Kitabı oku: «Der Südstern», sayfa 4
Viertes Capitel.
Vandergaart-Kopje.
»Ich muß entschieden abreisen, sagte sich am anderen Morgen Cyprien, als er noch mit dem Ankleiden beschäftigt war, muß das Griqualand unbedingt verlassen! Nachdem, was ich mir von dem kranken Mann da drüben habe sagen lassen müssen, wäre es Schwäche, noch länger zu verweilen. Er will mir seine Tochter nicht geben. Vielleicht hat er ja Recht, jedenfalls zeigt er keine besondere Geneigtheit, mildernde Umstände anzuerkennen. Ich muß schon seinen Ausspruch, so schmerzlich es mir auch ankommt, mit männlichem Stolze hinnehmen, und darf meine Hoffnung nur auf die freundlichere Zukunft setzen.«
Ohne weitere Zögerung ging Cyprien daran, jene Apparate in die Koffer und Kisten zu verpacken, die er inzwischen als Tische und Schränke benützt hatte. Mit vollem Eifer beginnend, arbeitete er jetzt schon ganz tüchtig während einer oder zwei Stunden, als ihn durch das offenstehende Fenster, durch welches die erquickende Morgenluft hereinzog, eine frische, reine Stimme, welche gleich dem Liede der Lerche jauchzend emporstieg, erreichte und eines der reizendsten Lieder des Dichters Moore sang:
It is the last rose of summer,
Left blooming alone 3
All her lovely companions
Are faded and gone, etc.
Cyprien eilte an's Fenster und bemerkte Alice, welche sich nach ihrem Straußgehege begab und eine Schüssel mit geeigneten Leckerbissen für ihre Lieblinge trug. Sie war es, die ihre schmelzende Stimme schon mit aufgehender Sonne ertönen ließ.
I will not leave thee, thou lone one!
To pine on the stern,
Since the lovely are sleeping,
Go sleep with them ...
Der junge Ingenieur hatte sich niemals für besonders empfänglich für die Poesie gehalten, und doch ergriff ihn dieses Lied so tief. Er trat dicht an's Fenster, hielt den Athem an und lauschte diesen Tönen, oder er trank vielmehr die süßen Worte.
Die Stimme schwieg eine Zeit lang. Miß Watkins vertheilte die Vorräthe an ihre Strauße, und es war wirklich ein Vergnügen zuzusehen, wie diese die schlanken Hälse noch verlängerten und mit geschicktem Schnabel nach der kleinen Hand pickten. Nach beendigter Vertheilung kehrte sie um und sang wieder:
It is the last rose of summer,
Left blooming alone
Oh! who would inhabit
This black world alone?
4
Mit feuchtem Auge und wie festgewurzelt stand Cyprien noch immer an der nämlichen Stelle.
Die Stimme entfernte sich, Alice ging offenbar nach der Farm zurück, und sie hatte bis dahin wohl kaum noch zwanzig Meter zurückzulegen, als der Schall eiliger Schritte sie veranlaßte, sich umzuwenden und stehen zu bleiben.
Getrieben von unüberlegter, aber auch unwiderstehlicher Bewegung, war Cyprien im bloßen Kopfe aus seinem Häuschen geeilt und lief jetzt auf sie zu.
»Fräulein Alice!...
– Herr Méré?...«
Im vollen Glanze der Morgensonne standen sie sich auf dem Wege an der Grenze des Grundstückes Aug' in Auge gegenüber. Ihre Schattenbilder hoben sich deutlich von der weißen Bretterumzäunung der Farm ab. Jetzt aber, als Cyprien sich dicht bei dem jungen Mädchen befand, schien er selbst erstaunt über sein Benehmen und schwieg halb verlegen still.
»Sie hatten mir etwas zu sagen, Herr Méré, sagte sie mit Interesse.
– Ich wollte von Ihnen Abschied nehmen, Fräulein Alice!... Ich reise noch heute ab!« antwortete er mit ziemlich unsicherer Stimme.
Das leichte Roth, welches den zarten Teint der Miß Watkins belebte, war urplötzlich verschwunden.
»Abreisen?... Sie wollen fortgehen ... nach? ... fragte sie ganz verwirrt.
– Nach meiner Heimat ... nach Frankreich, erwiderte Cyprien. Meine hiesigen Arbeiten sind vollendet ... meine Mission ist damit erfüllt. Ich habe im Griqualande nichts mehr zu schaffen und bin deshalb verpflichtet, nach Paris zurückzukehren...«
Während er so mit zögernder Stimme sprach, nahm er schon mehr den Ton eines Angeklagten an, der sich zu entschuldigen sucht.
»Ah ... Ja ...! Ganz richtig!... Das geht ja nicht anders!...« stammelte Alice, ohne recht zu wissen, was sie sagte.
Das junge Mädchen war wie vom Donner gerührt, diese Nachricht traf sie in ihrem unbewußten Glücke gleich einem Keulenschlage. Bald sammelten sich große schwere Thränen in ihren Augen und perlten an den langen, diese umschattenden Wimpern herab. Aber als ob dieser plötzliche Schmerz sie zur Wirklichkeit zurückführte, fand sie doch die Kraft, lächelnd zu sagen:
»Also abreisen wollen Sie? ... Nun, und Ihre ergebene Schülerin wollen Sie einfach verlassen, bevor diese den angefangenen Cursus in der Chemie vollendet hat? Sie wollen, daß ich beim Sauerstoff stehen bleibe und mir die Geheimnisse des Stickstoffes ein Buch mit sieben Siegeln bleiben sollen? ... Das ist nicht hübsch von Ihnen, Herr Méré!«
Wohl versuchte sie ihre Worte in scherzhaftes Gebilde zu kleiden, nur strafte sie der Ton ihrer Stimme Lügen. Unter diesem Scherze verbarg sich ein schwerer Vorwurf, der dem jungen Mann tief zu Herzen ging. In gewöhnlicher Sprache lautete derselbe nämlich:
»Nun, und ich? ... Mich rechnen Sie also für nichts? ... Sie werfen mich einfach in die frühere Unwissenheit zurück! ... Sie wären nur hierhergekommen, um sich unter den Boers und den habgierigen Minengräbern als höheres, bevorzugtes, stolzes, interesseloses Wesen zu zeigen! Sie hätten mich in Ihre Studien und Arbeiten eingeweiht, hätten mir Ihr Herz und sein ehrgeiziges Streben eröffnet, Ihre wissenschaftlichen Schatzkammern und Ihre künstlerischen Keime gewiesen; Sie hätten mir nur die Entfernung hervorheben wollen, die sich zwischen einem Denker wie Sie und den anderen Zweihändern, die mich umgeben, aufthut! ... Das Alles hätten Sie gethan, um sich bewundern und lieben zu lassen, und wenn Ihnen das gelungen, dann erklären Sie ohne alle Umstände, daß Sie wieder weggehen, daß Alles zu Ende ist, daß Sie nach Paris zurückkehren und sich beeilen wollen, mich ganz zu vergessen? Und Sie glauben auch, daß ich eine solche Lösung bestehender Verhältnisse mit philosophischem Gleichmuth hinnehmen werde?«
Ja, das Alles lag in Alices Worten, und ihr feuchtes Auge unterstützte es noch so deutlich, daß Cyprien sich fast versucht fühlte, auf diesen nicht ausgesprochenen und doch so beredten Vorwurf zu antworten. Es fehlte nicht viel, daß er ausgerufen hätte:
»Es muß sein! ... Gestern hab' ich bei Ihrem Vater um Ihre Hand angehalten! ... Er hat mich zurückgewiesen, ohne mir nur ein Fünkchen Hoffnung zu lassen. Begreifen Sie nun, weshalb ich fortgehe?«
Noch zur rechten Zeit erinnerte er sich aber seines gegebenen Versprechens. Er hatte sich ja verpflichtet, der Tochter des John Watkins niemals von dem schönen Traum zu reden, den er sich gewebt, und er hätte sich für verächtlich gehalten, wenn er ein gegebenes Wort brach.
Gleichzeitig empfand er freilich, wie dieser Plan einer überstürzten Abreise, den er unter dem Drucke des erlebten Mißgeschicks gefaßt, doch etwas rücksichtslos erscheinen mußte. Es schien ihm nun unmöglich, das reizende Kind, welches er liebte, und das ihm – sah er's jetzt doch allzu deutlich – ebenfalls eine aufrichtige, tiefe Zuneigung entgegenbrachte, so ohne alle Vorbereitung, ohne Aufschub zu verlassen.
Der Beschluß, welcher sich ihm zwei Stunden früher mit dem Charakter unbedingter Notwendigkeit aufgedrängt hatte, erschreckte ihn jetzt selbst, und er wagte nicht, ihn ganz auszusprechen. Ja, er verleugnete seine eigentliche Absicht jetzt gleich gänzlich.
»Wenn ich vom Abreisen sprach, Fräulein Alice, so meine ich damit nicht diesen Morgen, auch nicht den heutigen Tag. Ich habe noch Verschiedenes aufzuzeichnen ... noch Vorbereitungen zu treffen ... jedenfalls werd' ich noch die Ehre haben, Sie wieder zu sehen und mit Ihnen über einen weiteren Studienplan zu sprechen!«
Sich schnell auf den Fersen umdrehend, entfloh Cyprien nach diesen Worten wie ein Irrsinniger, stürmte in seine Hütte und warf sich hier in einen hölzernen Stuhl, wo er in tiefes Nachdenken versank.
Sein Gedankengang hatte jetzt eine ganz andere Richtung angenommen.
»Auf soviel Schönheit und Liebreiz verzichten, wegen Mangels an ein wenig Geld! murmelte er für sich. Den Kampf schon beim ersten Hinderniß aufgeben! Zeigt das soviel Muth, wie ich's mir dachte? Wär's nicht besser, einige Vorurtheile zu opfern und danach zu streben, ihrer würdig zu werden? ... So viele Leute erwarben schon durch Diamantgräberei binnen wenigen Monaten ein hübsches Vermögen; warum sollt' ich selbst das nicht versuchen? Wer hindert mich daran, auch einen Stein von hundert Karat zu finden, wie es Anderen geglückt ist, oder noch besser, gleich eine neue Fundstätte zu entdecken? Ohne Zweifel besitze ich mehr theoretische und praktische Kenntnisse, als die Mehrzahl jener Leute. Warum sollte mir die Wissenschaft nicht erreichen lassen, was Anderen durch rauhe Arbeit mit ein wenig Zufall geglückt ist? Alles in Allem wage ich ja bei dem Versuche nicht besonders viel! Selbst mit Rücksicht auf meine Sendung hierher erscheint es am Ende nicht nutzlos, selbst die Hacke zur Hand zu nehmen und das Geschäft als Minengräber zu versuchen. Und wenn es mir gelingt, wenn ich durch dieses einfache Mittel gar reich würde, wer weiß, ob John Watkins dann nicht mit sich reden und zum Widerrufe seiner ersten Entscheidung bewegen ließe. Der Preis verdient es wahrlich, das Abenteuer zu wagen! ...«
Cyprien begann wieder in seinem Laboratorium auf und ab zu gehen; diesesmal aber blieben seine Hände unthätig – seine Gedanken allein waren in Bewegung.
Plötzlich blieb er stehen, ergriff seinen Hut und ging hinaus. Nachdem er den Fußstieg erreicht, der nach der Ebene hinunterführte, wandte er sich schnellen Schrittes der Vandergaart-Kopje zu. In kaum einer Stunde traf er bei dieser ein.
Eben jetzt strömten die Gräber in hellen Haufen nach dem eigentlichen Lagerplatz zum zweiten Frühstück zurück.
Als Cyprien die vielen sonnverbrannten Gesichter an sich vorüberkommen sah, legte er sich die Frage vor, wer wohl im Stande sein möchte, die ihm nöthige Auskunft auf das, was er zu wissen wünschte, zu ertheilen. Da erkannte er unter einer Gruppe Männer das ehrliche Gesicht Thomas Steel's, des früheren Bergmanns von Lancashire. Zwei- oder dreimal schon hatte er, seit ihrer gemeinschaftlichen Ankunft im Griqualand, Gelegenheit gehabt, ihm zu begegnen und sich zu überzeugen, daß der wackere Mann sichtlich wohl gedieh, wie das seine heiteren Züge, der ganz neue Anzug und vor Allem der breite Ledergürtel bewies, den er um die Hüften geschlungen trug.
Cyprien beschloß sich an diesen zu wenden und ihm seine Absichten mitzutheilen, was denn auch bald mit wenigen Worten geschehen war.
»Einen Claim pachten? Nichts leichter als das, wenn Sie das dazu nöthige Geld haben, antwortete ihm der Bergmann. Gerade neben dem meinigen ist jetzt einer frei. Vierhundert Pfund Sterling (Zehntausend Francs = achttausend Mark) ist er unter Brüdern werth. Mit fünf bis sechs Negern, die ihn für Ihre Rechnung bearbeiten, können Sie sich darauf verlassen, per Woche sieben- bis achthundert Francs Diamanten zu »machen!«
– Ich habe aber nicht zehntausend Francs und auch nicht den kleinsten Negerjungen, antwortete Cyprien.
– Nun gut, so kaufen Sie einen Claimantheil – ein Achtel oder nur ein Zehntel – und bearbeiten diesen selbst. Hier genügen schon tausend Francs als Anlagecapital.
– Das vertrüge sich eher mit meinen Mitteln, erwiderte der junge Ingenieur. Aber – wenn Sie diese Frage nicht zu unbescheiden finden – wie haben Sie es denn angefangen, Herr Steel, sind Sie denn mit einem solchen Capital hierher gekommen?
– Ich kam hierher mit meinen Armen und drei Stückchen Gold in der Tasche, erklärte der Andere. Aber ich habe freilich Glück gehabt. Zuerst bearbeitete ich auf halben Gewinn ein Achtel, dessen Besitzer lieber im Kaffeehause auf der Bärenhaut lag, als sich um seine Geschäfte zu kümmern. Wir waren übereingekommen, unsere Funde zu theilen, und ich habe deren recht schöne gemacht – vorzüglich einen Stein von fünf Karat, den wir für zweihundert Pfund Sterling verkauften. Dann wurde ich müde, für diesen Tagedieb zu arbeiten und kaufte mir ein Sechzehntel, das ich allein ausbeutete. Da ich hier nur sehr kleine Steine fand, gab ich dasselbe bald und zwar vor nun zehn Tagen auf. Jetzt grabe ich auf's Neue für halbe Rechnung mit einem Manne aus Australien in dessen Claim; in der ersten Woche freilich haben wir für Beide nicht mehr als fünf Pfund gemacht.
– Wenn ich einen Theil eines guten Claims nicht zu theuer zu kaufen fände, wären Sie dann vielleicht geneigt, denselben mit mir auszubeuten? fragte der junge Ingenieur.
– Das versteht sich, antwortete Thomas Steel – jedoch unter einer Bedingung, daß Jeder von uns für sich behält, was er eben findet; das sage ich nicht etwa aus Mißtrauen gegen Sie, Herr Méré! Aber sehen Sie, seit ich hier bin, hab' ich bemerkt, daß ich beim Theilen allemal einbüße, weil ich mich auf Spitzaxt und Haue verstehe und zwei oder drei Mal soviel Gesteinmenge losschlage, als die Anderen.
– Das scheint mir dann nicht mehr als billig, antwortete Méré.
– Ah, rief da plötzlich der Lancashiremann, ihn unterbrechend, ein Gedanke, vielleicht ein ganz guter. Wenn wir nun zusammen einen der Claims von John Watkins annähmen?
– Wie? Einen von seinen Claims? Gehört ihm denn der Grund und Boden der Kopje nicht ganz allein?
– Gewiß, Herr Méré; Sie wissen aber doch, daß die Colonialregierung denselben sofort mit Beschlag belegt, sobald in einem Stück Land ein Diamantenlager entdeckt wird. Dann verwaltet dasselbe die Regierung, catastrirt und zerstückelt es in Claims, bezieht auch den größten Theil der Concessionsgelder und zahlt an den Eigenthümer nur eine bestimmte Rente. Die Letztere bildet, wenn die Kopje so ausgedehnt ist wie hier, immerhin ein beträchtliches Einkommen, außerdem bleibt dem Bodenbesitzer noch das Vorkaufsrecht auf so viel Claims, wie er bearbeiten zu lassen im Stande ist. So liegt die Sache auch mit John Watkins. Außer seinem Eigenthumsrecht an der ganzen Mine läßt er mehrere Theile derselben für eigene Rechnung ausbeuten. Er kann das aber nicht so eifrig betreiben, wie er's wohl wünschte, weil ihn die Gicht hindert, selbst an Ort und Stelle zu erscheinen, und ich glaube, er würde ganz annehmbare Bedingungen stellen, wenn Sie ihm vorschlügen, einen solchen Claim zu übernehmen.
– Ich würde es lieber sehen, wenn der Abschluß des Geschäftes nur zwischen ihm und Ihnen erfolgte, entgegnete Cyprien.
– Darauf soll mir's auch nicht ankommen, meinte Thomas Steel; die Geschichte soll sehr bald im Reinen sein!«
Drei Stunden später war der halbe Claim Nummer 942, der mit Pfählen abgesteckt und auf einer Karte eingezeichnet war, in vorschriftsmäßiger Form an Herrn Méré und Thomas Steel gegen Zahlung einer Summe von neunzig Pfund Sterling (1800 Mark) überlassen, wofür jene das Patentrecht auf denselben erwarben. Außerdem stellte der Vertrag fest, daß die Concessionäre mit John Watkins die Ausbeute ihrer Arbeit zu theilen und ihm, unter dem Titel der »Royalty«, die drei ersten Diamanten von über sechs Karat Rohgewicht auszuliefern hätten. Nichts wies zwar von vornherein darauf hin, daß dieser Fall eintreten würde, indeß er konnte sich ja doch ereignen – wie ja eben Alles möglich ist.
Alles in Allem verdiente das Geschäft für Cyprien ein sehr Vortheilhaftes genannt zu werden, und Mr. Watkins erklärte ihm das auch, nach Unterzeichnung des Contractes und während er ihm darauf zutrank, in seiner gewöhnlichen offenherzigen Weise.
»Sie haben da einen glücklichen Griff gethan, junger Freund, sagte er, ihm auf die Schulter klopfend. In Ihnen steckt ein gesunder Kern! Ich würde mich nicht im Geringsten wundern, Sie zum besten unserer Diamantengräber im Griqualand werden zu sehen!«
Cyprien konnte in diesen Worten nur eine glückverheißende Prophezeiung bezüglich seiner Zukunft erkennen.
Und Miß Watkins, welche der Verhandlung beiwohnte, hatte einen so sonnenhellen Blick in ihren blauen Augen! Nein, kein Mensch hätte geglaubt, daß diese den lieben langen Morgen lang geweint hatten.
Unter stillschweigender Uebereinkunft wurde des peinlichen Auftrittes vom gestrigen Morgen mit keiner Silbe Erwähnung gethan. Cyprien blieb eben da, das lag auf der Hand, und das war ja im Grunde die Hauptsache.
Der junge Ingenieur ging also mit weit leichterem Herzen fort, um seinen Auszug vorzubereiten, obgleich er in einer größeren Reisetasche nur einige Kleidungsstücke mitnahm, denn er gedachte wohl bei der Vandergaart-Kopje unter einem Zelte zu wohnen, seine Mußestunden aber wie bisher auf der Farm zuzubringen.
1 Die englischen Verse entsprechen, wenn nicht ganz wort-, so doch ziemlich sinngetreu unserem: Letzte Rose, wie magst du so einsam hier blüh'n, Deine freundlichen Schwestern sind längst schon dahin, Keine Blüthe haucht Balsam mit liebendem Duft.
2 Warum blühst du so traurig im Garten allein? Sollst im Tode mit den Schwestern vereinigt sein. D'rum pflücke, o Rose, vom Stamm ich dich ab, Sollst ruh'n mir am Herzen und mit mir im Grab.
Fünftes Capitel.
Erste Abbauversuche.
Am frühen Morgen des folgenden Tages begaben sich die beiden Compagnons an die Arbeit. Ihr Claim lag nahe dem Rande der Kopje und mußte, wenn Cyprien Méré's Theorie sich bestätigte, zu den reicheren gehören. Leider war dieser Claim schon stark abgebaut und reichte bis zur Tiefe von einigen fünfzig Metern in die Erde hinab.
In gewisser Hinsicht durfte das aber wieder als ein Vorzug gelten, weil in Folge seiner, alle Nachbar-Claims übertreffenden Tieflage, nach bestehendem Landesgesetz, alle Erdmassen und folglich die etwa darin befindlichen Diamanten, welche von der Umgebung her hineinfielen, den Inhabern desselben gehörten.
Die Arbeit selbst war höchst einfach. Die beiden Theilhaber lösten zuerst mit Spitzhaue und Hacke einen Theil Erdreich regelrecht los. Darauf begab sich der Eine nach der Mündung der Grube und zog an dem langen Drahtkabel die ihm von unten zugesendeten Ledereimer in die Höhe.
Das Erdreich wurde von hier aus mittelst Karrens nach der Hütte Thomas Steel's geschafft. Nachdem es hier mit groben Holzscheiten zerkleinert und von werthlosen Kieselsteinen befreit war, gelangte dasselbe in ein Sieb mit Maschen von fünfzehn Millimeter Weite, um davon die kleineren Steine zu trennen, welche nun aufmerksam durchgesehen wurden, um die auf den ersten Blick werthlosen bei Seite zu werfen. Endlich gelangte die Erde in ein feinmaschiges Sieb, durch welches nur der Staub daraus entfernt wurde, und war nun in dem erwünschten Zustande, um einer ganz sorgfältigen Prüfung unterworfen zu werden.
Nachdem dieselbe auf einen Tisch ausgeschüttet worden war, an dem die beiden Steinsucher Platz nahmen, ließen sie jene mittelst eines Art Schabers aus Weißblech mit größter Aufmerksamkeit eine Handvoll nach der andern Revue passiren und warfen sie schließlich unter den Tisch, von wo aus sie später hinausgeschafft und an beliebiger Stelle aufgehäuft wurde.
Alle diese Maßnahmen liefen darauf hinaus, in derselben, wenn sie einen solchen enthielt, einen Diamanten zu finden, wär' er auch nicht größer als eine halbe Linse gewesen. Wie glücklich schätzten sich dann die Geschäftstheilhaber, wenn ein Tag nicht ohne Entdeckung eines solchen verlief! Sie wendeten sich ihrer Aufgabe mit wahrem Feuereifer zu und untersuchten das Erdreich ihres Claims mit peinlichster Genauigkeit; Alles in Allem gestalteten sich jedoch während der ersten Tage die Ergebnisse ihrer Mühen fast ganz negativ.
Vorzüglich schien Cyprien das Glück nicht günstig. Wenn sich ein kleiner Diamant fand, so war es fast stets Thomas Steel, der ihn entdeckte. Der erste, den er das Glück hatte herauszufinden, wog, selbst die anhaftende Gangart mitgerechnet, kaum ein Sechstel Karat.
Der Karat ist ein Gewicht von vier Gran und entspricht nahezu einem Fünftel Gramm. 5. Ein Diamant erster Güte, der vollständig rein, durchsichtig und farblos ist, und 1 Karat wiegt, werthet in geschnittenem Zustande etwa 200 Mark oder 100 fl. österr. W. Wenn die weniger wiegenden Steine einen verhältnißmäßig nur sehr geringen Preis bedingen, so steigt dieser dafür sehr schnell bei den größeren und schwereren. Im Allgemeinen rechnet man den Handelswerth eines Steines vom reinsten Wasser gleich dem Quadrate seines in Karaten ausgedrückten Gewichts, multiplicirt mit obigem Karatpreise. Schätzt man demnach den Werth eines Karats fehlerlosen Diamants auf zweihundert Reichsmark, so würde ein Stein von derselben Güte und zehn Karat Gewicht hundertmal so viel oder 20.000 Reichsmark (10.000 fl. Oesterr. Währ.) kosten.
Krystalle von zehn Karat, ja selbst solche von nur einem Karat, sind aber verhältnißmäßig selten und nur deshalb bedingen sie einen so hohen Kaufpreis. Hierbei ist noch zu bemerken, daß die Diamanten aus dem Griqualand meist einen gelblichen Schein haben; ein Umstand, der ihren Handelswerth nicht unbeträchtlich herabmindert.
Die Auffindung eines Steinchens von einem Sechstel Karat nach sieben- oder achttägiger Arbeit bildete gewiß eine sehr dürftige Entschädigung für die darauf verwendete Mühe und Arbeit. Bei einem solchen Lohne wäre es einträglicher gewesen, das Feld zu bearbeiten, Heerden zu hüten, oder auf den Landstraßen Steine zu klopfen. Dieser Gedanke kam auch Cyprien wiederholt in den Sinn. Indeß erhielt die Hoffnung, einmal einen schönen Diamanten zu finden, der mit einem Schlage die Arbeit mehrerer Wochen, selbst mehrerer Monate aufwiegen könnte, ihn ebenso aufrecht, wie andere, und selbst die wenigst vertrauensseligen Steingräber. Thomas Steel machte sich, wenigstens dem äußeren Anscheine nach, über so etwas gar keine Gedanken und arbeitete mit der einmal angenommenen Geschwindigkeit mehr maschinenmäßig weiter.
Die beiden Geschäftsgenossen frühstückten meist zusammen, wobei sie sich mit Sandwichbrötchen und Bier begnügten, was an einem Büffet unter freiem Himmel verkauft wurde, zu Mittag aßen sie dagegen an einer der gemeinsamen Tafeln, an welche sich die Insassen des ganzen Lagers vertheilten. Am Abend, wenn sie sich trennten, um jeder seines Weges zu gehen, begab sich Thomas Steel gewöhnlich nach einer Billardstube, während Cyprien für eine oder zwei Stunden die Farm aufsuchte.
Hier hatte der junge Ingenieur öfter das Mißvergnügen, seinen Rivalen, James Hilton, zu treffen, einen großen Burschen mit röthlichem Haar, sehr weißem Teint, dessen Gesicht mit den kleinen Fleckchen übersäet war, die man Epheliden (d. h. Sommersprossen) nennt. Daß dieser Wettbewerber offenbar große Fortschritte in der Gunst John Watkins' machte, indem er noch tapferer Gin trank und noch mehr Hamburger Knaster rauchte als jener, lag ihm deutlich genug auf der Hand.
Alice schien freilich die bäuerischen Artigkeiten und die sehr platten Reden des jungen Hilton nur mit großem Widerwillen entgegenzunehmen. Seine Gegenwart wurde Cyprien darum jedoch nicht minder unerträglich. Wenn's ihm dann zuweilen zu arg wurde und er fürchten mußte, sich nicht genügend beherrschen zu können, sagte er der Gesellschaft schnell Gute Nacht, und lief aus der Farm davon.
»Der Franzose ist nicht bei guter Laune, meinte dann John Watkins, seinem Trinkgenossen mit den Augen zublinzelnd. Es scheint, als ob die Diamanten nicht von allein unter seine Hacke kämen.« James Hilton schlug darüber ein rohes, lärmendes Gelächter auf.
An solchen Abenden verbrachte dann Cyprien gewöhnlich die noch übrige Zeit bei einem alten, grundehrlichen Boer, Namens Jacobus Vandergaart, der ganz in der Nähe des Lagers wohnte.
Eben von seinem Namen rührte die Bezeichnung der Kopje her, deren Grund und Boden er zur ersten Zeit der Concessionen besessen hatte. Man durfte wohl seiner Behauptung glauben, daß er nur durch Verweigerung der Rechtspflege zu Gunsten John Watkins' um sein Eigenthum gekommen war. Jetzt so gut wie ruinirt, lebte er in einer alten Lehmhütte und betrieb sein Geschäft als Diamantenschneider wie früher in Amsterdam, seiner Vaterstadt, von Neuem.
Es kam nämlich ziemlich häufig vor, daß die Minengräber, begierig, das wirkliche Gewicht ihrer Steine nach dem Schnitte zu erfahren, ihm dieselben brachten, entweder, um sie nur zu spalten, oder sie auch noch feinerer Bearbeitung zu unterziehen. Solche Arbeiten verlangen aber eine sichere Hand und ein scharfes Auge, und der alte Jacobus Vandergaart, früher ein ausgezeichneter Diamantenschneider und Schleifer, hatte jetzt oft große Mühe, den an ihn gestellten Anforderungen zu entsprechen.
Cyprien, der ihm seinen ersten Diamanten zur Fassung in einen Ring übergeben hatte, empfand bald eine herzliche Zuneigung zu dem Alten. Er saß gern in der bescheidenen Werkstätte, um ein Stündchen zu verplaudern, oder allein um dem Insassen Gesellschaft zu leisten, während dieser an seinem Steinschneidertische thätig blieb. Mit seinem weißen Barte, der kahlen Stirn, auf der ein schwarzes Sammetkäpsel thronte, mit der langen Nase und der großen rundglasigen Brille darauf, bot Jacobus Vandergaart ganz den Anblick eines Alchemisten des fünfzehnten Jahrhunderts mitten unter seinen wunderlichen Werkzeugen und geheimnißvollen Flaschen.
In einer nahe dem Fenster angebrachten Mulde befanden sich die rohen Diamanten, welche Jacobus Vandergaart anvertraut worden waren, und die zuweilen einen sehr beträchtlichen Werth darstellten. Wollte er einen solchen spalten, dessen Krystallisation seiner Ansicht nach zu wünschen übrig ließ, so begann er damit, mit Hilfe eines Vergrößerungsglases die Spaltflächen aufzusuchen, welche alle Krystalle in Lamellen mit parallelen Seiten theilen; dann machte er mit der Schneide eines schon gespaltenen Diamanten in gewünschter Richtung einen Ritz, setzte eine feine Stahlklinge in diesen ein und führte einen kurzen Schlag darauf.
Damit war der Diamant an einer Fläche gespalten, und dieses Verfahren wurde nachher bezüglich der anderen wiederholt.
Wollte Jacobus Vandergaart dagegen den Stein schneiden oder, um es deutlicher auszudrücken, nach bestimmter Form schleifen, so zeichnete er zunächst dessen Gestalt auf die umgebende Gangart, und deutete darauf die beabsichtigten Facetten an. Dann brachte er jeden dieser Steine in Berührung mit einem zweiten Diamanten und setzte einen gegen den anderen einer langen Reibung aus. Die beiden Steine schliffen sich dabei gegenseitig ab und nach und nach trat die eigentliche Facette zu Tage.
Auf diese Weise gab Jacobus Vandergaart dem Edelstein eine der jetzt durch langen Gebrauch eingeführten Formen, welche alle unter die folgenden Abtheilungen fallen: Der »Brillant von doppeltem Gut«, der »Brillant von einfachem Gut« und die »Rosette«.
Der doppelte Brillant besteht aus vierundsechzig Facetten, einer Tafel und der Culasse.
Der Brillant von einfachem Gut bildet oben nur die Hälfte des vorigen. Die Rosette hat nur einen flachen Untertheil und einen kuppelartig von Facetten unterbrochenen Obertheil.
Ausnahmsweise hatte Jacobus Vandergaart wohl auch eine »Briolette«, d. h. einen Diamant zu schneiden, der ohne ein eigentliches Ober- und Untertheil mehr die Gestalt einer Birne hat. In Indien versieht man die Brioletten mit einem Loche in der Nähe des dünneren Endes, um eine Schnur hindurch zu ziehen.
»Pendeloques« dagegen, welche der alte Steinschneider weit häufiger unter die Hände bekam, bilden nur Halbbirnen mit Tafel and Culasse, die an der Vorderseite Facetten tragen.
Wenn der Diamant geschnitten ist, muß er, um vollkommen zu sein, noch polirt werden. Das geschieht mittelst einer Art Schleifscheibe aus hartem Stahl von etwa achtundzwanzig Centimeter Durchmesser, welche parallel mit der Tischplatte läuft und sich, getrieben von einem großen Schwungrad mit Handgriff, zwei- bis dreitausendmal in der Minute dreht. Gegen diese eingeölte und mit, von früheren Schliffen herrührendem Diamantstaub überpuderte Scheibe drückte Jacobus Vandergaart eine nach der anderen die Seiten seines Steines, bis dieselben eine hinreichende Politur angenommen hatten. Das Schwungrad wurde bald von einem kleinen Hottentotten in Bewegung gesetzt, den er tageweise miethete, bald von einem Freunde wie Cyprien, der sich nicht nehmen ließ, ihm diesen Dienst gelegentlich aus Gefälligkeit zu erweisen. Während der Arbeit wurde dann munter geplaudert. Oft schob Jambus Vandergaart die Brille auf die Stirn und hielt kurze Zeit inne, um irgend eine Geschichte aus vergangener Zeit zu erzählen.
Von Südafrika, das er seit vierzig Jahren bewohnte, wußte er sehr viel zu berichten. Daß seine Unterhaltung einen eigenen Reiz hatte, lag darin, daß sie die Überlieferungen des Landes wiederspiegelte, welche noch heute frisch im Andenken sind.
Vor Allem wurde der alte Steinschneider niemals müde, seinen patriotischen und persönlichen Kummer zu schildern. Die Engländer waren in seinen Augen die abscheulichsten Diebe, welche die Erde je gesehen. Die Verantwortlichkeit für seine wohl etwas übertriebenen Anschauungen muß auf ihm ruhen bleiben, doch kann man ihm dieselben wohl einigermaßen verzeihen.
»Das ist nicht zu verwundern, wiederholte er gern, daß die Vereinigten Staaten von Nordamerika sich für unabhängig erklärt haben, ebenso wie Indien und Australien bald dasselbe thun dürften. Welches Volk möchte eine solche Tyrannei ertragen? ... O, Herr Méré, wenn der Welt alle die Ungerechtigkeiten bekannt wären, welche diese auf ihre Geldsäcke und ihre Macht zur See so stolzen Engländer verübt haben, dann hätte die menschliche Sprache nicht harte Ausdrücke genug, sie ihnen in's Gesicht zu schleudern.
»Soll ich Ihnen erzählen, was sie mir, mir, der ich mit Ihnen spreche, angethan haben? fuhr Jacobus Vandergaart fort. Hören Sie mich an und dann werden Sie ja urtheilen können, ob man darüber zweierlei Meinung sein kann.«
Da Cyprien ihm versicherte, daß ihm das große Freude machen werde, fuhr das Männchen fort wie folgt: »Ich bin in Amsterdam im Jahre 1806 auf einer Reise, die meine Eltern dahin gemacht hatten, geboren. Später kam ich dahin zurück, um mein Geschäft zu erlernen; meine ganze Kindheit verlief dagegen am Cap, wohin meine Familie schon vor fünfzig Jahren ausgewandert war. Wir waren Holländer und stolz darauf es zu sein, als Großbritannien sich plötzlich der Colonie – provisorisch, wie es hieß – bemächtigte. John Bull läßt aber nicht wieder los, was er einmal gepackt, und 1815 wurden wir durch das auf einem Congreß versammelte Europa feierlich für Unterthanen des Vereinigten Königreichs erklärt.
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