Kitabı oku: «Harzmagie», sayfa 12

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Elisabeth antwortete nicht, sondern nahm noch einen Schluck, bis das Brennen in ihrem Körper ganz verschwand.

»Ich habe gerade einen kleinen Hund eingefangen, der den Weg entlang gerannt kam. Hat zwei älteren Leuten gehört. Die haben vielleicht geschimpft und mir von völlig irren Halbstarken berichtet, die ihren Hund verjagt hätten. Kann es sein, dass sie unter anderem dich meinten?«

Elisabeth nickte schwach.

»Hast du ihn denn nun erwischt?«

»Fast!«, sie machte eine Pause, dann konnte sie endlich weitersprechen. »Ich habe alles gegeben, aber dann hat er sich umgeblickt und auch beschleunigt. Wir haben uns ein Rennen bis hierher geliefert. Ich meine, ich bin so schnell gelaufen wie noch nie in meinem Leben, und er ist mir dann immer noch davongerannt. Der Albert ist wirklich überirdisch schnell.«

Sabrina sah sie bekümmert an. »Das ist alles meine Schuld, dass du jetzt so kaputt bist. Aber ich war so wütend!«

Plötzlich grinste Elisabeth Sabrina an. »Aber er hat richtig Schiss bekommen, als ich näher kam. Ich habe ihn total verunsichert. So schnell vergisst der mich nicht.« Dann roch sie an ihrem T-Shirt und fragte ihre Freundin: »Findest du, dass ich müffle?«

Sabrina musste daraufhin lachen, was ansteckend wirkte.

Als Martha Schubert wenig später zur verabredeten Zeit auf den Parkplatz fuhr, ging es Elisabeth wieder so gut, dass sie entspannt atmen konnte. Sie stiegen ein.

»Na, diesmal seid ihr ja richtig schnell gewesen«, kommentierte Sabrinas Mutter. »Wenn ihr noch schneller werdet, dann schaffe ich es nicht mehr nach Wernigerode und zurück, oder ihr müsst nächstes Mal zwei Runden laufen.« »Nein, für heute haben wir genug«, antwortete Sabrina. »Jetzt brauchen wir ganz dringend eine Dusche.«

Tränkebrauer


Seine Mutter musste wieder nach Berlin fahren. Auch wenn Theobald inzwischen wusste, dass Lylly, die Freundin seiner Mutter, tot war, verstand er nicht, warum der Rat plötzlich so viel von ihr wissen wollte. Andererseits verschaffte ihm das eine der für ihn viel zu seltenen Gelegenheiten, im Nachbarkeller zu experimentieren. Die Arbeiten, die sie ihm aufgetragen hatte, damit er nicht auf dumme Gedanken kam, erledigte er in großer Eile und war schon nach ein paar Stunden fertig.

Dann begab er sich durch den Bastelkeller und den Gang, den er geschaffen hatte, bis er in seinem Versteck im Nachbarhaus ankam. Dort entzündete er einige Taschenlampen, denn der Strom war hier abgestellt. Er hatte sich nicht getraut, aus dem eigenen Keller bis hierhin ein Kabel zu legen. Schließlich stellte er den mitgebrachten Käfig mit der Katze auf einen Tisch und holte die kleine Bügelflasche hervor. Er musterte sie erst von außen und hielt sie gegen das Licht. Die Flüssigkeit sah trübe und milchig aus. Er hatte sich einiges einfallen lassen müssen, um an diese Probe von Elisabeths Trank zu kommen. Sicher hätte er sie fragen können, aber irgendein inneres Gefühl hatte ihm gesagt, dass es keine gute Idee gewesen wäre. Nun würde er erst in aller Ruhe das Gebräu untersuchen und dann seine Ergebnisse präsentieren.

Um an Elisabeths Trank zu gelangen, hatte er sich dafür während der Pause im Kartenschrank versteckt, nachdem er das Schloss des Klassenzimmers mit einer Büroklammer so blockiert hatte, dass man nicht mehr absperren konnte. Als Frau Schramm es schließlich bemerkt hatte, hatte er den Namen Vinzenz gehört. Offenbar hatte die Klassenlehrerin ihm das Unheil zugeordnet. Als sie losgegangen war, um den Hausmeister zu holen, war Theobald aus seinem Versteck getreten, hatte Elisabeths Tasche geöffnet und den Trank herausgeholt. Kaum hatte er die Flasche eingesteckt, da hatte er auch schon Schritte vernommen. Es war ihm keine Zeit mehr geblieben, zum Schrank zurückzugelangen. Also hatte er sich hinter die Tafel gequetscht. Doch er hörte nur ein kurzes Gemurmel und ein Ruckeln an der Tür. Dann wurde er eingeschlossen. Als die nächste Stunde begann, war er im allgemeinen Tumult hinter der Tafel hervorgetreten und hatte seinen Lateinlehrer ganz unschuldig angeblickt und behauptet, er hätte Tafeldienst gehabt. Der verwirrte ältere Lehrer hatte nur genickt und sich wieder auf seine Aktentasche konzentriert. Schweißgebadet war er dann an seinen Platz zurückgegangen und hatte sich die ganze Stunde nicht richtig konzentrieren können. Doch sein Coup hatte sich gelohnt.

Nun, im Keller, überlegte Theobald, was er schon wusste. Elisabeth hatte ihm gesagt, dass dieser Trank ihre Krämpfe linderte, wenn sie sich aufregte und auch mal aus Versehen tierisches Eiweiß abbekam. Das sprach für eine neurologische Erkrankung, aber auch gleichzeitig für eine schwere Allergie. Beide Wirkungen in einem Gebräu? Vielleicht löste tierisches Eiweiß auch die gleichen Krämpfe aus, und der Trank blockierte dann das Immunsystem. Da er durch ihre Mutter einige der Zutaten kannte, weil diese sie bei ihm nachts gegen Bargeld gekauft hatte, war er zuversichtlich, mehr herauszubekommen. Es wollte ihm immer noch nicht in den Kopf, dass alle diese hochgiftigen Stoffe Krämpfe lindern sollten. Sicherlich waren viele Gifte in minimaler Dosis auch Heilmittel, aber die Mengen, die Frau Wollner eingekauft hatte, hätten dann für Jahre reichen müssen.

Er machte einige einfache Nachweise und konnte die Bestandteile, die ihm geläufig waren, bestätigen. Leider konnte er mit seinem kleinen Labor keine quantitativen Bestimmungen durchführen. Für einen Praxistest hatte er sich die Katze besorgt. Auf dem einen Bauernhof in Zellerfeld gab es viele davon und sie vermehrten sich so stark, dass es nicht auffallen sollte, wenn eine fehlte. Es war leicht gewesen, sie anzulocken und in den Käfig zu stecken. Nun wollte er sehen, wie der Trank sich auf das Tier auswirkte.

Er nahm einen kleinen Holzspatel und tupfte ihn vorsichtig in den winzigen letzten Rest des Tranks, gerade so tief, dass er leicht feucht wurde. Dann holte er die Katze heraus. Sie wollte ihm entwischen, aber er packte sie am Nackenfell und setzte sie auf seinen Schoß. Als er sie streichelte, beruhigte sie sich schnell wieder und schnurrte. Er redete beruhigend auf sie ein und nahm den Spatel. Als er vor ihrem Gesicht damit auf und ab wedelte, schlug sie erst mit der Pfote danach, dann schnappte sie zu und kaute etwas auf dem Spatel herum. Genau darauf hatte er gehofft. Er beobachtete sie weiter. Dann erschrak er, als die Katze plötzlich zu würgen begann und sich wild aufbäumte. Bei dem Versuch, sie festzuhalten, riss er die Trankflasche vom Tisch. Sie zerbrach auf dem Fußboden. Vom einen auf den anderen Moment fiel die Katze zuckend in sich zusammen. Daraufhin regte sie sich nicht mehr. Er stupste sie an, aber sie war zu seinem großen Entsetzen tot.

Voller Kummer über das Resultat begutachtete er das Tier. Das hätte nicht passieren dürfen, nicht mit einer Katze. Die Tiere waren zäh und er hatte weniger als einen Tropfen verwendet. Die Wirkung war also viel stärker gewesen, als er gedacht hatte. Aber das würde heißen, dass die Konzentration des Trankes extrem hoch war und auch, dass Elisabeth schon viele Male hätte tot umfallen müssen. Was stimmte da nicht? Welche anderen Komponenten machten den Trank für Elisabeth so einzigartig? Bei personalisierten Zaubertränken nahm man gerne Teile der Zielperson, um die Wirkung zu spezialisieren, das wusste er, aber dies war doch nicht etwa …

Er blickte auf die Pfütze und die Splitter. Dann nahm er entschlossen sein Amulett ab und wandte den Blick nach innen, bis er seine Kraft gefunden hatte. Als er die Augen wieder öffnete, glommen sie weiß. Die Farben des Raumes um ihn herum wirkten nur als stumpfe Graustufen. Seine eigene gelblich-grüne Aura, die durch sein Leben und seine Kräfte entstand, hob sich um seine Hände und Arme gut vom Hintergrund ab, ebenso wie der Trank auf dem Boden, der in einem hellen silbrigen Blau leuchtete. Magie!

Kopfschüttelnd betrachtete er ihn ganz genau. Es gab keinen Zweifel. Verwirrter als vorher wechselte er zurück auf die normale Sicht.

Das erklärte so einiges, warf aber neue Fragen auf. Die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich. Wenn der Trank Magie enthielt, dann kam sie beim Brauen hinein. Wenn sie dabei hineinkam, dann musste sie jemand einbinden, der über magisches Potenzial verfügte, und das wiederum hieß, dass Frau Wollner zaubern konnte. Aber das war unmöglich! Er hatte sie des Nachts einmal betrachtet, da hatte sie nur die gewöhnliche schwache Aura eines normalen Menschen gehabt.

Das ergab alles keinen Sinn. Außerdem, wenn Elisabeth den Trank regelmäßig nahm und nicht tot umfiel, dann unterdrückte er sicher mehr als nur ein paar Allergiekrämpfe. Das Zeug brachte in kleinsten Mengen Katzen um. Moment! Wenn Elisabeths Mutter einen Tarnzauber einsetzte, so wie er einen in dem Amulett trug, dann könnte sie ihre Kräfte verbergen. Aber wie? Ebenfalls mit einem Amulett? Die waren extrem selten. Außerdem hatten Hexen es nicht nötig, ihre Aura zu verbergen. Menschen konnten Auren nicht sehen und Hexen nur, wenn sie ihren Blick aktivierten. Zwar konnte man die Aura selbst dann verbergen, aber das kostete – wie jeder Einsatz von Magie – Kraft. Was verbarg Frau Wollner? Was war sie? Und Elisabeth?

Wenn er mal annahm, dass Frau Wollner eine Schamanin oder Hexe war, dann war es wahrscheinlich, dass auch ihre Tochter die gleichen Kräfte besaß. Er hatte Elisabeths Aura noch nie betrachtet, doch dafür hatte ja er auch noch keinen Grund gehabt. Warum sollte eine Mutter ihre eigenen Kräfte verbergen und ihre Tochter systematisch vergiften? Das ergab für ihn keinen Sinn. Wie er es auch wendete, es fehlten ihm Details. Vielleicht kam er der Sache näher, wenn er den Trank nachbraute. Aber dafür brauchte er noch einige Komponenten. Er könnte vielleicht seinen Booster auch so milchig machen, wenn er etwas an den Zutaten drehte. Den Booster hatte Elisabeth vertragen. Möglicherweise brachte dies ihn der Aufdeckung des Geheimnisses näher.

Beherzt griff er nach seinen Utensilien und machte sich ans Werk. Er musste nur noch so eine Bügelflasche auftreiben, aber die gab es nur bei den Wollners. Er würde noch einmal stehlen müssen.

Spieglein, Spieglein an der Wand


In ein dickes Handtuch gewickelt trat Sabrina aus der Dusche. Sie war froh, nach dem Lauf heute endlich aus den verschwitzten Klamotten raus zu sein. Während sie das eine Handtuch um sich herumgewickelt hatte, rubbelte sie mit dem anderen ihre Haare trocken, als sie in ihr Zimmer ging. Irgendwie lief in diesem Schuljahr alles etwas anders. Sie hatte endlich eine Freundin gefunden und auch mit Theobald wurde die Freundschaft besser. Es schien gerade so, als wenn Elisabeth die ganze Zeit gefehlt hätte. Sabrina konnte sich nicht daran erinnern, jemals so viel Sport gemacht zu haben, aber es ging ihr richtig gut. Sie stellte sich vor ihren großen Ikeaspiegel und musterte sich. Man sah noch nicht, dass sie nennenswert abgenommen hätte, aber das kam sicher bald.

Über den Spiegel fiel ihr Blick erst auf das Kleid, das immer noch an ihrem Schrank hing, dann auf die Handschuhe, die auf ihrem Nachtschrank lagen. Sie hatte sie jetzt schon lange nicht mehr angelegt. Nachdem, was zuletzt passiert war, verspürte sie nicht mehr viel Lust dazu. Ein bisschen Angst hatte sie schon vor ihnen. Als sie den Blick wieder hob, fuhr sie vor Schreck zusammen. Im Spiegel stand die alte Frau vom Friedhof hinter ihr, die sie tadelnd anblickte. Sabrina wirbelte herum, doch da stand niemand. Vorsichtig drehte sie sich wieder zum Spiegel und da war sie – in demselben mitternachtsblauen Seidenkleid und mit korrekt frisierten schneeweißen Haaren. Sie deutete in ihrem Spiegelbild hinter sie und dann auf die Handschuhe.

Sabrina starrte in den Spiegel, als könnte sie ihren Augen nicht trauen. Sie wandte sich erneut um, nur um ihr Zimmer wieder leer vorzufinden. Was passierte hier mit ihr? Da lagen die Handschuhe. Wollte die Alte im Spiegel die Handschuhe zurückhaben oder dass sie diese anzog? Sabrina floh aus dem Zimmer ins Bad. Sie schloss die Tür ab und überlegte. Jemand, der nicht da war, konnte ihr hoffentlich nicht in einen anderen Raum folgen. Oder doch? Ihre Beobachtung mischte sich mit Erinnerungen aus Horrorfilmen, die sie heimlich aus dem Internet heruntergeladen und die ihr die Nackenhaare zu Berge hatten stehen lassen. Das Bad war noch immer voller Dampf vom Duschen. Aber als sie den Spiegel frei wischte, stand die Alte direkt hinter ihr. Sabrina konnte nicht anders, sie stieß einen gellenden Schrei aus und versuchte, aus dem Raum zu kommen, aber in ihrer Panik riss sie den Schlüssel aus dem Schloss und bekam ihn nicht wieder hinein. Ihre Mutter rief von unten hoch, ob alles in Ordnung sei, doch sie konnte nicht antworten. Zitternd lehnte sie den Kopf gegen die Tür.

»Ich träume das nur ... ich träume das nur ...«, sagte sie laut zu sich. Endlich bekam sie den Schlüssel wieder hinein, sperrte auf, sprang in den Flur und stieß beinahe mit ihrer Mutter zusammen.

»Kind, was machst du für einen Lärm?«, verlangte diese zu wissen.

»Ich … ich …« Sie konnte ihrer Mutter wohl kaum erzählen, dass sie Geister von Menschen im Spiegel sah. »Ich habe noch immer nicht abgenommen«, stammelte sie.

Der Blick ihrer Mutter wurde milder. »Du bist eben traditioneller gebaut, so wie ich. Das ist nichts Schlimmes. Es gibt viele Jungs, die stehen auf etwas solidere Frauen.«

Das war das Letzte, was Sabrina jetzt hören wollte. Sie zog eine Grimasse, huschte in ihr Zimmer und knallte die Tür zu. In ihrem Zimmer hielt Sabrina hinter der Tür inne. Noch einen Schritt und sie würde sich wieder im Spiegel sehen.

»Gehen Sie weg!«, sagte sie dann. Dann entsann sie sich, dass sie den gruseligen Geist mit den Handschuhen vertrieben hatte. Ohne in den Spiegel zu schauen, sprang sie bäuchlings aufs Bett und schnappte sich die Handschuhe. Als sie diese übergestreift hatte, hob sie die Hände in Karate-Kampfpose und drehte sich um.

»Das wurde auch Zeit!«, meldete sich jetzt das Spiegelbild der alten Frau hinter ihr.

Sabrina blickte sie sprachlos an.

»Wie dem auch sei, zunächst muss ich dir danken. Du hast mein Geschenk angenommen. Ich hatte schon so meine Zweifel.«

»Aber … aber …« Sabrinas Verstand wollte einfach nicht richtig arbeiten. Dann sagte sie das Einzige, was ihr einfiel, weil es bei dem Geist auch schon funktioniert hatte. Dazu reckte sie ihre Brust vor und sprach mit leicht bebender Stimme: »Ich befehle Ihnen, gehen Sie weg!«

Das amüsierte die alte Frau sichtlich, denn sie hob vornehm die Hand und kicherte leicht, doch dann wurde sie wieder ernst und räusperte sich.

»Sehr nett, ich sehe, du hast schon die Grundzüge des Vertreibens verstanden, aber bei mir funktioniert das nicht. Ich bin nicht wirklich hinter dir!«

Sabrina überlegte fieberhaft. Sie hatte so viele Geschichten gelesen und gesehen, dass ihr jetzt mehrere Möglichkeiten einfielen, was hier gerade geschah. Schließlich überlegte sie laut: »Dann visualisiere ich Sie nur hinter mir? Sie stecken in den Handschuhen, richtig?«

Die Dame schien milde beeindruckt. »Ja und nein. Die Handschuhe erleichtern gewisse Dinge, auch die Kommunikation mit dir, da du noch so wenig weißt. Später wirst du sie dafür nicht mehr brauchen. Hast du eine Ahnung, wer ich bin?«

Sabrina brauchte gar nicht lange zu überlegen. »Sophie Wilhelmine Steiger! Sie sind am selben Tag gestorben, an dem ich geboren bin.«

»Richtig, meine Liebe. Und ich bin jetzt ein Teil von dir.«

»Was?«

»Es heißt Wie bitte. Aber im Wesentlichen hast du recht. Als ich starb, erwählte ich dich als meine nächste Inkarnation und du hast mich vor ein paar Wochen akzeptiert.«

»Moment mal. Ich habe niemals gesagt, dass ich Sie wäre.« In dem Augenblick, als sie es sagte, wurde ihr klar, dass das nicht stimmte. Sie hatte genau diese Worte bei dem Geist verwendet. Sie hatte es ihm ins Gesicht geschrien und ihn dann geboxt.

Offenbar las die Alte ihre Erkenntnis aus ihrer Miene ab. »Aha, du erinnerst dich also doch. Braves Mädchen. Bei all den Gruselgeschichten in deinem Leben wundert es mich ehrlich gesagt, warum du nicht schon früher darauf gekommen bist. Ironischerweise ist das doch dein größter Traum, oder?«

Die alte Frau machte eine Geste zu all den Büchern und wies zuletzt auf das Poster, wo sie das Bild von Bis(s) zum Morgengrauen manipuliert hatte.

Sabrina schluckte. »Aber das ist eine romantische Vampirgeschichte!«

»Ich werde dir einmal etwas über Vampire sagen. Es sind abgrundtief böse, blutsaugende und lebensverachtende Mistkerle. Den schmalztriefenden Schund, den ich mit dir habe anschauen müssen, hätte mir die Galle hochgetrieben, hätte ich noch meinen Körper gehabt. Oh, du musst noch so viel lernen.« Sie beugte sich etwas vor. »Vampire werden DICH fürchten!«, sagte sie mit einem Blick grimmiger Entschlossenheit.

Beide Frauen starrten sich über den Spiegel an. »Seit wann genau stecken Sie in mir?«, verlangte Sabrina zu wissen. »Sie sind doch nicht während meiner …«

»Genau!«, fiel die Frau ihr ins Wort. »Seit deiner Geburt. Seit diesem schönen Tage hast du zwei Seelen in deinem Körper. Na ja, genug Platz ist ja hier drin.«

»Was erlauben Sie sich? Raus aus meinem Körper!«

»So einfach ist das nicht. Das braucht Übung. Ich habe dich ganze sechzehn Jahre beobachtet und mich nun entschlossen, dich endlich auszubilden.«

»Zu was? Ich bin keine Hexe.«

»Nein, nein, keine Hexe. Mädchen, du wirst etwas Besseres, eine Nekromantin, genauso wie ich eine war.«

Zwinkerte die alte Frau etwa? Sabrina gaffte zurück.

»Nun ja, da gäbe es noch eins zu tun. Dein unvollständiges Ritual hat mich nur so weit gestärkt, dass ich jetzt über dein Spiegelbild mit dir reden kann, wenn du die Handschuhe trägst. Aber wenn du bereit wärst, mich endlich zu akzeptieren, dann könnten wir mit der Ausbildung beginnen.«

»Und warum sollte ich das wollen?«

»Nun, du hast dem Geist an den Kopf geschleudert, du seist ich. Und Geister, musst du wissen, sind zuweilen fürchterliche Tratschtanten. Sicherlich hast du mitbekommen, dass Inga einen Bannfluch auf mein Grab gelegt hat, dass ich nicht mehr raus kann. Sie muss also schon gepetzt haben. Ich habe mir in meiner Zeit nicht nur Freunde gemacht. Willst du nicht vorbereitet sein, wenn man dich findet?«

Sabrina wurde bleich. »Was? Wird der Geist etwa wiederkommen?«

»Oh nein, dieser Spezielle nicht. Er hat sicher viel zu viel Angst, dass du ihn auslöschst, sollte er deinen direkten Befehl ignorieren und hier nochmal aufkreuzen. Aber andere könnten und werden kommen. Du hast dich als mich ausgegeben und damit einen Teil des Bundes gesprochen. Ich werde jetzt meinen Teil versprechen und dann werden wir wahrhaftig eins sein.«

Die Alte kam näher. Sabrina zitterte jetzt am ganzen Körper.

»Damit du dich mit mir leichter tust, trete ich nur in Erscheinung, wenn du mich rufst. Aber ich werde stets bei dir sein – wie schon immer.«

Als die Alte direkt neben ihr stand, stammelte Sabrina, die merkte, dass etwas Unausweichliches passieren würde: »Wird es weh tun?«

»Nein, das hat es bei deiner Geburt. Dies wird eher eine Befreiung für dich.« Dann richtete die Alte sich zu ihrer vollen Größe auf, dass sie fast genauso groß wie Sabrina war, und sprach: »Ich bin Sabrina Wilhelmine Schubert! Ich bin sie und sie ist ich.« Dann von einem Augenblick auf den anderen trat sie in Sabrinas Körper.

Sabrina erschauerte kurz, weil die Berührung eiskalt war. Zu ihrem Erstaunen fühlte sie jetzt die andere Präsenz. Eine Stimme klang in ihrem Kopf.

Eine Kleinigkeit wäre da noch. Lass mich nur machen.

Mit aufgerissenen Augen sah Sabrina, wie sich ihre Hände bewegten. Sie konnte gar nichts tun. Die Hände zogen die Handschuhe aus und öffneten die Kommodenschublade. Sabrina sah sich selbst einen Cutter entnehmen, den sie sonst zum Schneiden von Papier verwendete. Sie schnitt sich dann in beide Hände. Es tat höllisch weh und das Blut tropfte auf den Boden. Eilig zogen die Hände die Handschuhe wieder an. Während das Blut in die Handschuhe sickerte, spürte Sabrina plötzlich, wie eine kalte Macht von ihnen ausging. Sie waren jetzt wirklich wie Haut.

Sie gehören jetzt ganz und gar dir, Sabrina!, klang die Stimme in ihrem Kopf. Du kannst damit jeden körperlosen Geist fangen, festhalten und abwehren. Aber sie könnten noch viel mehr. Sie werden dir helfen, bis du so mächtig geworden bist, dass du sie nicht mehr brauchst. Und damit genug für heute. Ruf mich immer im Spiegel und nenne mich Wilhelmine. Sollte dir leicht fallen, den Namen nicht zu vergessen.

Plötzlich war ihre Präsenz nicht mehr spürbar. Sabrina stand immer noch vor dem Spiegel. Das Handtuch war heruntergerutscht, doch sie merkte es nicht. Was war sie da eben eingegangen? Hatte sie eine Wahl gehabt?

Dann ging die Tür auf und ihre Mutter blickte herein. Sabrina quietschte erschrocken, hob eilig das Handtuch auf und scheuchte sie raus. Oh, was dachte ihre Mutter bloß von ihr? Sie kam immer im unpassendsten Moment herein und schon wieder trug sie diese Handschuhe.

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22 aralık 2023
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