Kitabı oku: «Requiem für ein Kind», sayfa 10

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Antoinette – »Wofern du nur lebst! Wofern du uns nur bleibst!«

Nach dem frühen Tod der beiden Ältesten hatten die Eltern nur noch einen Gedanken und eine Sorge: wie sie ihr jüngstes Kind vor demselben Schicksal bewahren könnten. Bei der geringsten Unpässlichkeit, die das Kind befiel, gerieten sie in Panik. Antoinette aber versuchte, ihre Befürchtungen zu zerstreuen und benahm sich bisweilen übermütig und forciert lebensfroh: »Oft lächelte sie über unsere übertriebene Fürsorge und machte absichtlich einige Streiche, einen Fehler, um unsere übergroße Sorgfalt zu mäßigen.« Vor ihren Eltern verbarg sie auch rücksichtsvoll, wie sehr sie selbst durch den Verlust der Schwestern erschüttert war, und bemühte sich stattdessen, ihren Schmerz durch allerlei Vernunftgründe zu lindern. Über den Tod Luciles äußerte sie sich folgendermaßen: »Tröstet Euch … indem Ihr Euch vor Augen haltet, dass der Tod den schweren Leiden, die die Ehe ihr bereitete, ein Ende gemacht hat.« Grétry kommentiert: »Ich fühlte die Wahrheit dieser traurigen Überlegung, und mein Herz antwortete ihr ganz leise: »Wofern du nur lebst! Wofern du uns nur bleibst! Dann werden deine Mutter und ich noch einige schöne Tage haben.«

Ihre Erziehung war schonend, frei und wenig anspruchsvoll: »Ich bat unsere liebe Antoinette, sich mit keinerlei Wissenschaft zu beschäftigen, die sie anstrengen könnte. Ich beschwor meine Frau, sie ganz frei nach ihren Wünschen handeln zu lassen.« Sie war »schön wie die Morgenröte«, als einzige Tochter eines wohlhabenden Vaters eine gute Partie, so dass es nicht an Bewerbern fehlte, aber Antoinette war durch das schreckliche Beispiel ihrer Schwester allzu ernüchtert worden und wies jeden »Kavalier« zurück. So liest man wenigstens in den »Memoiren«. Tatsächlich verlobte sie sich mit Nicolas Bouilly, dem nachmaligen Librettisten des »Fidelio«, der einzigen Oper Beethovens.

Als sie im Frühling den Wunsch äußerte, nach Lyon zu reisen, wo sie schon einmal in glücklicheren Tagen gewesen war, willigten die Eltern sofort ein und fuhren mit ihr zur Ablenkung nach Lyon. Grétry erwog sogar den Plan, solange auf Reisen zu bleiben, bis ihre Tochter das gefährliche Alter hinter sich hätte, in dem sie die beiden ältesten Töchter verloren hatten. Bereits im Herbst desselben Jahres kündigte sich die Katastrophe an: Antoinette verlor ihren Frohsinn und nahm fast keine Nahrung mehr zu sich. »Ohne zu wagen, uns unser Entsetzen mitzuteilen, beobachteten wir sie unablässig. Schliesslich nahm ich meine Frau beiseite und sagte: ›Du siehst, dass deine Tochter …‹ und allein bei diesen Worten wurde sie von eisiger Kälte erfasst, und ihre und meine Tränen ließen sich nicht länger zurückhalten. Ein Strom entfloss unseren Augen, während wir uns fest umarmt hielten, ohne uns das Schreckliche unseres Schicksals erklären zu können …« Man beschloss, bald nach Paris zurückzukehren. Antoinette machte sich keine Illusionen über ihre Lage, aber sie war so selbstlos, nur an das Wohlergehen ihrer Eltern zu denken: »Von diesem Zeitpunkt an bis zum letzten Augenblick ihres Lebens beschäftigte sich dieses liebe Kind nur noch damit, uns von der Vorstellung, sie zu verlieren, abzubringen. Es war offensichtlich, dass sie nicht danach trachtete, sich selbst zu beruhigen; erst von da an begann sie uns von ihrer Zukunft, ihrer Hochzeit, ihren Kindern zu reden, die uns, wie sie sagte, so liebhaben würden wie sie selbst. Und ich merkte wohl, dass sie nur dann so sprach, wenn sie unserer Traurigkeit gewahr wurde, die zu verbergen wir nicht täglich die Kraft hatten.«

In Paris kaufte sie sich ein elegantes Kleid und ging damit zu einem Ball. Rouget de l’Isle, der Autor der Marseillaise, machte dem »glücklichen« Vater Komplimente für seine schöne Tochter. Die Antwort Grétrys ließ ihn erschauern: »›Ja‹, sagte ich ihm ins Ohr, ›sie ist schön und noch liebenswerter. Sie geht zum Ball, und in wenigen Wochen wird sie im Grabe liegen.‹ – Was für ein schrecklicher Gedanke!, sagte er zu mir. – ›Ich habe ihre beiden Schwestern gesehen‹, sagte ich, ›und mein Unglück ist nur allzu gewiss‹.« Er sollte Recht behalten, denn schon bald begann Antoinette zu fiebern. Sie starb ohne eigentliche Agonie, fast »heiter«, wie es in Grétrys ergreifender Darstellung heißt: »Sie nahm meine Hand und die ihrer Mutter und sagte mit einem sanften Lächeln: ›Ich sehe wohl, dass ich Abschied nehmen muss. Ich fürchte den Tod nicht – aber Ihr beiden, was wird aus Euch werden!‹ Sie saß aufrecht im Bett, als sie zum letzten Mal zu uns sprach. Dann legte sie sich nieder, schloss ihre schönen Augen und ward mit ihren Schwestern vereint.«

Verwaiste Eltern

Der Euphemismus des letzten Satzes kann nicht darüber hinwegtäuschen, in »welch entsetzlichem Zustand« die Eltern zurückblieben. Sie richteten sich einer am andern auf: »Aus Mitleid mit mir hatte meine Frau die Kraft, das Leben zu ertragen, und zwang mich dadurch, es ihr nachzutun.« Beide durchlebten »eine lange und tiefe Trauer«. Die verwaiste Mutter übertrug alle ihre Liebe auf ihren Gatten, sie griff ihre Jugendbeschäftigung, das Malen, wieder auf und portraitierte zuerst ihre drei Töchter, später malte sie dann »öffentlich«, d.h. für den Lebensunterhalt der Familie, denn die Revolution hatte mittlerweile die Gehälter des einstigen »königlichen« Komponisten gestrichen.

Nach 1790 geriet Grétry in Schwierigkeiten wegen seiner früheren Beziehungen zum Königshaus. Eine seiner »royalistischen« Partituren wurde öffentlich verbrannt. Er hatte nur die Wahl, sich in den Dienst der neuen Ideen zu stellen oder sich Verfolgungen auszusetzen. Die Königin Marie-Antoinette, seine ehemalige Gönnerin, bestieg im Jahre 1793 das Schafott. Grétry glaubte, dass er einen genügend »hohen Tribut an das Schicksal gezahlt« habe und schrieb einige republikanische Opern, ohne große Begeisterung und ohne sonderlichen Erfolg, sowie eine Reihe von opportunistischen Gelegenheitswerken für die Französische Revolution, u.a. eine »Hymne zum Pflanzen des Freiheitsbaumes«. Sie trugen nichts zu seinem Ruhme bei und sind allesamt vergessen. Dem »aimablen« Grétry blieben die allzu lauten Revolutionsfanfaren eigentlich fremd.

Wesentlicher für Grétry war in diesen Jahren vermutlich das Redigieren seiner Memoiren. Das Kapitel 67 des zweiten Bandes, in dem er seine Tragödien schildert, kostete ihn am meisten Mühe. »Seit ich an diesem Kapitel schreibe, verdunkeln mir oft die Tränen den Blick. Drei Jahre ist es her, dass ich aufgehört habe, Vater zu sein … Zwanzigmal habe ich die Feder fortgeworfen, während ich dies schrieb.« In einer Fußnote präzisiert er, dass das Kapitel »im Verlauf dreier Jahre entstanden« sei. Kein Wunder, dass Romain Rolland gerade in diesen Bekenntnissen eines Erschütterten »das Lesenswerteste und Wertvollste« des riesigen Memoiren-Werkes erblickte, das in der Originalfassung 1376 Seiten umfasst.

Dass Grétry überhaupt darauf bestand, diese schmerzlichsten Episoden aus seinem Leben in seine musikästhetischen, moralischen und philosophischen Erörterungen zu integrieren, erklärt er aus zwei Gründen: einerseits aus der »väterlichen Schwäche«, seine Freunde dazu zu bewegen, »über dem teuren Grab meiner drei reizenden, für den Tod bestimmten Blumen eine Träne zu vergießen«, andrerseits aus der Furcht, ein anderer könnte sein Schicksal teilen.

Der Preis des flüchtigen Ruhms: »Dein Stamm aber sei ausgelöscht«

Grétry leitete sein ganzes Unglück von seinem Ehrgeiz ab. »Ich wollte den Ruhm, ich wollte arme Eltern unterstützen, eine Mutter, die mir teuer war.« Wenn er jetzt daran denkt, stößt er bittere Rufe aus: »O grausames Schicksal! Mitleidlose Natur … Unerbittliche Natur! Zwar gestandest du mir zu, worum ich dich inständig und unter Schmerzen bat, aber nur, um dich an meinen Kindern zu rächen.«

Der zweite Teil der »Memoiren« schließt mit einem pathetischen Appell an alle Väter, ihr wahres Glück zu erkennen und seinem Beispiel nicht zu folgen: »O ihr allzuglücklichen Väter, hört auf mich: Genießt das Glück, euch in euren Kindern wiederzufinden! Möget ihr niemals den Kummer, sie verloren zu haben, kennenlernen. Ohne sie ist das Leben ein Nichts. Es gibt keinen Trost, keine wahre Freude mehr, weil man keinerlei Halt mehr hat, der eine schöne Zukunft erhoffen ließe. Wir alle wissen: Die Hoffnung ist es, die uns aufrecht hält und den Reiz unseres gegenwärtigen Glückes ausmacht, und alle Hoffnung ist zerstört, wenn man nicht mehr den süßen Namen Waten hören kann. Wacht daher über eure Kinder, mehr, als ich es getan habe! Glaubt nicht, dass besondere Talente ihr Glück bedeuten müssten; sie geben ihnen, im Gegenteil, einen zerstörerischen Ehrgeiz …«

Die Einmaligkeit seines Unglücks zwingt ihn zur Einsicht in sein fehlerhaftes Verhalten und zum Anerkennen der »Strafe«. Das Verdikt der »Natur« ist unerbittlich und unwiderruflich. Als Freund und Anhänger der Philosophen der Aufklärung erwartet er keinen Trost von der Religion und den Jenseitsverheißungen: »Gibt es wohl viele Beispiele für eine Verkettung von Unglücken denen vergleichbar, die ich erlitten habe? … Ich rufe das Vaterherz, das mehr als ich die Wonnen der Vaterschaft gekostet hat und die Qualen, ihrer beraubt zu sein. O unerbittliche, grausame Natur! Ich höre deine Stimme: ›Du willst‹, sagst du zu mir, »ausgezeichnet sein vor deinesgleichen? Durch Anstrengungen, die ich verdamme, willst du die Grenzen einer heilsamen Unwissenheit überschreiten? Es sei denn: Laufe der Chimäre einer Unsterblichkeit nach, aber erleide meine unwiderruflichen Beschlüsse (›l’irréfragabilité de mes décrets‹), die verlangen, dass das künstliche Glück erkauft sei mit dem Verlust des wahren Glücks. Lebe für einige Zeit im Gedächtnis der Menschen fort, aber sei tot in deiner Nachkommenschaft« (›Sois mort dans ta postérité.‹) – oder »Dein Stamm sei ausgelöscht!«, wie Dorothea Gülke frei und pointiert übersetzt.

Der Stamm war endgültig ausgelöscht. Ob er durch ein ehrgeizfreies Dasein Grétrys sich erhalten hätte, ist eine offene Frage. Die moderne Wissenschaft würde wohl kaum die selbstquälerische Analyse des Komponisten bestätigen, sondern andere Gründe ins Feld führen.

Als Grétry seine Selbstverdammung aussprach, glaubte er wohl kaum, dass er so schnell in Vergessenheit geraten würde. Seine Opern werden kaum noch aufgeführt, sie sind praktisch vergessen, wenigstens vom großen Publikum. Jedoch seine Memoiren, ein musikästhetisches Dokument ersten Ranges, werden immer wieder aufgelegt. Im Jahre 1798, nachdem er dieses Werk veröffentlicht hatte, erwarb er die berühmte Ermitage von Jean-Jacques Rousseau in Montmorency und verbrachte dort einen großen Teil seines Lebensabends. Das monumentale Werk, an dem er bis zu seinem Ende arbeitete, die »Réflexions d’un solitaire«, blieb unvollendet. André-Ernest-Modeste Grétry starb am 24. September 1813 in Montmorency und wurde unter großer Teilnahme der Bevölkerung begraben. Seine Manuskripte wurden an seine sieben Erben verteilt. Der kleine Teil, der nicht verloren ging, wurde mehr als 100 Jahre später veröffentlicht. Sic transit …

André-Ernest-Modeste: Grétry: Mémoires ou Essais sur la musique. Paris 1797.

Memoiren oder Essays über die Musik. Deutsch von Dorothea Gülke.

Leipzig 1973.

Réflexions d’un solitaire. Bruxelles 1919/1922.

Martin Witteck: Documents Grétry dans les collections de la bibliotheque royale Albert Ier. Bruxelles 1989.

JOHANN WOLFGANG GOETHE

Der Tod … dieser Übergang aus einer uns bekannten Existenz in eine andere, von der wir auch gar nichts wissen, ist etwas so Gewaltsames, dass es für die Zurückbleibenden nicht ohne die tiefste Erschütterung abgeht. Goethe zu Eckermann am 15. Februar 1830

Die meisten Biographen hat der Ehemann Goethe weit weniger beschäftigt als der große Liebende, dem die Frauen fast zum Lebenselixier wurden, angefangen beim Frankfurter Gretchen bis zur 17-jährigen Ulrike von Levetzow, um deren Hand er noch mit 74 Jahren anhielt. Dazwischen windet sich ein duftiger Kranz von »holdseligen Geschöpfen«: Friederike Brion, Charlotte Buff, Lily Schönemann, Charlotte von Stein, Maddalena Riggi, Faustina Antonini, Minchen Herzlieb, Sylvie von Ziegesar, Ludovika von Österreich, Marianne Willemer … Sie alle standen ihm einmal herzlich nahe, einigen hat er »liebend Leid zugefügt«, bei andern hat er selbst erfahren, dass »Leidenschaft Leiden schafft.«

Christiane Vulpius

Alle diese Frauen jedoch überragt bei weitem Christiane Vulpius, die Lebensgefährtin, mit der er 27 Jahre zusammengelebt hat und die sein Schicksal wirklich geteilt hat. Bei der Plünderung Weimars durch die französischen Soldaten im Oktober 1806 bewies sie so viel Tapferkeit, dass Goethe, der sich ängstlich auf dem Dachboden verborgen hielt, einen alten Vorsatz in die Tat umsetzte: »Ich will meine kleine Freundin, die so viel an mir getan und auch diese Stunden der Prüfung mit mir durchlebte, völlig und bürgerlich anerkennen, als die Meine.« Zwei Tage später ließ er sich in der Jakobskirche bei Weimar, in aller Stille, mit Christiane trauen. Schließlich nimmt Christiane noch eine andere entscheidende Sonderstellung ein: sie hat dem Dichter fünf Kinder geboren.

Goethes Beziehung zu Christiane nahm einen ungewöhnlichen Anfang. Als er nach seiner großen Italienreise im Juni 1788 nach Weimar zurückkehrte, war er völlig verwandelt, als Dichter wie als Mensch »neu geboren«. In Rom hatte er ein heidnisches Lebensgefühl entwickelt und seine Erlebnisse in den »Römischen Elegien« – die bezeichnenderweise zuerst »Erotica Romana« hießen – ziemlich unverschleiert geschildert. Im Juli 1788 bat ihn im Park von Weimar ein 23-jähriges Mädchen aus kleinbürgerlicher Familie um Unterstützung für ihre verarmten Verwandten. Goethe fühlte sich sofort durch das südländisch anmutende Aussehen, durch den natürlichen Liebreiz, die »naturhafte Persönlichkeit« und Naivität des Mädchens angezogen. Christiane wurde seine Geliebte und bald seine ständige Hausgenossin. Dass die Gesellschaft von Weimar, einer Kleinstadt von 6000 Einwohnern, Anstoß an diesem Verhältnis des Ministers mit einer einfachen Blumennähterin nahm, ist kaum überraschend. Goethe jedoch nahm wenig Notiz vom Klatsch, er empfand die Gemeinschaft als gleichwertig mit einer Ehe und stellte sie auch als solche hin: »Ich bin verheiratet, nur nicht durch Zeremonie.«

» … so hab’ ich vorerst nichts weiter zu wünschen«

Der Sohn August wurde Weihnachten 1789 geboren. Dieses Geburtsdatum war nicht ohne Bedeutung für Goethe, wie ein 1815 an Charlotte von Stein gerichtetes Gedicht belegt, in dem er beide Geburten als glückliche Fügung feiert: »Daß Du zugleich mit dem heilgen Christ / An diesem Tag geboren bist, / Und August auch der werthe Schlancke / Dafür ich Gott im Herzen dancke –« Am 27. Dezember wurde das Kind auf den Namen Julius August getauft, eine »heilige Handlung«. Von nun an wurde Goethe immer häuslicher, sesshafter, »kein Zugvogel mehr«. Nur ungern entfernte er sich aus Weimar, er empfand die Dienstreisen als Störungen seines Familienlebens. Wie sein Wilhelm Meister hatte er »mit dem Gefühl des Vaters … auch alle Tugenden eines Bürgers erworben.« Unterwegs bangte er um die Sicherheit seiner kleinen Familie: »Mein Mädchen und mein Kleiner ganz und gar verlassen sind, wenn ihnen irgend etwas zustieße …«

Den Herzog bat er, sich der wehrlosen Angehörigen anzunehmen: »Meine Neigung zu dem zurückgelaßnen Erotio und zu dem kleinen Geschöpf in den Windeln, die ich Ihnen beyde … bestens empfehle.« (Mai 1790) Noch deutlicher offenbarte er sein Gefühl dem Ehepaar Herder gegenüber: »Meine Zurückgelaßnen … liegen mir sehr nahe und ich gestehe gern, daß ich das Mädchen leidenschaftlich liebe. Wie sehr ich an sie geknüpft bin, habe ich erst auf dieser Reise gefühlt. Sehnlich verlange ich nach Hause …« (Mantua, 28. Mai 1790) Im selben Jahr schrieb Schiller an Körner: »Sein Mädchen ist eine ziemlich berüchtigte Mlle Vulpius, die ein Kind von ihm hat.«

Aus Schlesien teilte Goethe dem Ehepaar Herder mit, dass sich seine »vis centripeta mehr als die vis centrifuga vermehrt« habe. Was er sich von der Zentripetalkraft ersehnte, zählt er ganz unbefangen auf: »Ich habe gewiß keine eigentlich vergnügte Stunde, bis ich mit Euch zu Nacht gegessen und bei meinem Mädchen geschlafen habe. Wenn Ihr mich lieb behaltet, wenige Gute mir geneigt bleiben, mein Mädchen treu ist, mein Kind lebt, mein großer Ofen gut heizt, so hab’ ich vorerst nichts weiter zu wünschen.« (11. September 1790) Der ganz unfaustische Goethe wünschte sich die Wonnen der bürgerlichen Behaglichkeit. Ein Zeitgenosse beschreibt seine Spitzweg-»Häuslichkeit«: »Abends sitzt er in einer wohlgeheitzten Stube, eine weisse Fuhrmannsmütze auf dem Kopf, ein Moltumjäckchen und lange Flauschpantalons an, in niedergetretenen Pantoffeln und herabhängenden Strümpfen im Lehnstuhl, während sein kleiner Junge auf seinen Knien schaukelt … auf der andern Seite die Dame Volpia mit dem Strickstrumpf.« (Grumach)

Dieses Nestglück konnte von außen bedroht werden, durch Krieg oder Unglück, aber auch innerlich lauerte Gefahr. Goethe wurde nicht müde, vor Christianes Augen die Familienidylle zu beschwören, ihr die Hausfrauen- und Mutterrolle schmackhaft zu machen, ihre kleine Welt zu idealisieren, »alles, was um dich ist, … unsere gepflanzten Kohlrüben.« Während der »Campagne in Frankreich« verkündete er: »Ach! mein Liebchen! Es ist nichts besseres als beysammen zu seyn. Wir wollen es uns immer sagen wenn wir uns wieder haben …« Vor allem wiederholte er unablässig: »Behalte mich lieb!« Manchmal mit einer Mahnung verbunden: »Du mußt mich aber nur lieb behalten und nicht mit den Äugelchen zu verschwenderisch umgehen.« Aus dem »Lager bey Verdün« bettelte der berühmte Dichter und Minister Goethe um die Liebe des ungebildeten Mädchens: »Sorge für das Bübchen und behalte mich lieb. Behalte mich ja lieb! denn ich bin in Gedancken manchmal eifersüchtig und stelle mir vor: daß dir ein anderer besser gefallen könnte, weil ich viele Männer hübscher und angenehmer finde als mich selbst. Das mußt du aber nicht sehen, sondern du mußt mich für den besten halten, weil ich dich ganz entsetzlich lieb habe und mir außer dir nichts gefällt. Ich träume oft von dir, allerley konfuses Zeug, doch immer daß wir uns lieb haben. Und dabey mag es bleiben.« (10. September 1792)

Mehrfach ist in den Briefen die Rede von der »Krabskrälligkeit« Christianes, einer privaten Chiffre für ihre Schwangerschaften. Denn auf August folgten noch vier Kinder, oder wenigstens vier Geburten: zuerst eine Totgeburt (1791), dann Carolina (1793), Carl (1795) und Kathinka (1802); alle Kinder starben in sehr niedrigem Alter, wahrscheinlich wegen einer Blutgruppenunverträglichkeit der Eltern. Nach außen hin machte Goethe wenig Aufhebens von diesen vier Todesfällen, seine starke Betroffenheit steht aber außer Zweifel. Als Caroline starb, »wand sich Goethe weinend am Boden, massig wie er war, mit seinen 44 Jahren und vor den Augen Meyers.« (N. Boyle). Nach dem Tod seines letzten Kindes, des winzigen Töchterchens Kathinka, verfiel Goethe in die tiefste Depression seines Lebens. »Sieben Wochen lang, bis Ende Februar, verließ er nicht das Haus, angeblich nicht einmal sein Zimmer, und als er sich schließlich ins Freie wagte, brach er zusammen und schloß sich für weitere zwei Wochen ein.«

August, der einzige Sohn, »ein göttliches Kind«

Goethe war sehr darum bemüht, seinem einzigen Kinde eine gute Erziehung und Ausbildung zu geben. Die rührende Sorgfalt, mit der Wilhelm Meister seinen Sohn Felix in den beiden »Meister«-Romanen umgibt, ist sicher der dichterische Niederschlag der innigen Gefühle, die Goethe für den ausnehmend schönen Knaben in diesen Jahren empfand.

Über den fünfjährigen August berichtet David Veit an Rahel Levin: »Ein göttliches Kind hat Goethe. Kohlschwarze Augen, sprechende Physiognomie und wahres Goldhaar, das gar keine Lust zum Dunkelwerden hat.« (20./21. Oktober 1794)

Louise Seidler, eine Spielgefährtin Augusts, schreibt in ihren Erinnerungen: »August war ein wunderschöner Knabe und sah in der schwarzen idealen Bergmannstracht, die ihm sein Vater hatte anfertigen lassen, besonders reizend aus.

Goethe hing mit unendlicher Liebe an ihm; oft fütterten beide miteinander die Tauben; noch öfters versüßte der Dichter des Götz und Werther unsere Kinderspiele dadurch, dass er Stückchen Torte, an einem Bindfaden gebunden, aus dem Fenster seines Arbeitszimmers (im Jenaer Schloß) in den Schloßhof, wo wir uns tummelten, herniederließ, damit wir danach haschten.«

Als Goethe in der Schweiz weilte, schrieb ihm sein 7-jähriger Sohn einen Brief: »Lieber Vater! Ich spiele jetzt in meinen freien Stunden mit Kastanien, die ich mit dem kleinen Kästner bei Ober-Weimar aufsuche. Wir tragen sie in großer Menge nach Hause, durchbohren sie, reihen sie an einen Bindfaden und behängen unsern ganzen Körper mit Kastanienketten. – Am ersten October feierte Herttels Wilhelm seinen Geburtstag, er bat mich auch dazu und tractirte mich mit Milch, Zucker und Kuchen. Auf den Abend spielten wir ein Schattenspiel …« Die Hauptpersonen sind Columbine, der Hanswurst, Doctor Faust und der Teufel. »Leben Sie wohl und behalten Sie mich lieb. August Göthe.«

Aus solchen unbedeutenden kindlichen Szenen gewinnen wir einen kleinen Einblick in den bürgerlichen Alltag des »Olympiers« und in das Vaterherz Goethes. Goethe legitimierte seinen Sohn am 15. März 1800 und ließ ihn zwei Jahre später durch Herder konfirmieren. Mehrere Hauslehrer erteilten dem Knaben Privatunterricht, aber Goethe nutzte jede Gelegenheit, um August mit auf Reise zu nehmen, da er den Reisen einen sehr hohen Bildungswert zusprach.

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