Kitabı oku: «Klangvolle Stille», sayfa 9

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Irgendwann waren die Kerzen herabgebrannt, die Augenlieder schwer vor Müdigkeit und wir waren kaum noch in der Lage, das Gelesene aufzunehmen. Der Elfe waren bereits die Augen zugefallen und auch mich übermannte der Schlaf…

5. KAPITEL

Eine Hand rüttelte mich wach. Aran der Magier stand dicht neben mir. »Es gibt Neuigkeiten«, vermeldete er.

Sofort war ich hellwach. Shania musste kurz vor mir geweckt worden sein. Gähnend folgte sie dem Magier und mir in die große Halle. Dort stand ein großer Eichentisch, um den etliche Elfen von Rang – darunter auch die Hohen Offiziere – versammelt waren. Es musste noch Nacht sein, da einzig Kerzenschein – verstärkt durch Magie – den Raum erhellte. Haren hatte den Vorsitz und somit auch die Rolle des Sprechers übernommen und deutete Shania und mir, Platz zu nehmen.

Auf dem Tisch war neben mehreren Aufzeichnungen auch eine große Karte des Westlichen Reichs ausgebreitet. Viele Männer standen über die Karte gebeugt und sprachen miteinander, bis Haren auf die Tischplatte schlug und sich so Gehör verschaffte. »Ich habe euch so früh am Morgen kommen lassen, da unsere ersten Botschafter eben eingetroffen sind.« Er deutete auf den Wald im Norden der Karte, wo Dagorra eingezeichnet war. »Sie sind unter anderem nach Südwesten geritten und haben in dieser Gegend ein gewaltiges Feldlager gesichtet. Einige der Spione sind noch dort geblieben, um Genaueres über die Truppenstärke in Erfahrung zu bringen. Aber es steht nun endgültig fest, dass der Kaiser einen Angriff auf unsere Stadt plant.« Es herrschte Schweigen. In den Gesichtern der Männer konnte ich Furcht und ungläubiges Staunen ausmachen, doch keiner wagte zu widersprechen. »Der Bote berichtet von einer Heeresstärke von über eintausend Mann. Sowohl berittene Soldaten als auch Bogenschützen und Katapulte waren im Lager zu sehen.«

»Katapulte? Unsere Mauern sind für einen Angriff mit Katapulten nicht gerüstet!«, rief Marth bestürzt aus.

»Unsere Stadt ist durch die Magie unserer Vorväter geschützt!«, konterte Parmun. »Es würde sie Wochen kosten, unsere Stadt ausfindig zu machen.«

»Fünf Tage!«, rief Haren mit polternder Stimme. »In fünf Tagen werden sie unsere Stadtmauern erreicht haben. Wir können davon ausgehen, dass sie bereits wissen, wo Dagorra liegt. Die kaiserlichen Magier haben entweder den Einsiedler Preston mit einem Bann belegt oder sind auf eine andere Weise dahinter gekommen.«

»Dann ist er also doch ein Verräter!«, entfuhr es Parmun.

»Alle Magier der Stadt müssten sich zusammentun, um gemeinsam einen Schutzbann zu erzeugen, der die Magier des Kaisers in die Irre leitet. Gleichzeitig würde selbst jedes Kind die Kraft einer so starken magischen Kraft spüren. Es ist ein zweischneidiges Schwert: Entweder wir lassen den Magiebann fallen und sind für die Truppen auffindbar, oder wir verraten uns direkt an die kaiserlichen Magier.« Aran hatte den Offizier unterbrochen, bevor dieser weitere Hetzparolen gegen mich schwingen konnte.

»Was denkt Ihr darüber, weiser Magier?«, fragte Haren gereizt.

»Die Magier sollten ihre Kräfte für den Kampf schonen.«

»Dann soll dem so sein!« Haren nickte einem der Gelehrten zu, der sogleich ein Schriftstück verfasste, um die Anweisung an die Wächter und Magier weiterleiten zu können.

»Wenn Mandossar heute Morgen die Truppen losschickt, bleiben uns fünf Tage, die Stadt für den Kampf zu rüsten.« Sobald sich Haren gesetzt hatte, brach Unruhe aus. Aran, Shania und ich wechselten besorgte Blicke, während die Hohen Offiziere ihre persönliche Einschätzung der Situation lauthals kundtaten.

Schließlich erteilte Haren den Befehl zum Schweigen und ließ seinen Blick auf jedem Einzelnen ruhen. »Was haben die Beratungen des Offizierstisches ergeben?«

»Kämpfen! Jeder Bürger soll sich rüsten. Wir Elfen sind ein starkes Volk. Vereint können wir die Menschen schlagen!«, schlug ein mir bisher unbekannter Offizier vor.

»Kämpfen?«, entgegnete Parmun abwehrend. »Unser Volk ist nicht an das Kämpfen gewöhnt! Gewiss sind wir geschickter im Umgang mit Schwertern und Bögen als die Menschen, doch unsere Soldaten haben kaum Erfahrung mit kriegerischen Auseinandersetzungen. Doch selbst wenn jeder Bürger in der Lage wäre zu kämpfen, so hätten wir gar nicht genügend Platz für die Truppen. Soldaten außerhalb unserer Mauern wären den Katapulten und Bogenschützen schutzlos ausgeliefert, und sobald die Mauern eingenommen werden und sich das Schlachtfeld in die Stadt verlagert, stehen wir uns eher selbst im Wege als dem Feind.«

»Parmun hat recht.« Marth mischte sich erstmals ein. »Es wäre töricht, unser ganzes Volk den Menschen auszuliefern, es würde ein unbeschreibliches Gemetzel geben!«

»Dann bleibt uns nur die Flucht!«, meinte ein anderer Offizier. »Wir haben fünf Tage, wenn wir sofort aufbrechen, könnten wir ihnen entkommen.«

»Nein!«, entschied Haren. »Einzelne könnten fliehen, doch nicht die gesamte Bevölkerung einer Stadt! Auch wenn wir zu Fuß schneller wären als die Menschensoldaten, so würden sie davon erfahren und uns ihre Reiter nachschicken, denen wir schutzlos ausgeliefert wären.«

»Es gibt noch eine weitere Möglichkeit.« Aran erhob sich langsam und eine gleichsam magische Stille breitete sich aus. »Bei der Gründung unserer Stadt ließen unsere Vorväter Schächte errichten, die aus Dagorra hinausführen. Schon damals war unser Volk von Angreifern bedroht und musste schnell reagieren, doch in den nachfolgenden Jahren erwies sich der Magiebann als sinnvollerer Schutz – zumal es auch gar keine nennenswerten Angriffe gab.«

»Sind diese Gräben noch begehbar?«

Aran schloss ungehalten die Augen, er schätzte es nicht, wenn man ihn unterbrach – selbst wenn es der Vorsitzende des Offizierstisches war. »Die Eingänge gerieten in Vergessenheit, manche wurden sogar zugeschüttet. Vor einigen Jahren stieß ich auf eine Aufzeichnung darüber und befasste mich damit. Tatsächlich habe ich einen Eingang gefunden. Wenn wir durch ihn in das Tunnelsystem einsteigen, können wir auch die anderen Eingänge ausfindig machen.«

»Wir dürfen keine Zeit verlieren! Aran, sucht nach diesen Eingängen. Vielleicht findet Ihr auch noch Aufzeichnungen über weitere Portale. Nehmt Euch jeden Elf zur Hilfe, den Ihr braucht.« Haren nickte einem Schreiber zu, der ein weiteres Schriftstück anfertigte, das dem Magier eine entsprechende Vollmacht ausstellte.

»Es wird zu wenig Zeit sein! Selbst wenn wir die Eingänge finden, es gibt zu viele Schwache, Kranke, Alte, Kinder. Niemals würden sie es schaffen, die Stadt in fünf Tagen zu verlassen«, gab ein Offizier zu bedenken.

Haren seufzte, hob den Kopf und sah mich direkt an. »Preston, was würdet Ihr tun?«

Für einen Moment war ich unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, da ich nicht damit gerechnet hatte, dass der Vorsitzende des Offizierstisches vor all den Hohen Offizieren und Edelleuten ausgerechnet einen Menschen um seine Meinung bitten würde.

»Kämpfen«, stieß ich schließlich hervor. »Ihr Elfen seid ein stolzes Volk, dies sollte den Menschen in Erinnerung gerufen werden.«

»Ihr wollt, dass wir uns von Eurem Volk abschlachten lassen?«, blaffte mich ein Elf an – ich war überrascht, dass es nicht Parmun war.

»Es geht nicht um den Sieg oder die Verteidigung einer Stadt! Jenen, die zu schwach oder zu jung für den Kampf sind, sollte die Flucht ermöglicht werden. Wir verschaffen ihnen zusätzlich Zeit, indem wir den Menschen die Stirn bieten. Mandossar ist uns, der Stadt Dagorra, überlegen. Seine Männer werden uns überrennen, vollkommen gleich, ob wir kämpfen oder fliehen, wir sollten uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass vermutlich keiner der hier Anwesenden überleben wird! Doch wenn wir sterben, so soll unser Tod nicht sinnlos sein! Unsere Frauen, unsere Kinder, die Alten und Schwachen sollen fliehen können. Wir besiegeln damit wahrscheinlich unseren Tod, aber wir sterben als furchtlose Krieger und schicken die Schergen des Kaisers in die ewige Verdammnis!«

»Starke Worte für jemanden, der einsam in einem Wald gelebt hat, der weder Heimat noch Besitz noch Familie kennt. Ihr verlangt, dass unsere Frauen fliehen und all ihren Besitz zurücklassen und ihre Männer dem Untergang preisgeben? Wo doch bekanntlich das Menschenvolk dem Elfenvolk unterlegen ist.« Ein mir bekanntes Gesicht erhob sich. Es war Feldherr Dagara, der mir mit aufgeplatzter Lippe und mehreren Schnittwunden an Wangen und Hals gegenüberstand.

»Ich musste mit ansehen, wie der einzige Mensch, der mir je etwas bedeutet hatte, von meinem Volk ermordet wurde! Sie hat mich zu dieser Stadt geschickt. Meine Heimat ist jener Ort, an dem ich fühle, dass ich dorthin gehöre – und das ist Dagorra. Mein Besitz ist meine Liebe zu einem friedlichen Volk. Bürger, die in Eintracht miteinander leben, sich nicht gegenseitig die Hälse aufschneiden oder für lächerlichen Lohn bei den Wächtern anzeigen. Ich glaube an eine bessere Welt und ich werde unter Einsatz meines Lebens dafür kämpfen!

Doch wenn Ihr, Feldherr Dagara, so sehr von der Überlegenheit des Elfenvolks überzeugt seid, so kämpft in vorderster Reihe! Ich erwarte Euch dort, an meiner Seite.«

Mehrere der Anwesenden schnappten laut nach Luft. Sie wussten von der Prophezeiung – obwohl ihr nach wie vor keiner so richtig Glauben schenken wollte – und dennoch schien jeder von ihnen berührt zu sein. Ein Mensch, der sich verpflichtete, für ein fremdes Volk zu kämpfen – an vorderster Front.

Marth war der Erste, der sich wieder gesammelt hatte. »Wenn Preston der Auserwählte ist, sollte er besser nicht in der ersten Reihe stehen und den Bogenschützen schutzlos ausgeliefert sein.«

»Ob er der Auserwählte ist, wird sich erst in der Schlacht zeigen!«, erwiderte Parmun. »Ich traue ihm noch immer nicht über den Weg.«

»Sollte es sich erweisen, dass Preston unser Auserwählter ist, werdet Ihr, Shania, Sprecherin des Offizierstisches, ihn nach Alphradon begleiten. Ich befürchte jedoch, dass Ihr durch das Westliche Reich reiten müsst, da ihr durch die Gräben nicht schnell genug vorwärts kommen würdet.«

»Was ist, wenn er ein Verräter ist und nur darauf wartet, mit einer von uns fliehen zu können – um gleich auch eine Gefangene zu haben?«

»Diesbezüglich habe ich keine Bedenken.« Ein gefährliches Lächeln umspielte Harens Lippen. »Ihr werdet die beiden begleiten, Feldherr Dagara!«

Dagara wollte protestieren, doch er erkannte in den Gesichtern der anderen, dass es bereits entschieden war. »Wenn man mir diese wichtige Aufgabe erteilt, werde ich ihr nachkommen und die Sprecherin des Offizierstisches und diesen Einsiedler begleiten. Doch will ich zumindest zwei weitere Krieger zu meinem Schutz mitnehmen. Ich traue dem Menschen nicht!«

»Dies sei dir gewährt!

Hat jemand weitere Einwände?«

»Ja, ich.« Shania erhob sich mit verschränkten Armen. »Ich habe nicht vor, mich dem Entschluss der Hohen Offiziere zu widersetzen, doch möchte ich anmerken, dass es nicht Teil meiner Funktion als Sprecherin ist, den Auserwählten zu begleiten. Ich tue es aus freien Stücken – und aus Liebe zu meinem Volk. Dennoch würde ich mich sicherer fühlen, wenn ein Magier uns begleitet.«

Haren warf Aran einen fragenden Blick zu, der zustimmend nickte und die Versammlung für beendet erklärte.

Haren hatte mich unter anderem mit der Erstellung einer Strategie zur Verteidigung der Stadt beauftragt. Marth und Dagara waren bereits zum Haupttor im Süden vorgeritten, um sich dort vor Ort zu beraten. Ich hingegen war in die kleine Studierkammer zurückgegangen und vertiefte mich erneut in die Schriften.

»Hierher habt Ihr Euch also verkrochen!« Shania näherte sich langsam. Ihre Augen waren von dunklen Ringen umrandet und gerötet, als hätte sie geweint.

»Ihr seht niedergeschlagen aus«, bemerkte ich besorgt und erhob mich von der unbequemen Sitzbank.

»Es ist nicht leicht… Mit einem Mal hat man all sein Hab und Gut verloren und muss die Vergangenheit hinter sich lassen. Es ist schrecklich, in den Abgrund hinabzublicken und zu wissen, dass man in den nächsten Tagen hinabstürzen wird.«

Mir fielen keine Worte des Trosts ein, doch vielleicht benötigte es auch keine Worte. Die Elfe war näher gekommen und ich schloss sie in meine Arme, drückte sie an mich und hielt sie fest. Eine ganze Weile standen wir reglos da, bis sie sich wieder aus der Umarmung löste und meinen Blick suchte. »Aran hat mich gebeten, ihm bei der Suche zu helfen. Ich nehme an, Ihr werdet nicht mehr lange hier bleiben?«

»Dagara und Marth sind bereits vorgeritten. Einem Fremden wie mir wird man wohl kaum gehorchen, und bevor ich nutzlos herumsitze, versuche ich in den Schriften fündig zu werden.«

Die Elfe nickte und wandte sich zum Gehen um, hielt jedoch nochmals inne. »Ich würde mich freuen, Euch am Abend zu sehen.«

»Ich werde kommen«, versprach ich.

Shania sah mich immer noch mit ihren so schönen Augen an, als könne sie den Blick von mir nicht abwenden. Verlegen biss sie sich auf die Lippen, ehe sie schließlich zu mir kam und mir einen Kuss auf den Mund drückte.

Ich war zu gefesselt vom Zauber des Augenblicks, als dass ich etwas hätte tun können. Diese atemberaubende Frau hielt sanft meine Hand, beugte sich vor und drückte erneut ihre Lippen auf die meinen. Noch nie zuvor hatte ich dieses Kribbeln in mir gespürt, wie es mir nun durch den Körper schoss und mich wärmte. Ich war so aufgewühlt, dass es mir misslang, den Kuss zu erwidern oder sie festzuhalten. Und schon wandte sie sich um und eilte hinaus – jedoch nicht, ohne mir zum Abschied ein Lächeln zu schenken.

Zu Mittag fiel mir schließlich ein Schriftstück in die Hände, das von einem Angriff auf eine kleine Siedlung im Norden berichtete. Wenige Krieger mussten sich einem gewaltigen Heer des Feindes stellen – und dennoch gelang es ihnen durch List und Willensstärke den Sieg zu erringen.

Sogleich sprang ich auf, rollte das Pergament zusammen, verschloss es wieder in der Holzschatulle und verließ mit eiligen Schritten die Kammer.

In der großen Halle der Bibliothek waren nur noch die Hohen Offiziere anzutreffen. Sie hatten mit kleinen Figuren die Streitmacht des Feindes auf der Landkarte gekennzeichnet und berieten nun die Truppenverteilung innerhalb der Stadt.

Als ich die Treppen hinuntereilte, war ein Wächter bereits dabei, mein Pferd zu holen. Ich musste nicht lange warten, bis Nothon an den Zügeln herbeigeführt wurde und ich aufsitzen konnte. Der Wächter überreichte mir zuletzt ein zusammengerolltes Banner und deutete auf das grüne Tuch, das man meinem Hengst übergeworfen hatte. »Das Banner erhebt Euch in den Rang eines Amtsträgers. Wenn ein Soldat Euren Anweisungen nicht gehorcht, müsst Ihr nur den grünen Stoff vorweisen.«

Ich bedankte mich und gab meinem Pferd einen Tritt.

Die Straßen waren voll, alle strömten zum Hauptplatz, wo die neuen Erkenntnisse und Anweisungen verlesen wurden. Wie würden die Stadtbewohner diese Nachrichten wohl aufnehmen? Lebten sie bis vor wenigen Tagen noch in beschaulicher Ruhe, sollten sie nun alles aufgeben.

Alle kampffähigen Männer mussten zu den Schwertern greifen, wissend, dass sie den Kampf wahrscheinlich nicht überleben würden. Familien wurden zerrissen, Träume zerstört. Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass das, was am Schlachtfeld passierte, nur ein kleiner Teil des gesamten Zerstörungswerkes war. Die Schlacht mochte nur einen Tag dauern, doch die Familien waren für Jahrzehnte auseinandergerissen. Vielleicht war es ja das geringere Übel, in der Schlacht zu sterben und zu wissen, Weib und Kind gerettet zu haben, als durch finstere Schächte zu fliehen und nicht zu wissen, ob der Geliebte noch lebte, und selbst in ständiger Angst vor Verfolgung und Folter zu leben.

Das Stadttor war weit geöffnet, Soldaten ritten ein und aus. Handwerker überprüften das Mauerwerk des Walls, Wächter hielten auf den Türmen Ausschau, Bogenschützen kennzeichneten die Reichweite ihrer Geschosse.

Schließlich stieg ich vom Pferd ab und reichte die Zügel einem Soldaten, der gerade die Hände frei hatte. Tatsächlich musste ich keine weitere Erklärung abgeben, sobald der Elf den grünen Stoff erblickte.

Über einen breiten Treppenaufgang erklomm ich die Stadtmauer und kämpfte mich bis zu Marth durch, der neben dem Feldherrn stand und sich mit ihm beriet.

»Ah, unser Auserwählter! Wir fragten uns bereits, wann Ihr gedenkt, zu uns zu stoßen?« Dagara warf mir einen herablassenden Blick zu, den ich geflissentlich ignorierte.

»Was hat sich bisher getan?«, fragte ich den Hohen Offizier.

»Unsere Handwerksleute haben das Mauerwerk auf Risse untersucht. Wir überprüfen nun die Reichweite der Bögen und versuchen die Zinnen mit Holzvorrichtungen zu erhöhen – für die Sicherheit der Bogenschützen.«

»Was ist mit Vorrichtungen, von denen aus man heißes Öl hinuntergießen und Steine auf den Feind hinabwerfen kann?«

»Es wird zu keinem Nahkampf kommen«, antwortete Dagara gereizt. »Auch wir haben bereits daran gedacht. Mandossar wird mit Katapulten unseren Wall zertrümmern, erst danach werden seine Soldaten kommen.«

Ich blickte über die kahle Ebene, die die Stadtmauer vom angrenzenden Wald trennte. »Sie müssen dennoch eine Vorhut – vermutlich Fußsoldaten – schicken, um die Katapulte in Position zu bringen.«

»Bis die Soldaten unsere Mauern erreicht haben, wird kein Stein mehr auf dem anderen stehen.«

»Nicht unbedingt«, gab ich zu bedenken. »Ich brauche aber einige Männer, die mir helfen!«

»Ihr habt das Banner! Nehmt Euch so viele Einheiten, wie Ihr braucht«, antwortete Marth.

»Ich begleite Euch!«, rief Dagara mir nach und schritt mit mir die Treppe hinunter. »Wie viele Männer sollen mitkommen?«

»Zehn Reiter, vorerst.«

Als wir vor den Stadttoren waren, hielt ich meinen Hengst an und sah mich um.

»Was sucht Ihr?«

»Habt Ihr von dem Angriff auf Guman gelesen?«

»Guman, die Hafenstadt?«

»Ja, allerdings zu einer Zeit, wo es noch kaum größer als ein Dorf war.«

»Ich muss gestehen, die Geschichte der Menschen hat für mich keine besondere Bedeutung.«

»Aber Ihr könnt daraus lernen!« Ich warf ihm die Schriftrolle zu. »Die Vorhut wird mit Schilden gut geschützt sein. Es wird uns kaum gelingen, sie mit einem Pfeilhagel zu schwächen, es sei denn, wir versetzen die Soldaten in Panik.«

»Wie wollt Ihr das anstellen?«, fragte der Feldherr und warf mir die Schriftrolle unangetastet zurück.

»Wovor haben die meisten Stadtbewohner Angst?«

»Vor einer Begegnung mit Arasien?«

»Feuer!«

Der Spott wich mit einem Schlag aus seinem Gesicht. Er horchte neugierig auf. »Wollt Ihr den Boden abfackeln?«

»Wie weit kann ein erfahrener Bogenschütze schießen?«

Dagara hob den Arm und gab den Soldaten auf der Stadtmauer mit Handzeichen Anweisungen. Kurz darauf erschien ein Bogenschütze und feuerte einen gekennzeichneten Pfeil ab. Das Geschoss durchbohrte unweit unserer Pferde den trockenen Boden.

»Das sollte allemal reichen!«

»Wofür?«

Ich stieg aus dem Sattel und ging auf den Pfeil zu. »Wir bilden einen Ring aus brennbarem Material rund um die Stadtmauer.«

»Ihr wollt also den Soldaten den Fluchtweg nehmen, sobald sie diesen Ring überschritten haben«, stellte er mit wachsendem Interesse fest. »Wir brauchen nicht die ganze Stadt zu umkreisen – dafür würde auch das Material nicht reichen – sondern nur den südlichen Teil.«

»Wenn das Material ausreicht, sollten wir noch ein weiteres Feuerband legen, das mit dem inneren verbunden ist. So könnten wir die Wirkung deutlich erhöhen.«

»Vielleicht würde das auch die Katapulte zurückhalten!«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Mandossar ist nicht dumm. Bestimmt führen sie Löschwasser für die Katapulte mit, aber es gäbe noch einen anderen Weg, die Katapulte zu schwächen.«

»Der wäre?«

Stumm deutete ich auf den Waldboden. Der Feldherr begriff, bevor ich es ihm erklären musste. »Tannennadeln. Nicht Feuer, sondern Rauch wird sie schwächen!« Die Augen des Elfen begannen aufzuleuchten. »Ihr seid wahrlich ein raffinierter Krieger!«

»Zugegeben, der Einfall mit dem Feuerring stammt nicht von mir, doch wenn wir schon in der Nähe eines Waldes sind, sollten wir doch die Öle der Baumnadeln nützen.«

Dagara erhob sich wieder und rief die Reiter zu sich. »Einer reitet sofort zurück! Beim Hauptplatz haben sich die jungen Burschen und Mädchen versammelt und warten auf Arbeit. Wir brauchen hier möglichst viele, die Tannennadeln aus dem Wald holen und parallel zur Stadtmauer auflegen. Ein Bogenschütze soll den Abstand mit Pfeilen markieren.«

Die Männer nickten und teilten sich auf, während der Feldherr und ich zurückblieben. »Mir scheint, Ihr habt noch eine weitere Überraschung parat?«

»Wie werden die kaiserlichen Soldaten wohl vorgehen, wenn die Vorhut geschlagen ist?«

»Sie werden die Kavallerie ausschicken, die das Gebiet für die Katapulte sichert und versuchen wird, das Tor einzubrechen.«

»Dann müssen wir eben die Reiter zu Fall bringen!«

»Eine Stolperfalle?«

»Ja, eine Stolperfalle.«

»Es wird schwer sein, das Seil fest genug im Boden zu verankern.«

»Dann müssen wir eben die Holzpflöcke, an denen wir das Seil befestigen, ziemlich tief ins Erdreich eingraben.«

»Mit genügend Arbeitern müsste das gelingen!«

Den Nachmittag verbrachten Dagara und ich damit, die Arbeiter in ihre Aufgaben einzuweisen. Mehr und mehr Kinder waren gekommen, um frische Tannenzweige von den Bäumen zu schneiden und sie an den Markierungen entsprechend aufzulegen. In der Zwischenzeit hatte Dagara anordnen lassen, dass sämtliches Heu und Stroh, das nicht für die Pferde gebraucht wurde, sowie die restlichen Ölvorräte aus den Haushalten und Gemeinschaftsküchen beim Stadttor gesammelt werde. Da das Öl im Erdreich schnell versickern würde, sollte man erst kurz vor dem Angriff das Heu und Stroh darin tränken und verteilen.

Es hatte zu dämmern begonnen, als ich zu Shanias Haus zurückkehrte. Ich brachte Nothon im Stall unter und schritt die Stufen ins Obergeschoss empor, doch wie sich herausstellte, war die Elfe noch unterwegs.

Also kochte ich Tee und zündete eine Kerze an. Die Zeit des Wartens verbrachte ich damit, aus dem kleinen Fenster hinaus auf die Straßen zu blicken. Die Wächter hatten die Stadt mit Fackeln erhellt, und obwohl es inzwischen finster geworden war, waren immer noch alle eifrig am Werk. Man sah den Elfen die Verzweiflung und Furcht an, doch irgendwie mussten es die Hohen Offiziere geschafft haben, ihren Ehrgeiz zu wecken, denn jeder half bei den Vorbereitungen mit, so gut er konnte. Obwohl viele Soldaten schon sehr lange auf den Beinen waren, dachten sie nicht daran, sich zur Ruhe zu legen. Nur jene, die Familie hatten, kehrten in ihre Häuser zurück, um die letzten Nächte bei ihren Liebsten zu verbringen.

Stimmen rissen mich aus meinen Gedanken – Shania kam eben in die Stube heran, gefolgt von Aran.

»Schön, Euch zu sehen, Preston.« Die Elfe schritt auf mich zu und fiel in meine Arme. Anders als am Morgen, war sie nun munter und gut gelaunt. Wir saßen beisammen, tranken Tee und erzählten einander von den Ereignissen des Tages.

»Wir haben weitere Portale zu den Schächten gefunden, und die ersten Stadtbewohner konnten sich bereits auf den Weg machen«, erzählte Shania.

»Das sind gute Neuigkeiten!«

»Der Weg ist jedoch recht schmal und es ist unmöglich, Lasttiere mitzuführen. Jeder kann nur das mitnehmen, was er mit eigenen Händen tragen kann.«

»Wie viele Portale habt ihr bereits gefunden?«

»Vier«, antwortete Aran. »Soldaten suchen nach weiteren Eingängen. Ihr müsst wissen, die Gänge sind wie Irrwege angelegt, sodass es Fremden nicht gelingen wird, eine rasche Verfolgung aufzunehmen. Das wird uns später noch von Nutzen sein, erschwert jetzt jedoch die Arbeit erheblich.«

»Ich bin mir sicher, es werden sich noch weitere Eingänge finden.«

Bis spät in die Nacht hinein saßen wir beisammen, ehe Aran sich verabschiedete. Shania und ich waren noch nebeneinander sitzen geblieben und sprachen erstmals von persönlichen Erinnerungen an die Kinderzeit.

»Werdet Ihr heute Nacht zu Eurem Gemach zurückkehren?«, wechselte die Elfe das Thema und berührte mit ihren Fingern meine Hand.

Schüchtern zuckte ich bei der Berührung zusammen. »Wenn Ihr Euch zurückziehen wollt, werde ich natürlich gehen.«

»Bleibt!« Sie hob den Kopf und sah mir in die Augen. Der Anblick ihres schmalen Gesichts im Kerzenschein raubte mir den Atem; ihre Augen glitzerten wie die Sterne am Nachthimmel, ihre helle Haut schien zwischen den schwarzen Haaren aufzuleuchten. Mein Herz schlug, es hämmerte laut und schnell, ich spürte erneut dieses Kribbeln, welches meinen ganzen Körper erfasste und mich wärmte wie die Magie in meinem Blut.

»Habt Ihr nie Verlangen nach einer Frau?«, fragte sie.

»Ich achte die Frau gleich wie den Mann. Nach einer zu verlangen steht mir nicht zu.«

Ich schien etwas Falsches gesagt zu haben, denn Shania riss die Augen auf und betrachtete mich eingehend. »Ich hatte Euch nicht für einen…«

Erst in diesem Moment begriff ich, was sie so verunsichert hatte, und ich lachte auf. »Nein, ich verspüre kein Lustgefühl beim Gedanken an den Körper eines Mannes.« Stille. Noch nie zuvor hatte ich über so etwas gesprochen, etwas wie… Gefühle. Angstgefühle waren mir keineswegs fremd, doch Gefühle von Zuneigung, Liebe und Verlangen spielten in meinem Leben keine große Rolle. Ich hatte Zuneigung für das Hexenweib empfunden, doch diese Spannung zwischen mir und der Elfe war etwas gänzlich Anderes.

Wenn Huren mir ihre Liebesdienste anboten, habe ich immer höflich abgelehnt. Nicht, weil ich es als verwerflich betrachtete, wenn sich ein Mann mit einer Frau vergnügt – vorausgesetzt, es geschieht mit ihrer Einwilligung –, nein, es war mir nur nie in den Sinn gekommen, mich tatsächlich mit einer Hure ins Bett zu legen. Ein solcher Gedanke war mir fremd.

»Ihr fürchtet Euch doch wohl nicht vor den Frauen?«

»Nein, ich ertrage nur den Gedanken nicht, mich vor einem anderen Menschen zu entblößen.«

»Ihr wart noch nie zuvor im Bett einer Hure?«, rief die Elfe überrascht aus und biss sich sogleich auf die Lippen, war ihre Frage doch unangemessen. »Was genau fürchtet Ihr daran, Euch zu entblößen?«

»Sobald man die Kleidung ablegt, ist man geschwächt. Nicht nur, weil kein Brustpanzer mehr das Herz vor der Klinge eines Schwertes schützt, sondern weil man sich in die Hände einer anderen Seele begibt.«

»Ihr fürchtet also die Liebe.«

Eine Weile dachte ich darüber nach, bis ich schließlich zustimmend nickte. »Ich habe zu oft gesehen, was die Liebe selbst aus den stärksten Männern macht. Sie raubt uns nicht nur unsere Sinne, unsere Gedanken und unsere Rüstung, mit einem Mal ist man geschwächt und verletzlich – und dies auf Ewigkeit.«

»Ihr beschreibt die Liebe als etwas Grausames. Doch ist sie eine Gabe der Gottheiten. Sie ist ein Geschenk, etwas Gutes.«

»Wie kann etwas gut sein, wenn es uns schwächt? Männer betrügen ihre Weiber und diese spielen mit der Lust des Ehegatten. Freunde werden im Streit um eine Frau zu Feinden, es wurden sogar schon Kriege durch den Raub einer Braut ausgelöst.«

»Dann wart Ihr noch nie zuvor verliebt!«

»Was bedeutet es, verliebt zu sein? Wenn sich der Herzschlag erhöht? Sich eine Wärme vom Herzen ausbreitet, Erregung aufsteigt und der Verstand auszusetzen beginnt? Ja, dann war ich bereits verliebt.«

»Es hat wohl keinen schönen Ausgang genommen?«

Wir saßen nebeneinander auf der Bank und lauschten den Schlägen unserer Herzen. Irgendwann musste sie eingeschlafen sein, denn sie gab leise Schnarchlaute von sich, die mir ein Lächeln auf die Lippen zauberten.

Ich hob sie vorsichtig auf und trug sie zur gemauerten Feuerstelle, wo ich sie behutsam auf die Strohmatratze des Gestells bettete. Anschließend legte ich mich zu Füßen des Mauerwerks auf den Boden und war kurz darauf ebenfalls eingeschlafen.

Am nächsten Morgen wurde ich von der Elfe wachgeküsst. Sie saß neben mir und beugte sich über mich. Erneut berührten sich unsere Münder, und so groß die Verlockung auch war, schreckte ich davor zurück, mich der Liebe zu ergeben.

»Ich hatte geträumt, Ihr würdet neben mir liegen«, flüsterte die Elfe leise.

»Das steht mir nicht zu.«

»Ihr sucht die Einsamkeit!«

»Ich kann Euch nicht das geben, wonach Ihr Euch sehnt!«

»Warum nicht? Ihr wollt es doch auch.«

»Ich will mich nicht binden! Ihr verlangt zu viel von mir. Wenn ich eine Frau liebe, so will ich sie auch ehelichen und erst dann das Bett mit ihr teilen! Doch um eine Frau zu ehelichen, muss ich auch dazu bereit und entschlossen sein, mein bisheriges Leben für diese eine Frau aufzugeben, um für sie zu sorgen und sie zu beschützen. Ich würde es mir selbst nicht verzeihen, wenn ich diese Pflichten nicht erfüllen könnte.«

Sie wollte etwas erwidern, doch mein Blick sagte ihr, dass es besser sei zu schweigen.

Als ich beim Haupttor einlangte, standen Dagara und Marth bereits beisammen und besprachen die Truppeneinteilung. Die Kinder waren schon wieder in den Wald ausgeschwärmt, um weitere Zweige zu holen, während die Bogenschützen mit heller Farbe die Rückseite von größeren Steinen bemalten, um den Ring zu markieren, den sie mit Feuerpfeilen in Brand zu setzen hatten.

»Preston, Ihr werdet über eine eigene Einheit befehlen. Am besten macht Ihr Euch gleich einmal mit den Männern vertraut.« Dagara reichte mir ein Stück Pergament mit einem Wachssiegel. Es war in der Sprache der Elfen abgefasst, und so konnte ich nicht lesen, was dort stand.

»Was sind das für Einheiten?«

»Gut ausgebildete Bogenschützen.«

»Wo werden sie postiert sein?«

»Am Wall und auf der Hauptstraße, wo sie sich für den Pfeilhagel bereithalten werden.«

Ich nickte zufrieden und machte mich auf den Weg zu den Soldaten bei der Kaserne.

Am Abend gab es eine weitere Versammlung in der Bibliothek. Die letzten Späher waren inzwischen eingetroffen und berichteten von ihren Beobachtungen.

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