Kitabı oku: «Der moderne Knigge», sayfa 8
Hier möchte ich einiges über die Hochzeitsreisen anschließen, obschon solche in allen Jahreszeiten unternommen werden, weil die Standesämter keine Ferien haben.
Da man als Bräutigam die Frau, welche man bekommt, nicht kennen lernte, so versuche man nicht, auf der Hochzeitsreise das Versäumte nachzuholen, da es zu spät ist.
Man gebe seiner jungen Frau auf der Hochzeitsreise keinen Grund zur Eifersucht, da dies dann am leichtesten ist.
Da man an allen ihren Unterhaltungen teilnimmt, so gewähre man ihr jeden dahinzielenden Wunsch auf das zuvorkommendste.
Gerät man mit der jungen Frau in einen Streit, so gebe man nach. Nicht, weil der Klügere nachgiebt. Dies ist ein durchaus falscher Satz. Man gebe vielmehr nach, weil dies eine gute Übung für die Zukunft ist.
Man glaube nicht, daß es richtig sei, schon auf der Hochzeitsreise zeigen zu müssen, daß man Herr im Hause ist. Erstens ist man auf der Reise nicht im Hause, und zweitens lacht jede Frau über solche Versuche, ihr die Herrschaft zu nehmen.
Gleich nach jedem Zank schreibe man an die Angehörigen und Freunde, daß man sich sehr glücklich fühle. Hierzu bediene man sich der Ansichtspostkarten, damit man nicht ausführlich zu werden braucht. Nach dem fünften Zank versichere man an dieselben Adressen, daß noch kein dunkles Wölkchen den Himmel des Glücks getrübt habe. An diese Redensart hat man sich längst gewöhnt, niemand denkt sich etwas dabei, und sie verpflichtet zu nichts.
Wird der junge Gatte von seiner neuen Lebensgefährtin gefragt, ob sie seine erste Liebe sei, so bejahe er diese Frage. Natürlich glaubt sie ihm das nicht.
Wird die junge Gattin von ihrem neuen Lebensgefährten gefragt, ob er ihre erste Liebe sei, so bejahe sie diese Frage. Natürlich glaubt er ihr das.
Der junge Gatte mache keine Witze über seine Schwiegermutter, weil dies sehr geschmacklos ist, sondern zeige auf andere Weise, daß ihm nichts neues einfällt.
An der Table d‘hôte verschlinge das junge Paar sich nicht mit den Augen, sondern esse etwas, was sättigt. Der Preis des Couverts bleibt derselbe, und es kommt später sicher die Zeit, wo man sich wundert, daß man einmal so dumm gewesen ist, sich nicht satt zu essen.
Der junge Gatte übertreibe die Galanterie nicht, damit sein späteres Verhalten nicht zu sehr auffalle, besonders wenn die Dame ein gutes Gedächtnis hat. Hat sie aber ein schlechtes Gedächtnis, so empfiehlt sich die Mäßigkeit auf diesem Gebiet schon wegen der größeren Billigkeit.
Auch wenn beide geschworen haben, sie hätten nie geliebt, ist es praktisch, gewisse Briefschaften vor dem Antritt der Hochzeitsreise einzuäschern. Denn nur die Asche, trotzdem sie weiblichen Geschlechts, ist diskret.
Wir kehren zu den Sommerreisen zurück.
Hat man das große Glück, vor der Stadt eine Villa zu besitzen, welche schöner ist, als irgend ein Haus, das man auf der Reise bezieht, so verläßt man sie in den ersten warmen Tagen, um alle Unbequemlichkeiten einer sogenannten Sommerfrische vorzuziehen. Dies ist allen Reichen ohne Ausnahme zu empfehlen, damit sie nicht übermütig werden. Auch pflegen die Einbrecher, welche mit Vorliebe unbewohnte Landhäuser ausplündern, sehr für solche Sommerreisen eingenommen zu sein. Ich weiß dies genau, und man braucht deshalb keine Erkundigung in Einbrecherkreisen einzuziehen.
Man nehme nicht zu viele Schmuckgegenstände in die Sommerfrische mit, obschon sie auch dort gestohlen werden können. Ist dies an einem Ort geschehen, wo es keine Zeitungen giebt, in denen man den Diebstahl bekannt machen und vor dem Ankauf der Wertsachen warnen kann, so bekommt man diese auch nicht wieder, wenn man sie von einem Dorfbeamten ausklingeln oder austrommeln läßt.Bevor man in der Sommerfrische eine Wohnung bezieht, lasse man sich vom Vermieter versichern, daß sie ungezieferfrei ist. Nachdem man diese Versicherung erhalten hat, ziehe man ein, um nachts eine um so größere Überraschung zu erleben, namentlich aber die Freude darüber, daß man sich mit Insektenpulver und ähnlichen Reiseutensilien versehen hat. Wer dergleichen nicht besitzt, merke sich was folgt: Wanzen in Betten vermeidet man am sichersten dadurch, daß man auf dem Sofa oder auf zwei Stühlen schläft. Die Zahl der Schwaben verringert man gewöhnlich durch Töten dieser unsympathischen Haustiere. Flöhe werden dadurch zur Strecke gebracht, daß man ruhig wartet, bis sie sich, vom Springen ermüdet, irgendwo niedersetzen und arglos, wie sie sind, ergreifen lassen. Hat man sie ergriffen, so ist es eine Kleinigkeit für den Jäger, sie unschädlich zu machen. Gegen Ratten und Mäuse bediene man sich der Fallen, welche sich bequemer als Reisekatzen mitführen lassen. Bemerkt man nach dem Schlafengehen, daß sich eine Fledermaus im Zimmer gefangen sieht, so öffnet man alle Fenster und wartet, bis sie wieder herausgeflogen ist. Dann schließt man rasch die Fenster und schläft beruhigt ein.
Ist das Haus, von welchem aus man die Sommerfrische genießen will, durch Fliegen belebt, so wird man wohl selbst wissen, daß es gegen diese Plage kein besseres Mittel als Winterkälte giebt, welche allerdings fast unfehlbar wirkt, aber nicht abgewartet werden kann. Man bediene sich also aller bekannten Abwehrinstrumente und Kammerjägermittel, um einsehen zu können, daß alle nichts nützen. Da Fliegenflaschen, in denen der Spiritus jede Fliege, welche in ihn hineingeraten, betäubt und tötet, nicht aufzutreiben sein werden, sind die bekannten Fliegenstöcke zu empfehlen, welche gleichfalls selten zu haben sind, während sie in großen Städten zu Tausenden durch den Kleinhandel vertrieben werden. Sind die Fliegenstöcke aber in der Sommerfrische herbeizuschaffen, so bilden sie, selbst von bethörten Fliegen bedeckt, sogar einen Zimmerschmuck, der in Sommerhäusern selten zu sein pflegt. Allerdings muß man sie nicht näher betrachten, da der Anblick des Stangenkletterns der angeklebten Fliegen, welches in einem vergeblichen Bemühen, loszukommen, besteht, kein erquicklicher sein kann.
Über die Mücken mache man sich keine Sorgen. Man trifft sie an allen Orten der Sommerfrische. Gegen ihre Stiche verkauft jede Apotheke einige Flüssigkeiten, mit denen man die Haut oder die Verletzungen derselben einreibt. Helfen sie nicht, so spare man sich den Weg in die Apotheke, da sie das Geld um keinen Preis zurückzahlt und weil sie ferner von der Unwirksamkeit der verkauften Mittel bereits vollkommen unterrichtet ist.
Fordern die Wirtsleute einen unverschämt hohen Mietspreis, so greife man zu, weil ihre Forderung am andern Tag eine noch unverschämtere werden würde, wenn die Wohnung dann überhaupt noch zu haben ist.
Findet man, daß die Wirtsleute grob sind, so sei man selbst höflich, damit sich die eigene Bildung hier um so schärfer von dem dunklen Hintergrund abhebe. In anderer Weise ist kein Nutzen aus der Grobheit der Wirtsleute zu ziehen. Ändern läßt sich an ihr aber nichts.
Befindet sich in der Nähe der Sommerwohnung, in welcher man sich gründlich erholen will, eine klappernde Mühle, eine Schmiede, eine Kinderschule, ein Sägewerk oder dergleichen, so wird man sich nach etwa acht Tagen an den betreffenden Lärm so gewöhnt haben, daß man ihn kaum noch störend vernimmt, ja, daß man ihn später in der Heimat vermißt.Mit den Mägden und anderen weiblichen Dorfbewohnern lasse man sich in keine näheren Beziehungen ein. Sie sind sehr tugendhaft und haben schon ein Verhältnis mit einem muskulösen Standesgenossen, mit dem nicht zu spaßen, sondern nur zu raufen ist, was nicht jedermanns Sache zu sein pflegt.
Speist man im Freien, weil dies der Seele und dem Körper vorteilhaft ist, und es fällt eine Raupe in die Suppe, so gerate man nicht in Zorn, denn sie kann nichts dafür, und es ist ein Unglück für sie. Man fische sie heraus und werfe sie fort, ein anderer Rat fällt mir in diesem Augenblick nicht ein. Auch wohl später nicht.
Ist man ein Freund des Sports, so veranstaltet man ein Schneckenwettrennen im Garten hinter oder vor dem Sommerhause. Schnecken sind leicht aufzutreiben. Alsdann stellt man etwa zehn nebeneinander und beobachtet nun, welche von ihnen nach einer Viertelstunde zuerst den weitesten Weg zurückgelegt hat. Trägt diese Unterhaltung auch nicht zur Veredlung der Schnecken bei, wie dies bei den Pferden der Fall ist, so vergeht doch die Zeit angenehm, und dies ist ohne Zweifel in der Sommerfrische die Hauptsache.
Man verschiebe die Heimreise, wenn dies sich irgend ermöglichen läßt. Denn die Heimreise ist jedenfalls das Erfreulichste an einer Sommerreise, und indem man sie vertagt, genießt man also die Freude des Erwartens um so länger.
Befinden sich in der Nähe der Sommerfrische hohe Berge, welche Gletscher, Abgründe, steile Felskegel, Lawinen und ähnliche interessante Eigentümlichkeiten aufzuweisen haben, so hüte man sich, Freunden zu begegnen, welche des passionierten Bergsteigens verdächtig sind. Wird man eingeladen, den Berg zu ersteigen, so sage man zu und erscheine nicht an der Stelle, an welcher aufgebrochen wird. Man bedenke immer, daß es eine große Freude ist, bei einem Absturz mit einigen unbedeutenden Hautabschürfungen davonzukommen, daß solches aber niemals der Fall ist. Meist wird man später zerschmettert aufgefunden.
Man lasse sich nicht durch die Thatsachen verführen, daß man, abgestürzt, in allen Blättern genannt und so auf leichte Art populär wird. Man bedenke, daß dies doch mit dem Leben oder den gesunden Gliedern viel zu teuer bezahlt sein kann.
Es giebt allerdings Fälle, wo alles Sträuben nichts hilft und man der Einladung, das Klettern mitzumachen, mit dem besten Willen nicht auszuweichen vermag. Nun, wenn alle Stricke reißen, so lasse man sich anseilen.
Will man sich ohne Gefahr amüsieren, so kaufe man sich einen Alpenstock und lasse eine Anzahl Höhennamen hineinschneiden. Das Amüsement besteht darin, daß in der Heimat dem betreffenden Alpenstock geglaubt und daß man als Bergsteiger bewundert wird, während man doch nur ein gewöhnlicher Thalsteiger ist.
Man lasse sich durch die Billigkeit eines Führers nicht verleiten, irgend eine höchste Spitze zu erklimmen. Wenn man abstürzt, so wird dies Vergnügen durch den billigen Preis, für den der Führer mitgegangen ist, nicht gesteigert. Aber man versäume nicht, den billigen Führer zu empfehlen, um ihm Kunden zu verschaffen, denn er ist kein reicher Mann und hat gewöhnlich eine große Familie zu ernähren.
Will man aber eine halsbrecherische Tour unternehmen, so lasse man solche bis nach der Sommerreise. In die Heimat zurückgekehrt, ersteige man ein im Bau begriffenes hohes Gebäude mit Benutzung der außen angebrachten Leitern. Auch hier kann ein großes Unglück geschehen.Wer das Glück hat, eine schön gelegene Sommerwohnung in der Nähe der Stadt zu besitzen, soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Denn am Abend können Gäste aus der Stadt kommen. Aus einem ähnlichen Grund soll ein solcher Mann auch den Morgen nicht vor dem Mittag und den Mittag nicht vor dem Nachmittag, wie die Nacht nicht vor dem Morgen loben.
Wenn man merken will, daß man viele Freunde und Bekannte hat, so habe man eine Sommerwohnung, und man wird sofort und täglich merken, daß man mehr Freunde und Bekannte hat, als man, so lange man in der Stadt wohnte, zu haben glaubte.
Will man eine Probe auf dies Exempel machen, so ziehe man in die Stadt zurück. Hier wird man wochenlang wenige Freunde und Bekannte haben, wohl auch ganz allein sein müssen.
Man sorge für gutes Wetter, wenn man eine Landwohnung hat, denn man nimmt dem Landwohner schlechtes Wetter sehr übel, welches allerdings das Wiederkommen der Besucher nicht verhindert.
Liebt man es, Freunde auch nachts im Hause zu haben, so sorge man für Fremdenzimmer. Andernfalls erinnere man beim Abendessen von zehn zu zehn Minuten daran, daß der vorletzte Omnibus, das vorletzte Dampfboot oder der vorletzte Eisenbahnzug präzise (folgt Angabe der Zeit) nach der Stadt abgehe. In der Zeit irre man sich um zehn Minuten zu seinen Gunsten.
Sind die Früchte im Garten reif, so behaupte man das Gegenteil und erzähle eine Schaudergeschichte von einem Cholerafall infolge des Genusses unreifer Früchte.
Sehnt man sich nach zertretenen Rasenplätzen und ruinierten Blumenbeeten, so bitte man die eingeladenen Paare, ihre Kinder mitzubringen. Sie bringen sie mit.
Man strenge sich an, die Gäste so zufrieden zu stellen, daß sie die Stadt vergessen und sagen müssen, daß sie in einem guten Restaurant nicht besser bedient würden. Denn sie werden sich jedenfalls über mangelhafte Verpflegung beklagen und nur wiederkommen, um zu sehen, ob sie vielleicht besser geworden ist.
Man schärfe dem Dienstmädchen ein, solchen Gästen, welche schon beim Fortgehen auf die Verpflegung schelten, kein Trinkgeld zu geben, um sie milder zu stimmen. Sie würden es wahrscheinlich nicht nehmen, aber wenn sie es nehmen, so würde es nichts nützen. Der Nörgeler ist unverbesserlich, namentlich in Sommerwohnungen, in denen er Besuche abstattet.
Man nenne die Sommerwohnung, in deren Garten man sich während der Visite einen Schnupfen geholt zu haben glaubt, nicht gleich Mördergrube. Der Freund, der sie besitzt oder gemietet hat, brachte dir doch den Schnupfen nicht künstlich bei, und der Schnupfen verschwindet schneller, als die Bezeichnung Mördergrube, wenn du sie in Freundeskreisen verbreitet hast.
Natürlich spielt die sogenannte Badereise die Hauptrolle im Sommer.
Es gab eine Zeit, wo nur der Kranke eine Badereise unternahm, um sich die Heilung oder Linderung zu holen. Das hat aufgehört. Jetzt werden Badereisen meist von Gesunden unternommen, um sich angenehm zu unterhalten, eine geringere Zahl von solchen Gesunden wird auf die Badereise von den Ärzten geschickt, welche einige Sommerwochen Ruhe haben, nicht täglich Besuche machen und nachts nicht herausgeklingelt sein wollen. Solche Ärzte werden namentlich von Damen allen andern vorgezogen.
Wenn nur Kranke Badereisen unternähmen, so würden die Heilorte verteufelt schlechte Geschäfte machen.
Gesunde Damen, welche um jeden Preis eine Badereise thun wollen, haben solche schon während des Frühlings sorgfältig nötig zu machen. Wenn der Gatte an nichts Böses denkt, – und es giebt auch solche Gatten, – haben die Frauen über zunehmende Korpulenz zu klagen, auch wenn von dieser Korpulenz nichts zu sehen ist, als irgend eines der vielen Hilfseinrichtungen, große körperliche Steilheit zu verbergen.
Ferner zu empfehlen ist: Die Dame frühstückt in Abwesenheit ihres Gatten reichlich und ißt dann mittags nichts. Während dieser Unthätigkeit sind Klagen über gänzlich verschwundenen Appetit auszustoßen. Wird sie dabei von ihrem Gatten sehr besorgt und kopfschüttelnd angesehen, so thut sie ein Übriges und sage etwas von ihrer Furcht vor Magenerweiterung und ähnlichen Luftschlössern.
Vergeht dadurch dem Gatten der Appetit, so ist der erste Spatenstich zum Kofferpacken geschehen.
Hat der Gatte das Begehren, dann und wann den Junggesellen zu spielen, indem er den Ring in der Westentasche trägt, so hat es die Gattin leichter. Dann kommt ihr der Gatte wohl mit der Aufforderung, im Sommer etwas für ihre Gesundheit zu unternehmen, entgegen. Dann willigen die Damen nicht ein, ohne den Gatten zu bitten, sie nicht allein reisen zu lassen, was er dann unter irgend einer zugkräftigen Unwahrheit ablehnen wird, aber doch gerne hörte. So ist beiden geholfen.Hat die Dame allein die Badereise angetreten, so schildere sie, angelangt, die Öde des Badeortes, wenn sie sich umgesehen und sich überzeugt hat, daß sie sich sehr gut unterhalten wird. Trifft sie einen ihrer tapfersten Verehrer, so kündigt sie dies ihrem Gatten mit den Worten an: »Was die Gesellschaft betrifft, so ist solche überhaupt nicht vorhanden. ich habe wenigstens nicht einen Bekannten gesehen.«
Ähnlich schreibt der Mann, der seine Frau am häuslichen Herd zurückgelassen hat, wenn er in dem Badeort eine Jugendfreundin wiederfand, welche gleichfalls Heilung sucht.
Man hüte sich in einem Kurort, das erste Bouquet zu verschenken. Il n‘y a que le premier bouquet qui coûte. Denn dann nehmen die Bouquets keine Ende.
Wenn man in einem Badeort keine Ruhe haben will, so ist dies leicht zu veranstalten. Man braucht nur leicht zugänglich zu sein. Es finden sich dann immer Leute, welche andere langweilen, um sich selbst nicht zu ennuyieren.
Man habe die löbliche Absicht, seinen Lieben etwas schönes von der Reise mitzubringen und kaufe in Badeorten nichts. Auf diese Weise kann man Geld sparen. Ein anderes Mittel kenne ich nicht.
Hat man aber viel Geld oder noch mehr und hat nicht darauf zu sehen, daß es sich vermehre, so spiele man mit Herren, denen man eben vorgestellt worden ist. Alsbald vermehrt sich das Geld nicht. Hat man im Gegenteil alles verloren, so bestelle man sich per Telegraph von seinem Bankier eine größere Summe und erwiedere die Grüße der erwähnten Herren nicht mehr, denn es sind Bauernfänger. Will man aber erfahren, daß es ehrliche Leute sind, so frage man nur sie selbst.
Trifft man am Brunnen eine tiefschwarz gekleidete Dame, die im vorigen Jahr ihren Gatten und gestern ihr Portemonnaie verloren hat, so entferne man sich schleunigst, um dem jungen Mädchen den Schmerz zu ersparen, durch weitere Mitteilungen ihre Wunden noch weiter aufzureißen.
Sieht man dann am folgenden Tag an der Mittagstafel die Beklagenswerte in Gesellschaft eines reichen Amerikaners, so erhebe man sich zum Zeichen ehrender Teilnahme, was der reiche Amerikaner nicht bemerken wird.
Ist man Freund von romantischen Erzählungen, so lasse man sich von diesem Amerikaner das Glück schildern, das ihm in den Schooß fiel, indem er durch einen wunderbaren Zufall die junge Wittwe kennen lernte. Man beeile sich aber, denn es könnte doch sein, daß das beglückende Mädchen mit einem reicheren Amerikaner durchbrennt. Dann ist es zu spät.
Will man im Kurorttheater eine neue Operette hören, so warte man, bis »Die Fledermaus« gegeben wird und gehe hinein. Eine neuere Operette hat das Repertoire nicht aufzuweisen. Gastiert darin eine berühmte Soubrette, so darf man überzeugt sein, daß sie überhaupt nur gastiert, weil sie nirgends mehr engagiert wird. Lernt man sie persönlich kennen, so sage man ihr nicht, daß man sie bereits vor neunundzwanzig Jahren als Martha gehört habe. Denn dies ist vielleicht schon vierunddreißig Jahre her, und dann hat man sich blamiert.
Auf dem Wege zum Speisen weiche man behutsam solchen Personen aus, welche gerne ihre Krankheitsgeschichte erzählen. Hat aber jemand zu erzählen begonnen, so entschuldige man sich, indem man versichert, man habe leider Appetit, und entferne sich mit Schleue.
Hat man längere Zeit schlecht gegessen und wird man von einem Besucher des Badeorts mit der Behauptung, dort sei das Essen ganz vortrefflich, in ein anderes Restaurant geschickt, so sage man nicht, dies sei nicht wahr, bis man sich davon überzeugt hat. Man glaube aber nicht, daß man sich nicht davon überzeugen wird.
Wird man bei Tisch gut bedient, so gebe man freudig die verschiedenen Trinkgelder. Wird man schlecht bedient, so gebe man dieselbe Summe, wenn man morgen nicht noch schlechter bedient werden will.
Findet in manchen Kurorten schon in aller Frühe Musik statt, so ist man machtlos dagegen. Man versuche es einmal, um nichts unversucht zu lassen, mit einer Petition an die oberste Behörde des Städtchens, aber man wird keinen Erfolg zu verzeichnen haben. Das Kurorchester ist meist aus steuerzahlenden Bürgern des Badeorts zusammengesetzt, mit deren Gewerbeschein nicht zu spaßen sein dürfte, auch pflegen sie verheiratet zu sein und etliche Kinder komponiert zu haben. Man entschließe sich aber einmal, mit verstopfen Ohren an den Brunnen oder an die Quelle zu gehen, wozu man sich nicht zweimal entschließt, denn es sieht schlecht aus und nützt nichts.
Wird dem Kurgast die Zeit lang, so ist ihm das Folgende zum Zeitvertreib zu empfehlen. 1. Er richte wegen der Höhe der Kurtaxe eine Eingabe an die Badedirektion. Dieselbe wird zurückgewiesen. Alsdann wiederholt man die Reklamation. Auch diese findet keine Berücksichtigung. Alsdann zahlt man. 2. Rasiere er sich selbst, wenn er bisher gewöhnt war, sich rasieren zu lassen. Dies ist sehr unterhaltend, besonders anfangs, wo man sich ab und zu noch schneidet. 3. Gehe er zum Photographen, blättere im Vorzimmer in dem dort ausliegenden alten Jahrgang der »Fliegenden Blätter« und gehe dann wieder fort, ohne photographiert worden zu sein. Dies ist wohl das Kurzweiligste in einem Kurort.
Werden Ausflüge unternommen, an denen man teilnimmt, so finde man sich erst im Augenblick des Aufbruchs am Sammelplatz ein, so daß die Damen ihre Regenmäntel, Taschen, Schirme und andere nicht unwichtige Gegenstande bereits unter die Herren zum Tragen verteilt haben. Dies wird für ungalant und egoistisch gehalten, befreit aber von einer höchst langweiligen Last.
Will man auf gemeinschaftlichen Ausfahrten nicht durch Gespräche, die man bereits auswendig weiß, in Anspruch genommen sein, so suche man einen Sitz neben dem Kutscher zu erobern, welcher gegen ein kleines Trinkgeld das tiefste Schweigen leistet, was durch eine Gabe bei einem Kurgast nicht zu erreichen sein würde, selbst wenn er die Gabe einsteckte.
Besucht man einen Kurort gern, so wäre es sehr unvorsichtig, derart kurgemäß zu leben, daß man ihn geheilt verläßt und ihn im nächsten Jahr nicht wieder aufsuchen müßte. Man lebe also genau nach der Vorschrift der Ärzte, deren Interesse es ist, daß der Kurgast wiederkehrt. Hieraus folgt, daß man sich vor Ausschreitungen hüte, welche man sich selbst verschreibt, denn solche könnten gerade zur völligen Wiederherstellung führen, die man weise zu vermeiden sucht.
Nach der Ankunft in einem Kurort miete man sofort eine passende Wohnung. Hat man solche gefunden und fragt den Wirt, was sie koste, so sagt er das Doppelte. Sofort biete man, was sehr unvorsichtig ist, die Hälfte, denn man bekommt sie für diesen Preis, der noch um ein Viertel zu hoch ist. Man darf aber nie vergessen, daß die Wirte doch im Winter leben wollen.
Man wird in Kurorten häufig von alten Bekannten oder von noch älteren Unbekannten angeredet, welche nichts zu reden haben und sich daher kurortsüblicher Phrasen bedienen. Man sei also auf passende Antworten gefaßt. In der ersten Zeit des Aufenthalts wird man gefragt: »Sind Sie wieder hier?«, worauf man rasch nein antwortet. Dieselbe Antwort giebt man, wenn der Aufenthalt zu Ende geht, auf die Frage: »Sind Sie noch hier?« In solcher Weise trägt man vielleicht nichts dazu bei, daß diese dummen Fragen aufhören.
Ist man allein in einem kurzweiligen Kurort, so schreibe man nicht zu zärtlich an die Gattin. Sie kommt sicher.
Dieselbe Vorsicht hat die Frau zu beobachten, welche in einem kurzweiligen Kurort allein ist. Der Gatte kommt vielleicht.
Der Sommer ist vorzugsweise für Feste reserviert, welche sich zum großen Teil im Freien abspielen. Unter diesen stehen die Feste der Sänger, Turner- und Schützenvereine obenan. Sie sind bekanntlich der Schrecken der Städte, welchen von den Festgenossen der Vorzug gegeben worden ist und die zum Schauplatz des betreffenden Festes erhoben sind.
Da diese Städte mit sogenanntem Vergnügen die ehrenvolle Verpflichtung übernehmen, die lieben Gäste so splendid wie möglich zu empfangen und ihnen die Anwesenheit recht freundlich und billig zu gestalten, und da sich die Eisenbahnverwaltungen mit wahrem Entsetzen für verpflichtet halten, den lieben Festteilnehmern sehr billige Fahrkarten zur Verfügung zu stellen, so thut man gut, nicht nur einem dieser Vereine, sondern zweien oder allen dreien anzugehören, um von dem erschütternden Entgegenkommen dieser Städte und Eisenbahnverwaltungen einen fast kostenlosen Gebrauch machen zu können.
Ist man also nicht vergnügungssüchtig und singt, turnt und schießt man nicht, so wird man rechtzeitig Mitglied dieser drei Vereine und macht ihre Wanderfeste mit, nachdem man die billige Eisenbahnkarte bezahlt oder umsonst erhalten hat.
In der zum Fest bestimmten Stadt angelangt, wird man mit den andern Festgenossen, auch Brüder genannt, schon auf dem Bahnhof willkommen geheißen, was niemals geschähe, wenn man als einzelner Reisender, der seine Fahrkarte voll bezahlt hat, kein Freiquartier bekommt, nicht zu großen Festtafeln geladen wird und nicht an anderen Unterhaltungen und Festlichkeiten kostenlos teilnimmt.
Wird man zur Eröffnung des Festes am ersten Abend vom Bürgermeister der Feststadt feierlich angeredet und bildet man in dieser Anrede mit den anderen Brüdern eine Korporation, auf die das Vaterland mit gerechtem Stolz blickt und welcher das Reich Einigkeit und Festigkeit und Schutz seiner heiligsten Güter mitverdankt, so stimme man dankbar in das Hoch auf die Korporation ein, mit welchem der Bürgermeister schließt.
Es findet dann gleich der Sturm auf das Buffet statt, welches sich unter der Last der Erfrischungen beugt.
Während an den folgenden Tagen die beratenden Sitzungen stattfinden, bekümmere man sich um die Sehenswürdigkeiten der Stadt, erinnere sich aber präzise der Pflicht, dem gemeinsamen von der Stadt gegebenen Frühstück und Mittagessen beizuwohnen und an den gleichfalls von der Stadt arrangierten Ausflügen teilzunehmen, um zu beweisen, daß man den Bestrebungen des Sänger-, Turner- oder Schützenverbandes gewissenhaft und von ganzem Herzen nahesteht. So viel ideales Streben muß von jedem Bruder an den Tag gelegt werden.
Ist die Feststadt eine größere, die ein Theater besitzt, und hat dies Theater eine Festvorstellung, für die Teilnehmer des Festes gratis, arrangiert, so versäume man auch diese nicht, auch wenn man das angekündigte Stück schon kennt. Man muß eben bereit sein, der Zusammengehörigkeit ein Opfer zu bringen.
Man sei auch darin ein ganzer Mann, daß man die an den Festtafeln zur Verteilung kommenden Lieder nicht nur mitsingt, sondern sie auch sorgfältig einsteckt und mit in die Heimat nimmt.
Dem Zank der Brüder, oder gar einer zwischen ihnen ausbrechenden Prügelei bleibe man fern, damit man nicht als Zeuge beunruhigt werden kann. Man ziehe in eigenem Interesse vor, weiterzutrinken und höchstens den Kopf zu schütteln.
Gegen die Wirte des Freiquartiers sei man freundlich, wie es sich für das Mitglied eines Verbandes paßt, zu dem das Vaterland mit Stolz aufblickt. Gegen das Dienstmädchen, welches morgens das Frühstück bringt, benehme man sich ebenso.
Wohnt man als Freibeuter einem Sängertag bei, so singe man nicht nach dem Aufstehen, um sich den Wirtsleuten nicht zu verraten. Man ziehe es vor, zu turnen, während man, wenn man in gleicher Eigenschaft einem turnerischen Fest beiwohnt, getrost singen kann. Hat man aber als Teilnehmer eines Sängertages zufällig Stimme, so singe man gern und selbst bei unpassenden Gelegenheiten, so z. B. wenn die Hausfrau Zahnschmerzen hat. Aber es wird dann doch bemerkt, daß man einem Verbande angehört, auf den das Vaterland mit Stolz aufblickt.
Wohl mit größerem Stolz als auf die Sänger und Turner blickt das Vaterland auf die Schützen. Aber man sollte sich trotzdem damit begnügen, die Feste der Sänger und Turner mitzumachen und den Schützenfesten fernbleiben. Denn es wird auf Schützenfesten doch viel getrunken, und also könnte man doch leicht jemand über den Haufen schießen. Allerdings käme man mit geringer Strafe davon, aber so kurz ist keine Gefängnißstrafe, daß man sie nicht lieber ganz vermiede.
Dem wirklichen Turner, Sänger oder Schützen ist aufrichtig Glück zu wünschen, ihm aber auch ans Herz zu legen, daß er, wenn er in seiner Eigenschaft als Bürger Mitglied eines Parlaments würde, nicht so energische Reden gegen die Verwaltungen halte, wenn ihm diese nicht sparsam genug erscheinen. Denn er hat ja auf seinen Wanderfesten die armen Städte zu großen Ausgaben verleitet und hätte jeden angeschrieen, der sie zur Sparsamkeit hätte veranlassen wollen.
Wenn man Lust hat, sich im Sommer von einigen Städten gut sättigen und unterhalten und von den Eisenbahnen billig befördern zu lassen und kann bei den Turnern, Sängern und Schützen kein Unterkommen finden, so wende man sich an andere Korporationen und Vereine, welche billig zu reisen und sich ebenso beköstigt wünschen. Mit Ausnahme des Berufs der Nachtwächter hat jeder Beruf seinen Tag.
Ist man impressionistischer Maler, so wundere man sich nicht, daß man anderswo die Bäume nicht blau und das Gras nicht rot findet wie in der Heimat. Die Bäume sind nun einmal anderswo nicht blau und das Gras nicht rot, das steht fest.
Ist man Arzt und macht einen Ärztetag mit, so wird man seinen Patienten einen Gefallen thun, wenn man die Vorträge schwänzt, damit man keine neu erfundene Krankheit mit nach Hause bringt.
Ist man Journalist und nimmt an einem Journalisten- oder Schriftstellertag teil, so donnere man eine fulminante Rede gegen den Nachdruck, den man als frechen Straßenraub bezeichnet, durch den der arme Kollege das geistige Eigentum einbüßt. Namentlich thue man dies, wenn man selbst das Verbrechen des Nachdrucks verübt. Deshalb zur Rede gestellt, erzähle man von dem Diebe, der verfolgt wurde und »Haltet den Dieb!« schrie.
Als dramatischer Künstler einer Wanderversammlung der Bühnengenossenschaft beiwohnend, spreche man, wenn man das Wort ergreift, nicht von einem geehrten Vorredner, sondern von einem berühmten Seelenmaler, der eben gesprochen hat. Doch auch ohne diese Bezeichnung sagt sich die Versammlung, daß man den geehrten Vorredner für einen hilflosen Stümper hält, der keine blasse Ahnung von den Rollen hat, welche er verzapft.
Wird man dann von einem Kollegen mit den Worten angeredet, er freue sich, endlich die persönliche Bekanntschaft des berühmten Darstellers des Mephistopheles machen zu können, so sei man überzeugt, daß er ein anderes Fach spielt und man in seinen Augen eine zweibeinige Null ist.
Will man nicht durch Dankbarkeit in der großen Gesellschaft störend auffallen, so nenne man das von der Stadt gegebene Abendessen eine traurige Massenabfütterung und schwöre, da bekanntlich eine solche Stadt in den nächsten zehn Jahren nicht wieder als Versammlungsort bestimmt wird, hier niemals wieder eine Einladung zur Festtafel anzunehmen.
Man versäume nicht, einen Parteitag der Sozialdemokraten mitzumachen. Für ein Geringes wird daselbst eine vortreffliche Kost und gutes Getränk gereicht. Namentlich der Arbeiterführer lebt gerne gut, und seine Mittel erlauben es ihm auch, den Arbeitern zu zeigen, welch ein Leben er für sie erstrebt. Man beteilige sich aber nicht an den Debatten, wenn man nicht fliegen kann, weil man sonst, wider Willen aus dem Saal fliegend, sich nicht zu helfen wüßte. Die Herren sind nämlich untereinander immer sehr uneinig, und es ist daher sehr unvorsichtig, einem derselben Recht zu geben, wodurch man es mit dem andern verdirbt und leicht ins Gedränge kommt. Man kneipe also nur mit, wobei die Genossen Brüder sind und zusammen auf die Neubildung der Gesellschaft anstoßen.