Entführungsopfer Natascha Kampusch, das jahrelang in einem Keller eingesperrt war, in einem Artikel des Magazins „Stern“ als „Kaspar Hauser des 21. Jahrhunderts“ tituliert.13 Nicht zu Unrecht schreibt der Literaturwissenschaftler Bertold Weckmann, dass die Figur Kaspar Hauser sich „längst zum „zitierfähigen und anspielungshaften Bildungsgut“ entwickelt habe.14
Diese Kurzbiographie soll die historische Person „Kaspar Hauser“ erklären, die sich hinter dieser mythenumrankten Gestalt verbirgt. Nicht das Rätsel, das Phänomen oder die Legende, sondern das durch geschichtliche Quellen dokumentierte Leben Kaspar Hausers soll im Fokus der Darstellung stehen.
Der erste Teil der Biographie behandelt Kaspars Leben von seinem Auftauchen auf dem Nürnberger Unschlittplatz 1828 bis zu seinem Tod im Dezember 1833. In mehreren Kapiteln erfährt man, wie Kaspar in Nürnberg aufgenommen wurde, wie er sich in seiner neuen Umgebung entwickelte und wie er als „Kind von Europa“ internationale Bekanntheit erlangte. Dabei wird auf historische Faktentreue Wert gelegt und auf die wichtigsten überlieferten Quellen sowie auf einschlägige Werke aus der Sekundarliteratur Bezug genommen.
Der zweite Teil dieser kompakten Darstellung wird dann zwei der bekanntesten Legenden über Hausers Herkunft und Kindheit kurz vorstellen. Hier wird zunächst auf die bereits angesprochene Kerker- und dann auf die Erbprinzenerzählung eingegangen. Letztere hängt eng mit der Kerkererzählung zusammen: Sie besagt, dass Kaspar Hauser als Erbprinz von Baden geboren worden war, jedoch noch als Säugling gekidnappt und an einem isolierten Ort eingesperrt wurde.
Das Buch bietet also in kompakter Form alle wichtigen Informationen zum Phänomen „Kaspar Hauser“, ergänzt um Bilder und Quellentexte im Anhang.
2. Der historische Kaspar Hauser
2.1. Verhör und Inhaftierung
Bereits wenige Stunden nach seinem plötzlichen Auftauchen auf dem Nürnberger Unschlittplatz wurde Kaspar Hauser zur städtischen Polizeiwache geführt. Auch dort fiel er durch seine verwahrloste Erscheinung und sein äußerst verwirrtes Auftreten auf. Auf die gängigen Fragen der Polizisten nach seiner Herkunft, seinem Beruf und seinem Reisepass konnte er keine zusammenhängenden Antworten geben. Stattdessen äußerte er schwer verständliche Wortfetzen wie „des woas nit“, „Bue“ oder „A Reutä wähn, wie mei Vottä wähn is“. Letzteres ließe sich ins Hochdeutsche übersetzen mit: „Ein Reiter werden, wie mein Vater einer ist.“ Wie sein Vater jedoch hieß und in welchen Verhältnissen er aufgewachsen war, verriet der Junge nicht.15
Die anwesenden Beamten und Polizeisoldaten hatten große Probleme zu entscheiden, in „welche der gangbaren Polizei-Rubriken“ man „die seltsame Erscheinung“ einordnen sollte. Offenbar hatte der junge Mann, der ihnen gegenübersaß, weder eine Vorstellung, wo er sich befand, noch wusste er, was man von ihm wollte. In manchen Momenten starrte er gedankenlos in die Leere, in anderen Momenten wiederum brach er ungehemmt und ohne erkennbaren Anlass in Tränen aus.16
Als ihm jedoch ein Polizeibeamter eine Feder mit Tinte reichte, nahm er diese zum Erstaunen der Anwesenden „nicht weniger als ungeschickt zwischen die Finger“ und schrieb „mit festen und leserlichen Zügen“ den Namen „Kaspar Hauser“ auf einen Bogen Papier. Der Bitte, auch noch seinen Geburtsort oder andere brauchbare Informationen über ihn hinzuzufügen, kam er allerdings nicht mehr nach. Stattdessen legte er die Feder beiseite und fuhr damit fort, die bereits bekannten Phrasen zu wiederholen: „Woas nit“, „Reutä wähn“, Hoam weissa“.17
Nachdem die Befragung Hausers auch nach mehreren Stunden keine weiteren Ergebnisse gebracht hatte, beschlossen die Polizeibeamten, den rätselhaften Jungen an einen anderen Ort zu bringen. Noch am selben Abend wurde Hauser im Luginsland-Turm untergebracht. Dabei handelte es sich um ein Gefängnis, das eigentlich für Polizeisträflinge und Vagabunden vorgesehen war.18
An diesem Ort verbrachte Hauser die nächsten sechs Wochen. Der Gefängniswärter Andreas Hiltel gab seine in diesem Zeitraum gemachten Beobachtungen später detailliert zu Protokoll. Über den hygenischen Zustand des Jungen sagte er: „Kaspar Hauser war am ganzen Körper ganz schmutzig, und als er nach zirka 8 oder 10 Tagen gewaschen wurde, fiel der Schmutz ab und Kaspar sagte da in meinem Beisein zu meiner Frau: Mutter die Haut.“ Ebenso fiel Hiltel sofort ins Auge, dass Hauser erhebliche motorische Schwierigkeiten hatte. Als er ihn das erste Mal sah, habe er kaum stehen können und hätte sich stets auf einen Sessel oder eine Bank setzen müssen. Er schien Schmerzen in den Hüften und Füßen zu haben und war auch nach einigen Wochen zu „einem geraden leichten Gang“ nicht fähig. Eine weitere Auffälligkeit war Hausers ausgesprochen unausgewogene Ernährung. Die einzige Mahlzeit, die er zu sich nahm, war Wasser und Brot. Andere Speisen wie Nudeln und Rindfleisch lehnte er hingegen ab oder ließ sie unbeeindruckt stehen, um sie wenig später seinen Mithäftlingen zu übergeben.19
Auf der einen Seite wirkte Hauser auf Hiltel wie ein verwahrloster und wilder Tiermensch. Auf der anderen Seite habe dieser aber auch „die größte Natürlichkeit und Unschuld zu erkennen gegeben.“ An den Spielsachen, die man ihm vorlegte, habe er sich „ergötzt“ und sich wie ein kleines Kind mit ihnen beschäftigt, ohne sich von den ihn beobachtenden Menschen stören zu lassen.20 Ein weiteres Anzeichen dieser „kindlichen Unschuld“ sei Hausers fehlendes Schamgefühl gewesen. Als Hiltel ihn mit seiner Frau auszog, um ihn zu waschen, habe er dies ohne jegliche Hemmungen oder Bedenken über sich ergehen lassen. Der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Wesen schien ihm nicht einmal bekannt zu sein: „Alle Menschen ohne Unterschied des Geschlechtes oder des Alters nannte er „Bue“, alle und jede Tiere „Roß.“21
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.