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Kitabı oku: «Der moderne Knigge», sayfa 5

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Ist man sehr korpulent, so eignet sich die Falstaffmaske besser als die weibliche eines Offiziers der Heilsarmee. Auch zu der beliebten Storchmaske gehören z. B. schlanke Beine. Hat man nun Elephantenbeine, so sieht der genannte Vogel wie ein Bastard aus und man reizt die Gesellschaft zu den schlechtesten Bemerkungen. Die Stange Lack, die man in den Mund steckt, um den Storchschnabel anzudeuten, kann nichts retten, abgesehen davon, daß sie im Laufe des Abends lästig wird.

Hat eine Dame, was ja möglich ist, keine Waden, so komme sie nicht als Radlerin mit Pumphosen. Sie begnüge sich damit, wenn sie dies Vademecum nicht besitzen sollte, öffentlich zu radeln.

Hat man keine Idee vom sächsischen Dialekt, so erscheine man nicht als Striese aus dem »Raub der Sabinerinnen«. Auch wenn man nicht komisch ist, wähle man diese Maske nicht. Da man seltener komisch als langweilig ist, so entscheide man sich überhaupt nicht für eine Maske, die einigen Witz erfordert.

Macht eine Frau sich den Spaß, auf dem Maskenball ihr Kostüm zu wechseln, so läuft sie Gefahr, daß ihr von dem ahnungslosen Gatten der Hof gemacht wird, was ihr den Spaß verderben würde. Sie unterrichte ihn also zeitig von ihrem Maskenscherz.

Damen, welche sich den Fünfzigern nähern und die Absicht haben, die Einladung zum Maskenball anzunehmen, werden gut thun, schließlich um neun Uhr abends anstatt einer Maske das Nachtkostüm anzulegen und schlafen zu gehen. Der Schlaf vor Mitternacht ist der gesündeste.Wenn man das Bedürfnis zu gähnen hat, so befriedige man es, indem man die Maske vor das Gesicht nimmt, denn man könnte vom Festgeber beobachtet werden.

Hat eine Dame ein helles Kleid, das schon einige Flecken hat, so ziehe sie es an, wenn sie kein anderes besitzt, setze eine Strahlenkrone auf und behaupte, sie sei als Sonne gekommen, dann werden die Flecken für eine geistreiche Nüance gehalten.

Man nehme von den auf dem Ball gereichten Weinen vorsichtig. Möglicherweise könnte der Wirt sich den Maskenscherz erlaubt haben, einen leichten Mosel als Liebfrauenmilch verkleidet erscheinen zu lassen. Es giebt nämlich bei solchen Gelegenheiten sehr erfindungsreiche Wirte.

Man vergesse nicht, eine Maske zu duzen. Es giebt Masken, die das Wesen der Maskerade nicht kennen und das Du sehr übel nehmen. Von solchen bleibt man dann den ganzen Abend verschont.

Will man nicht wieder eingeladen sein, so erscheine man im Trikot, einen Papierstreifen mit Adresse und Dreipfennigmarke um die Hüften geschlungen, und erkläre, man komme als Drucksache unter Streifband. Dies ist originell und erfüllt den Zweck vollkommen.

Man sage immer »Schöne Maske«, namentlich zu einer häßlichen. Diese meint ja doch, daß die Bezeichnung »schön« etwas zu niedrig gegriffen sei.

Will man sich den weiblichen Masken angenehm machen, so vergesse man nicht, daß sie sich amüsieren wollen, und unterhalte sie geistreich, wenn man das nicht versteht. Das amüsiert jede Dame, weil bei solcher Gelegenheit zahlreiche Dummheiten gesagt werden.

Man urteile über den Abend und die Gäste nicht wegwerfend, wenn man mit einer Fee oder einem Engel spricht, denn gewöhnlich pflegt die Fee oder der Engel eines der weiblichen Mitglieder der Familie zu sein. Mit einem Tadel hat man meistens Pech.

Man wähle kein Kostüm, welches gewissermaßen hermetisch verschlossen ist, es möge zu Hause auch noch so vorteilhaft aussehen und wegen seiner Eigenschaft außergewöhnlich gut sitzen. Dies sei sowohl den Herren, als auch den Damen empfohlen. In einem solchen Kostüm sitzt man wie in einem Gefängnis, welches, wenn man sich bis zum anbrechenden Morgen auch nur einmal heraussehnt, grausamer ist, als ein wirklicher Kerker. Ich hoffe, mißverstanden zu werden.

Bevor man sich, man sei jung oder alt, entschließt, in der Maske eines Gigerl die Maskerade zu besuchen, denke man womöglich nach. Denn vielleicht wird man garnicht als verkleidet angesehen, indem man in nahestehenden Kreisen allgemein als Gigerl bekannt ist.

Damen, welche durch einen schönen Hals ausgezeichnet sind, müssen Männern gegenüber vorsichtig sein, besonders wenn sie so naiv sind, daß sie die Schritte nicht bis drei zählen können, welche sie sich die Männer vom Leibe halten müssen. Denn ein schöner Hals ist für manchen die Gelegenheit, einen naheliegenden Maskenscherz zu wagen und unter der Angabe, man sei ein Schmuck, um den mehrfach berührten Hals zu fallen.

Steht eine Dame im kräftigsten Mannesalter, so wähle sie eine Phantasiemaske, als welche ich das Gaslicht mit Glühstrumpf, das letzte Pferd, oder einen Marsbewohner empfehle. Denn wenn die bezeichnete Dame etwa in einem Kostüm aus dem Anfang unseres Jahrhunderts erscheint, so fordert sie förmlich die Frage heraus, wie es möglich gewesen sei, daß sie das Kostüm so sorgfältig seit ihrer Jugend aufbewahrt habe. Diese Frage ist sehr knotig, aber es wäre doch möglich, daß sich in der Gesellschaft ein Knote befindet.

Nimmt an der Maskerade ein Harlekin teil, der jedem eins mit seinem hölzernen Schwert versetzt, oder ein boxendes Känguruh, so verlasse man schon vor dem fünften Pritschenstreich, oder vor dem dritten Boxerschlag das schöne Fest und gehe in ein benachbartes Restaurant, wo überhaupt nicht gehauen wird.

Bevor man den Saal betritt, frage man einen Diener, ob schon ein Herr auf einem Papppferde hineingesprengt sei. Wird diese Frage bejaht, so wisse man, daß dieser Centaur, wenn er lustig wird, – und ein Pappreiter wird immer lustig, – im Laufe des Abends und der Nacht häufig durch die Menge galoppiert oder die hohe Schule reitet. Dann schreibe man flink auf seiner Visitenkarte, man leide an Zahnschmerzen, lasse die Karte dem Wirt zustellen und entferne sich. Man muß eben nicht zu vergnügungssüchtig sein.

Ebenso opferfreudig und entsagungsreich verfahre man, wenn man durch die Indiskretion des Dieners vernimmt, in der Gesellschaft sei ein Feuerwerker, ein Bierbrauer mit einem Faß, ein Kutscher mit Peitsche oder ein Kunstschütze erschienen. Man darf schon im Vorsaal nicht vergessen, daß man zwar zwei Augen habe, aber keines gut missen könne. Dasselbe gilt mutatis mutandis auch von etlichen anderen Einzelheiten des menschlichen Körpers.

Ist eine Dame anwesend, welche sich um keinen Preis demaskieren will, wohl aber schweigsam tanzt und vor der Demaskierung den Ball verläßt, so hat man entweder sehr viel oder nichts verloren. Frägt man aber die Wirtin, welche sie kennt, so hat man nichts verloren. Man frage also nicht.Wer eine nicht allgemein bekannte Maske angelegt hat, muß darauf gefaßt sein, Irrtümer zu erwecken. Ich erinnere mich eines Gastes, der das pompöse Kostüm eines indischen Nabobs trug. Als er dann wegging und kein Trinkgeld gab, sagte der Diener: »Det war ‚n Schnorrer!«

Zu Hause angekommen, schwöre man: Nie wieder! aber so leise, daß es niemand hört, denn am folgenden Tage kommt die Einladung zum nächsten Maskenball, die man annimmt.

Verlassen wir die Privatmaskerade, um uns wieder öffentlichen Vergnügungen zuzuwenden, für welche, wie wir wissen, die Regeln, nach denen man sich zu verhalten hat, noch nicht feststehen. Das hat das Publikum oft genug erfahren, wenn es z. B. ein langweiliges Stück abgelehnt hatte und ihm nun von einem Kritiker klar gemacht wurde, daß man einem solchen Stück einen glänzenden Erfolg zu bereiten habe.

Das Publikum weiß also noch nicht, wie es sich im Theater zu benehmen hat, und geht doch schon so lange ins Theater. Ist der Kassierer am Theaterschalter sehr freundlich, so freue man sich, denn dann ist das Haus noch leer, und man bekommt ohne weiteres einen Platz. Ist das Theater aber so voll, daß man, wie es in den Reklamen heißt, mit Vielen unbefriedigt sich entfernen mußte, so freue man sich gleichfalls, denn wer weiß, wie unbefriedigt man sich entfernt hätte, wenn man noch einen Platz gefunden haben würde.

Hat man seinen Parkettsitz in der Mitte der Bank, so komme man zu spät, wenn möglich erst nach dem Beginn des Aktes. Ebenso mache man es nach der Pause vor dem dritten oder vierten Akt. Denn dann müssen sich die bis zu dem gesuchten Platz sitzenden Zuschauer erheben, sehen ein, wie rücksichtslos, ja pöbelhaft dieses verspätete Kommen thatsächlich ist und nehmen sich vor, künftig pünktlich zu erscheinen, es sei denn, sie hätten einen Eckplatz.

Sitzt man neben einem jener unglaublich rohen Zuschauer, der sich mit einem Nachbar laut, oder doch so unterhält, daß man es hören muß und gestört wird, so frage man ihn, warum er es sich gefallen lasse, daß er durch das Sprechen oder Singen auf der Bühne fortwährend unterbrochen werde. Da er, wie wir gesehen haben, sehr ungebildet ist, so versteht er die Frage nicht.

Hört man gleich nach dem Beginn einer Novität einen der bekannten und angenehmen Zuschauer sagen: »Schon faul!«, so freue man sich, denn man hat vielleicht bisher geglaubt, es existiere kein solcher Geselle, da er ein Gebild der Phantasie sei. Der sitzt leibhaftig vor einem.

Besucht man mit einer Dame ein realistisches Stück, so habe man Schokolade für sie und Parfüm für beide.

Man gehe in keine Novität eines Autors, der viele Verwandte und Freunde hat, da man den Stock in der Garderobe abgeben muß und ihn also vermißt, wenn das Stück durchfällt.

Hat man einen Nachbar, der seinen Husten mit in das Theater gebracht hat, so entferne man sich und lasse sich an der Kasse einen anderen Platz anweisen. Es giebt meines Wissens kein besseres Mittel gegen den Husten, da die, welche man in der Apotheke bekommt, wie man sieht und hört, nichts taugen. Dies befolge man so lange, bis die Direktionen das Recht erlangen, passionierte Huster aus dem Zuschauerraum zu weisen, oder bis diese so anständig werden, zu Hause zu bleiben. Dies wird noch einige Saisons dauern.

Sitzt man neben einer Dame, in die man verliebt ist, so warte man mit der intimeren Zärtlichkeit bis nach den Zwischenakten, da es erst während des Spiels so dunkel wird, daß man den Theaterzettel nicht lesen kann. Um sich hierüber nicht ärgern zu müssen, sei man also in die Nachbarin verliebt.

Wohnt man der Vorstellung einer Posse bei, so wird man in seiner Nähe einen Narren finden, der außer sich ist und den Kopf bedenklich schüttelt, wenn man lacht. Dann lache man auch über diesen Narren und sei ihm dankbar gesinnt.

Hört man während eines allgemeinen Beifalls zischen, so darf man überzeugt sein, daß der Zischer bezahlt ist, denn sein Zischen bewirkt immer einen etwas gesteigerten Beifall. Ist er nicht bezahlt, so bedauere man ihn, denn dann ist er unheilbar.

Im Foyer vermeide man, über die Aufführung mit solchen Leuten zu reden, welche wegen ihres Urteils in Ansehen zu stehen scheinen, denn sie reden sehr viel und noch lauter. Man vermeide sie, weil sie absolut nichts vom Theater verstehen.

Wenn man nicht sehr klassikerfest ist, so überzeuge man sich, bevor man das Theater betritt, ob nicht die Vorstellung geändert worden ist und ein anderes Stück gegeben wird, oder ob man nicht ein Stück zu sehen glaubt, das gar nicht zur Aufführung gelangt. Es ist im Deutschen Theater zu Berlin vorgekommen, daß ein Herr, der einen sehr anständigen Eindruck machte, in einer Vorstellung der Schillerschen »Maria Stuart« im zweiten Akt zu seinen beiden Damen sagte: »Das ist ja alles sehr hübsch, aber warum das Stück ›Die Kinder der Excellenz‹ heißt, das weiß ich nicht.« Dergleichen ist nur dann nicht unangenehm, wenn keine Ohrenzeugen anwesend sind.

Möchte man einmal einen Menschen sehen, dem niemals ein Witz gelingt und der ebenso selten einen guten Einfall hat, so betrachte man den Zuschauer, der bei irgend einem Scherz Au! ruft. Wem selbst dann und wann ein guter oder schlechter Witz einfällt, der wird im Theater nicht auen. Das Au! ist nur dann oft nicht zu vermeiden, wenn der Autor gerufen wird.

In einer Erstaufführung bemühe man sich, die Urteile der Dummköpfe zu hören, deren jeder das betreffende Stück besser gemacht hätte und genau angiebt, wie er es gemacht haben würde. Da wird man mit leichter Mühe lernen, wie man sich davor bewahrt, durch ein ähnliches Geschwätz lächerlich zu werden.

Es giebt im Theater angenehme Nachbarn, welche dann und wann fragen, was eben auf der Bühne gesagt worden sei. Diesen antworte man höflich und der Wahrheit gemäß: »Was der Verfasser vorgeschrieben hat.« Will man aber gern wieder und immer wieder gefragt werden, so unterlasse man die angegebene Antwort und gebe genaue Auskunft. Denn man trifft im Theater viele Leute, welche das Prinzip haben: Im Theater langweile man sich nicht, sondern andere. Man muß also dafür sorgen, daß man keiner der anderen sei und gelangweilt werde.

Hört man jemand alles tadeln, was die Bühne leistet, so kann man sicher sein, einen Herrn aus einer kleinen Stadt zu hören, der noch nichts gesehen hat.

Fällt ein Stück mit oder ohne Pauken und Trompeten durch, so gebärde man sich nicht, als sei man von dem armen Autor persönlich beleidigt worden. Man ist doch nicht sicher, daß man nicht auch eines Tages strauchelt und ein Stück schreibt, und wer garantiert dafür, daß es ein Kassenstück wird? Vielleicht wird es nicht zu Ende gespielt. So angenehm dies vielen sein mag, da sie dann um so früher zum Abendessen kommen, so unangenehm wird man persönlich dadurch berührt.

Amüsiert man sich nur dann im Theater, wenn ein Skandal losbricht und ein Stück durchfällt, so vermeide man trotzdem die Novitätenabende. So niederträchtig es ist, mit solchen Hoffnungen ins Theater zu gehen, so möglich ist es doch auch, daß die Novität nach Verdienst gefällt. Dann hat man den Abend verloren und sich den Erfolg der Arbeit eines fremden Mannes selbst zuzuschreiben. Allerdings kommt man, wenn man den Erstaufführungen fernbleibt, um manchen Theaterskandal und muß so auf etliche Freuden verzichten, und es ist auch schwer zu sagen, wie man sich als Theaterskandaler ergötzen soll, wenn man die Premieren meidet. Hier versagt also mein Leitfaden. Es steht aber fest, daß man nicht mit Sicherheit auf den Durchfall eines neuen Stückes rechnen kann, wie es so allgemein geschieht.

Findet in einem der königlichen Theater eine Erstaufführung statt und ist der Hof anwesend, so starre man fortwährend in dessen Logen. Dies giebt einem das Ansehen eines begeisterten Anhängers der Regierung und ihrer hervorragenden Mitglieder, sowie das eines noch unverdorbenen Gemüts und verbindet zugleich das Angenehme mit dem Nützlichen, indem man von der vielleicht wertlosen Novität nichts oder wenig sieht oder hört. Über diese erfährt man ja am anderen Morgen jedenfalls das Nähere.

Wenn man nicht recht weiß, wie man über eine Novität urteilen soll und wie man sich amüsiert hat, so warte man gleichfalls die nächsten Morgenzeitungen ab. Erfährt man es auch aus diesen nicht, so schelte man auf die Rezensenten.

Ist man über Stück und Darstellung anderer Meinung als der Kritiker, so halte man sich für unbedingt klüger und nenne die Kritiker Dummköpfe, Hansnarren, bestochen, Liebediener, Esel, Schauerböcke, Kläffer und Verrückte, wodurch man sich den Respekt und die Bewunderung in der Gesellschaft und am runden Tisch sichert. Ist aber einer der Kritiker anwesend, so zeige man Mut und stimme ihm vollkommen bei.

Findet man eine Schauspielerin oder Sängerin häßlich, so kaufe man ihre Photographie. Auf dieser sieht sie immer sehr bezaubernd aus.

Findet man einen Schauspieler oder Sänger unbedeutend, so kaufe man seine Photographie. Auf dieser sieht er immer sehr bedeutend aus.

Ist man auf ein Freibillet ins Theater gegangen und möchte dies verdecken, so sei man ein dankbarer Zuschauer, applaudiere und lobe, denn es ist allgemein bekannt und kann auch nicht bestritten werden, daß Freibilletbesitzer stets unzufrieden sind und dem Theater gern jeden Erfolg schmälern, während sich jeder, der seinen Platz bezahlt hat, nicht gern den Genuß gewaltsam verkümmert.

Will der Besitzer eines Freibillets ein Übriges thun, um den Eindruck hervorzurufen, er habe seinen Platz bezahlt, so rufe er im Foyer mehrmals ärgerlich aus: Schade ums Geld! Wird er zur Rede gestellt, so rechne er dem Ankläger vor, daß er zehn Pfennig für den Theaterzettel und fünfundzwanzig für die Garderobe bezahlt habe. Dies stimmt häufig.

Man habe immer zwei Theaterzettel, nämlich einen zum verleihen. Denn es giebt gewerbsmäßige Zettelpumper, welche sich gern den Abend um zehn Pfennig verbilligen und, wie auf der Straße um Feuer, im Theater um den Zettel bitten, ohne wegen Bettelns bestraft zu werden.

Will man sich im Zwischenakt ganz besonders angenehm machen, so zeige man einem Freunde aus der Provinz alle litterarischen Berühmtheiten, wenn er solche sehen will. Diesen Wunsch erfüllt man, indem man einem ganz harmlosen Herrn den Namen eines berühmten Schriftstellers verleiht und dies so oft wiederholt, bis man keinen berühmten Namen mehr weiß. Da der Freund aus der Provinz keine Kontrolle ausüben kann, so hat man völlig freie Hand, und er verlebt einen interessanten Abend, vielleicht den interessantesten seines Lebens.

Wohnt man der Vorstellung eines Goetheschen Stückes bei, so äußere man dann und wann, Goethe sei eigentlich kein dramatischer Dichter. Dies macht Aufsehen und den Eindruck, man sei ein Kenner von großer Bildung. Zu motivieren braucht man den Ausspruch nicht, man sagt es gewissermaßen dienstlich.

Will man sich sehr lächerlich machen, so nenne man Kleists Hermannschlacht ein Schandstück, wie es der Bürgermeister Lueger gethan hat. Ich kann mir aber nicht denken, daß man sich sehr lächerlich machen will, abgesehen davon, daß es nicht hübsch ist, ein Plagiat zu begehen.

Ist man ein älterer Herr, so habe man jedes klassische Stück schon besser aufführen sehen. Jedem jungen Schauspieler stelle man einen längst der Geschichte angehörenden gegenüber. Den Hörer macht dies ganz hilflos, und man hat auf diese Weise doch etwas von dem Pech, älter als er zu sein.

Ist man ein Freund von beispiellos kritischem Blödsinn, so suche man nach einer Novität ein Café oder Bierhaus auf, wo Schauspieler und Theaterhabitués verkehren, und setze sich zu ihnen. Man wird ungemein befriedigt werden und gegen Morgen das Lokal mit Vergnügen verlassen.

Hat man in einer Erstaufführung einen Vorderplatz in der Loge, so überlasse man diesen galant einer Dame, die einen Platz im Hintergrund der Loge hat. Denn man kann dann bequemer flüchten, wenn das Stück allmählich unerträglich wird.

Eines Opernguckers bediene man sich nur, um an der Seite der Gattin eine andere Dame ansehen zu können, so daß die Gattin es nicht merkt. Will man ganz sicher sein, so sage man, während man eine junge Schöne ansieht: Ei, da ist ja auch die alte Frau Meier.

Sitzt man in der Vorstellung eines klassischen Dramas neben einem Herren, der dieses Drama in einer Reclamschen Ausgabe nachliest, so freue man sich, wenn in ihm während des Abends nicht die Tobsucht ausbricht.

Sitzt man im Opernhause neben einem Herrn, der die bekannteren Melodieen mitsingt, so rede man ihn mit den höflichen Worten an: »Habe ich die Ehre, Herrn Scheidemantel neben mir zu sehen?« Nutzt dies nichts, so singe man selber mit.

Was die Garderobe anbetrifft, so kann man den greulichen Zuständen, welche daselbst herrschen, nicht ausweichen. Hat man nicht Zeit zu warten, bis der Raum menschenleer ist, so rede man die Garderobefrauen, welche immer alt und verheiratet sind, mit: »Bitte, mein Fräulein!« an. Bleiben die Frauen ungerührt und wird man die Garderobenummer nicht an sie los, so verliere man endlich die Geduld und warte alles ruhig ab.

Für die Konzerte gelten natürlich manche der für den Theaterbesuch empfohlenen Verhaltungsmaßregeln, einige werden aber doch mit ganz besonderer Aufmerksamkeit behandelt werden müssen.

Der Konzertbesuch ist nicht jedermanns Sache, aber nicht jedermann ist frei genug, wenn auch nicht in Ketten geboren, um dem Konzert ganz ausweichen zu können. Der eine ist Begleiter, der andere Abholer, der Dritte hat Rücksichten auf einen Künstler zu nehmen, der Vierte ist einem Freibillet erlegen, das ihn bei irgend einer traurigen Gelegenheit anflog. Diesen allen wird wohl nicht zweimal gesagt werden müssen, daß in vielen Konzerten die Thüren des Saales während der Vorträge geschlossen bleiben, welche für die inneren sowohl als für die äußeren Besucher so wohlthätige Einrichtung sehr leicht auszunutzen ist. Man treffe eben nach dem Beginn eines Vortrages im Vorraum ein und denke erst ganz kurz vor dem Beginn der folgenden Nummer daran, sich an den Garderobentisch zu begeben, so daß man zwei versäumte Vorträge profitiert. Auf diese Weise schlägt man zwei Konzertfliegen mit einem Schlage, indem man die Zuhörer nicht stört und von der Musik nicht gestört wird.

Man erzähle seinen Stuhlnachbarn niemals, daß man dieses oder jenes Lied oder diese oder jene Klavierpiece in der laufenden Konzertsaison schon häufig mitgemacht habe. Es ist so traurig, Gegenstand des Mitleids zu sein. Es giebt Frauen, denen es angenehm ist, bedauernde Teilnahme zu erwecken, aber ein Mann muß dies zu verhindern wissen.

Wird man vom unerbittlichen Schicksal an die Seite eines gefürchteten Wagnerianers geschleudert, ohne selbst ein solcher zu sein, so suche man mit diesem in ein Gespräch zu kommen und schildere ihm die eminenten Körperkräfte, welche man leider besitzt, und das Unglück, das man hat, indem man sehr leicht in einen gereizten Zustand zu versetzen ist. Man wird dann sofort merken, daß man sich erlauben darf, eine eigene Meinung zu haben.

Man versuche einmal, in Konzerten eine eigene Meinung zu haben, selbständig zu urteilen und zu gestehen, daß einem nicht gefällt, was einem nicht gefällt, man wird alsbald finden, daß dies von Musikbolden strenge gerügt wird und nicht unter die Amnestie fällt. Man wird dann einsehen, daß mein vorher erteilter Rat durchaus nicht zu weit geht.Kommt ein Tongemälde etwa unter dem Titel »Die Welt als Wille und Vorstellung« zur Aufführung, so behaupte man nicht, es könne mit demselben Recht auch »Das Friedensmanifest des Zaren«, oder »Der Kulturkampf« heißen. Denn es hieß vielleicht ursprünglich »Die Entdeckung Amerikas«, der Musikverleger verlangte dann, es solle den Titel »Der Hund des Aubry« erhalten, man einigte sich hierauf des lieben Friedens willen auf den Titel »Der griechisch-türkische Krieg« und kehrte dann auf den speziellen Wunsch der Tante des Komponisten zu dem ursprünglichen Titel zurück, nachdem ein bedeutender Musikkritiker in der Generalprobe den Vorschlag gemacht hatte, das Tongemälde »Ouverture zu Grillparzers Weh‘ dem, der lügt!« zu betiteln und zwar mit solchem Eifer, daß es fast zwei Stunden lang so hieß.

Schläft man ein, so schnarche man. Dann wird man durch das entstehende Gelächter geweckt. Wenn man aber nicht zu schnarchen pflegt, so nehme man sich sehr vor dem Einschlafen in acht. Das Schlafen ist ja ein Menschenrecht, aber in Konzerten ist es doch wohl nicht das Passende.

Wenn man sich in einem Konzert nach Kräften gelangweilt hat, sage man dies nicht. Denn sofort würde sonst ein Freund ausrufen, daß das Konzert ein unvergleichlicher Genuß gewesen sei und der Freund wäre blamiert, obschon er dies nicht zugiebt, da in der Musik überhaupt nichts zugegeben wird.

Ist man Musiker, so thue man im Konzert ein Übriges und lasse Mozart Gerechtigkeit widerfahren, auch gestehe man ein, daß er talentiert gewesen sei. Das macht immer einen guten Eindruck. Ist man Dilettant, so sei man bedeutend strenger, da dies an Mozarts Unsterblichkeit nichts ändert.

Wenn man gewöhnt ist, jede Mode mitzumachen, so spreche man über Meyerbeer so lange wegwerfend, bis man das, was er geleistet hat, wieder anerkennt. Dann anerkenne man mit.

Ist man kein Musikkenner, so erkundige man sich sorgfältig, ob nicht aus irgend einem Grunde das Programm abgeändert, oder das Programm nicht fehlerhaft ist. Sonst ist man selbstverständlich von Bach oder Haydn entzückt und es war Bungert[August Bungert (1845-1915), Komponist], also doch immerhin etwas anderes, wodurch man den guten Freunden zu viel Vergnügen macht.

Wird als Dacapogabe das Lied mit dem Refrain »Wie einst im Mai« vorgetragen, so sei man melancholisch gestimmt, aber nicht durch dies schöne Lied, sondern weil man ihm nicht ausweichen kann.

Sollen sämtliche Müllerlieder gesungen werden, so freue man sich so laut, daß es sechs Personen weit gehört wird, denn durch das Gegenteil wird es nicht ein einziges Müllerlied weniger.

Sieht man einen Herrn, welcher eine Partitur, die er auf dem Schoß aufgeschlagen hat, nachliest, so glaube man nicht an die Notwendigkeit, mache aber keine Bemerkungen darüber. Wer kann wissen, durch welche Schicksale er so weit geführt worden ist!

Singt eine Sängerin falsch, so applaudiere man, denn erstens ist es eine Dame und zweitens sind wir alle doch Menschen. Trifft sie einmal den Nagel nicht auf den Notenkopf und ist sie jung und hübsch, so verzeihe man ihr gern. Dem Notenkopf schadet der Fehler nicht, und der Hörer wird wohl auch schon einmal einen Fehltritt begangen haben.

Läßt eine Pianistin etwas lange auf sich warten, so sei man nicht gleich ungeduldig. Noch fünf Minuten, sieh, da bringen sie sie schon.

Man gähne nicht während einer langweiligen Orchesternummer, obschon das Gähnen eine Befreiung ist. Wer aber gähnt, beweist, daß er ein Neuling, noch nicht in Konzerten abgehärtet und ebensowenig mit allen Virtuosen gehetzt ist.

Ist man ein scharfer Kritiker und will einen Künstler für irgend ein Vergehen strafen, so lobe man einen anderen. Dies kränkt ihn mehr, als ihn ein Lob freuen würde, das man über ihn drucken ließe.

Protegiert man als Kritiker einen Nichtskönner, oder eine Nichtskönnerin, und fällt er, oder sie dann im Konzert durch, so jammere man in der Kritik über den Mangel an Verständnis im Publikum und über den Niedergang des ästhetischen Gefühls. Um dem Wehgeschrei auch einen bestimmten Ausdruck zu geben, schließe man die Kritik mit den Worten: Was wird werden?

Verläßt man das Konzert und wird von einem Herrn im Garderobenraum grob behandelt, so entschuldige man sich, daß man ihm Grund zur Unzufriedenheit gegeben habe, auch wenn dies nicht geschehen ist. Es ist aber gut, wenn man zeigt, wie veredelnd die Musik auf die Menschen wirkt.

Vorlesungen sind mit Konzerten nicht zusammen zu nennen, schon ihrer Seltenheit wegen. Während die Konzerte niemals nicht stattfinden, sondern derart fortwährend, daß die Nachbarhäuser der Konzertsäle entwertet werden und deren Bewohner über Ruhestörungen und Hausfriedensbrüche klagen, stößt man nur dann und wann auf eine Vorlesung. Die in der Umgebung der Konzertsäle Wohnenden haben zwar beschlossen, an den Tagen, an welchen kein Konzert stattfindet, ihre Häuser zu flaggen, aber seit einem Jahrzehnt hat sich zu dieser schönen Demonstration noch keine Gelegenheit gefunden, dagegen lassen sich die Vorlesungen einer Wintersaison an den Fingern abzählen, die man vielleicht hierzu nicht alle braucht. Es liegt dies daran, daß wohl mehr als siebenachtel der Bewohner Deutschlands musikalisch zu sein lügen und wenigstens ein Instrument, und sei dies auch nur das Klavier, spielen oder in einer anderen künstlerischen Form toben, während die Litteratur nur ein im Vergleich mit dieser musikalischen Präsenzstärke kaum nennenswertes Kontingent mobil machen kann.

Die Vorlesung ist eine bescheidene Erscheinung und unterscheidet sich schon dadurch wesentlich vom Konzert, dessen ganzes Wesen der Radau ist, das mit Riesenlettern bombardiert und mit ellenlangen Plakaten um sich haut. Man ist also in der Lage, wenn man nicht in Vorlesungen geht, zu behaupten, daß man von ihrem Herannahen nichts gewußt habe.

Man versäume indes keine Vorlesung von Strakosch, welcher in Schaltjahren an 366 Abenden vorliest. An jedem Abend trägt er aus Schillers Demetrius vor, und es ist doch interessant, dahinter zu kommen, wer es länger aushält: Strakosch oder Demetrius. Ich glaube Strakosch, kann mich aber auch nicht irren.

Es giebt zwei Arten von Vorlesungen. Sie werden entweder von dem ebengenannten Vortragsmeister und von Mitgliedern der Bühne, welche außer dem Hause arbeiten lassen, oder von Schriftstellern gehalten, welche ihre eigenen Arbeiten vortragen. Man ziehe die Vorlesungen der letzteren vor, weil diese natürlich mehr Gelegenheit, einen Tadel anzubringen, darbieten. Hört man schlecht, so tadelt man das Organ, hört man gut, die litterarische Arbeit.

Will man dem vorlesenden Schriftsteller nicht wohl, so braucht man nur an wichtigen Stellen zu niesen oder zu husten, um ihm die Wirkung zu verderben. Ist man ihm zugethan und erkältet, so bleibt man draußen. Dies macht wenig Mühe.

Ist man ein in den weitesten Kreisen bekannter und geschätzter Schriftsteller, so bestrebe man sich, den Eindruck der größten Bescheidenheit, Anspruchslosigkeit und Naivetät zu machen, besonders wenn man diese drei schönen Eigenschaften nicht besitzt. Man besitze sie auch nicht, weil das Publikum ja doch nicht an sie glaubt.

Trinkt man gern einen Cognac, so stelle man trotzdem ein Glas Wasser vor sich hin, mache aber keinen Gebrauch davon.

Ist man Vorleser und schläft ein Zuhörer ein, so bedauere man ihn, weil ihm ein großer Genuß verloren gehe. Keinesfalls schreibe man den Schlaf dem zu, was man vorträgt. Bei einem anderen Vorleser beneidet man den Schläfer und schiebt die Schuld dem Vorleser in die Schuhe.

Hat der Schriftsteller einen großen Teil seines Vortrages beendet, ohne daß ein Zeichen des Beifalls die nötige Ruhe unterbrach, so erkläre er in der Pause, er habe gewußt, daß das Publikum für sein Werk nicht reif sei, auch wenn das Publikum das gebildetste ist.

Bezahlt man für den Platz eine Mark, so rechne man: für die Unterhaltung zehn, für Wärme dreißig, für Beleuchtung zwanzig, als Beitrag zu den Kosten fünfzehn, zu viel bezahlt fünfundzwanzig Pfennig. Höchstens bringe man noch zehn Pfennig für den Anblick vieler Frauen und Mädchen in Anrechnung, sodaß dann noch fünfzehn Pfennig aus dem Fenster geworfen sind, wenn man die Garderobe nicht abgegeben, sondern mit in den Saal genommen hat.

Ist der Vorleser ein realistischer Schriftsteller und sagt unverblümt, was man in Gesellschaft nicht sagen darf, so haben die Damen Entrüstung zu äußern, namentlich wenn sie vorher wußten, daß dergleichen zu erwarten war.Auch für den Besuch von Kunstausstellungen und Gemäldegalerieen sind einige Ratschläge nicht als überflüssig zu bezeichnen.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
250 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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