Kitabı oku: «Wenn Schattenmächte weichen», sayfa 4

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Guten Abend, Ignaz“, grüßte Mila munter in die Dämmerung. Mit der linken Hand wischte sie sich die Haare aus dem Gesicht. Ihre kurzen Zöpfe waren längst aufgegangen. Die rechte Hand lag an der Gürteltasche, in der das Amulett ruhte.

Der Zwerg stockte, blickte sich kurz um und richtete seine Aufmerksamkeit ganz auf sie. Erstaunen lag in seinem Gesicht. „Das Mädchen aus dem Wald. Was tust du hier?“ Er wirkte verwirrt. Ganz verändert. Nicht der Zwerg, dem sie im Wald begegnet war. Wo vorher Bedrohung gewesen war, schwappte ihr jetzt Unsicherheit entgegen.

Mila hielt den Korb in die Höhe. „Ich bin auf dem Weg in deinen Laden, um Waren zu tauschen.“

„Ja. Natürlich.“ Er kniff die Augen zusammen. „Die Sonne ist weg. Du solltest vor Sonnenuntergang hier sein?“

Mit dem Böser-Zwerg-Spiel konnte er sie nicht schrecken. „Du warst nicht da und ich hatte Wichtiges zu tun. Jetzt bin ich hier.“

„Mädchen, wir haben gesagt vor Sonnenuntergang und meine Frau war die ganze Zeit über im Laden. Du bist zu spät.“

„Möchtest du nun Tinkturen und Salben tauschen oder nicht?“

„Ja“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „aber nach Sonnenuntergang ist meine Ware teurer – nur, dass du’s weißt.“

Mila seufzte und folgte ihm.

Sie freute sich nicht auf den Laden, selbst wenn ihr die rosa getünchten Wände des Hauses immer gefallen hatten. Doch sie freute sich auf die Kammer unterm Dach. Dort, wo Hedwig wohnte. Die Freundin ihrer Oma. Bei jedem Gang ins Dorf waren Oma und sie nach oben gestiegen und hatten Hedwig besucht. Hedwig. Ihr Lächeln hatte in jeder der unzähligen Falten geruht. Sie hatte Mila die schönsten Zöpfe geflochten, ihr heimlich Zuckernüsse zugesteckt und ihr immer und immer wieder das Lied der kleinen Lerche vorgesungen das Mila so geliebt hatte. Sie hörte ihre Stimme noch heute. „… Drum sei getrost mein Lerchenkind, so sicher wie der Frühlingswind, kehrst du wieder zurück.“

„Lebt die alte Hedwig noch?“, fragte sie vorsichtig.

Ignaz antwortete nicht. Machte keinen Mucks. Sie wusste nicht einmal, ob der Zwerg sie gehört hatte.

„Hedwig, die bei euch unterm Dach wohnt.“

Stapf – stapf, machten seine Schritte und sein Bart schwang dazu hin und her.

Ein kleiner Schatten stieb vor ihnen davon und verschwand in eine Mauerspalte. War das eine Ratte gewesen? Sie war das einzige Lebewesen, das sich auf die Straße traute – außer ihnen.

Sie bogen in eine enge Gasse ab. Auch hier waren alle Fensterläden dicht geschlossen.

„Wovor haben die Leute Angst?“, fragte Mila. Ihre Stimme wurde von den Häuserwänden zurückgeworfen. „Weshalb sind die Straßen leer? Warum sitzt das Dorf hinter verschlossenen Läden?“

Ignaz blieb stehen. Starrte sie an.

„Wovor haben sie Angst, Ignaz?“

„Ha.“ Sein Lachen klang wie ein Kanonenschuss. „Ha, ha. Du weißt es nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Das kann nur einem Weibsbild passieren. Einem furchtbar dummen.“

In Mila brodelte es. So als ob viele Pferde mit den Hufen scharrten. Böse funkelte sie den Zwerg an.

Der schien es nicht zu bemerken. Er rieb sich eifrig die Hände. „Wieviel ist dir meine Antwort wert?“

„Gar nichts“, stieß Mila hervor. Sollte ihr der Zwerg mit seinen Beleidigungen doch vom Leibe bleiben. „Überhaupt gar nichts!“

Stapfend setzte sie sich in Bewegung. Schnell. Absichtlich. Doch der Zwerg konnte marschieren. Seine Beine bewegten sich schnell wie ein Wasserrad. Und genauso unermüdlich. Stapf, stapf, stapf, stapf. Er musste nicht einmal schwer atmen. Marschierte einfach eifrig neben ihr her, als wäre nichts gewesen.

Unruhig schnaubten die Pferde in ihr. Mila ballte die Hände zu Fäusten und presste die Lippen zusammen. Kein Wort würde sie mehr sagen.

Vor ihnen tauchte der Laden auf. Natürlich hatte er geschlossen, doch so einen Anblick hätte Mila nicht erwartet. Sie stoppte. Das Haus sah regelrecht zugenagelt aus. Wo früher rot gestreifte Gardinen die Fenster geziert hatten, waren nun dicke Bretter. Statt ausgestellter Waren auf der Straße, sah sie eine stinkende Pfütze. Und statt einer herzlich offenstehenden Tür, hing da ein Schild mit einem Pfeil, man solle zum Seiteneingang gehen. Alles war zu. Mit Angst dichtgemacht. Der Laden, die Straße, das ganze Dorf. Die Angst lag in jedem Winkel, schaute aus jeder Mauerspalte und hockte in jeder Ecke. Sie beherrschte das Dorf mit kaltem Atem.

„Komm mit.“ Der Zwerg marschierte um die Ecke, in die Seitengasse. Mila folgte ihm.

Ein Bündel lag am Boden. Mila stockte. Es sah beinahe aus wie ein Mensch, der am Boden saß. Sie blinzelte. Es war ein Mensch, zusammengekauert am kalten Straßenrand.

„Wer ist das?“, stieß Mila aus und machte einen Schritt auf die Gestalt zu. Es musste eine Frau sein. Ihr Kopf war gesenkt. Bedeckt von einem dicken Tuch.

„Das ist nur die verrückte Hedwig“, klang die Stimme des Zwerges. „Sie sitzt immer hier. Komm jetzt.“

„Wer?“ Mila fuhr herum. Erst zum Zwerg, dann zurück zu der Frau. War das ihre Hedwig? Dieselbe, die in der Kammer wohnte?

„Hedwig?“ Mila flog beinahe hinzu und legte die Hand auf die Schulter der Frau. Ihre Kleider waren klamm. Die Knochen standen mager und spitz heraus. Gleich würden sie zerbrechen.

„Hedwig.“

Langsam hob sich der Kopf. Milchige Augen sahen an Mila vorbei ins Nirgendwo. Es war ihre Hedwig. Die Frau, die Mila auf die Knie genommen und mit ihr im Schaukelstuhl hin und her geschwungen war. Die Frau, die nach Veilchen geduftet hatte und deren Gesicht so warm geleuchtet hatte wie die Sonne selbst.

Das Leuchten war erloschen. Elend saß in jeder Falte. Sie war nur noch ein Häufchen.

„Hedwig.“ Ein bitterer Schreck wallte durch Milas Herz.

Zitternd griff die alte Hand nach Mila. Knorrige Finger legten sich um ihren Arm. „Du hast mich gesehen“, knarzte eine dünne Stimme. „Man sieht mich und sieht mich nicht, doch du hast mich gesehen.“

„Wie …?“ Mila schluckte. Wie hatte es passieren können, dass die gute Hedwig schmutzig, stinkend und zitternd im Dreck saß?

Mila hob den Blick zum Zwerg, der breitbeinig in der Gasse stand.

„Wie kannst du das nur zulassen. Vor deinem eigenen Haus!“

Er zuckte mit den Schultern. „Sie hat ihre Miete nicht bezahlt.“

„Sie hat … was? Du hast sie einfach auf die Straße gesetzt? Bist du verrückt?“ Da waren die Pferde wieder in ihr. Sie bäumten sich auf, schnaubten und wieherten. „Du bist völlig durchgedreht! Jemand muss dir den Verstand gestohlen haben. Hilf mir sofort, Hedwig hinein zu bringen!“ Mila umfasste vorsichtig die dünnen Schultern der Frau.

„Stopp!“, donnerte der Zwerg. „Keinen Schritt macht sie in mein Haus. Diese Jauchegrube hat hier nichts verloren.“

„Du wirst mich nicht aufhalten sie nach oben zu bringen!“ Kampfbereit schlugen Milas Pferde mit den Hufen. Rauch stieg aus ihren Nüstern auf. Mila konnte sie kaum zurückhalten.

Der Zwerg stemmte die Arme in die Seiten. „Wenn du sie irgendwohin bringst, dann eine Straße weiter, damit meine Kunden diesen Kothaufen eines alten Esels nicht ansehen müssen.“

Nun donnerten sie los. Hundert Pferdehufe. Flammenroter Rauch stieb aus ihren Nüstern. Schwarze Blitze in den Augen. Mila sah nur den Zwerg. Diesen grässlichen, abscheulichen Zwerg!

Mit unbändiger Kraft stießen ihre Hände gegen seine Brust. Er wankte nach hinten. „Das sagst du nie wieder!“ Mila holte aus. Sie hob ihre Hände, sammelte alle Kraft, fuhr nach vorn und schlug ins Leere. Der Zwerg war ausgewichen und Mila fiel ins Nichts. Sie knallte auf Hände und Knie. Schnell rappelte sie sich auf, doch bevor sie sich umdrehen konnte, wurde ihr Arm gepackt, auf ihren Rücken gelegt und nach oben gezogen. Die Finger des Zwerges lagen mit eisernem Griff um ihr Handgelenk. Sie stand hilflos da. Schmerzensblitze durchfuhren ihre Schulter, als der Arm weiter nach oben gebogen wurde. Sie schnappte nach Luft.

Vor ihr, in der Tür des Ladens, sah sie Kriemhild mit großen Kulleraugen stehen. Die Hände vor den Mund geschlagen.

„Mach das nie wieder“, zischte es in Milas Ohr. „Schubse nie mehr einen Zwerg. Hast du mich verstanden?“ Weitere Blitze stachen in ihre Schulter.

Mila nickte.

„Ganz sicher?“

Die Pferde wanden sich. „Ja“, stieß Mila aus.

„Gut. Und dass eines klar ist: Der Dreckhaufen bleibt auf der Straße und du kommst mit in den Laden. Sofort. “

Er ließ los. Milas Arm rasselte nach unten. Scharf zog sie die Luft ein.

„Mach schon. Nimm deinen Korb und komm!“

Ihr Korb? Sterne blitzten vor ihren Augen. Sie blinzelte und sah sich um, während die Pferde in ihr zu Boden sanken. Ihr Blick fiel auf Hedwig, die mit milchigen Augen ins Nichts starrte. Der zahnlose Mund bewegte sich in lautlosen Worten. Ihre geliebte Hedwig.

Weinen schnürte Mila den Hals zu. Hedwigs Not lag mitten in ihrem Herz. Unfassbar schwer und unendlich traurig. Sie holte Luft. Ihre Stimme zitterte, als sie sich ein letztes Mal an den Zwerg wandte. „Aber du kannst sie doch nicht einfach liegen lassen. Bitte.“ Ihre Tränen ließen sein Gesicht verschwimmen. Und doch war es starr. Sein Blick ausdruckslos. Keine Regung. Nicht den Hauch von Menschlichkeit.

Die Pferde legten ermattend die Köpfe zu Boden. Milas Stimme war nur noch ein Flüstern. „Hast du denn überhaupt kein Herz?“ Sie spürte, wie den Pferden in ihr der letzte Atemzug entglitt. Mila wandte sich ab, zu Hedwig.

„Moment.“ Es war Ignaz, der das gesagt hatte. Ignaz, dessen Hand das Mädchen an der Schulter zurückhielt. „Vielleicht … kann ich doch etwas für Hedwig tun, wenn …“

Langsam drehte Mila sich um. Die Pferde hoben den Kopf. War da der Hauch eines Morgens?

Mila sah in zusammengekniffene Zwergenaugen. Er räusperte sich. „Wenn du auch etwas für mich tust.“

„Du würdest … ich … aber natürlich. Was soll ich tun?“ Die Pferde waren aufgesprungen. Noch nicht gewahr, was um sie herum passierte.

„Du sollst mitkommen, nach … zu … mit mir gehen. Jetzt. Sofort.“

„Und Hedwig?“ Hoffnung zitterte in ihrer Stimme.

Er grummelte: „Hedwig darf in die Kammer, wenn du mit mir kommst.“

Er meinte es ernst. Die Pferde schlugen die Hufe ins grüne Gras. Sie hatte doch gewusst, dass in jedem etwas Gutes steckte. Selbst im grässlichsten Zwerg.

Ignaz wies auf Milas Korb, der auf dem Boden stand. „Und für das Lebenselixier macht meine Frau deiner Hedwig eine warme Suppe.“

„Ich?“ Empörung lag in Kriemhilds Stimme.

„Schweig!“ Ignaz funkelte sie an. „Meine Frau wird das Lumpenbündel nach oben bringen, frisch machen und ihr eine warme Suppe geben. Dafür bekommt sie das Lebenselixier.“

Kriemhild ließ die Schultern fallen. „Na gut.“

„Jeden Tag“, warf Mila ein. „Hedwig wird jeden Tag eine warme Mahlzeit bekommen.“ Die Pferde tollten übermütig.

Kriemhild schüttelte den Kopf. Ignaz hob seinen dicken Zeigefinger vor Mila in die Luft. „Wenn du sofort mitkommst.“

Sie nickte und griff nach ihrem Korb. „Ich komme.“

„Nein!“, krächzte eine Stimme. Hedwigs Augen waren schreckensweit geöffnet. „Tu das nicht, Kind. Hüte dich vor dem Bösen. Du hast mich gesehen. Du bist Licht und sie wird dich auslöschen.“

„Pah“, der Zwerg spuckte aus, „hör nicht auf sie. Sie redet wirres Zeug. Nicht umsonst wird sie die verrückte Hedwig genannt.“

Mila zögerte. „Wohin gehen wir denn?“

Der Zwerg schielte auf Hedwig, während er langsam antwortete: „Ich möchte dich jemandem vorstellen, der dich gerne kennenlernen möchte.“

„Geh nicht, sie ist böse. Macht ist ihr Schwert, Zerstörung ihr Name. Und du bist Licht.“

Milas Hand legte sich in ihre Gürteltasche. Sanft umschlossen die Finger das Amulett. Kühl und stark lag es auf ihrer Haut.

Sie sah den Zwerg unverwandt an. „Zu wem willst du mich bringen?“

Seine Augen wurden schmal. „Wieviel ist dir meine Antwort wert?“

Er würde immer ein Zwerg bleiben. „Alle Salben und Kräuter, die ich dabeihabe.“

„Nein.“ Sein Blick war fest.

Mila wusste es. „Du wirst es mir nicht verraten.“

Er schüttelte den Kopf.

Ihre Hand schloss sich enger um die Feder. Sie spürte die feinen Kerben in den Härchen. Die wohlige Rundung des Edelsteines. Warm lag das Amulett in ihrer Hand. Seine Kraft floss den Arm empor, über die Schulter, mitten ins Herz. Füllte es bis oben hin.

Mila richtete sich auf. Sie hob ihren Kopf: „Ich werde mit dir gehen.“

„Dann komm.“ Der Zwerg deutete mit seinem Blick die Gasse hinauf.

Mila tat den ersten Schritt.

„Miiilaa!“ Es war ein markerschütternder Schrei. Hedwig hatte sich nach vorne geworfen und umkrallte Milas Rockzipfel. Sie hielt felsenfest, wie eine Ertrinkende an einem Stück Holz.

Mila wandte sich um. Diesmal sahen Hedwigs Augen direkt in die ihren. Reine Angst stand darin. Eine Angst, wie Mila sie noch nie zuvor gesehen hatte.

Sie beugte sich zu Hedwig hinab. Umschloss langsam die Hand, die ihren Rock hielt. Wärmte die kalten Finger. „Es ist gut, Hedwig“. Sie beugte sich dicht an ihr Ohr, berührte mit den Lippen das Kopftuch, als sie flüsterte: „Ich bin geschützt durch das Vermächtnis meiner Mutter. Mir kann nichts geschehen.“

Langsam löste sie die Finger von ihrem Rock. „Weißt du noch?“ Leise sang sie: „… Drum sei getrost mein Lerchenkind, so sicher wie der Frühlingswind, kehrst du wieder zurück.“

Sie sah in die alten Augen. Sie waren wieder milchig und ausdruckslos. „Ich werde zurückkommen Hedwig, versprochen.“

Mila richtete sich auf, drehte sich um und folgte dem Zwerg in die Nacht hinein.


Himbeeren. Bamper räkelte sich in dem Flaumnest und hielt schnuppernd die Nase in die blaue Luft. Es roch nach Himbeeren und sonnigem Heu. Nichts mochte der Hasenmann lieber. Genüsslich drehte er sich zur Seite. Ein Pfeifen drang an sein Ohr.

Himbeeren. Wo war die Himmlischkeit denn?

Da stand das Mädchen. Mila. Mitten auf der Wiese. Mit den kurzen Zöpfen, wie sie sie heute Nachmittag getragen hatte. Im Sonnenschein. Bampers Nase wackelte. Sie war es. Sie roch so wunderbar. Nach Himbeeren und sonnigem Heu. Dieses wundervolle Mädchen.

Ein Pfeifen vom Himmel durchzog die Stille.

Bamper sah nur auf das Mädchen. Mila. Sie lachte ihn an. Vorsichtig ging sie in die Hocke.

„Komm, ich werde dir mein Geheimnis verraten“, sagte sie und ihre grünen Augen sahen ihn verschwörerisch an.

Schnell eilte er zu ihr. Setzte sich auf die Hinterpfoten und streckte die Ohren in die Luft. Ganz nah an ihren Mund.

„Und die Lerche ist immer noch am brüüüten“, flötete eine Stimme.

Bamper zuckte zurück. Er schüttelte seine Ohren und öffnete die Augen.

„Der Specht ist umgezooooogen.“

Er lag in seiner Schlafhöhle. Es war Abend. Keine Wiese im Sonnenschein.

„Zehn Bäume weiter, in eine Buuuuche.“

Und das penetrante Pfeifen kam von der Nachtigall. Sie verlas die Nachrichten des Waldes wie ein Minnesänger. Da wollte Bamper einmal früher ins Bett gehen und schon setzte sich dieser Vogel genau auf den Baum über seinem Bau, um ihn im spannendsten Traum zu stören. Aber nicht mit ihm. Nicht mit ihm!

Bamper sprang auf seine vier Pfoten und schoss aus dem Bau heraus.

„Sei ruhig!“, schrie er nach oben. Irgendwo dort musste das Vieh hocken. War natürlich nicht zu erkennen in der Dämmerung. Aber hören konnte er es!

„Der Dachs hat sich die Pfote eingekleeemmt und das Mäd...“

„Halt endlich deinen Schnabel, Natalia. Hast du gehört?“

„Das Määäädchen aus dem Walde ist immer noch im Dooorf.“

„Ich springe so lange gegen den Baum, bis du durchgeschüttelt bi... Halt!“ Bampers Ohren flogen nach oben. Sein Fell stand wie Stacheln von ihm ab. Was hatte er da eben gehört? „Was hast du gesagt?“

„Ich habe gesungen.“

Bamper schüttelte sich. „Ja. Aber was?“

„Das Määädchen aus dem Walde ist immer noch im Dooorf.“

Mila, schoss es durch seinen Kopf. „Warum ist sie dortgeblieben? Ist ihr etwas zugestoßen? Nun sag schon. Sag schon, du Krächzer.“

„Banause!“, schalt die Nachtigall. Mehr sagte sie nicht. Ein Flügelschlagen erklang und Ruhe kehrte ein. Im Wald. Nicht in Bampers Kopf. Dort hämmerte die Liedzeile immerzu. Das Määädchen aus dem Walde … Dieses wunderbare Mädchen, dem er heute begegnet war. Das nach Himbeeren und Sonnenheu roch.

… ist immer noch im Dooorf.

Nein. Nein, wie konnte sie nur. Hatte sie ihm nicht versprochen vor Sonnenuntergang zurück zu sein? Sie blieb im Dorf. Sie blieb einfach im Dorf. Das war zu gefährlich. Viel zu gefährlich, in der Abenddämmerung. Und gleich kam die Nacht, jawohl. Es war Winter. Da wurde es früh dunkle Nacht, auch wenn es noch Abend war … Ach, was dachte er da für ein Durcheinander. Er musste dem Mädchen auf jeden Fall nach. Er musste Mila retten!

Bamper schoss los. Seine Hinterläufe donnerten auf den Boden, als er im gestreckten Galopp durch den Wald preschte. Er konnte nicht zulassen, dass Mila die Nacht im Dorf verbrachte. Dann wimmelte es dort nur so vor bösen Geistern. Er, der großartige Hasenmann würde ihr nachrennen. Aus dem Wald hinaus und … Angst griff nach ihm. Nur im Wald war er vor dem Blick der Raubvögel geschützt. Im Haselstrauch.

„Hasenfuß“, schalt er sich und trabte tapfer weiter. Er würde Mila zurückholen. Musste nur aus dem Wald hinaus, über die Wiese und … es klang schrecklich. Völlig ungeschützt den Füchsen ausgesetzt. Bampers Beine bewegten sich nur noch im Schritt. Und dann stoppten sie.

Vor ihm endete der Wald. Dort lag die Wiese. Die untergehende Sonne warf lange Schatten. Schatten von jedem einzelnen, dürren Gras. Wie Zähne eines hungrigen Ungeheuers. Die ganze weite, braune, vertrocknete Wiese ein riesiges Ungeheuer.

Bampers Hinterläufe verstockten sich im Boden. Niemals. Niemals würde er dort hinaus gehen. Er wäre ausgestellt wie ein dicker, roter Käfer auf einem glatten, braunen Blatt. Zum Nachtmahl serviert für die gierigen Füchse, gefräßigen Raubvögel und ungeschützt vor den Augen der Hexe. Ja, die Hexe. Auf dieser Wiese vor sich war er ihren Augen hilflos ausgeliefert. Sie war die Schlimmste. Die Schlimmste von allen. Sie war das widerwärtigste Ungeheuer, dem er begegnen konnte. Die Windhexe!

Das Laub um ihn herum zitterte. Zitterte mit seinen Beinen mit. Mit seinen Ohren. Seinem ganzen Körper. Er konnte nicht da hinaus gehen. Niemals.

Schnell machte Bamper drei Schritte zurück, unter die schützenden Zweige einer Tanne und kauerte sich zusammen. Er war ein Hase. Einfach nur ein Angsthase. Wie hatte er je denken können, dass er Mila auf die Wiese folgen könnte? Nein. Da war kein großartiger Hasenmann. Da war nur Angst. Überall Angst. In seinem Kopf, in seinen Beinen, in seinem Herz. Sein Hasenherz. Das rannte schneller, als seine Beine es je konnten. Dodoc, Dodoc. Doch mittendrin, in diesem Herz, hockte etwas Großes, Fettes. Rot und prall gefüllt wie ein Wasserschlauch kurz vor dem Zerplatzen. Die allergrößte Angst. Es war nicht die Angst vor gefräßigen Füchsen. Nicht die Angst vor der Hexe oder gar die Angst um sein Leben. Es war die Angst um Mila. Sie brauste. Tobte. Viel mehr, als alles andere. Und sie wurde ständig größer. Mila durfte nichts geschehen. Dieses wunderbare Wesen das nach Himbeeren und Heu duftete, durfte nicht von den Menschen zerstört werden. Niemals!

Bum, schlug Bampers Hasenherz, stark wie das eines Helden. Bum, antwortete der nächste Schlag, voller Liebe zu Mila.

Bamper trat hinaus auf die Wiese. Er machte einen Schritt und noch einen. Immer schneller und stärker trugen ihn seine Beine, während er über das braune Gras marschierte. Da waren keine bösen Augen und kein gieriger Schatten, der ihm folgte. Da war nur der mutige Bamper.

Er brauchte keine Deckung mehr. Nicht einmal diesen kleinen Haselstrauch, der auf der Kuppe stand. Auf der Kuppe? Tatsächlich. Er marschierte über den Zabohügel, der direkt vor dem Dorf lag. Der gefährliche Hügel, mit den magischen Spannungen, wo manchmal Zeit und Raum durcheinanderflogen. Auf diesen Hügel ging man nicht, selbst wenn es der schnellste Weg ins Dorf war. Hier war es gefährlich. Doch Bamper war es gleichgültig. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass ihn sein strammer Schritt auf den Hügel geführt hatte. Ja, er war schon obenauf. Und er war stolz. Von ganzem Herzen.

Ein Blitz fuhr in den Himmel. Noch einer, direkt aus dem Boden vor Bamper, empor in den Himmel. Mit einem Hüpfer zur Seite rettete sich Bamper hinter ein Steinchen. Es war kaum halb so groß wie er. Da hockte Bamper mit hochgestreckten Ohren und schaute keck auf das Flirren vor sich. Ein Flirren, das sich in die Höhe und Breite schwang.

Bilder huschten über die Fläche. Das Wehen eines Gewandes. Flatterfell. Oder waren es Haare? Ein Wolf, der sich davon machte. Bamper duckte sich. Doch es war nur ein Bild. Kein echter Wolf. Nur ein Bild in der Luft zwischen den Blitzen.

Im Flatterfell ein helles Gesicht mit bösen Augen. Also doch Haare. Haare der Hexe. Der Windhexe, das wusste Bamper sofort. Er hatte sie noch nie gesehen und wusste doch, genau so sah eine Windhexe aus. Ihre Eisaugen schauten auf einen Zwerg. Sie öffnete den Mund.

„Bringe mir einen Menschen, dessen Herz nicht gebrochen ist.“

Erneutes Flirren in der Luft. War die Erscheinung vorbei? Hoffentlich, denn Bamper hatte mit magischen Dingen nichts am Fell.

Ein Haus baute sich in der Luft auf. Mit rosa Putz. Oder eher Rotbraun, wie seine Nase. Wieder der Zwerg. Eigentlich könnte Bamper gehen und den Spuk alleine spuken lassen.

Moment. Bamper erstarrte. Vor dem Zwerg stand keine Hexe mehr, da war Mila! Verrückt. Völlig verrückt. Mila hatte in dem Bild überhaupt nichts zu suchen.

Sie reckte sich auf. „Ich werde mit dir gehen.“

„Dann komm“, antwortete der Zwerg.

Halt. Nein. Das war nicht gut. Überhaupt nicht gut.

Das nächste Bild flackerte und erneut tauchte der Zwerg auf. In Nacht gehüllt. Auf den Boden gedrückt. Eisig drang eine Stimme durch Raum und Zeit. „Du solltest mir ein ungebrochenes Herz bringen.“

Das war genug. Bamper fuhr herum. Mehr musste er nicht sehen. Vergangenheit, Zukunft, Traum, Trug. Was immer er gesehen hatte, er musste Mila warnen. Mehr als je zuvor. Zukunft. Hoffentlich war es Zukunft gewesen, was er gesehen hatte. Sie durfte nicht mit dem Zwerg gehen. Die Hexe würde ihr Herz brechen.

„Hase“, zischte schneidend eine Stimme durch seine Ohren. Langsam drehte er sich zurück zu dem Zauberfeld. Flirrend stand da diese Hexe. Sie schien ihn direkt anzuschauen.

„Ich weiß, dass du da bist. Hopple zurück in deinen Wald und erzähle den Tieren, wie schrecklich ich bin, hast du gehört?“

Sie sah ihn direkt an. Direkt aus diesem Luftbild. Ihm wurde schwummrig. Er hielt sich an dem Steinchen fest das zur Seite zu rollen drohte.

„Tiere“, stieß die Hexe aus, als wäre Bamper tatsächlich nur ein roter Käfer auf einem braunen Blatt, „dumm wie Gerstenstroh.“ Ein Windstoß und sie war weg. Alles war weg. Das Bild, das Flimmern, die Blitze. Weg. Als wäre nie etwas da gewesen. Aber es war gewesen. Und wie es gewesen war. Das sagte Bamper sein flatterndes Herz. Sein wütendes Herz. Gerstenstroh. Gerstenstroh!

Mit einem Sprung wandte er sich um. Mila wollte mit dem Zwerg mitgehen? Ein Bild der Zukunft. Bitte, ein Bild der Zukunft. Denn er würde es verhindern. Er würde Mila warnen. Ihr alles erzählen.

Doch wie würde er sie finden? Das Haus. Das Haus vor dem sie gestanden hatte. Es war im Dämmerlicht gewesen, aber es war rotbraun. Wie seine Nase.

Bamper musste dieses Haus finden. Er musste Mila warnen. Die Zukunft ändern. Der Hexe ein Schnippchen schlagen. Gerstenstroh, als ob.

Bamper donnerte los. Mila, trommelten seine Hinterläufe. Trommelten den Hang hinab. Quer über die Wiese. Der gewundene Weg interessierte nicht. Nicht einmal die Menschen darauf. Er brauchte keinen Weg. Brauchte keine Menschen. Brauchte nur das Dorf und dieses Haus mit dem rotbraunen Putz. Das Haus, vor dem Mila stehen würde. Wo er sie warnen würde und wo sie nicht mit dem Zwerg gehen würde. Niemals!

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