Kitabı oku: «Kommunikationswissenschaftliches Arbeiten», sayfa 3
Ausgehend von diesen sehr frühen, aber sehr grundsätzlichen Auseinandersetzungen haben sich zahlreiche Wissenschaftsströmungen entwickelt: Positivismus, Empirismus, Rationalismus, Logischer Empirismus/Logischer Positivismus, Kritischer Rationalismus, Kritische Theorie, Grounded Theory. Auf diese Strömungen soll an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen werden, es sollen nur ein paar grundlegende Fakten festgehalten werden: Es gibt nicht das eine Konzept, das Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie darstellt, sondern nur mehrere Zugänge und Ansichten dazu. Das Verständnis von Wissen und wie es erzeugt wird, ist auch immer geprägt von den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Aus diesem Grund haben sich eben die verschiedenen Strömungen entwickelt, die verschiedene Begründungen für Erkenntnis und Theorie anführen (vgl. dazu bspw. Lauth & Sareiter, 2005; Schülein & Reitze, 2021; Steininger & Hummel, 2015).
Im Kern drehen sich die zentralen – und hart diskutierten – Unterschiede aller wissenschaftstheoretischen Positionen um die Frage, wie und unter welchen Bedingungen Erkenntnis erlangt werden kann. Die Grundfrage ist also, ob Erkenntnis durch Erfahrung, also durch Wahrnehmungen [32] erlangt werden kann (Empirismus) oder ob die Quelle der Erkenntnis der Verstand ist (Rationalismus), die Erkenntnis also auf Sätzen gründet, deren Wahrheit im Lichte der Vernunft „selbstevident“ sind.
In einer sehr (!) reduzierten Beschreibung basiert der Empirismus auf der Annahme, dass jede Erkenntnis und alles Wissen über die Welt nur durch die innere oder äußere Empfindung/Wahrnehmung/Erfahrung möglich ist. Alles Wissen entsteht damit erst durch die Erfahrung. Sinneserfahrung und Beobachtung gelten als Erkenntnisquelle. Im Rationalismus ist die „Ratio“, sind das Denken und die Vernunft die einzige oder wichtigste Erkenntnisquelle. Aus diesen Zugängen leiten sich auch die „klassischen Vorgänge“ für die Begründung und Überprüfung von Hypothesen/Theorien ab: die axiomatische Wissenschaft und die empirische Wissenschaft.
Die axiomatische Wissenschaft folgt dem Konzept einer nicht-empirischen (erfahrungsunabhängigen) Begründung der wissenschaftlichen Erkenntnis (v. a. in Mathematik und Naturwissenschaft), die Erkenntnis folgt aus logischen Folgerungen, dies erfordert formale Logik. Der zentrale Begriff der formalen Logik ist dabei die logische Folgerung (Deduktion). In der axiomatischen Theorie gibt es eine Liste von Axiomen, das sind grundlegende Annahmen der Theorie über den jeweiligen Geltungsbereich. Aus diesen Axiomen können alle anderen Aussagen der Theorie als logische Deduktion abgeleitet werden. Diese Aussagen sind Theoreme. Die Gültigkeit der Theoreme ist sichergestellt, vorausgesetzt, die Axiome sind korrekt. Die Verifikation der Axiome erfolgt nicht durch formallogische Vorgänge, sondern durch die Berufung auf unmittelbare Evidenz oder auf Erfahrung und Experiment. Das (große) Problem dabei ist: Axiome sind letztlich Basissätze, die nur per Konsens, damit letztlich dogmatisch begründet werden (aber weder induktiv noch deduktiv). Die empirische Wissenschaft folgt dem Modell einer empirischen Begründung und Überprüfung von wissenschaftlichen Theorien. Die Zuschreibung von Wahrheitswerten zu den Axiomen einer wissenschaftlichen Theorie erfolgt auf empirischer Basis, also auf Grundlage von Beobachtungen, Messungen, Experimenten, die Axiome sollen durch Induktion begründet werden, also durch eine induktive Verallgemeinerung von empirischen Befunden (vgl. Lauth & Sareiter, 2005, S. 18–20).
Beide Strömungen haben zahlreiche Befürworter und Kritiker gefunden, die Diskussion wurde im 20. Jahrhundert noch durch eine große Frage erweitert: Sind naturwissenschaftliche Methodenideale auf die Methoden der Sozialwissenschaften übertragbar? Können absolute, unbeeinflusste Fragen gestellt und derartige Aussagen getroffen werden? Dabei geht es im Kern um den Einfluss von Werten, [33] d. h. von persönlichen Meinungen, politischen Anschauungen etc., auf die wissenschaftliche Arbeit. Daraus entwickelten sich wirkungsmächtige Diskurse: der sog. Positivismusstreit und die Werturteilsproblematik.
Der Positivismusstreit wird den beiden damals wie heute herausragenden Theoretikern Theodor W. Adorno und Karl Popper zugeschrieben, schreibt sich de facto aber bereits seit über hundert Jahren durch die sozialwissenschaftliche Debatte fort. In dieser Auseinandersetzung, die zwischen Karl Popper, Vertreter des Kritischen Rationalismus, und Theodor W. Adorno, Vertreter der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule, in den 1960er-Jahren ausgetragen wurde, ging es um die Zielsetzungen und das Methodenverständnis der Sozialwissenschaften. Für Popper hatte die Theorie zwar einen wichtigen Stellenwert, aber er war der Meinung, dass mit den Methoden der Naturwissenschaften gesellschaftliche Probleme untersucht werden können, um Problemlösungen zu finden. Adorno plädierte für die Veränderung der gesamten gesellschaftlichen Verhältnisse („Totalität der Gesellschaft“), denn jede Beobachtung der Gesellschaft sei von der Forscherperspektive beeinflusst. Auch Popper war klar, dass werturteilsfreie Wissenschaft nicht möglich ist, da Forscher nicht unvoreingenommen sind, aber durch das Falsifikationsprinzip könnten – so Popper – bestehende Ergebnisse immer wieder in Frage gestellt und es könnte somit die Wirklichkeit/Realität besser verstanden werden.
Bei der Werturteilsproblematik, einer Diskussion, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland intensiv geführt wurde, ging es darum, inwieweit persönliche Wertvorstellungen und politische Einstellungen die wissenschaftliche Arbeit beeinflussen. Max Weber versuchte zwischen Tatsachen und Werturteilen zu unterscheiden, also zwischen Erfahrungswissen und Werturteil. Eine Tatsachenbehauptung „vermag niemanden zu lehren, was er soll, sondern nur, was er kann und – unter Umständen – was er will“ (Weber, 1968, S. 6) und ist in diesem Sinne objektiv und wertfrei. Werturteile sind Aussagen, sind Soll-Sätze, die objektiv nicht begründbar sind, wie bspw.: Eine Sozialwissenschaftlerin sollte sich nicht an Spekulationen beteiligen.
In den Sozialwissenschaften werden zwei Positionen vertreten. Die eine, die mit Max Weber und auch Vertretern des Kritischen Rationalismus wie Karl Popper zu verbinden ist, tritt für das Postulat der Wertfreiheit ein. Die Vertreter der Kritischen Theorie, wie Theodor W. Adorno oder Jürgen Habermas, lehnen das Wertfreiheitspostulat ab, denn eine Kritik an der Gesellschaft sei ohne die Vermischung von Wert- und Sachaussagen grundsätzlich nicht möglich (vgl. Opp, 2014). Das Wertfreiheitspostulat [34] von Opp lautet, dass ein Wissenschaftler deutlich machen soll, „welche Äußerungen Wertungen und welche seiner Äußerungen objektsprachliche, d. h. Sachaussagen sind“ (Opp, 2014, S. 242). In der Frage der Werturteilsproblematik ist wesentlich – so wie auch Opp (2014) argumentiert –, dass Sachaussagen und Werturteile voneinander zu trennen sind und dass es natürlich nicht möglich ist, dass Wissenschaft völlig frei von Werten ist.
3.5.2Wissenschaftstheoretische Voraussetzungen in der PKW
Steininger und Hummel (2015, S. 38) systematisieren die Fragen der Wissenschaftstheorie in der Kommunikationswissenschaft und formulieren diesbezüglich folgende Einzelfragen, die leicht adaptiert so lauten:
•Welche Ziele gibt es?
•Wie wird Erkenntnis gewonnen?
•Welche Methoden können angewandt werden?
•Welche Merkmale und Voraussetzungen liegen vor?
•Wie wird Erkenntnis überprüft?
•Wie wird Erkenntnis systematisiert?
Daraus ableitend folgern die beiden Autoren, dass es notwendig sei, sich mit der Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsforschung (Wissenschaftssoziologie) der Kommunikationswissenschaft zu befassen, und sie verweisen darauf, dass es eben „keine allumfassende wissenschaftstheoretische Theorie [gibt], die wir in Stellung bringen, es ist vielmehr ein Überblick über die Probleme des Erkennens und der Wissenschaft, der uns als Hintergrundfolie dient“ (Steininger & Hummel, 2015, S. 39–40).
Dennoch ist einer der wissenschaftstheoretischen Zugänge, der sich in der Kommunikationswissenschaft vor allem etabliert hat, der Kritische Rationalismus. „Theorien dürfen im Kritischen Rationalismus durchaus spekulativ sein, aber sie müssen sich an der empirischen Wirklichkeit messen lassen und dürfen nicht einfach ohne methodisch systematische Empirie diskutiert werden, sollen sie einen wissenschaftlichen Wert haben und über ihren spekulativen Charakter hinausweisen (vgl. Popper, 1995, S. 120)“ (Scholl, 2016, S. 92). Der Kritische Rationalismus ist der Rationalität verpflichtet und die vorläufige Bewährung oder Falsifikation von theoriegeleiteten Annahmen ist durch die Methode bedingt. Karl Popper gilt als Begründer des Kritischen Rationalismus, der von dem Modell des Falsifikationismus ausgeht. Dieses Modell besagt, dass es nicht um eine „kontinuierliche Anhäufung von Tatsachen und Gesetzen [geht], sondern durch die [35] Ersetzung schlechter Hypothesen durch bessere nähern wir uns nach Poppers ‚Logik der Forschung‘ der Wahrheit“ (Fischer, 1995, S. 232) an.
Poppers Logik der Forschung (1973) zählt zu den wichtigsten wissenschaftstheoretischen Arbeiten des 20. Jahrhunderts. Der Kritische Rationalismus lässt sich als eine Philosophie beschreiben, „die das menschliche Mitwissen betont, die Fehlbarkeit in der menschlichen Erkenntnis. […] Er [Popper] sah es als das Ziel der Wissenschaft an, zu immer besseren Theorien zu gelangen, die der Wahrheit immer näher kommen, die immer zutreffendere Darstellungen der objektiven Realität geben.“ (Gadenne, 2013, S. 125) Das Kernstück des Kritischen Rationalismus ist die Konzeption der Kritik. Ausgangspunkt jeglicher Forschung ist die problemorientierte Erkenntnissuche.
Wissenschaft ist die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis. Theorien sind dabei „das Netz, das wir auswerfen, um ‚die Welt‘ einzufangen“ (Popper, 1973, S. 31). Um Theorien empirisch überprüfen zu können, müssen diese in Hypothesen bzw. Gesetzesaussagen formuliert werden. Allaussagen können nach Popper nie verifiziert werden. Und Poser präzisiert: „Nicht nach Wahrheitsbeweisen ist in den Erfahrungswissenschaften zu suchen, denn diese sind dort grundsätzlich unmöglich; vielmehr müssen sogenannte Naturgesetze ausschließlich als Hypothesen betrachtet werden, die so lange beibehalten werden, als sie nicht falsifiziert sind.“ (Poser, 2001, S. 120)
Um das Gegenteil zu beweisen, ist ein einziges Beispiel ausreichend. Das dabei in der Literatur zitierte Lieblingsbeispiel ist das Schwanenbeispiel. Wenn die Hypothese lautet: „Alle Schwäne sind weiß“, dann bedeutet dies, dass es logisch ist, dass es keine nicht-weißen Schwäne gibt. Jedoch gibt es in Australien schwarze Schwäne, sodass die Hypothese, dass alle Schwäne weiß sind, falsifiziert ist. Falsifizierbarkeit kann damit als „Abgrenzungskriterium zwischen Wissenschaft und Spekulation“ (Steininger & Hummel, 2015, S. 71) benannt werden. Auch sind Entwicklungen nur dann möglich, wenn es nie absolute Gewissheit gibt – diese Annahme gehört zur Lehre des Fallibilismus. Nach Popper ist Erkenntnisfortschritt immer erst aus Versuch und Irrtum möglich. Wissen ist immer Vermutungswissen. Dabei geht Popper nicht von einem naiven Falsifikationismus aus, denn die falsifizierenden Befunde müssen methodisch gesichert sein, so etwa durch wiederholte Experimente oder durch die Kontrolle von möglichen Fehlerquellen (vgl. Gadenne, 2013, S. 135). Das Ziel eines jeden Wissenschaftlers sollte es laut Poppers Logik der Forschung sein, dass unablässig nach der Wahrheit gesucht wird (vgl. Popper, 1973). [36]
3.5.3Die kommunikationswissenschaftliche Fachgeschichte
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Kommunikationswissenschaft in den USA „unter den Titeln: Communications, Communication Science, Study of Communication, seltener Communicology“ (Rühl, 2008, S. 13). Rühl zitiert in seinen Ausführungen dann Lasswell, der im Rahmen einer Festrede 1958 festhielt: „No change in the academic world has been more characteristic of the age than the discovery of communication as a field of research, teaching, and professional employment.“ (Lasswell, 1958, S. 245, zit. nach Rühl, 2008, S. 13) Dies zeigt bereits, welche Bedeutung dem Fach Kommunikationswissenschaft zugekommen ist.
An der Universität Erlangen-Nürnberg wurde 1964 der kommunikationswissenschaftliche Lehr- und Forschungsbetrieb aufgenommen. In ihrer Analyse der ersten beiden Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg kommen Meyen & Löblich zu dem Schluss, dass sich die Zeitungsbzw. Publizistikwissenschaft damals in einer Krise befunden habe (vgl. Meyen & Löblich, 2006).
Sie resümieren: „Die sozialwissenschaftlichen Ansätze, die am Ende der Weimarer Republik von zumeist jüngeren Forschern entwickelt worden waren, sind durch Emigration und durch die Annäherung der akademischen Disziplin Zeitungswissenschaft an die Propagandalehren der Nationalsozialisten verloren gegangen.“ (Meyen & Löblich, 2006, S. 10) Es wird deutlich, dass es eine kontinuierliche Entwicklung des Faches nicht gegeben hat.
Wie die Kommunikationswissenschaft als Fach begriffen werden kann, dazu gibt es divergierende Zugänge und kontroversielle Befunde. 1980 verweist Maletzke auf die historisch-hermeneutische, geisteswissenschaftliche Verortung der Kommunikationswissenschaft in Deutschland. Als bei näherer Betrachtung brüchig beschreiben Steininger & Hummel (2015) in Anlehnung an Maletzke die Beschaffenheit des Bodens der Kommunikationswissenschaft. Und sie zitieren dabei u. a. Schweiger et al. (2009), die konstatieren, dass die Selbstverständnisdebatten im Fach kontrovers geführt werden. Primär geht es um „die Begrifflichkeiten Sozialwissenschaft, Interdisziplinarität, Integrationswissenschaft und Unüberschaubarkeit der Disziplinen“ (Steininger & Hummel, 2015, S. 5), wenn es um das Ringen um eine Fachidentität geht. Einerseits wird die Kommunikationswissenschaft als „interdisziplinär angelegtes Integrationsfach“ (Steininger & Hummel, 2015, S. 6) beschrieben, Hepp sieht in dieser Definition allerdings eher eine „Proklamationsethik“, da aus seiner Sicht die Kommunikationswissenschaft kontinuierlich an einer eigenständigen und transdisziplinär ausgerichteten [37] Theoretisierung arbeiten müsste (vgl. Hepp, 2005, S. 6, zit. nach Steininger & Hummel, 2015, S. 6). Um die Entwicklung des Faches zu verstehen, ist es notwendig sich mit seiner Geschichte zu befassen. Wobei Fachgeschichte dabei weder eine Art Weltgericht ist noch bestimmte Rezepte vorzugeben hat. „Vielmehr soll sie das Reflexionsniveau hoch ansetzen, um die Grundlagen der fachlichen Tätigkeit angemessen in historischer Perspektive zu erörtern.“ (Bohrmann, 2005, S. 179)
Für die Auseinandersetzung mit der Fachgeschichte können aktuell unterschiedliche Initiativen beobachtet werden, wie Averbeck-Lietz & Löblich (2017) in ihrem Sammelband über Kommunikationswissenschaft im internationalen Vergleich schreiben. Das Interesse für die institutionelle Absicherung des Faches ist gestiegen, sowohl auf Jahrestagungen der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) als auch auf europäischer und internationaler Ebene werden dafür unterschiedliche Aktivitäten unternommen. „Diese Geschichtsschreibung erfolgt bisher allerdings weitgehend unsystematisch, aufgehängt an oft eher zufällig rekrutierten Einzelstudien und bei knappen Ressourcen – was indes miteinander zusammenhängt“ (Averbeck-Lietz & Löblich, 2017, S. 3). Um kurz darauf zu verweisen, was es bedeutet, die unterschiedlichen kommunikationswissenschaftlichen Traditionen miteinander zu vergleichen, soll zur Illustration ein Überblick über Modelle kommunikationswissenschaftlicher Forschung gegeben werden:
•„German Model“: publizistikwissenschaftlich –
politische Kommunikation
•„French Model“: semiotisch-linguistisch –
Mediensemiotik und -kultur, interpersonale Kommunikation
•„British Model“: kulturwissenschaftlich –
Medienaneignungsprozesse
•„Euro-American Model“: sozialwissenschaftlich-interdisziplinär, integrative Forschungsgegenstände
(vgl. Averbeck-Lietz & Löblich, 2017, S. 13)
Diese Übersicht verdeutlicht die unterschiedlichen internationalen Wissenschaftskulturen sehr gut und wie diese die jeweiligen kommunikationswissenschaftlichen Ausrichtungen geprägt haben. Über alle unterschiedlichen kommunikationswissenschaftlichen Fokussierungen hinweg kann als gemeinsamer Nenner die Institutionalisierung der Medienberufe, vor allem der Journalistenausbildung, „die Verbindung von Markt und Medien, den entsprechenden technologischen Innovationen, ihrem sozioökonomischen Wandel und ihrer politischen Regulierung“ (Averbeck-Lietz & Löblich, 2017, S. 14) festgemacht werden. [38]
Besonders großes Interesse sowohl der Kommunikationswissenschaftlerinnen als auch der Öffentlichkeit besteht immer an den „Wirkungen“ von Medien. Daher werden an dieser Stelle Klassiker „der Medienwirkungen“ kurz vorgestellt und besprochen:
3.5.4Wiener RAVAG-Studie. Von Paul F. Lazarsfeld (1932)
Paul F. Lazarsfeld hat bereits 1932 eine Hörerstudie für die RAVAG (Österreichische Radio-Verkehrs-A. G., Vorgängerin des ORF) durchgeführt. Das 52-seitige Manuskript galt jahrzehntelang als verschollen und der Herausgeber Desmond Mark schreibt, dass die Publikation „eine österreichische Pionierarbeit der Rundfunkforschung [ist], die als die Geburtsstunde der modernen Mediennutzungs- und Medienwirkungsforschung bezeichnet wurde“, und weiter: „Die vermutete historische Priorität der Wiener empirischen Medienforschung wird durch eine Analyse der internationalen Rundfunkliteratur der dreißiger Jahre bestätigt.“ (Mark, 1996, S. 102) Interessant ist dabei, dass auch methodische Bezüge zwischen der RAVAG-Studie und der Marienthal-Studie (siehe Kap. 3.5), die beide in den 1930er-Jahren durchgeführt wurden, festgestellt werden konnten. In der Befragung ließen die Hörerinnen und Hörer der RAVAG ihre Programmwünsche zukommen, die nach bestimmten Kriterien – wie nach den soziodemographischen Daten Wohnort, Beruf, Alter, Geschlecht – ausgewertet wurden.
Lazarsfelds damaliger Mitarbeiter Paul Neurath schreibt dazu: „Das war sozusagen der eigentliche Moment, in dem die Forschungsrichtung der Wiener RAVAG-Studie von 1932, mit ihrem Schwergewicht auf der Differenzierung von Hörerpräferenzen nach sozialer Schichtung usw., die zukünftige Ausrichtung der amerikanischen Hörer- und im weiteren Verlauf der öffentlichen Meinungsforschung entscheidend beeinflussen sollte. Daß diese Forschungsrichtung sich dann von Amerika aus erst in Europa und schließlich auf der ganzen Welt verbreitete, führte dazu, wie Lazarsfeld Jahrzehnte später einmal als eine Art Kuriosum anmerkte, daß diese ursprünglich österreichische Forschungsrichtung nun in aller Welt, und auch in Österreich als ‚typisch amerikanisch‘ galt und zum Teil bis heute noch gilt.“ (Neurath, 1996, S. 19) In den USA war Lazarsfeld Direktor des Princeton Radio Projects und er war u. a. als Professor an der Columbia University in New York City tätig. Zahlreiche Studien zur Radioforschung wurden von ihm und seinen Mitarbeitern durchgeführt. [39]
3.5.5The Peopleʼs Choice. How the Voter Makes Up His Mind in a Presidental Campaign. Von Paul F. Lazarsfeld, Bernard Berelson und Hazel Gaudet (1944)
Einen weiteren wichtigen Schritt in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung setzte Lazarsfeld mit der Studie „The Peopleʼs Choice“ (1944). In dieser Studie wurde von Lazarsfeld et al. der US-amerikanische Wahlkampf im Jahr 1940 untersucht. Im Mittelpunkt der Studie stand die Fragestellung, wie individuelle Wahlentscheidungen zustande kommen und welchen Einfluss dabei unterschiedliche Quellen wie Medien haben. Für die damalige Zeit wurde ein Methodendesign eingesetzt, das revolutionär war: Es wurden Paneldesigns verwendet, d. h., die gleichen potenziellen Wähler wurden über einen längeren Zeitraum von Mai bis November 1940 in sieben Wellen mehrmals befragt.
„Die Studie begründet einen Meilenstein in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung, da sie den Grundstein für einen Paradigmenwechsel legt, nämlich die Abkehr von der Annahme des Publikums als Masse, die den Einflüssen der Massenmedien ausgeliefert ist, hin zu den ‚limited effects‘ der Medien.“ (Taddicken, 2016, S. 25) Das in der Studie entwickelte Konzept „The peopleʼs choice“ ist auch heute noch in der Kommunikationswissenschaft aktuell, wenn es um die „These der selektiven Zuwendung des Publikums zu Medieninhalten, um das Meinungsführerkonzept und um die These vom Zweistufenfluss der Kommunikation geht.“ (Taddicken, 2016, S. 25) Die empirische Arbeit ist auch als „Erie-County-Studie“ bekannt – benannt nach der Erhebungsgegend, in der der Präsidentschaftswahlkampf zwischen dem republikanischen Kandidaten Willkie und dem demokratischen Kandidaten Roosevelt untersucht wurde.
Bei der Untersuchung wurden sowohl quantitative als auch qualitative Befragungsdesigns eingesetzt. Dazu wurden auch noch drei Kontrollgruppen eingerichtet, um Paneleffekte zu vermeiden. Taddicken resümiert die Bedeutung der Studie dahingehend, dass in der Untersuchung die „Idee der Massenkommunikation mit der interpersonalen Kommunikation [verbunden und] damit die Idee von ungefilterten und direkten Effekten von Medieninhalten auf Menschen in Frage“ (Taddicken, 2016, S. 33) gestellt wurde.
Angesichts der Entwicklungen im Social Media-Bereich kann das Konzept der Meinungsführerschaft auch heute wieder als ein wichtiges theoretisches Bezugssystem in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung genutzt werden. [40]
3.5.6The Invasion from Mars. A Study in the Psychology of Panic. Von Hadley Cantril unter der Mitarbeit von Hazel Gaudet und Herta Herzog (1940)
Eine weitere Studie, die in der Kommunikationswissenschaft und in der Öffentlichkeit eine intensive Rezeption erfahren hat, ist „The Invasion from Mars“ (1940). Ausgangspunkt dieser Studie bildete eine Ausstrahlung des Radiohörspiels „The War of the Worlds“ von Orson Welles zu Halloween 1938, das eine Adaption des gleichnamigen Romans von H. G. Wells (1898) war. Angeblich wurde durch das Hörspiel eine Massenpanik bei den Zuhörern hervorgerufen, da sie die Invasion der Marsmenschen, die dramaturgisch als Live-Reportage inszeniert wurde, für real hielten.
„In der Kommunikationswissenschaft oftmals unreflektiert als wissenschaftlicher Beweis für die angeblich starken Medienwirkungen ins Feld geführt, wirft die Studie jedoch ein differenziertes Licht auf die Ereignisse.“ (Herbers, 2016, S. 13) Paul Lazarsfeld war zunächst selbst in die Studie involviert, da er gemeinsam mit Frank Stanton, der eine Leitungsfunktion bei CBS innehatte, zum Studio fuhr, vor dem Journalisten, Polizei und Studiomitarbeiter versuchten, die Menschen zu beruhigen. Beide führten gemeinsam ad hoc eine Studie zur „Panik“ während der Sendezeit und danach durch. Die Daten wurden nicht veröffentlicht und sind noch heute bei CBS unter Verschluss, die Studie diente allerdings Hadley Cantril als Ausgangspunkt für seine eigene Untersuchung.5
Cantril, ein Psychologe, der im Bereich von Meinungs- und Umfrageforschung tätig war, beschäftigte sich vor allem mit den „individuellen Veränderungen in kognitiver und emotionaler Hinsicht, die sich aus der Rezeption des Hörspiels ergaben“ (Herbers, 2016, S. 16), weiter berücksichtigt wurden auch „die Handlungen, die im Anschluss oder während der Sendung von den Zuhörern durchgeführt wurden, inklusive intervenierender und kontextualisierender Variablen“ (Herbers, 2016, S. 16). Die Forschergruppe befasste sich mit der individuellen Panik und der kollektiven Panik, die zumindest im medialen Diskurs thematisiert wurde. Bei den Ergebnissen wurde deutlich, dass „das im Journalismus und in der Kommunikationswissenschaft perpetuierte Ergebnis einer kollektiven Panik in der Studie selbst nicht beschrieben wird“ (Herbers, 2016, S. 16). In der Untersuchung zeigen sich aber auch Defizite, die damit zusammenhängen, dass keine exakten Angaben über die Grundgesamtheit der Zuhörer gemacht werden konnten und die [41] Frage, die an die Zuhörer gestellt wurde, lautete: „At the time you were listening, did you think this broadcast was a play or a real news report?“ (Herbers, 2016, S. 17) Es wird eben nicht danach gefragt, ob die Menschen in Panik verfielen, sondern ob sie das Hörspiel für real oder fiktional hielten. Die Studie, die in der Kommunikationswissenschaft eine zum Teil sehr unreflektierte Rezeption erfahren hat und vor allem „im Gedächtnis jedes Erstsemesters haften“ (Neuberger, 2009, S. 239) bleibt, hat überwiegend methodische Schwächen. Denn: „Viele der Befragten gaben an, die im Radio präsentierten Ergebnisse durch eigenständige Background-Checks überprüft zu haben […]. Diese Handlungen sind in solchen (angenommenen) Krisensituationen nicht ungewöhnlich. Folgt man diesem Argument, so kann die Studie in gegenwärtigen, kommunikationswissenschaftlichen Kontexten weniger als ‚klassische‘ Wirkungsstudie verwendet werden, sondern als (historische) Beschreibung von Handlungen, die eine gewisse ‚public connectedness‘ (Couldry et al., 2007) in Zeiten der Krise ermöglichen.“ (Herbes, 2016, S. 21) Die Studie ist daher eher als eine Aneignungs- bzw. Rezeptionsstudie zu klassifizieren, die nicht als Grundlagenstudie für vermeintlich starke Medienwirkungen im Fach selbst rezipiert werden kann.
3.5.7Torches of freedom. Von Edward Bernays (1929)
Als weiteres Beispiel soll auf „torches of freedom“ (1929) eingegangen werden, mit dem sehr gut illustriert werden kann, wie sich Öffentlichkeitsarbeit „um gesellschaftliche Einflussnahme bemüht“ (Becker, 2014, S. 108). Societal Relations bedeutet, dass „es um die Beziehungen (relations) des Unternehmens zur Öffentlichkeit“ (Becker, 2014, S. 108) geht. Societal Relations haben sich aus den Public Relations herausentwickelt. Als ein legendäres Beispiel dafür gelten die „torches of freedom“. Der PR-Pionier Edward Bernays (in Wien geborener Neffe von Sigmund Freud, dessen Eltern in die USA ausgewandert waren) hat versucht, psychologische Erkenntnisse für die PR-Arbeit zu nutzen. Sein Ansatz war, dass er PR-Arbeit in einem massenpsychologischen Kontext verortete und dabei „die Bedeutung unbewusster menschlicher Bedürfnisse“ (Lies, 2015, S. 184) betonte. In seinem Buch über Propaganda schrieb er: „Human desires are the steam which makes the social machine work. […] Only by understanding them can the propagandist control that vast, loose-jointed mechanism which is modern society.“ (Bernays, 1928, S. 52–53)
1929 arbeitete Bernays für die American Tobacco Company, die damals zu einem der größten US-Unternehmen zählte. Um weitere Zielgruppen zu generieren, sollten Frauen zum Rauchen motiviert werden, [42] denen es zur damaligen Zeit verboten war, in der Öffentlichkeit zu rauchen. Bernays entwickelte daraufhin eine Aktion mit dem Namen „torches of freedom“. „Er engagierte Models, die während der Osterparade in New York öffentlich rauchten, […]. Bernays ließ Fotos machen, verschickte sie weltweit und packte drumherum die Geschichte von den Fackeln der Freiheit: Frauen sollten sich emanzipieren und als Symbol ihrer Unabhängigkeit öffentlich rauchen. Jede Zigarette sei eine Fackel der Freiheit.“ (Becker, 2014, S. 109) Die Kampagne ging auf, überall in den USA wurde über die Aktion „torches of freedom“ berichtet und der Anteil der an Frauen verkauften Zigaretten stieg von 5 % auf 12 % im Jahr 1929 und hatte 1933 einen Anteil von 18 %. Für PR- und Marketingexperten gilt diese Aktion als ein Meilenstein in der Geschichte der PR. Auch wenn dazu angemerkt werden muss, dass durch die gesellschaftlichen Entwicklungen – wie den Feminismus – der Anstieg der rauchenden Frauen kontinuierlich in den 1920er-Jahren angestiegen war – unabhängig von den PR-Aktivitäten von Edward Bernays. Dieser verstand es aber sehr gut die in der Gesellschaft vorherrschenden Trends und Erwartungen aufzugreifen und in Kampagnen umzusetzen.
3.5.8Unterhaltungs-, Werbe- und Motivationsforschung. Von Herta Herzog
Herta Herzog gilt mit ihren Studien als Mitbegründerin der Uses-and-Gratifications-Forschung, d. h. der Untersuchung der Motive, warum sich Menschen bestimmten Medien und Inhalten zuwenden. Sie hat sich als eine der Ersten mit Unterhaltungssendungen und deren Bedeutung für die Rezipienten befasst. In „Professor Quiz – A Gratification Study“ (1940) hat Herzog die in den USA damals sehr populäre Radiosendung „Prof. Quiz“ untersucht, indem sie mit qualitativen Interviews die Zuhörer befragte und herausfinden konnte, dass diese aus verschiedenen Anreizen heraus die Sendung hörten. Für die empirische Untersuchung von Soap Operas „On Borrowed Experience. An Analysis of Listening to Daytime Sketches“ (1941) führte Herzog 100 Intensivinterviews mit Frauen durch und konnte zeigen, dass die Soap Opera z. B. dazu genutzt wurde, um dem Alltag zu entfliehen oder sich einfach nur zu entspannen. Auch in ihrer Studie „What Do We Really Know About Daytime Serial Listeners?“ (1944) wandte sich Herzog dem Publikum zu, da es nicht nur darum gehen könne, statistische Daten über die Mediennutzung zu sammeln, sondern: „We turn therefore to a summary of such studies which are concerned not with listener characteristiscs but with listenersʼ own reports of their listening experience“ (Herzog, 1944, S. 23). Herzogs Verdienste bestehen vor allem darin, [43] dass sie sich mit „populären Unterhaltungsprogrammen und deren HörerInnen“ (Klaus, 2008, S. 240) befasste, durch Intensivinterviews die Rezipienten selbst zu Wort kommen ließ und sich nicht nur auf quantitative Daten und große Stichproben verließ (vgl. Klaus, 2008, S. 240). Die daraus gewonnenen Erkenntnisse konnte Herzog ab 1943 bei der Anzeigenagentur McCann-Erickson weiter ausbauen, 1948 wurde sie Leiterin der McCann-Erickson Forschungsabteilung und etablierte in den 1950er-Jahren die Motivationsforschung in der Werbeforschung. „MarktforscherInnen benötigten ein dynamischeres Wissen über KonsumentInnen als es statistische Daten vermitteln“ (Klaus, 2008, S. 242). Durch den Einsatz von Tiefeninterviews sollten die Wünsche der Konsumenten ermittelt werden, d. h., es sollte nicht erforscht werden, was sie gekauft haben, sondern warum sie etwas gekauft haben. Das Vorgehen von Herta Herzog war multidimensional angelegt, zunächst wurden Zielgruppen- und Marktanalysen vorgenommen, daran anschließend wurden Tiefeninterviews und projektive Persönlichkeitstests mit den Konsumenten durchgeführt und in einem weiteren Schritt wurden Anzeigenentwürfe bei ihnen getestet. Mit ihren Studien lieferte Herzog wesentliche Beiträge für die Marktforschung, indem sie die Vermarktung von Produkten mit den Erwartungen, Wünschen und Lebenssituationen der Menschen in einen Zusammenhang setzte.