Kitabı oku: «Ini: Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert», sayfa 12
Die Reisenden aus anderen Gegenden hatten sich schon entfernt, Guidos Karavane machte sich fertig, den Rückweg zu nehmen. Da will der alte Gelino, dem die Umgebung des Pols ziemlich fremd blieb, weil er sich kaum aus dem erwärmten Schlitten wagte, doch die Glanzkuppen auch noch ein wenig besehn. Sein Zögling schweifte umher; er tritt allein, wohlverwahrt, in das Freie, geht weiter. Durch die Verschiedenheit der Wirkungen ergötzt, will er ohne Zweifel andere Stellungen betrachten, dringt mehr vor, verirrt sich zuletzt in dem Labirinth. Er wählt eine falsche Richtung, wieder zu den Seinen zu gelangen, wo man unglücklicher Weise seine Abwesenheit spät bemerkt.
Nach einigen Stunden kömmt Guido, dessen kräftige Natur sich schon gewöhnt hatte, lange im Freien auszuharren; eben will man abfahren, die Bären sind angespannt. Er findet den Alten nicht, ruft, sucht in der Nähe. Umsonst! Bange um ihn, dringt er weiter und weiter, es koste was es wolle, den Greis auszuspähn.
Darüber entfliehen Stunden. Die Reisegesellschaft sucht nun beide, doch mit Vorsicht, und den Kompaß zur Hand. Gelino wird bald gefunden, doch – starr am kalten Boden. Man bringt ihn zu den Schlitten, erwärmt ihn, wendet Rettungsmittel an. Sie fruchten nicht. Der Greis ist dahin, erlag dem Angriff tödtlicher Kälte.
Die Erschrockenen beben nun für den Jüngling, denn so lange schon ist er von der Wärme fern, hat auf Ruf und Zeichen sich nicht gestellt. Ein hohes Feuer lassen sie empor lodern, Schüsse sollen dem Verirrten seinen Weg deuten, seine Diener schweifen weit umher, Guido wird nicht gefunden. Endlich kann Niemand mehr an sein Leben glauben, die Sorge für eigne Rettung mahnt, abzufahren, denn die Lebensvorräthe sind berechnet. Man läßt jedoch, auf den undenkbaren Fall, einen kleinen Schlitten zurück, den Bären davor, Speise, Getränke und Feuerung. Den mag er nehmen und nacheilen, wenn er ja wiederkehrt; keiner der Knechte entschließt sich, zu weilen.
Guido hat unterdessen auch fruchtlos den Rückweg gesucht, seine Angst um den Alten ihn zu weit in die Entfernung getrieben. Die Schüsse hat er nicht mehr vernommen, kein Feuer erblickt. Endlich, nach vielen bangen Stunden, fast verzweifelt in Gram, das Haar emporgesträubt durch die eigne Noth, da er kaum noch ein Glied zu regen vermag, gelingt es ihm, auf den Polarstern blickend und durch schnellen Lauf sein Blut in Bewegung erhaltend, nach dem Platze zu kommen, wo die Karavane stand. Er sieht einen Schlitten, und athmet wieder Hoffnung. Ohne weiter um sich zu sehn, wirft er sich hinein, die wärmere Luft ist das dringendste. Vielleicht kam Gelino selbst, denkt er, und entschlummert auf die schwere Ermüdung plötzlich.
Beim Erwachen, das vermuthlich spät erfolgt, ist die Betäubung, welche vorhin über ihn kam und seine Sinne abspannte, gewichen. Warm und regsam wieder, peinigt ihn auch die Angst um den Entbehrten desto mehr. Ob er zurückkehrte? Hinaus zu fragen!
Er meidet den Schlitten, wird aber keinen anderen inne. Keine Antwort auf sein Rufen. Was heißt das?
Wer nennt jedoch des Armen grausenden Schrecken, da er, kaum im Mondlicht lesbar, die Worte an den Schlitten geheftet fand:
„Unglücklicher! lebst du noch, so folge eilig. Der Bär ist der schnellste, wird uns einholen. Nothwendigkeiten ließen wir dir. Feuer sollen von Zeit zu Zeit brennen, daß du so weniger vom Pfade irrst.“
Guido wußte nicht, ob er träume. Ihm schauderte in der gräßlichen Einsamkeit. Wo ist mein Lehrer? Nahmen sie ihn mit? Warum davon nichts? O Himmel! nein, der hätte mich nicht zurückgelassen! Und doch was soll ich thun? Ich muß nachfliegen!
Er blickte in die Richtung des Wegs. Eine Flamme winkte in der Ferne. Sein Kompaß, wohlbezeichnet, lag im Schlitten. Wohlan!
Nun dachte er die Zügel des Bären zu ergreifen. Entsetzen! grausames Entsetzen! Der Bär lag erfroren.
Guido glaubte, eine Ohnmacht von vielen Stunden müsse diesem Augenblick gefolgt sein, denn als er wieder klar denken konnte, sah er von jener fernen Flamme nichts mehr.
Fünftes Büchlein
Guidos Einsamkeit
So war er denn verlassen, am Eispol verlassen, in tiefer, grimmiger Nacht; um ihn die Oede der kalten Wüstenei, nichts ihm winkend, als Tod. Grausame Gefährten!
Ach! rief er aus, noch hab’ ich selten mit dem Schicksal gekämpft. Mein Leben lächelte froh, die Kriegsgefahr nahte blos, mich mit edlem Ruhm zu schmücken, die Liebe erhob mich über das Leben; doch nun, nun schlagen die Gewitter desto zorniger über mich zusammen. Hier retten nicht Muth noch Kraft, hier muß ich enden! o Ini, Ini!
Doch sollte abermal ein Dolch in das gequälte Herz sinken. Indem er seine Klagen laut hinausweinte in die starre Luft, um den Schlitten irrend die Hände blutig rang, sah er in einiger Entfernung einen dunkeln Strich auf dem lichten Schnee, er nahte, es war eine menschliche Gestalt er kam hinan – es war Gelinos Leichnam!
Er sank daran nieder in wildem Ungestüm, über den neuen Schmerz den alten Jammer vergessend, küßte das kalte Antlitz mit heißen Thränen, dann riß er den Körper auf, lud ihn auf die Schulter, trug ihn an den Ofen des Schlittens, hoffte noch Leben in ihm zu wecken.
Wie man denken mag, war dies Streben eitel, auch kein Sturm der Klagen rüttelte den Todten auf. Doch mochte die traurige Auffindung glücklich für Guido sein, die regsame Mühe gab seinem doppelt schreckenerstarrten Blute wieder Umlauf und zerstreute den Blick auf sein Elend, auch sah er zu dem Feuer im Ofen, das er vielleicht sonst hätte erlöschen lassen.
Mit einem Schlummer aus Entkräftung mußte dies Treiben zu Ende gehn. Neben dem Entseelten, den Arm um ihn geschlungen, unter den nämlichen Fellen womit jener bedeckt war, schlief Guido fest ein.
Da ging ein Traumgesicht an seiner inneren Welt vorüber. Ini, noch von höherer Schönheit umstrahlt, als neulich in dem Zaubergarten, trat aus einer Rosenwolke zu ihm, nahm seine Hand und lispelte mit himmelvollem Laut: „Den Starken prüfe schweres Leid. Weise forsche er in der reichen Kraft, sie birgt Hülfe. Wir sehn uns wieder!“ Hier trat sie in die Wolke zurück, die sie dicht umhüllte und nach dem fernen Horizont zog, sich weit als eine lichte Morgenröthe verbreitend. Ueber diese Morgenröthe ging dann die Sonne auf, die Schneegefilde wichen ihr plötzlich, und ein lieblicher Frühling blühte. Von dem duftendsten Baume sang eine Nachtigall in dem Idiom der Melodie: „Wir sehn uns wieder,“ und Guido erwachte.
Ihm war, als ob er die Berührung der leisen Geisterhand noch fühle, als ob sie neues Leben durch alle seine Adern gegossen hätte. Er sprang auf, eilte hinaus. „Wir sehn uns wieder,“ umtönte es noch den getäuschten Sinn überall, von den leuchtenden Felsgipfeln schien ein Echo es zu wiederholen. Ja! rief er fröhlich, ich will mich kämpfend ermannen gegen mein Elend, du, heilige Göttin! giebst mir Stärke.
Er sann nach. Nicht unmöglich war es ja, daß andere Reisende noch ankämen, und ihn zu den Wohnungen der Menschen brächten, er mußte sich erhalten, daß in diesem Fall sie ihn lebend fänden.
Der Schlitten ward untersucht, nachdem des Greises Hülle hinausgetragen war. Lebensmittel? Ja, dürftig, auf die Zeit eines Monats etwa. Auch Feuerung. Langte bis dahin ein Retter an, war das Leben zu fristen. Also muthig.
Er ging so sparsam mit seinem Vorrath um, als es nur sein konnte, gab sich wechselnd Bewegung im Freien, und erwärmte die Glieder. Der Gedanke an seinen Traum war ein Balsam. Er kam sich oft vor, wie eine Mumie, die dieser Balsam vor Zerstörung bewahrte.
Es war um Neujahr, als der Eremit verlassen worden, der traurige Monat schwand bald hin, noch mangelte ihm aber nichts, so kärglich hatte er gewaltet. Aber auch kein Wanderer nahte. Wozu jedoch den Trost der Hoffnung aufgeben? „Wir sehn uns wieder,“ hatte das Traumgesicht verkündet.
Noch ein Monat floh hin, nun war keine Speise mehr vorhanden. Nun glaubte er das Gespenst des Todes schon zu sehn. Wo wir nicht mehr sterben, sagte er sich, dort seh ich Ini wieder. Doch sein Auge fiel auf den Eisbären am Schlitten. Daran hatte er noch nicht gedacht. Die Kälte hatte ihn vollkommen erhalten. Freudige Ueberraschung!
Er hieb mit seinem Schwerte ein Glied davon traf Anstalt es zu braten. Herrliche Kost in der Noth! Das Thier war groß. Wirklich konnte er Monate lang davon zehren.
Aber die Feuerung drohte auszugehn. Nur auf wenige Tage noch, nach dem Maaße von dort, wo Tag und Nacht gewöhnlich wechseln, gab es Stoff die kleine Flamme zu unterhalten. Wohlan, Ergebung!
Da wachte Guido einst von einem starken Getöse auf. Was ist das? Er sieht hinaus. Eine hohe Feuersäule. Der nahe Vulkan speit Schlacken-Hagel um ihn, Lava schlängelt sich in Bächen an den Gletscherkuppen, und versinket im geschmolzenen Schnee.
Fürchterlich erhabenes Schauspiel, doch freudebringend dem, der allein vom Feuer Rettung hoffen kann. Warm ist die ganze Luft von der Flammensäule, glühende Schlacken genug, sie auf den Absatz eines Kristalls zu sammeln, und den ganzen Ueberrest des Bären daran genießbar zu machen, der dann weiter weggetragen wird, wo der Schnee nicht mehr an den Gluten zergeht. Eben dies muß mit dem Schlitten, der schon tief einsank, mühevoll geschehen.
Der Vulkan ruht, speit wieder, hört auf. Die Erfahrung belehrt Guido, daß die Schlacken lange fortglühn, im Krater sieht er ungeheuern Vorrath davon. Er darf nichts mehr für sich vom Frost fürchten, doch ach! die Hoffnung auf Reisende kann er nicht länger nähren, schon ist es im März, wer wird sich noch hieher wagen? Auch noch nie hatte ein Sterblicher im Sommer zum Pol dringen können, durch das Treibeis auf dem Meer und überschwemmten Lande abgehalten Zu einer Luftfahrt war es zu weit von bewohnten Ortschaften, man fürchtete den Mangel an Lebensnothwendigkeit.
Nun ich friste das Leben, so lange ich kann, dachte Guido, die Phantasie immer noch mit seinem Traum gefüllt.
Jetzt umschimmerte ihn ein röthlich Licht, das nicht mehr, wie sonst der Nordschein, wich, sondern fortan blieb. Guidos Uhr, welche ihm allein hier den Gang der Zeit sagte, ließ ihn nicht zweifeln, das röthliche Licht sei die Dämmerung des halbjährigen Tages, der über dem Rande der Sphäroide anbrechen wollte, denn die Tag- und Nachtgleiche des Frühlings war da.
Immer mehr Helle, ein glühenderer Schein, der in vier und zwanzig Stunden um den sichtbaren Horizont lief, und an Herrlichkeit zunahm.
„Gewiß, gewiß die Morgenhelle. Ich werde die Sonne noch einmal sehn, und dann sterben.“
Welche Pracht, da endlich die klare Scheibe aus dem fernen Rand emporstieg, wo Aetherblau und Schnee sich schieden, nach jedem Umgang voller, endlich ganz heraus getreten, um nun sechs Monat zu weilen! Guido vergaß in der Trunkenheit des Entzückens, in die Zukunft zu schaun, der Anblick der Gegenwart riß ihn allein hin. Je höher die Sonne stieg, je reitzender wurde auch das bunte Feuerspiel jener bestrahlten Kuppen, die nun ihren Glanz viel heller und in mannichfacheren Farben zurückgaben.
Noch konnte Föbos den Schnee nicht schmelzen, aber die Kälte ließ merklich an Grimm nach. Bald ward aber der Boden feuchter und feuchter, die Gletscher traten mehr hervor. Guido suchte einen breiten Felszacken, den Schlitten und seinen Lebensvorrath hinauf zu retten, denn er befürchtete strömende Flut.
Dies traf auch nach einem Monate ein, wo er denn sehr peinlich auf dem Fels weilen mußte, doch verlief sich das Wasser, und breite Thäler entdeckten sich Guidos Blicken, von brausenden Gießbächen durchwogt.
Er stieg nach und nach am Gletscher nieder, den noch übrigen Vorrath nicht vergessend. Nicht ohne Gefahr, und manche Mühseligkeit duldend, konnte es geschehn. Doch sah er auch, wie die immer scheinende Sonne nun aus der Höhe mit wunderbarer Gewalt die Szenen umwandelte. Kaum waren niedrige erdige Hügel von der Winterdecke befreit, als auch Gras und Kräuter schnell sie deckten, und zu Guidos froher Befremdung Geflügel ohne Zahl sich einfand. Besonders sah er Heere von Eisvögeln, die sich ins hohe Gras bargen, und ihn hoffen ließen, er würde an ihren Eiern neue Nahrung finden, woran es ihm nun entschieden gebrach.
Die Hoffnung betrog den kühnen Ausdaurer nicht. Nest bei Nest ward gefunden, die Eier waren schmackhaft und nährend.
Seines Schlittens freute er nicht mehr. Der stand auf dem Gletscher, der hoch über ihn ragte. Aber es galt auch nicht mehr, sich gegen Kälte zu schirmen, sondern gegen flammende Hitze, die um so drückender war, als der leuchtende Körper, von dem sie niederbrannte, nicht mehr unterging. Guido empfand sogar Krankheitanfälle von dem ungewohnten Wechsel, doch waren auch Klüfte in den Thälern vorhanden, wohin er sich bergen konnte, und er säumte auch nicht, sie dicht mit Gras zu überdachen. Zudem badete er oft in den kalten Gießbächen, oder flüchtete hinter Gletscher, über welche auch der anhaltende Sonnenschein nichts vermochte. Uebrigens hielt die Witterung den gleichmäßigsten Schritt. Stürme gab es an der Achse nicht, weil nur der Umschwung des Erdballs sie erzeugen kann. Auch kein Regen sank nach dem Frühling mehr nieder, klar blieb der Aether.
Nun entwarf Guido einen Plan für die Folge. Ohne Zweifel, sagte er sich, langen im nächsten Winter Reisende an, gelingt es mir, mich bis dahin zu erhalten, bin ich nicht verloren; also, neuen Muth!
Er suchte von den Vogeleiern eine beträchtliche Menge zusammen, und trug sie an jenen Gletscher hinauf, so weit er jetzt gelangen konnte. In Vertiefungen, wohin die Sonne nicht drang, meinte er, würden sie dauern. Späterhin fand er junge Vögel in eben solcher Zahl, tödtete sie und grub sie in den Schnee tiefer Hölen, der nicht zerging. Manche wohlschmeckende Kräuter und Wurzeln wurden dazu gelegt. Gras schnitt er fleißig ab, breitete es auf den Boden. Gedörrt sollte es ihm einst zur Feuerung dienen.
Bald hatte er von dem allen so viel gesammelt, daß er mit Zuversicht in den nächsten Winter blicken konnte. Betrügt mich dann meine Hoffnung nicht, sagte er zu sich, darf ich es nicht bereuen, das wundervolle Schauspiel eines halbjährigen Tags, der Erste von den Sterblichen, gesehn zu haben.
Nach gesammeltem Vorrath, gab er sich naturkundigen Untersuchungen hin, entdeckte viel, wovon die Gelehrsamkeit noch nichts wußte, schrieb das Hauptsächliche seiner Bemerkungen, so gut es gehn wollte, auf der Innenseite eines Fells mit Kohlen von Wurzeln nieder, und erwartete sehnlich das Spätjahr, da die Sonne schon merklich sank.
Nach grade fielen die aufgestiegenen Dünste in Regen, dann in Reifgestalt nieder; die Zugvögel hatten sich entfernt. Schauderhafter wurde die Einsamkeit, da alles Leben schwieg. Die Kälte nahm merklich überhand, indem die rötheren Sonnenstrahlen immer schwächer die Luft durchwärmten, und ehe sie noch ganz untergegangen waren, verhüllte schon der dichte Schneeflor in den Lüften ihren Anblick. Oede war der langen Nacht trauriger Anbruch.
Guido trug seine Vorräthe immer höher; nach jeden Schlummer bemerkte er, wie der weiße Teppich angewachsen war, auch durch den zunehmenden Frost gehärtet. Das Verlangen nach Schlitten und Ofen wurde groß, meistens wärmte er sich nur durch die angestrengte Arbeit, seine Nothwendigkeiten von Zacken zu Zacken des Gletschers tragend, in dem Maaße, als die Schneegebirge die Thäler mehr füllten. Dann zündete er mit seinem Feuerrohr dürres Gras an, und schlummerte.
Endlich nahm die Schneedecke jene alte Höhe wieder ein, Guido war zu seinem Schlitten gekommen, und hatte auch diesen flüchten können, indem er ihn nur immer etwas aus dem letzten Schnee hervorzog. Er war vollgepackt mit Vögeln, Eiern und Wurzeln, anderweitiger Vorrath davon in eine Höhlung des Gletschers, nahe an seiner Spitze, gebracht. Das dürre Gras stand in einer hohen Piramide.
Gelinos Körper fand er nicht mehr. Den Platz auf einer flachen Steppe, wohin ihn der Jüngling neulich schaffte, hatte der Vulkan mit Schlacken und Lava überdeckt, ohne Zweifel ihn so verzehrt. Ein erhaben Grab, in der That! Die Freundschaft konnte ihm daheim es nicht so bereiten.
Nach und nach hörte das Schneien auf, grimmiger bleibender Frost folgte. Mond, Sternenlicht, Meteore, brachten die Erscheinungen des vorigen Jahres abermal hervor. Guido, wohl vertraut mit den feindlichen Umgebungen widerstand ihnen vollkommen. Im Schlitten ging die gute Erwärmung nicht ab, er hatte nicht nur Lebensmittel genug, sondern konnte auch damit wechseln. So harrte seine Sehnsucht der Mitte des Winters entgegen, und wankte die freundliche Hoffnung, richtete ihn die Weissagung des Traumes, an die er schwärmend glaubte, wieder auf.
Sechstes Büchlein
Schluß
Nicht umsonst hoffte er. Noch vor der Mitte erging er sich einst zur Bewegung, da vernahm sein Ohr fremde Laute. Er horcht, höher wallt und wogt es in der Brust, er wendet das Auge nach dem Ton hin – ein heller Fleck am Horizont!
Der Mond schien eben nicht, nur vom Schnee Dämmerung. Desto deutlicher die Flamme dort sichtbar, wie sie sich vergrößerte. Der antreibende Zuruf fahrender Männer zu unterscheiden, oft ein Geheul von Bären.
Guido warf sich auf sein Angesicht. Du unbegreiflicher Gott, dem ich hier oft den Geist empfahl, dein Geschick will mich wieder zu den Menschen bringen. Dank, dank, wenn du auf mich siehst!
Der Schlittenzug kam näher, hielt jedoch seitwärts von der Stelle wo Guido sich aufhielt. Dieser lief kaum noch athmend dorthin, blieb aber verwundert stehn, als er seinen Namen vielfach nennen hörte. Wie wissen diese Reisenden von mir? fragte er sich.
Der Zug enthielt mehr Fahrzeuge als im vorigen Jahre. Ein ansehnlicher Mann war ausgestiegen, und rief: Ich muß Guidos Leichnam finden, sonst – ich muß seinen Leichnam finden, sonst kehre ich nicht nach Rom zurück, wiederholte der Mann ängstlich.
Guido trat hinzu. Wer sucht mich? Ich bin Guido.
Unbeweglich in hohem Erstaunen blickte alles auf ihn. Niemand schien zu glauben, zu begreifen. Er ist es, fing endlich einer aus dem Haufen an, im vorigen Jahre die Reise theilend. Wir harrten lange auf dich, suchten, gaben Zeichen. Da wir den Leichnam des Alten fanden, mußte Jedermann auch auf deinen Tod schließen. Die eigne Sicherheit gebot uns Entfernung, doch blieb noch ein Fuhrwerk da —
Gut, gut, fiel der seltsame Einsiedler ein, es gelang, mich zu erhalten, daß ich froh der Rettung entgegen athme, mögt ihr denken.
Ist es kein Wahn? Lebend? Lebend? brach nun jener angesehene Mann aus, dem zeither Befremdung den Mund versiegelt hatte. Und kaum hoffte ich die theuren Reste noch zu entdecken, hielt es unmöglich —
Und wer bist du? fragte Guido, heiße Verwunderung in der Stimme.
„Lelio ist mein Name.“
Wie, Lelio, der Vertraute des Kaisers?
„Der nämliche! Um die Zeit, wo du von Lissabon dich nach Amerika gewandt hattest, brachen die Kriegflammen mit Afrika aus. Umsonst waren alle Bemühungen den Frieden zu erhalten. Das Heer, in Eilzügen aus Moskau nach Kalabrien rückend, sollte einen Feldherrn wählen. Die einmüthige Stimme nannte dich!“
Mich, mich! rief Guido mit entzücktem Staunen.
„Dich! Vom Strategion wurde zur hohen Freude des Kaisers die Wahl bekräftigt. Daß sein Wort der Entscheidung nicht fehlte, versteht sich.“
O wie viel Milde, wie viel Güte ließ mir dieser Großmonarch schon angedeihn. Ich Unglücklicher, der so selten ihn sah, noch nie ihm danken konnte!
„Eilboten flogen nach Portugall. Da warst du nicht mehr. Ein Schiff konnte die schneller bewegte Insel nicht einholen. Da es zu Philadelphia anlangte, hatte dich edle Neugierde zum Pol geführt. Man säumte nicht, dir nachzusenden. Ueberall kamen die Boten zu spät, und erfuhren von der rückkehrenden Karavane dein Misgeschick. Es ward nach Europa gemeldet. Mit dem höchsten Schmerz vernahm es der Kaiser. Ihm schien unendlich viel an den jungen Helden zu liegen, man begriff kaum, wie der sonst so gleichmüthige Mann beinahe dem Kummer erlag, wiewohl die Folge ihn gerecht nannte. Es blieb am Ende nur der traurige Trost übrig, deinen Leichnam zu suchen, und ihn nach dem Tempel der Unsterblichkeit zu bringen. So wollte es des Kaisers Machtwort. Im Sommer war es unmöglich den Nordpol zu erreichen, kaum aber brach der Winter an, als ich mich aufmachen mußte, um jeden Preis deine Hülle zu erspähn. O welch Glück wurde mir! seine Freude wird so die Schranken überfliegen, als jener Gram, von dem immer noch sein zerstörtes Herz sich nicht ermannen konnte.“
Unbegreiflich! Wie hoch, wie unverdient ehrt mich der Kaiser! Was soll ich thun, dieser Liebe würdig zu sein!
„Der Krieg begann. Die Flotte aus Brittannien nahm das Heer ein. Auf der mittelländischen See traf sie jene gefürchtete aus Neu-Karthago. Eine neue Erfindung, welche der Ruhm dir zuschrieb, machte, daß der Sieg sich zu uns neigte. Das Heer konnte in Afrika ans Land steigen. Doch hier wandte sich das Glück. Die Unsrigen, mit großer Uebermacht im Kampfe, verloren eine Hauptschlacht. Der Feldherr, dem man einige Schuld gab, sank. Nachdem der Tapferen eine große Zahl gefallen war, mußten sie zurück auf die Schiffe. Diese, nicht mehr gehörig bemannt, wurden verfolgt, liefen zu Neapel ein, während die Feinde Sizilien besetzten, wo die rohen Negerhorden der Afrikaner wilde Verheerungen begannen. Noch gelang es nicht, die Insel ihnen wieder zu entreißen.“
Sizilien! o mein Sizilien! Ini, wo magst du weilen? Wie trüben diese Nachrichten meine Wonne!
„Ein neues Heer steht jedoch in Italien. Eile, den Feldherrnstab zu nehmen!“
Fort, fort! schrie Guido, keine Minute länger. Noch einen bethränten Blick warf er auf des Lehrers Grab, unter dem Lavahügel.
Die Karavane brach sogleich zum Rückwege auf. Was ihn nur beschleunigen konnte, wandte man an, und nach zwei Wochen befand sich Guido schon wieder in Philadelphia. Dort stand noch sein Kristallblock. Diesen nahm er mit auf das schwimmende Eiland, zur Reise über den Atlantus gedungen, die sogleich angetreten wurde.
Er mied während dieser Zeit das Zimmer nicht, einen Plan zu dem Feldzuge auszuarbeiten, selbst staunend über die vielen genievollen, kühnen, niegekannten Hülfsmittel, die sich ihm aufdrangen, die hellen, gediegenen Resultate von Wissenschaft, Denken, Lebensansichten, in einen Fokus zusammenstrahlend. Nicht hatte er diesen üppigen Reichthum an Einfall in sich geahnt, und schwelgende Gefühle erfinderischer Wollust rötheten sein Antlitz flammender.
In Lissabon blieb jener Kristall. Guido stieg sogleich mit dem Vertrauten des Kaisers in eine Luftgondel, nach Italien zu fliegen. Auf den Posten von Alikante, Palma, Cagliari sah er, so viel es nur sein konnte, zu der Anstalten Eil, und traf in so kurzer Zeit, als noch nimmer Reisende, zu Rom ein.
Noch hatte er die Hauptstadt von Europa nicht gesehn, doch würdigte sein Drang sich dem Kaiser zu zeigen, das hergestellte Kolosseum, den mit Gold gedeckten Tempel der Unsterblichkeit, den Bühnen, Termen, keines Blickes. Kaum legte er ein ander Gewand an in der Herberge.
Der Vertraute eilte voran zum Pallast, dem Kaiser sein Glück zu melden. Dieser breitete die Hände dankend gen Himmel aus, schloß Guido, der gleich folgte, bebend in seine Arme, und führte ihn stumm ins Strategion, das grade eine Versammlung hielt.
Die Räthe bewillkommten ihren Gebieter mit Ehrfurcht, zugleich überrascht bei der seltenen Bewegung die an ihm sichtbar wurde. Nicht gleich konnte er noch zu Worte kommen, dann sammelte er sich, Guido in die Mitte des Saals führend, und sprach:
Ihr Väter, ich stelle euch meinen Sohn vor!
Der Jüngling starrte.
Entzücken loderte auf jeder Wange. Niemand vermogte zu reden.
Endlich fuhr der Kaiser fort: Lange genug ließ ich ihn fern von mir erziehen. Urtheilt, was mein Vaterherz empfand, wenn er mit so frühem Ruhm sein jugendlich Haupt bedeckte. Von meinem Schmerz bei jener bangen Kunde wart ihr Zeugen, und ahntet doch nicht, was meine Brust zerriß, nicht sagte ich es euch, denn immer noch schimmerte mir eine strahlende Hoffnung. Sie hat Wort gehalten!
Guido umfaßte seine Knie, Tausend jubelnde Glückwünsche, nicht von Schmeichelei, sondern von edlem Wahrheitsinn aufgelegt, wurden im Saale laut. Die Nahverwandten brachen in süße Freudenthränen aus.
Nun führe er das Heer, rief der Kaiser. Mit Schmerz entlasse ich ihn wieder, doch des Vaterlandes Noth ruft. Nicht mein Sohn, der Held, durch einmüthige Wahl gerufen.
Er führe es! rief alles.
Ja, mein erhabner Vater, ich eile ins Waffenleben und kehre nicht wieder, als meiner Geburt und deiner Milde werth, stammelte Guido, in heiliger Rührung.
Der Vater umarmte ihn wieder. Nach seinem ersten Siege prüfe ihn der Völkerrath, und erkläre ihn zum Erben des Kaiserthrons, denn ich will fortan des hohen Alters Sorge mit ihm theilen, sprach er.
Neuer freudiger Zuruf! Doch – wenn Guidos Augen das Entzücken so vieler neuerwachten Gefühle verkündeten, so überzog ein Dunkel seine Stirn, das Jedermann wahrnahm, allein Niemand zu erklären wußte.
Auch der Kaiser fand dies plötzliche Versinken in nachdenkenden Ernst räthselhaft. Schnell aber fing er an: Ich errathe ihn. Er ließ den edlen Gelino am Pol, wie mein Vertrauter erfuhr. So lange vertrat mich der Greis beim Sohn. Liebe weint dem zweiten Vater nach. Der Staat verdankt ihm die Bildung seines künftigen Oberhaupts. Mehr als Siege gilt dies Verdienst. Sucht den Leichnam, baut ihm ein Grab, das die Nachwelt ehre!
O, fiel Guido ein, sein Grab bleibe dort. Die Natur baute ihm selbst einen Obelisk. Doch sein Standbild last uns daneben erhöhn, wo Newtons Denkmal steht.
Gewährt, mein Sohn! rief der Kaiser, und was du sonst bitten willst, deine Liebe vertraue mir.
Ha mein Vater! entgegnete Guido feurig und heiter, nach meiner ersten Schlacht, ergreif ich deine Hand, dich an dies Wort mahnend.
Wohlan, sprach der Kaiser.
Man verließ das Strategion. Guido empfing die Feldherrnumgebung, hing noch mit dem schönen Ungestüm neuempfundener Kindesliebe, an der Brust des klagenden Vaters, und riß sich dann männlich weg, der Stimme des Ruhmes zu folgen.
Wehmuth, tiefe Wehmuth im Herzen mußte er bekämpfen, bei allem Glück der Hoheit, das ihn überrascht hatte. Ach, sagte er sich oft unterwegs, den Feind überwinde ich wohl, doch mich, wie mich, wenn es den Streit gilt, den ich unglückselig fürchte.
Das Heer in Kalabrien nahm ihn mit jauchzendem Beifallgetöse auf. O hätte uns Guido in Afrika geführt, rief alles, wir feierten Triumphe wo wir gebeugte Ueberwundene seufzen!
Doch ein neuer Muth beseelt die Krieger. Freudig nahm man die neuen Anordnungen auf, ihre Weisheit bewundernd. Guido ließ keinen Augenblick ohne Thätigkeit entfliehn. Jedem alten Gebrechen ward abgeholfen. Begeisterung strömte in jede Brust.
Dann eilte er zur Flotte, die man ausgebessert hatte und gab Befehl die Truppen einzuschiffen. Nicht weit von Palermos Vorland traf man auf den Feind, der mit neuer Ueberlegenheit heranzog, in Hoffnung, selbst Italiens Gestade zu betreten.
Der große Kampf begann. Reiche Ernten hielt der Tod an beiden Seiten. Mit Götterkraft leitete der jugendliche Feldherr. Seine erfundene Vorrichtung, noch jetzt vervollkommnet, brachte jedesmal Erfolg, wenn man einem feindlichen Schiffe nahen konnte. Und das geschah oft, denn trotz dem Flammenregen von Oben, trotz der Taucher Heimtücke in den Wogen, trotz dem todbringenden Donner der Batterien, gegen welche die Kunst sich mit weiser Besonnenheit vertheidigte, drang man desto kühner an, nachdem Guidos Fahrzeug das erste leuchtende Beispiel gegeben hatte.
Viele Galleonen der Afrikaner lagen im Meere, ihre Linie war durchbrochen, die hartnäckige Abwehr auf den Flügeln überwältigt, der feindliche Feldherr den Heldentod gestorben. Der Nachfolger jedoch gab über das eindringende Entsetzen die Hoffnung auf, wollte den Ueberrest retten und ließ die Signale zum Rückzug wehen.
Einige Schiffe folgten, andere, deren Mannschafft zwischen Tod und Sieg wählen wollte, nicht. Desto mehr Vortheil für die Europäer in jener Uneinigkeit. Viele wurden umschlossen und mußten, da dennoch kein Ausgang zu finden war, und sie ein Fahrzeug nach dem andern in die Wogen versenkt sahen, sich ergeben.
Guido ließ sie nach Neapel bringen, sandte eine Abtheilung gegen Sizilien, das Eiland vom Feinde zu reinigen und gab ihrem Anführer mit heißklopfendem Herzen auf, von Athania und ihrer Pflegebefohlnen Kunde einzuziehn.
Dann folgte er den Flüchtigen eilig. Manche davon fanden ihr Verderben noch vor der Heimath. Die anderen kamen ans Gestade und stellten sich in festen Verschanzungen auf, eine Landung abzuschlagen.
Guido kannte den Werth der Minute. Jene hatten sich noch nicht entwickeln können, da sprang er schon mit Tausenden von Tapfern an die Küsten und stürmte ihre Wälle. Die Minire wühlten erst Gräber, als die schnelle Kühnheit schon über sie hinaus gedrungen war. Bald waren auch Guidos Reuter auf dem Boden und bahnten sich Wege. Seine Luftkrieger trugen den Preis über ihre Gegner davon, weil sie sich eines von ihrem Feldherrn ersonnenen Geschosses bedienten, das jene noch nicht kannten. Bald war die Verwirrung unter den Afrikanern allgemein, sie mußten eine andere Stellung suchen, und das europäische Heer ward vollend ausgeschifft.
Guido, zweimal, doch nur leicht verwundet, ordnete eine zweite Schlacht, die mit Anbruch des folgenden Tages begann. Die Afrikaner hetzten angelehrte Tiger und Löwen in die Reihen, Guidos Schützen erlegten sie lachend. Tausende von Elephanten, in Harnische gekleidet, auf ihren Rücken kleine Kastelle, donnerten daher über den Boden. Sie waren dem Heere aus Neu-Karthago zu Hülfe gesandt. Guidos Batterien standen so vortheilhaft, seine großen Röhre wurden so gut bedient, daß die Ungeheuer bald den Sand mit ihren Kadavern deckten. Leichte Schützen bedienten sich ihrer als Wälle, und trafen, mittelst der von Guido erfundenen Gläser, ungesehen ihren Feind. Dichte Negerschaaren, wuthtrunken durch Opium und ein mit vorüberfliehender Tollheit füllendes Kraut, drangen gleich schwarzen Hagelwolken daher und überzogen den Boden der hellen Gefilde mit Nacht. Bald schwieg ihr Mordruf und Blutströme rannen zwischen den dunkeln Leichnamen hin.
Guido bestieg eine Luftgondel, aus der Höhe den Streit zu überblicken. Zeichen lenkten den Fortgang. Plan, Technik, Zeitgeist überwogen hier, dort die Zahl, die Tapferkeit drückte mit gleicher Schwere auf die Waage. Doch entschied der Genius endlich, die Afrikaner flohen.