Kitabı oku: «Das Karpatenschloss», sayfa 3

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DRITTES KAPITEL

D

ie Dorfschaft Werst ist so unbedeutend, dass die meisten Landkarten ihre Lage gar nicht angeben. Bezüglich der Verwaltungsangelegenheiten steht sie sogar noch unter ihrem Nachbarorte Vulkan, so genannt nach dem Teile des Gebirgsstockes von Plesa, auf dem beide Gemeinden malerisch angeheftet sind.

Heutigen Tages hat die Ausbeutung der hiesigen Mineralienlagerstätten den Flecken Petroseny, Livadzel und anderen, die in der Entfernung weniger Meilen im Umkreise liegen, ein nicht zu unterschätzendes geschäftliches Leben zugeführt. Weder Vulkan noch Werst haben aber von der Nähe des großen industriellen Zentrums irgendwelchen Nutzen gezogen; was diese Dörfer vor fünfzig Jahren waren, das werden sie nach einem halben Jahrhundert gewiss auch noch sein, so wie sie es heute sind, und nach Elisée Reclus besteht die reichliche Hälfte der Bewohnerschaft von Vulkan nur »aus Beamten zur Überwachung der Grenze, aus Zöllnern, Gendarmen, Steuereinnehmern und Krankenwärtern der Quarantäneanlagen«. Rechnet man die Gendarmen und Steuereinnehmer ab und eine geringe Anzahl Landbauern hinzu, so hat man die Bevölkerung von Werst – im Ganzen vier- bis fünfhundert Köpfe.

Das Dorf besteht aus einer einzigen Straße, einer breiten Straße, deren bergiger Charakter das Fortkommen auf derselben nach auf- wie nach abwärts recht unangenehm erschwert.

Sie dient als natürlicher Verbindungsweg zwischen der walachischen Grenze und dem inneren Siebenbürgen. Über sie ziehen die Herden von Rindern, Schafen und Schweinen, die Händler mit frischem Fleisch, mit Baum- und Feldfrüchten, sowie die wenigen Reisenden, die den Bergpass wählen, statt sich der Bahnlinie von Kolosvar und des Tales des Maros zu bedienen.

Die Natur hat den Kessel zwischen den Bergen von Bihar, dem Retyezat und dem Paring wirklich verschwenderisch bedacht. Reich schon durch die Fruchtbarkeit des Erdbodens, ist er es noch mehr durch die Schätze, die unter ihm lagern, wie die Steinsalzlager bei Thorda, mit einer jährlichen Ausbeute von über zwanzig Millionen Tonnen; der sieben Kilometer im Umfange messende Berg Parajd, der durch und durch aus Chlornatrium besteht; die Erzgruben von Torotzko, die viel Blei, Bleiglanz, Quecksilber, vorzüglich aber Eisen liefern und deren Schächte und Stollen schon seit dem zehnten Jahrhundert abgebaut werden; das Bergwerk von Vayda Hunyad, aus dessen Erzen ein vorzüglicher Stahl hergestellt wird; ferner Steinkohlengruben, die in diesem einstigen Seegebiete schon in den obersten Schichten schöne Kohle enthalten und deshalb leicht zu bearbeiten sind (hierzu gehören die Gruben in den Bezirken Hatszeg, Livadzel und Petroseny, zusammen eine ungeheure Ablagerung, deren Inhalt auf zweihundert Millionen Tonnen abgeschätzt ist); endlich die Goldfundstätten beim Schlosse Offenbanya bei Topansalga, jenes Gebiet der Goldwäscher, wo unzählige, sehr einfach konstruierte Mühlen den kostbaren Sand von Verés-Patak auswaschen und jährlich für eine Million Gulden des edlen Metalls ausführen.

Nach dem Vorstehenden scheint hier also ein von der Natur recht begünstigtes Land zu sein, und doch hat dieser Reichtum zum weiteren Gedeihen der Bewohner nicht im mindesten beigetragen. Wenn auch die wichtigeren Ortschaften, Toretzko, Petroseny und etwa Lonyi, einige Fortschritte, wie sie die ausgebildete Industrie mit sich bringt, aufweisen, wenn diese Flecken regelmäßige, nach Winkelmaß und Schnur errichtete Gebäude besitzen, und neben diesen Schuppen, Magazine, wirkliche Arbeiterviertel, wenn man in denselben vereinzelte Wohnungen findet, die mit Balkons und Veranden geschmückt sind, so darf man etwas Ähnliches doch weder im Dorfe Vulkan, noch in Werst suchen wollen.

Der einzigen Straße sind hier wohlgezählte sechzig Häuser oder Häuschen angereiht, alle mit seltsamen Dächern, deren Sparrenwerk über die Lehmwand hinausragt, die eigentliche Fassade nach dem Garten zu gerichtet; als Stockwerke haben sie Kornböden mit Luken, daneben angebaute Scheuern, die halb zerfallen erscheinen und mit Stroh abgedeckt sind; da und dort zeigt sich ein Ziehbrunnen mit langem Schaukelbalken, an dessen einem Ende der Schöpfeimer hängt, endlich einige Wassertümpel, die bei jedem Gewittersturme »entfliehen« (soll heißen, deren Wasser durch den starken Wind hinausgetrieben wird), nebst den veränderlichen kleinen »Bächen« in den Wagen-Karrenspuren – das ist das Bild der zu beiden Seiten der Straße zwischen den schrägen Bergabhängen erbauten Dorfschaft Werst. Dennoch sieht das Ganze frisch und anziehend aus; da gibt es Blumen an den Fenstern und Türen; grünende Vorhänge bekleiden die Wände, wirr durcheinander wachsende Grashalme, die sich mit dem alten Stroh der Dächer vermischen; Pappeln, Ulmen, Buchen, Tannen, Ahornbäume, die über die Häuser emporragen, »so weit ihnen das möglich ist«. Über dem Allen erheben sich die Stufen der Mittelschichten der Bergkette und ganz im Hintergrunde die Gipfel von Einzelbergen, die im blauen Schimmer der Ferne mit dem Azur des Himmels verschwimmen.

In Werst spricht man, ebenso wie in diesem ganzen Teile Transsilvaniens, weder deutsch noch ungarisch, sondern rumänisch, selbst in den wenigen Zigeunerfamilien, die in den verschiedenen Dörfern des Comitats weniger umherziehen, als sesshaft sind. Diese Fremdlinge nehmen die Sprache des Landes und wohl auch dessen herrschende Religion an. Die von Werst bilden eine Art kleinen Clan unter der Aufsicht eines Woiwoden, mit ihren Hütten, ihren »Barakas« mit spitzem Dache, ihrer Legion von Kindern: sie unterscheiden sich aber durch ihre Sitten und die Regelmäßigkeit ihrer Lebensführung vorteilhaft von denjenigen ihrer Stammesgenossen, die durch ganz Europa ein unstetes Wanderleben führen. Sie huldigen sogar dem griechischen Ritus, indem sie sich unschwer dem Glaubensbekenntnisse der Christen angliedern, in deren Mitte sie leben. Werst besitzt nämlich als geistlichen Herrn einen Popen, der aber in Vulkan wohnt und dem die Seelsorge in den beiden, nur eine Wegstunde von einander liegenden Dörfern anvertraut ist.

Die Zivilisation gleicht der Luft oder dem Wasser. Wo sich nur ein Durchgang bietet, und wär‘s nur eine Spalte, ein Riss, der ihr offen steht, da dringt sie hindurch und drückt ihren Stempel auf alle Verhältnisse des Landes und Lebens.

Leider muss man aber zugestehen, dass sich in diesem südlichen Teile der Karpaten noch keine solche Spalte aufgetan hat. Da Elisée Reclus von Vulkan noch sagen konnte, »dass es der äußerste Posten der Zivilisation im Tale der walachischen Sil sei«, so ist es gar nicht zu verwundern, in Werst eines der am meisten zurückgebliebenen Dörfer des Comitats von Kolosvar zu finden. Wie könnte es auch anders sein in diesen Ortschaften, wo Jeder geboren wird, aufwächst und wieder stirbt, ohne sie jemals verlassen zu haben!

Und doch, wird der Leser hier einwenden, gab es einen Schulmeister und einen Ortsrichter in Werst? – Jawohl. Der Magister Hermod war aber nur im Stande zu lehren, was er selbst verstand, und das beschränkte sich auf ein wenig Lesen, ein wenig Schreiben und das notdürftigste Rechnen. Seine eigene Ausbildung reichte eben nicht weiter. Von Naturwissenschaft, Geschichte, Geofaphie und Literatur wusste er nur, was in den Volksliedern und Sagen des Landes niedergelegt war. In fantastischen Erzählungen war er sehr stark, und verschiedene Schüler aus dem Dorfe machten bei ihm hierin recht erstaunliche Fortschritte.

Was den Ortsrichter angeht, so muss man von der Bedeutung dieser, dem ersten Gemeindebeamten von Werst verliehenen Würde eine etwas genauere Kenntnis nehmen.

Der Biró Meister Koltz war ein kleiner Mann von fünfundfünfzig bis sechzig Jahren, von Geburt Rumäne, trug kurz geschorene, halbgraue Haare, einen noch schwarzen Schnurrbart und hatte mehr sanfte, als lebhafte Augen. Untersetzt gebaut, wie der Sohn der Berge, bedeckte sein würdiges Haupt ein großer Filzhut; den Leib umschloss ein breiter Gürtel mit erhabenen Verzierungen; dazu trug er eine ärmellose Weste, eine kurze, halbweite Hose, die in den hohen Lederstiefeln steckte. Mehr Gemeindevorstand als Richter, obwohl er die Verpflichtung hatte, unter Nachbarn entstandene Streitigkeiten zu schlichten, verwaltete er sein Dorf ganz nach eigenem Gutdünken und nicht ohne einige Vorteile für seinen Geldbeutel. So waren alle das Gericht berührenden Angelegenheiten – Käufe und Verkäufe – mit einer ihm zufallenden Taxe belegt, ohne von den Wegegeldern u. dgl. zu sprechen, die alle Fremden, Lustreisende oder Handelsleute, in seine Tasche fließen lassen mussten.


Diese recht ergiebige Stellung hatte den Meister Koltz eine gewisse Behäbigkeit gewinnen lassen. Während die meisten Bauern des Comitats schon durch den Wucher ausgesaugt sind, der in nicht zu ferner Zeit das ganze Land in die Hand von Israeliten überliefern wird, hatte sich der Biró der Raubsucht der Letzteren zu entziehen gewusst. Auf sein von Hypotheken, von »Intabulationen«, wie man hier zu Lande sagt, freies Gut war er keiner Seele etwas schuldig. Er hätte eher Gelder ausleihen können, und hätte das gewiss getan, ohne den armen Teufeln die Kehle abzuschnüren. Ihm gehörten verschiedene Weiden, schöne Grasplätze für seine Herden, ziemlich gut in Stand gehaltenes Ackerland, obwohl er von den neueren Kulturmethoden nichts wissen wollte; ferner Weinberge, die seiner Eitelkeit schmeichelten, wenn er längs der mit Trauben beladenen Rebengelände hinspazierte und deren reichen Herbst er mit Nutzen verkaufte – natürlich mit Ausnahme der ziemlich beträchtlichen Menge, die für seinen eigenen Bedarf zurückbehalten wurde.

Selbstverständlich war das Haus des Meisters Koltz, in einer Ecke der die lange Straße kreuzenden Terrasse, das schönste des Dorfes. Es bestand aus wirklichem Mauerwerk, hatte die Fassade ebenfalls nach dem Garten zu und die Türe zwischen dem dritten und vierten Fenster. Grüne Schlingpflanzen umsäumten die Dachrinne mit ihrem wirren Gezweig, und zwei große Buchen breiteten über dem blumendurchsetzten Strohdache ihre massigen Äste aus. Dahinter lag ein hübscher Garten mit rechtwinkelig angeordneten Gemüsebeeten und geradlinigen Obstbaumreihen, die auch noch ein Stück an der Berglehne hinaufreichten. Das Innere des Gebäudes enthielt einige für die hiesigen Verhältnisse stattliche und sauber gehaltene Räume, Esszimmer, mehrere Schlafzimmer mit angestrichenem Mobiliar, Tischen, Betten, Bänken, Stühlen und Schemeln, ferner Gestelle mit Töpfen und blinkenden Schüsseln. Oben traten die Balken der Decke sichtbar hervor und daran hingen mit Bändern und lebhaft gefärbten Stoffen geschmückte Vasen; an den Wänden standen schwere, mit dicken wollenen und seinen gesteppten Decken überzogene Kisten, die als Truhen und Schränke dienten; an den hellen Wandflächen endlich hingen die roh illuminierten Bilder der rumänischen Helden – unter Andern das des volkstümlichen Heros aus dem fünfzehnten Jahrhundert, des Woiwoden Vayda-Hunyad.

Das Ganze bildete eine recht freundliche Wohnstätte, die für einen einzelnen Mann nur zu groß gewesen wäre. Der Meister Koltz hauste hier auch nicht allein. Seit etwa zehn Jahren Witwer, besaß er doch eine Tochter, die schöne Miriota, die von Werst bis Vulkan, und auch noch darüber hinaus, allgemein bewundert wurde. Sie hätte wohl einen der seltsamen heidnischen Namen, Florica, Daïna, Daurilia oder einen ähnlichen, haben können, wie sie in walachischen Familien noch vielfach bevorzugt werden. Doch nein, sie hieß einfach »Miriota«, das heißt »das Lämmchen«. Dieses Lämmchen war freilich im Laufe der Jahre aufgewachsen und jetzt ein schlankes Mädchen von zwanzig Jahren mit blondem Haar und rehbraunen Augen, die so sanft in die Welt hinausblickten und ihren lieblichen Gesichtszügen und der angenehmen Haltung noch einen weiteren Reiz verliehen. – In der Tat, gerade genug, dass sie den bestechendsten Eindruck machte in der schmucken, am Halse, an den Schultern und den Handgelenken rot abgestickten Leibwäsche, der doppelten, rot und blau gestreiften, an der Taille befestigten Schürze, den niedlichen gelbledernen Stiefeln, dem leichten, geschickt geordneten Kopftuche und den langen, dicken Zöpfen, deren Geflecht mit einem roten Band und einzelnen Metallflittern verziert war.

Ja, sie galt nicht mit Unrecht für eine schöne Dirne, die Miriota Koltz, noch dazu, da sie – gewiss kein Fehler – für dieses im Grunde der Karpaten verlorene Dorf obendrein noch reich zu nennen war. Wirtschaftlich musste sie ja wohl auch sein, da sie das Hauswesen ihres Vaters schon längere Zeit tadellos führte ... Gebildet? ... Oh, in der Schule des Magister Hermod hatte sie lesen, schreiben und rechnen gelernt, und sie rechnet, schreibt und liest ohne Fehler; weiter freilich ist sie nicht gekommen – wozu auch? Dagegen ist sie trotz Einem vertraut mit den Fabeln und Sagen Transsilvaniens, deren sie ebenso viel zu erzählen weiß, wie ihr Lehrer. Sie kennt die Legende von Leany-Kö, dem Felsen der Jungfrau, wo eine junge, etwas fantastische Fürstentochter sich den Nachstellungen der Tataren zu entziehen wusste; die Sage der Drachengrotte im Tale der »Königsstufe«; die von der Festung Deva, die »zur Zeit der Feen« erbaut wurde; die Legende der Detunata, der »Blitzgetroffenen«, jenes berühmten Basaltberges in der Gestalt einer riesigen Geige, auf deren Saiten der Gottseibeiuns in Sturm und Wetternächten zum Tanz aufspielt; die des Retyezat mit seinem von einer Hexe rasierten Gipfel; die Sage vom Tordapasse, den der heilige Ladislaus dereinst durch einen gewaltigen Schwerthieb eröffnete. Miriota schenkte allen diesen Erdichtungen vollen Glauben, deshalb blieb sie aber doch ein reizendes liebenswertes Mädchen.

Dass sie vielen jungen Burschen des Landes ausnehmend gefiel, ist nicht zu verwundern, und dabei dachten diese noch kaum daran, dass sie die einzige Erbin des Biró Koltz, des ersten Gemeindebeamten von Werst war. Übrigens hatte es keinen Zweck, ihr den Hof zu machen, denn sie war ja Nicolas Deck‘s erklärte Verlobte. Dieser Nicolas oder vielmehr Nic Deck war ein hübscher Rumäne von fünfundzwanzig Jahren, ziemlich groß, von kräftigem Körperbau, der den Kopf gerade aufrecht trug. Er hatte schwarzes Haar, das der weiße Kolpak bedeckte, einen offenen Blick, trug eine ausgeschnittene, mit Stickereien verzierte Weste aus Lämmerleder, dabei zeigte er seine geformten Glieder – die Beine eines Hirsches – und in Gang und sonstigen Bewegungen eine unleugbare Entschlossenheit des Charakters. Von Beruf war er Forstwächter, das heißt ebenso viel Militär wie Zivilist. Da er in der Umgebung von Werst einiges Ackerland sein Eigen nannte, gefiel er dem Vater, und da er sich als liebenswürdiger junger Mann mit einem gewissen Stolz zeigte, noch mehr der Tochter, die übrigens Niemand hätte versuchen sollen, ihm abwendig zu machen oder nur mit verlangendem Auge anzusehen.

Die Hochzeit Nic Deck‘s und der Miriota Koltz sollte – noch fehlten vierzehn Tage an der festgesetzten Zeit – etwa in der Mitte des nächsten Monats gefeiert werden. Bei dieser Gelegenheit gab‘s natürlich ein Fest fürs ganze Dorf. Meister Koltz würde seine Sache schon machen, geizig war er ja nicht. Wenn er es liebte, Geld zu verdienen, so wehrte er sich auch nicht, es bei passender Gelegenheit auszugeben. Nach der Trauung sollte Nic Deck im Familienhause mit Wohnung nehmen, das ihm von dem Biró dereinst zufallen musste, und wenn dann Miriota ihn neben sich wusste, dann fürchtete sie sich gewiss nicht mehr, dass, wenn sie eine Tür auffällig knarren hörte oder ein Möbelstück in den langen Winternächten einen Sprung erhielt, dann irgend ein aus ihren Lieblingssagen entsprungenes Gespenst ihr seine Aufwartung machen wolle.

Um die Liste der Notablen von Werst zu vervollständigen, müssen wir noch zwei, und zwar die nicht mindest wichtigen Personen anführen – nämlich den Lehrer und den Arzt.

Der Magister Hermod war ein langer Mann mit Brille, zählte fünfundfünfzig Jahre und hatte stets das gebogene Mundstück seiner Pfeife mit Porzellankopf zwischen den Lippen; die etwas dünn gewordenen Haare standen wie Borsten von dem ziemlich flachen Schädel ab. Das sonst glatte Gesicht zeigte auf der linken Wange eine kleine Narbe. Seine Hauptbeschäftigung lief darauf hinaus, dass er die Federn seiner Schüler schnitt, denen er den Gebrauch von Stahlfedern streng untersagt hatte; da hätte man ihn sehen sollen, wie er den Schnabel der Gänsekiele mit dem alten wohlgeschliffenen Federmesser formte, und mit welcher Sicherheit er mit den Augen blinzelnd die Feder spaltete. Vor Allem hielt er auf eine gute Handschrift. Dahin zielten seine ernsten Bemühungen, und die Erlangung einer solchen konnte den Zöglingen eines so sorgsamen Schulmeisters nicht missglücken. Der sonstige Unterricht kam erst in zweiter Linie – wir wissen ja schon, was Magister Hermod lehrte, und was die Generation von Knaben und Mädchen auf seinen Schulbänken lernen konnte.

Jetzt zu dem Arzte Patak.

Wie – so hör‘ ich den Leser rufen – in Werst befand sich ein Arzt, und doch huldigte das ganze Dorf dem Glauben an übernatürliche Dinge? – Ja; doch man muss es eben verstehen, welche Bewandtnis es mit dem Arzttitel Patak‘s – ganz wie mit dem, den der Richter Koltz sich zulegte – hatte.

Patak, ein kleiner Mann, mit einem Schmerbäuchlein, übrigens stark und kurz und fünfundvierzig Jahre alt, betrieb in fleißigster Weise die Heilkunst, wie sie in Werst und Umgebung eben hergebracht war. Mit seiner unerschütterlichen Ruhe und betäubenden Redseligkeit flößte er nicht weniger Vertrauen ein, als der Schäfer Frik – und das will viel sagen. Er verkaufte gute Ratschläge und Arzneien, letztere aber immer so unschuldiger Natur, dass sie die kleinen Leiden seiner Kunden niemals verschlimmern konnten und Letztere, wie es ja meist der Fall ist, von selbst wieder gesund wurden.

Übrigens befand man sich auf dem Bergrücken des Vulkan vorzüglich wohl; die Luft ist hier von »erster Güte«; epidemische Krankheiten sind unbekannt, und wenn einer stirbt, so geschieht das, weil man einmal sterben muss, selbst in diesem bevorzugten Winkel Transsilvaniens. Was den »Doktor« Patak – ja, man nennt ihn wirklich »Doktor« – angeht, so fehlte ihm, obwohl man sich ihm hier gern anvertraute, doch jede Fachbildung, in der Heilkunde, der Arzneiwissenschaft, überhaupt in Allem.

Er war weiter nichts, als ein früherer Krankenwärter der Quarantäne, dessen Aufgabe darin bestand, die Reisenden zu beobachten, die zur Erlangung eines Gesundheitspasses an der Grenze eine Zeit lang zurückgehalten wurden – weiter nichts. Das schien der anspruchslosen Bevölkerung von Werst vollkommen zu genügen. Wir müssen noch hinzufügen, dass Doktor Patak – wie sich das eigentlich von selbst versteht – ein starker Geist, um nicht zu sagen Freigeist war, und etwas derart muss ja wohl Jeder sein, der sich der Fürsorge und Pflege Seinesgleichen widmet. Er leugnete auch alle die abergläubischen Geschichten, die man sich im Lande der Karpaten erzählte, sogar die, die sich auf die Burg bezogen. Er lachte, er scherzte einfach darüber, und sagte man ihm, dass seit langer, langer Zeit Niemand gewagt habe, sich dem Schlosse zu nähern, so antwortete er Jedem, der es hören wollte: »Mir könnt Ihr ruhig zutrauen, dass ich sofort bereit wäre, dem alten Ritterneste einen Besuch abzustatten.«

Da man es ihm zutraute und sich Jeder hütete, ihm zu widersprechen, hatte der Doktor Patak freilich keine Gelegenheit gefunden, seine Behauptung zu beweisen, und bei der herrschenden Leichtgläubigkeit blieb das Karpatenschloss nach wie vor in den undurchdringlichen Schleier des Geheimnisses gehüllt.

VIERTES KAPITEL

I

n wenigen Minuten hatte sich die vom Schäfer verkündete Neuigkeit im ganzen Dorfe verbreitet. Meister Koltz, der das kostbare Fernrohr in der Hand trug, war eben in sein Haus zurückgekehrt und ihm folgten Nic Deck und Miriota. Jetzt befanden sich auf der Terasse Frik und etwa zwanzig Personen, Männer, Frauen, Kinder, denen sich einige Zigeuner angeschlossen hatten, die sich nicht weniger erregt zeigten, als die übrigen Bewohner des Dorfes. Die Leute umringten Frik, bestürmten ihn mit allerlei Fragen, und der Schäfer antwortete darauf mit der stolzen Herablassung eines Mannes, der Augenzeuge eines ganz außerordentlichen Ereignisses gewesen ist.

»Ja, ja,« wiederholte er, »die Burg raucht, raucht noch und wird weiter rauchen, so lange davon noch ein Stein auf dem andern steht.

– Wer kann das Feuer aber angezündet haben?« fragte eine alte Frau, die Hände zusammenschlagend.

»Der Chort,« versicherte Frik, der hier dem Teufel den landesüblichen Namen gab; »der Böse versteht sich ja besser darauf Feuer anzuzünden, als es zu löschen!«

Auf diese Erklärung hin suchte Jedermann den Rauch an der Spitze des Wartturms zu entdecken. Schließlich bestätigten die Meisten, dass sie diesen ganz deutlich gesehen hätten, obgleich er bei der weiten Entfernung unbedingt nicht wahrzunehmen war.

Die Wirkung dieser merkwürdigen Erscheinung überstieg Alles, was man sich nur denken konnte. Wir müssen hierbei noch ein wenig verweilen. Der Leser versuche gefälligst, sich in die Geistesverfassung zu versetzen, wie sie sich bei den Bewohnern von Werst vorfindet, dann wird er nicht mehr über das erstaunen, was im weiteren Verlaufe dieser Erzählung berichtet wird. Er soll selbstverständlich nicht an Übernatürliches glauben lernen, sich aber daran erinnern, dass die hiesige unwissende Bevölkerung daran glaubte. An das Misstrauen, mit dem das Karpatenschloss bisher betrachtet worden war, so lange es noch als gänzlich verlassen galt, knüpfte sich nun, da es bewohnt und – großer Gott! – von welcher Art Wesen bewohnt war, noch der blasse Schrecken.

In Werst gab es einen Versammlungsort, den durstige Seelen gern aufsuchten, wo jedoch auch Andere, die gar nichts tranken, nach getanem Tagewerk gern ein Weilchen von ihren Angelegenheiten plauderten. Die Letztgenannten waren natürlich in geringerer Zahl vertreten. Dieses allen offenstehende Lokal war der Haupt- oder richtiger, der einzige Gasthof des Dorfes.

Als Eigentümer bewirtschaftete denselben ein Jude, Namens Jonas, ein wackerer Mann von etwa sechzig Jahren, mit freundlichem Gesicht, das aber an den schwarzen Augen, der Adlernase, den vorstehenden Lippen, den schlichten Haaren und dem hergebrachten Spitzbart auf den ersten Blick den Semiten erkennen ließ. Unterwürfig und gefällig, lieh er an Diesen und Jenen willig kleinere Summen aus, ohne dafür Wucherzinsen zu nehmen, wenn er auch etwas streng darauf sah, zum festgesetzten Termine sein Geld von dem Entleiher zurückzubekommen. Gebe der Himmel, dass die im transsilvanischen Lande ansässigen Juden alle so ehrenhaft und wohlwollend wären, wie der Gastwirt zu Werst!


Leider bildet dieser vortreffliche Jonas eine Ausnahme. Seine Glaubensgenossen und seine Geschäftskollegen – denn diese sind alle Gast- und Schankwirte, die Getränke und Spezereien verkaufen – betreiben das Nebengeschäft als Geldverleiher mit einer, für die Zukunft des rumänischen Bauern beunruhigenden Härte, sodass man gewiss noch Grund und Boden aus den Händen der Einheimischen in die der eingewanderten Rasse wird übergehen sehen. Da sie ihre gemachten Vorschüsse so gut wie niemals zurückerhalten, werden die Juden eben zu Eigentümern der Schänken oder der von Hypotheken erstickten Kulturen, und wenn das gelobte Land nicht mehr Judäa ist, so kann es eines Tages wohl auf den Landkarten von Siebenbürgen verzeichnet stehen.

Der Gasthof zum »König Mathias« – so nennt sich das Haus – nahm auch eine Ecke der die Dorfstraße von Werst durchschneidenden Terrasse, dem Hause des Biró gegenüber ein. Es war ein altes, halb hölzernes, halb steinernes Bauwerk, das an vielen Stellen ausgeflickt, aber von reichem Grün überzogen und im Ganzen recht anheimelnd anzusehen war. Es bestand aus einem Erdgeschoss mit einer nach der Terrasse führenden Glastür. Im Innern gelangte man erst in einen geräumigen Saal, der mit Tischen für die Gläser und mit Schemeln für die Gäste versehen war, außerdem einen Schanktisch aus wurmzerfressenem Holze, auf dem Töpfe, Schüsseln und sonstiges Geschirr standen, und eine Schranke aus schwarzem Holz enthielt, hinter der Jonas zur Verfügung seiner Gäste stand.

Die nötige Beleuchtung erhielt die große Gaststube durch zwei Fenster, die an der Vorderwand nach der Terrasse hinausgingen, und durch zwei andere diesen gegenüber an der Hinterwand. Von diesen beiden war das eine äußerlich durch einen dichten Vorhang von Schling- und Hängepflanzen verschlossen, sodass es nur ein wenig gebrochenes Licht eindringen ließ. Das andere bot, wenn man es öffnete, einen herrlichen Ausblick über das ganze untere Tal des Vulkan. Ein wenig unterhalb des Taleinschnittes schossen die polternden Wellen eines Bergbaches, des Nyad, daher; auf der einen Seite stürzte dieser Bach den Abhang des Mittelberges hinunter, da seine Quelle auf der Höhe des Plateaus von Orgall lag, das die Gebäude der Burg krönten; auf der andern rauschte er, stets, selbst in der heißen Sommerszeit, von vielen Zuflüssen aus dem Berge reichlich gespeist, dem Bette der walachischen Sil zu, die ihn im Vorüberfließen verschluckte.

Rechter Hand im Gasthause und gleich an die Gaststube anstoßend, befand sich ein halbes Dutzend kleiner Zimmer – eine hinreichende Zahl für die wenigen Reisenden, die vor Überschreitung der Grenze im »König Mathias« einmal Nachtquartier machten. Sie waren hier einer guten Aufnahme sicher und zahlten auch nur mäßige Preise bei dem aufmerksamen, diensteifrigen Wirte, der obendrein recht guten Tabak zu verkaufen hatte, welchen er sich aus den besten »Trafiks« der Umgebung beschaffte. Jonas selbst benutzte zum Schlafen eine schmale Dachkammer mit kleinen Fensterluken, die nach der Terrasse zu lagen.

In diesem Gasthause also hatten sich am Abend des 29. Mai alle »Häupter« von Werst zusammengefunden: Meister Koltz, Magister Hermod, der Forstwächter Nic Deck, ein Dutzend der angesehensten Bewohner des Dorfes und auch der Schäfer Frik, der hier nicht die unbedeutendste Rolle spielte. Der Doktor Patak fehlte bei dieser Vereinigung der Notablen. Er war eiligst zu einem seiner Kunden gerufen worden, der nur noch auf ihn wartete, um in die andere Welt überzusiedeln; doch hatte der Arzt versprochen zu erscheinen, sobald er sich seiner Pflichten im Sterbehause entledigt haben würde.

In Erwartung des Exkrankenwärters schwatzte man von dem höchst ernsthaften Tagesereignisse, doch nicht, ohne dabei tüchtig zu essen und zu trinken. Den Hungrigen bot Jonas eine Art Backwerk oder Maiskuchen, hier unter dem Namen »Mamaliga« bekannt, der wirklich gar nicht so übel schmeckt, wenn man ihn in frischer Milch aufweicht. Den Anderen brachte er ungezählte kleine Gläser mit jenem starken Branntwein, der wie Wasser durch die rumänischen Kehlen rinnt, dem gewöhnlichen spritreichen Schnaps, der nur einen einzigen Kreuzer das Glas kostet, noch mehr aber von dem »Rakion«, d. i. ein sehr alkoholhaltiger Pflaumenbranntwein, von dem im Lande der Karpaten sehr viel umgesetzt wird.

Wir müssen hier einflechten, dass der Gastwirt Jonas – es war einmal so Sitte im Hause – nur »auf dem Teller« servierte, das heißt den Leuten, die an einem Tische Platz genommen hatten, da es ihm nicht entgangen war, dass die sitzenden Kunden allemal mehr verzehrten als die stehenbleibenden. Heute Abend schien das Geschäft blühen zu sollen, denn alle Schemel und Bänke waren von bekannten Gästen besetzt. So musste Jonas immer mit Kannen in der Hand von einem Tisch zum andern gehen, nur um die sich immer wieder leerenden Becher zu füllen.

Es war jetzt halb neun Uhr Abends. Man verhandelte schon seit der Dämmerung, ohne sich darüber zu verständigen, was wohl zu tun sei. In einem Punkte stimmten die wackeren Leute jedoch alle überein, darin nämlich, dass das Karpatenschloss von Unbekannten bewohnt sei und für die Dorfschaft Werst eine ebenso große Gefahr bilde, wie etwa eine Pulvermühle am Eingange einer Stadt.

»Die Sache ist sehr ernst!« meinte Meister Koltz.

»Sehr ernst!« wiederholte der Magister zwischen zwei tüchtigen Rauchwolken aus der von ihm unzertrennlichen Pfeife.

»Ungemein ernst!« ließen alle Übrigen sich vernehmen.

»Vorzüglich steht Eines fest,« nahm da Jonas das Wort, »dass der üble Ruf der Burg unserem Lande schon viel geschadet hat ...

– Und jetzt wird das nur umso mehr der Fall sein,« rief der Magister Hermod.

»Fremde kamen ohnehin nur selten hierher ...« stieß Meister Koltz mit einem Seufzer hervor.

»Und nun wird sich gar keiner mehr sehen lassen!« fügte Jonas, ebenso seufzend wie der Biró, hinzu.

»Eine Menge Einwohner denken schon daran, die Gegend zu verlassen!« bemerkte einer der Trinkenden.

»Und ich zwar zuerst,« meldete sich ein Bauer aus der Nachbarschaft; »ich ziehe von hier fort, sobald ich meine Weinberge verkauft habe ...

– Nun, Käufer dafür werdet Ihr schwerlich finden, alter Freund!« versetzte der Gastwirt.

Der Leser erkennt hier, um was das Gespräch der Leute sich drehte. Zu dem Schrecken, den ihnen das Karpatenschloss selbst einflößte, gesellte sich noch die drohende Verletzung ihrer geschäftlichen Interessen. Blieben die Reisenden aus, so hatte Jonas in seinem Gewerbe davon den Nachteil, so hinkte es bei Meister Koltz mit den Einnahmen von Weggeldern, deren Ertrag sicherlich zusammenschmolz; fehlte es an Kaufliebhabern für die Ländereien in Vulkan, so konnten die jetzigen Besitzer diese also nicht, selbst zu niedrigem Preise, los werden. Wenn das schon mehrere Jahre lang andauerte, so drohte diese beklagenswerte Lage der Dinge sich jetzt noch fühlbarer zu verschlechtern.

Natürlich, wenn die Geister der Burg sich früher so still verhielten, dass sie nicht das Geringste von sich sehen ließen, wie sollte es jetzt werden, wo sie ihre Anwesenheit durch greifbare Tatsachen zu erkennen gaben?

Da glaubte der Schäfer Frik sein Licht leuchten lassen zu sollen, und er sagte, wenn auch mit zaghafter Stimme:

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22 aralık 2023
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