Kitabı oku: «Leben als Freigeist», sayfa 2
Die Macht der Muster
Kinder gehen neugierig und mit offenen Augen durch die Welt. Alles ist neu und aufregend, sie machen viele Dinge zum ersten Mal. Kinder haben noch keinen Erfahrungsschatz, auf den sie zurückgreifen können. Deshalb reagieren sie in vielen Situationen spontan, sie folgen ihrer Intuition. An der Reaktion ihrer Mitmenschen lernen sie, dass manche Dinge funktionieren und andere nicht. Für einige Taten werden sie gelobt, für andere bestraft.
Auf diese Weise entwickeln die Heranwachsenden mit der Zeit eine Art Regelkatalog dafür, wie sie sich in einzelnen Situationen verhalten; sie handeln und bewegen sich nach bestimmten Mustern. Wenn Manuela gefragt wird, ob sie für das Schulfest einen Kuchen backt, sagt sie immer „Ja“, auch wenn sie eigentlich keine Zeit hat. Aber sie hat gelernt: Ich werde nur geliebt, wenn ich die Wünsche anderer erfülle. Im Büro geht es ihr genauso: Sie will allen alles recht machen. Für die Kollegen ist das sehr bequem. Wird es einmal eng, springt Manuela ein, auch wenn sie selber den Schreibtisch voll hat. Einmal hatte sie es probiert, „Nein“ zu sagen. Als sie bis über beide Ohren in einem eigenen Projekt steckte, da hatte sie es abgelehnt, die Kollegin bei der Vorbereitung einer Veranstaltung zu unterstützen. Die Reaktion kam prompt: „Wie kannst du mich so hängen lassen? Vor lauter Arbeit weiß ich nicht mehr, wo ich anfangen soll. Ich bin so enttäuscht von dir!“ Das Arbeitsklima wurde für ein paar Tage eisig. Die Kollegin hatte kein Verständnis dafür, dass Manuela sich abgrenzt; Argumente wurden nicht akzeptiert. Manuela hatte die stillschweigende Vereinbarung gebrochen, wer sich in ihrer kollegialen Beziehung wie zu verhalten hat. Beim nächsten Mal hatte Manuela um des lieben Friedens willen wieder gesagt: „Ja, mache ich.“ Wohl hatte sie sich damit nicht gefühlt, ihre eigenen Bedürfnisse blieben auf der Strecke, aber die Kollegin war zufrieden. – Dieses Beispiel zeigt: Je älter wir werden, desto festgefahrener sind unsere Muster. Eine Aktion x löst die Reaktion y aus, zuverlässig wie eine mathematische Gleichung. Wir schaffen es immer seltener, anders zu handeln.
Problematisch wird es immer dann, wenn zwei Menschen nach unterschiedlichen Mustern agieren, das kann ganze Beziehungen zermürben. – Astrid liebt es, wenn in der gemeinsamen Wohnung alles an seinem Platz ist. Sie hat gern den Überblick, räumt auf und sortiert alte Sachen aus dem Kleiderschrank aus, die sie sowieso nicht mehr anzieht. Ihr Mann Roland ist genau das Gegenteil: Er hamstert und häuft Dinge an, die niemand braucht, kein Sonderangebot ist vor ihm sicher. Wenn die Heckenschere mal kaputt gehen sollte, hat er noch eine auf Vorrat. Auch seine alten Legosteine will er unbedingt behalten, die könne er noch seinen Enkeln vermachen. Dabei haben Astrid und Roland noch nicht einmal Kinder.
Die beiden Muster, die hier aufeinandertreffen, sind sehr stark. Astrid hat das Gefühl, in all dem unnützen Krimskrams zu ersticken. Roland bekommt Panik, wenn der Vorratskeller nur zur Hälfte voll ist. Sie räumt auf, er füllt so schnell wie möglich die entstandenen freien Lücken wieder auf. So drehen sich die Partner im Kreis und reiben sich dabei auf, es sei denn, einer schafft es auszusteigen. Sie haben sich in einem Muster aus immer gleichen Aktionen und Reaktionen festgefahren.
! Über die Muster werden aus einst aufgeschlossenen Kindern Erwachsene mit Scheuklappen.
Viele Menschen schauen nicht nach links und nicht nach rechts. Es gibt für sie keinen Spielraum, um spontan zu agieren oder einfach mal etwas anders zu machen als sonst. Sie stecken in einem Korsett aus
sich ständig wiederholenden Verhaltensweisen. Und diese gibt es nicht nur auf der individuellen, sondern auch auf der gesellschaftlichen Ebene – wie im Kleinen, so im Großen.
Es gibt im Wesentlichen ein anerkanntes Lebensmodell, das unsere Gesellschaft bestimmt: Schon in der Schule werden wir darauf konditioniert, pünktlich und fleißig zu sein und durchzuhalten. Wenn die Schulglocke schrillt, geht jeder auf seinen Platz und sitzt still, bis die Stunde vorbei ist, egal, ob die Unterrichtsstunde interessant ist oder nicht, egal, ob wir gerade Bewegungsdrang haben oder uns die Luft im Raum viel zu stickig ist. Wir müssen unsere eigenen Bedürfnisse zurückstellen, sie sind nicht wichtig. Erst wenn die Glocke wieder ertönt, dürfen wir für 15 Minuten machen, was wir wollen – allerdings nur in den engen Grenzen des Pausenhofs. Und für den Nachmittag gibt es noch die Hausaufgaben. Schließlich kann es nicht sein, dass wir einfach frei über unsere Zeit bestimmen, das können wir ja später im Berufsleben auch nicht.
Als Erwachsene sollen wir eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren, dann Geld verdienen, Steuern zahlen und – ganz wichtig – konsumieren. Die Wirtschaft muss ja wachsen, darauf hat man sich verständigt. Und das geht nur, wenn wir alle brav mitmachen, wenn wir immer effizienter werden, das heißt immer mehr Arbeit in immer weniger Zeit leisten. Dann bekommen wir vielleicht auch mal eine Gehaltserhöhung und können uns noch mehr Dinge kaufen, die wir nicht benötigen, nur um die Leere in unserem Inneren zu füllen. Wir können ein größeres Auto kaufen, damit wir nach außen hin etwas darstellen, oder ein neues Haus bauen, denn danach werden die Nachbarn unseren Erfolg beurteilen. Nebenbei gründen wir noch eine Familie, haben vielleicht zwei Kinder und einen Golden Retriever.
In ihrer je eigenen Variante folgen die meisten von uns diesem Lebensmodell. Die gesellschaftliche Norm gibt es uns so vor und bis zu einem bestimmten Punkt stellen wir es nicht in Frage. Doch irgendwann kommt der Moment, in dem wir uns eingestehen, dass wir gescheitert sind. Denn das gegenwärtige Lebensmodell funktioniert für uns nicht mehr. Da gibt es den Familienmenschen, der vor den Scherben seiner Ehe steht. Er hat so viel gearbeitet, dass er und seine Frau sich in den letzten zehn Jahren kaum noch gesehen haben. Dort ist die ehrgeizige Bankerin, die auch mit 40 noch Sachbearbeiterin ist. All ihr Engagement und ihre Überstunden haben sie nicht in eine Führungsposition gebracht.
! Die Stressmühle läuft auf Hochtouren und wir laufen fleißig mit, ohne zu überlegen, wohin wir eigentlich unterwegs sind, wenn wir so emsig einen Fuß vor den anderen setzen. (Vgl. George, Nina: „Das Lavendelzimmer“. München 2013)
Auf diesem skizzierten Weg ist uns oft die Freude abhanden gekommen. Wir sehen keinen Sinn mehr in dem, was wir tun, in dem, was wir uns einst erhofft haben. Doch es scheint keine Alternative zu geben. Wir spüren, dass es falsch läuft, und laufen trotzdem weiter, oft hinein ins Burnout. Die Menschen stecken in einer Endlosschleife. Warum ist es so schwierig, etwas zu verändern?
Zunächst einmal deshalb, weil alle dasselbe tun; wir haben einen Konsens in der Gesellschaft gefunden, wie „das Leben“ auszusehen hat. Dieses Modell wird in den Medien propagiert und gilt als das Maß der Dinge. Es ist quasi überall und entfaltet eine Sogwirkung. Von Natur aus ist der Mensch darauf angelegt, in einer Gemeinschaft zu leben, und hatte in der Geschichte der Evolution damit Erfolg. Der soziale Zusammenhalt hat über Jahrtausende hinweg das Überleben der Spezies Mensch gesichert. Es ist in unseren Genen angelegt, uns in die Gemeinschaft einzufügen, indem wir dem Muster der anderen folgen.
Der erste Schritt hin zur Veränderung ist also, überhaupt auf die Idee zu kommen, von dem gängigen Muster abzuweichen. Für Manuela ist es selbstverständlich, dass sie für jedes Schulfest einen Kuchen backt. Sie muss erst einmal realisieren, dass in diesem Jahr Claudia mal diese Aufgabe übernehmen könnte. – Fangen Sie an, Ihre Gewohnheiten kritisch zu hinterfragen. Damit legen Sie den Grundstein, um aus der Endlosschleife auszusteigen. Müssen Sie wirklich schon wieder Ihre Frühlingsgarderobe erneuern, nur weil in dieser Saison die Farben lachs und smaragdgrün „in“ sind? Die violette Bluse aus dem letzten Jahr steht Ihnen vielleicht sogar besser.
Wenn Sie dann tatsächlich sichtbare Veränderungen wagen, werden Sie schnell feststellen, dass Sie auf Widerstand stoßen. Der mag harmlos ausfallen, wenn Sie nur eine Bluse in der „falschen“ Farbe tragen. Werden die Veränderungen jedoch größer, erleben Sie, dass das gesellschaftliche Muster vehement verteidigt wird. Kommt ein Mitglied der Gemeinschaft auf die Idee, sich anders zu verhalten, wird er oder sie im besten Fall kritisch beäugt.
Martin, ein Familienvater, will nicht mehr 40 Stunden pro Woche arbeiten. Er möchte lieber Zeit mit seinen Kindern verbringen anstatt sie ersatzweise mit teuren Geschenken zu überhäufen. Bei seinem Abteilungsleiter stößt er auf Ungläubigkeit: „Sie wollen Teilzeit arbeiten? Aber Sie sind doch ein Mann!“ Für künftige Beförderungen hat er sich so disqualifiziert. Einige seiner alten Freunde belächeln Martin, er sei ja auf dem besten Wege, Hausmann zu werden. Nach ihrem Maßstab ist das nichts wert, und außerdem führt Martin ihnen vor Augen, dass sie selbst viel zu wenig Zeit mit ihrer Familie verbringen und dass auch ihre eigene Karriere nicht so gelaufen ist, wie sie sich das zu Beginn ihres Studiums erhofft hatten. Bevor sie hingehen und ihr eigenes Leben unter die Lupe nehmen, zeigen sie lieber mit dem Finger auf den Außenseiter, das ist einfacher.
Im Extremfall werden Menschen sogar angefeindet oder aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, wenn sie sich nicht anpassen. Ein Hartz-IV-Empfänger wird gern zum Schmarotzer abgestempelt, obwohl er sich vielleicht ehrenamtlich in der Sterbebegleitung engagiert und in diesem Job mehr für die Gesellschaft tut als der Versicherungsvertreter von nebenan.
! Wenn Ihr Umfeld ein Interesse daran hat, dass alles so bleibt wie es ist, fällt es sehr schwer, sich selbst weiterzuentwickeln.
100 Jahre sind genug – warum wir neue Lebensmodelle brauchen
Das eine große Muster, nach dem unsere Gesellschaft sich ausrichtet, stammt aus vergangenen Kriegs- und Nachkriegszeiten, es zieht sich durch die gesamte moderne Geschichte. Die letzte Epoche dieser Art begann in Europa vor cirka 100 Jahren mit dem Ersten Weltkrieg und zog sich bis Mitte der 1950er Jahre durch. Bis heute haben die Weltkriege einen unmittelbaren Bezug zu unserem eigenen Leben. Auch wenn wir selbst nicht direkt daran beteiligt waren, haben Familienangehörige der vorigen Generationen ihre schlechten Erfahrungen und daraus resultierende Verhaltensweisen an uns weitergegeben. Auf diese Weise spüren wir die Auswirkungen der Kriegswirren noch heute, die Erinnerung daran hat sich tief in unser kollektives Bewusstsein eingegraben.
Wenn Sie heute zwischen 40 und 50 Jahre alt sind, sind Ihre Eltern, um 1940 herum geboren. Deren Eltern wiederum sind alt genug, um den Zweiten Weltkrieg in der Blüte ihres Lebens unmittelbar miterlebt zu haben. Diese Zeit war geprägt vom Mangel an Nahrungsmitteln, Obdach und Kleidung. Die Menschen hatten Angst um ihr Leben, das Misstrauen regierte. Die Regierung wollte das Volk kontrollieren, gleichschalten und für die eigenen Zwecke missbrauchen. Anders zu sein, war gefährlich, es gab keinen Spielraum für individuelle Freiheit.
Später in der Nachkriegszeit gab es einiges aufzuholen. Die Wirtschaft blühte, man konnte sich etwas gönnen und den zuvor herrschenden Mangel ausgleichen. Es gab das Versprechen, dass der technische Fortschritt und das Wirtschaftswachstum uns alle in den Wohlstand führen würden. Das hat eine Zeit lang funktioniert, und weil es funktioniert hat, haben wir die bewährten Verhaltensweisen von unseren Großeltern und Eltern übernommen.
Wenn wir heute aber immer noch die gleichen Verhaltensmuster an den Tag legen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre Berechtigung hatten, so stoßen wir auf eine Diskrepanz, da unsere Welt inzwischen ganz anders aussieht. Wir leben nicht mehr im Mangel, sondern kämpfen in vielen Lebensbereichen mit dem Überfluss. Der Vater verwahrte seinerzeit noch jede rostige Schraube und jedes Holzbrett, um daraus später vielleicht noch etwas zu bauen. „Man kann das sicher noch einmal gebrauchen“, ist ein Standardsatz, den Sie bestimmt schon gehört haben. Natürlich machte das in der Nachkriegszeit Sinn. Es gab ja oft nicht die Dinge zu kaufen, die gerade benötigt wurden, oder es war schlichtweg kein Geld im Haus. Heute können wir einfach in den Baumarkt gehen, wo es alles zu erschwinglichen Preisen gibt. Es besteht keine Notwendigkeit mehr, den ganzen Keller mit Material vollzustopfen, um aus dem ganzen Pool irgendwann vielleicht eine einzelne Eisenstange zu verarbeiten.
Vielmehr stehen wir vor der Aufgabe, aus dem gewaltigen Überangebot sämtlicher Dinge eine kluge Auswahl für uns zu treffen. Wie oft standen Sie schon im Supermarkt vor dem Nudelregal und haben versucht, unter 40 Sorten die richtige zu finden?
Genauso geht es uns mit all den Informationen, die täglich auf uns einströmen. Im Krieg mussten sich die Menschen um das einzige Transistorradio im Dorf versammeln, um die lebensnotwendige Information zu bekommen, wie weit die feindlichen Truppen schon vorgerückt sind. Informationen waren knapp und schwer einholbar. Heute prasseln dagegen in einem Jahr so viele Informationen auf uns ein, wie vor dem Zeitalter der Industrialisierung insgesamt in zweihundert Jahren verbreitet wurden. Aus einer Vielfalt an Medien erreichen uns Botschaften und Nachrichten aus aller Welt, die oft mit unserem eigenen Leben gar nichts zu tun haben. Hier gilt es, klug zu filtern. Statt immer mehr Besitztümer und Informationen anzuhäufen, müssen wir aussortieren. Alles andere führt zu Erschöpfung.
Unsere Wünsche und Herausforderungen sind heute ganz andere als in den Generationen vor uns. Trotzdem funktionieren wir noch so, wie es uns antrainiert wurde, nämlich nach den unbewussten Verhaltensmustern von vor 100 Jahren, und damit geht es uns nicht gut. Es ist an der Zeit, dass die jüngeren Generationen erforschen, was sie brauchen, und es äußern.
! Es macht keinen Sinn, die Bedürfnisse einer längst vergangenen Zeit zu bedienen.
Wir müssen dringend etwas ändern: Statt immer wieder in alten, längst überholten Themen herumzurühren, müssen wir uns dem zuwenden, was wir (er-)schaffen wollen. Es gilt, das Muster aufzubrechen, das von der Familie bis hin zur Gesellschaft alles durchdringt.
Dafür müssen Sie zunächst das alte Muster erkennen, wenn es Ihnen begegnet. Das mag anfangs schwer sein, denn Sie sind damit aufgewachsen und es ist zu einem Teil von Ihnen geworden. Viele Verhaltensweisen scheinen Ihnen so selbstverständlich, dass Sie sie nicht einmal bemerken, geschweige denn hinterfragen. Kurzum: Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Doch es gibt zahlreiche Spuren, die auf das alte oder neue Muster hinweisen. Nachdem Sie dieses Buch gelesen haben, werden Sie sie finden und zu deuten wissen. Die Spuren verdichten sich zu Wegweisern und Sie können sich frei entscheiden:
! Folgen Sie dem ausgetretenen Pfad zurück in die alte Welt oder gehen Sie in eine neue Richtung?
Wenn Sie in einer Situation erkennen: „Hier herrscht das alte Muster“, brauchen Sie keine Energie mehr darauf zu verschwenden. Es macht dann Sinn, die Dinge einfach sein zu lassen. Ein Beispiel: Wer das Buch „Simplify your life“ (vgl. Küstenmacher, Werner Tiki: „Simplify your life“. Frankfurt 2001) gelesen hat, kann sich vielleicht an den Tipp erinnern, seinen Schreibtisch aufzuräumen. Denn: Eine klare Umgebung schafft klare Gedanken. Aus unserer Sicht ist das ein zeitgemäßer und sinnvoller Ansatz. Wenn Ihr Chef aber in dem alten Muster steckt, wird er, sobald er Ihren Schreibtisch sieht, nicht denken: „Was habe ich für einen gut organisierten Mitarbeiter.“ Stattdessen sagt er sich vielleicht: „Oh, der hat ja nichts zu tun“, und wird Sie mit neuen Aufträgen überhäufen, die Sie verzweifelt versuchen, wieder gut zu ordnen, um die Übersicht zu behalten. Und da hätten wir sie wieder, die Endlosschleife. In einem solchen Konflikt aus alt und neu werden Sie sich totlaufen. Sie verlieren eine Menge Energie und Ihr Einsatz führt zu nichts.
Aber keine Sorge: Es gibt Hoffnung, denn in vielen Bereichen kann man schon neue Verhaltensweisen wirken sehen. Wenn einzelne Personen den Anfang machen und eigene Lebensmodelle entwerfen, können andere ihrem Beispiel folgen. Mit einer ständig wachsenden Anzahl von Menschen, die anders denken, wird sich die Gesellschaft wandeln. Um diesen Wandel einzuleiten, genügen schon 5% der Bevölkerung, vorausgesetzt, dass in allen Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen Alternativen zum herkömmlichen Muster vorgelebt werden(Welzer, Harald: „Selbst denken: Eine Anleitung zum Widerstand“. Frankfurt 2013).
! Wir alle haben die Macht, etwas zu verändern. Allerdings müssen wir dort anfangen, wo es am unbequemsten ist: bei uns selbst.
Immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, Dinge anders anzupacken. Probieren Sie es selbst aus und schauen Sie, was passiert. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie bekommen in einem Meeting auf einmal Unterstützung für Ihre Gedanken. Sie stellen fest, dass Ihre vermeintlichen Außenseiter-Ideen wohlwollend aufgenommen werden. Andere lassen sich davon inspirieren und trauen sich, ihre eigenen Ansätze laut zu formulieren. Auf diese Weise befruchten sich die Teilnehmer gegenseitig mit ihren Ideen und Neues kann entstehen. – Welch ein Unterschied zu den Meetings im alten Stil, in denen es hauptsächlich darum geht, sich zu profilieren und möglichst schnell eine Meinung in den Raum zu werfen, sei sie auch noch so undurchdacht. Statt erbittertem Konkurrenzkampf entsteht nun eine Win-Win-Situation, von der alle profitieren und in der sich alle wohlfühlen dürfen.
Das ist nur ein Beispiel für neue Verhaltensweisen, die aufkommen, wenn Sie sich trauen, Ihrem eigenen Weg zu folgen, dem Weg des Herzens. Auch wenn es Ihnen am Anfang schwer fällt, am Ende wird es sich auszahlen. Sie brauchen mit Ihren Ansichten nicht mehr hinter dem Berg zu halten, verändern Sie Ihr Muster. Legen Sie das auf den Tisch, was Sie wollen und denken.
Alles eine Frage der Energie!?
In welcher Stimmung befinden Sie sich? Oder anders ausgedrückt: In welcher Energie sind Sie gerade? Sind Sie gut gelaunt und voller Elan oder müde, nachdenklich, vielleicht eher aufgebracht?
Die Batterie in uns
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine große Batterie in Ihrem Körper. Ihre Energie ist abhängig von dem Ladezustand dieser Batterie. Aus gutem Grund heißt es im Volksmund oft: Mein Akku ist leer.
Das war einmal anders, in Ihrer Kindheit oder Jugend war Ihre Batterie fast immer voll. Beim Spielen oder Fahrradfahren, beim Herumtoben oder auf Erkundungstouren durch Wiesen und Wälder sprühten Sie nur so vor Energie. Was tun Sie heute, um Ihren Akku wieder aufzuladen?
Nach einer schönen Feier kommen Sie energiegeladen nach Hause, ganz einfach, weil die Stimmung gut war. Das Gleiche geschieht bei einem Konzert. Wenn die Band vor Energie sprüht und Sie sich mitreißen lassen, springt der Funke auf Sie über. Am Ende verlassen Sie die Veranstaltung in positiver Stimmung. Stellen Sie sich vor, dass Sie nach einem anstrengenden Arbeitstag heimkommen und müde sind. Da klingelt das Telefon und Sie sprechen mit einer guten Freundin. Schon während des Gespräches realisieren Sie, dass Sie wacher werden, Ihre Lebensgeister kehren zurück. In all diesen Fällen hat sich Ihre Batterie wieder aufgeladen.
Das Aufladen kann auch über Ihre Gefühle geschehen. Ob Sie verliebt, verärgert oder wütend sind, in intensiven Gefühlszuständen mobilisieren Sie Energie, die Sie nicht in sich vermutet hätten. Selbst Aufmerksamkeit ist pure Energie. Wem schenken Sie Ihre Aufmerksamkeit? Kinder fordern sie vehement ein, genauso wie die ganze Werbeindustrie oder Ihr Arbeitgeber. Da stellt sich doch die Frage, was man mit Ihrer Aufmerksamkeit macht. Warum ist sie allen so wichtig?
In einem Interview beschreibt der Kabarettist Dieter Nuhr, wie ihn die Stille fasziniert, wenn er bei einem Auftritt vor 2.900 Menschen eine Denkpause einlegt. Er sagt, dass das Lachen gar nicht so anders klingt als bei 800 Menschen. Die Stille aber sei bei einem großen Publikum viel intensiver (vgl. Nuhr, Dieter: Interview „Wo treten Sie am liebsten auf?“).
Wenn so viele Personen ihre Aufmerksamkeit auf die Bühne richten und gespannt warten, wie es weitergeht, fließt pure Energie in seine Richtung. Mit dieser Energie wird seine Show noch besser, davon profitiert wiederum sein Publikum. Alle tanken Ihren Akku auf.
! Die Energie in Ihrer Batterie stellt Ihre Lebenskraft dar.
Die Sonne strahlt, wir tun es auch
Wenn wir über Menschen mit Ausstrahlung nachdenken, kommen uns oft Bilder von berühmten Persönlichkeiten und Schauspielern in den Sinn. Betritt einer dieser Menschen die Bühne, kann man diese Präsenz förmlich spüren. Es ist nicht nur deren Persönlichkeit, die strahlt wie eine kleine Sonne. Vielmehr ist dieser Mensch mit einem Feld aus Energie umgeben – genauso wie die Sonne ein Feld aus Wärmestrahlung in ihrem Umkreis erzeugt.
Nun ist es so, dass nicht nur berühmte Menschen eine Ausstrahlung beziehungsweise ein Feld um sich herum haben, sondern alle – auch Sie. Dieses Feld ist nicht sichtbar, dennoch ist es ein Teil von Ihnen. Es ist mal größer und mal kleiner. Sie spüren es, wenn Ihnen jemand zu nahe kommt, der kein Distanzgefühl hat, der Ihnen quasi auf die Pelle rückt. Sie haben es vielleicht schon gespürt, als der Mensch noch weiter entfernt war. Ihr Energiefeld ist nämlich größer als Sie denken.
! Jeder Mensch hat ein eigenes Energiefeld.
Kommen Sie mit anderen Menschen in Kontakt, überlagern sich die Felder. Das ist ganz natürlich, und solange Sie sich einander langsam annähern, ist das in Ordnung. Über Gespräche, gemeinsame Interessen und Unternehmungen lernen Sie sich im Laufe der Zeit kennen. Doch wenn Sie plötzlich mit fremden Menschen in Kontakt treten, ist all dies nicht vorausgegangen. Sie werden von dem, was andere mitbringen, überrascht. Völlig unterschiedliche Energiefelder berühren und überlagern sich. Hier prallen Welten aufeinander, wie es so schön heißt. Stellen Sie sich vor, Sie bekommen zusammen mit drei fremden Menschen einen Garten geschenkt. In dieser Gemeinschaft sollen Sie ohne Absprache, ohne weitere Worte, den Garten bestellen. Das Grundstück wurde nicht gevierteilt, es steht allen offen zur freien Gestaltung zur Verfügung. Die anderen drei und Sie beginnen nun, sich in die Arbeit zu stürzen, jeder nach seinen eigenen Vorstellungen. Wie wird wohl der Garten aussehen? Klingt das Ganze nicht jetzt schon verwirrend und konfus?
Genauso dasselbe geschieht mit den Energiefeldern, die wir ausstrahlen. Wenn sich verschiedene Felder beziehungsweise Interessen überlagern, kann schon mal ein wildes Durcheinander entstehen. Um sich nach einer solchen Begegnung wieder zu sammeln, brauchen Sie buchstäblich Raum für sich, einen Raum, in dem Sie sich wieder auf Ihre eigene Energie besinnen können und nicht mit den Feldern anderer in Kontakt kommen.
Die Energie der Gruppendynamik
Sobald mehrere Personen an einem Ort zusammentreffen, erzeugen diese gemeinsam ein Energiefeld. Um das zu verstehen, gehen wir noch einmal in die Situation eines Meetings hinein: In der Firma ist es üblich, an einem festen Wochentag ein Meeting abzuhalten. Donnerstags um 11 Uhr kommen die Mitarbeiter der Abteilung zusammen, um Informationen auszutauschen, damit alle auf demselben Stand sind. Eigentlich ist das Meeting allen lästig, die „normale“ Arbeit wird unterbrochen, und da sowieso alle zu wenig Zeit haben, müssen die liegengebliebenen Angelegenheiten später erledigt werden. Diejenigen Mitarbeiter, die pünktlich eintreffen, warten auf die Nachzügler. Diese führen noch eben schnell ein Telefonat zu Ende oder holen sich einen Kaffee. Dann stürzen sie in den Besprechungsraum, der zu eng ist und in dem es nicht genügend Stühle für alle gibt. Wie wird wohl die Stimmung in diesem Raum sein? Können Sie die grundlegende Gereiztheit erahnen? Die Leute fühlen sich körperlich unwohl und sind mit ihren Gedanken woanders.
Einige haben sogar Angst, denn als erstes wird der Chef auf die aktuellen Umsatzzahlen eingehen, die hinter den gesteckten Zielen zurückgeblieben sind. Den beiden Verkäufern im Team bricht der Schweiß aus, denn das Verkaufen fällt nun mal in ihren Verantwortungsbereich. Zwar sind die Zahlen auf dem hervorragenden Niveau des Vorjahres, aber es war eine weitere Steigerung um 15 % vorgesehen. Die Leistung, die im letzten Jahr noch toll war, ist jetzt nichts mehr wert, sie haben versagt. So beurteilt es der Chef nach seinem Muster und macht die beiden vor versammelter Mannschaft nieder. Die Schamröte steigt ihnen ins Gesicht, und die anderen Mitarbeiter werden immer kleiner auf ihren Sitzen.
In einer solchen Situation ist die Spannung spürbar. Es herrscht sozusagen „dicke Luft“. Man kann sie nicht sehen und doch fast mit den Händen greifen. Die Fenster sind geschlossen, die Luft ist verbraucht und steht im Raum. Parallel dazu steigt die Temperatur, die Menschen heizen sich gegenseitig auf. Wenn jetzt noch ein falsches Wort fällt, kocht die Stimmung über.
All diese Faktoren schaffen eine unangenehme Atmosphäre im Raum. Sie ist mit unseren normalen fünf Sinnen nicht zu erfassen und doch kann sie jeder wahrnehmen. Als sechster Sinn signalisiert unser Bauchgefühl, dass hier etwas nicht stimmt. Intuitiv reagieren wir auf die negative Stimmung, die alle Meeting-Teilnehmer gemeinsam erzeugt haben.
Wie ist dieses Energiefeld entstanden? Eine große Rolle spielt der enge Raum. Normalerweise halten Menschen körperlichen Abstand voneinander, sofern sie nicht zum engsten Familien- oder Freundeskreis gehören. Unter Kollegen würde man cirka eine Armlänge Distanz wahren. In dem kleinen Meetingraum ist das nicht möglich. Die ungewollte Nähe verursacht Unbehagen, da die Kollegen in die intime Zone eingedrungen sind. Die Energiefelder der einzelnen Personen überlagern sich.
Die meisten Mitarbeiter sind ohnehin schon gestresst, als sie den Raum betreten. Ihre Anspannung steigt weiter, als der Chef aus seiner Machtstellung heraus die beiden Verkäufer herunterputzt. In einer solchen Situation ist es sehr schwierig, dass Sie in Ihrer eigenen Stimmung bleiben. Selbst wenn Sie mit guter Laune in das Meeting gegangen sind, wird sich nach und nach Ihr Energielevel an das der anderen Kollegen anpassen.
Auch das selbständige Denken fällt nicht mehr so leicht. Eigentlich hatten Sie eine gute Idee, die Sie heute vorstellen wollten. Aber nachdem der Vorgesetzte seine Aggression an seinen Mitarbeiter ausgelassen hat, fühlen Sie sich klein. Sie trauen sich nicht mehr, aus dem Schutz der Gruppe herauszutreten und Ihren Vorschlag vorzubringen. Denn damit machen Sie sich angreifbar. Vielleicht war Ihre Idee ja doch gar nicht so gut. Ihre eigenen Gedanken verschwimmen und die Gruppendynamik hat die Überhand gewonnen.
Ist das vielleicht der eigentliche Sinn des wöchentlichen Meetings? Sicher werden alle Mitarbeiter auf denselben Stand gebracht. Aber es geht nur vordergründig um den Informationsaustausch. Auf einer tieferen Ebene findet eine Machtdemonstration statt. Der Chef hat seinen Standpunkt klar gemacht und die einzelnen Personen auf den Kurs der Firma eingestimmt. Nicht umsonst spricht man von der Corporate Identity, der Firmenidentität, der sich das Individuum unterordnet.
! Gruppen erzeugen ein eigenes Energiefeld.
Energieraub – der perfekte Coup
Mit dem Akku in uns reagieren wir wie ein batteriebetriebenes Gerät. Verbrauchen wir viel Energie, kommen wir in unseren „roten Bereich“ und laufen auf Reserve. Dann ist es Zeit, sich aufzuladen. Wenn wir auf Dauer mehr Energie verbrauchen als uns guttut, müssen wir immer mehr und immer länger an unserer Ladestation auftanken.
Der Energieverbrauch ist mit unserem Verhalten und unseren Tätigkeiten verbunden. Wenn Sie das Gefühl haben, Sie verbrauchen zu viel Energie, ist es sinnvoll, sich in einer Alltagswoche einmal selbst zu beobachten. Womit laden Sie Ihre Energie auf und was kostet Energie? – Ihre Batterie können Sie ganz allein füllen oder dafür in Kontakt mit anderen Menschen treten. Ein schönes Telefonat mit einer Freundin hilft zum Beispiel beiden Gesprächspartnern. Sie laden auf angenehme Art und Weise Ihren Akku auf.
In dem Meeting aus dem vorigen Kapitel geschieht etwas anderes. Ein Vorgesetzter nutzt seine Position aus und demotiviert seine Mitarbeiter unangemessen. Vermutlich geht es ihm danach besser, er hat seine Batterie dadurch wieder aufgeladen, dass er seinen Mitarbeitern Energie weggenommen hat. Hier hat ein Energieraub stattgefunden. Für viele Menschen ist das die einzige Möglichkeit, ihre Batterien aufzuladen.
Es ist wichtig, seinen eigenen Energieverbrauch beziehungsweise Energieverlust kennenzulernen. Denn Energieräuber lauern überall. Sie sind mitten unter uns, oft da, wo wir es nicht erwarten. Unauffällig zapfen sie uns an und entladen unseren Akku.
Das ist mit einer vor Kraft strotzenden Lokomotive vergleichbar. Sie hat zu Beginn nur zwei Wagons im Schlepptau und zieht elegant auf den Gleisen entlang, doch nach und nach werden ganz nebenbei weitere Wagons angehängt. Die kraftvolle Lokomotive zieht Trittbrettfahrer und Menschen an, die sich am liebsten huckepack tragen lassen. Schon bald sieht die Lokomotive nicht mehr so elegant aus. Ihre Kraft hat trotz regelmäßiger Ladezeit nachgelassen. Frustriert denkt sie an ihren früheren Elan zurück und bemerkt nicht, dass sie mittlerweile 20 Wagons zieht. Sie möchte noch bessere Batterien haben, um mehr Energie speichern zu können. Doch die offensichtliche Lösung erkennt sie nicht: Wie wäre es, den einen oder anderen Wagon abzukoppeln!