Kitabı oku: «Die Poesie des Biers», sayfa 10
Der oder das Radler – akzeptabel?
Gewiß nicht. Beides nicht. Unter keinen Umständen. Das ist klar.
Diese symptomatischen Symptome unserer am Gesundheitswahn krankenden Zivilisation, das Radler und der Radler, sind zugleich ihre beinahe schlimmsten Flüche, sie ordnen sich direkt hinter dem Atom, al-Qaida, Austern und der Arschbombe ein.
Gründlich zu preisen wären im Grunde alle Fahrraddiebe der Welt, insbesondere die in Frankfurt am Main augenblicklich äußerst agil agierenden, denn sie säubern unser Straßenbild zumindest lokal und temporär von arroganten, bewegungsfetischistischen Elementen mit nußschalenartigen Kopfbedeckungen, an die Gott bei der Schöpfung nicht gedacht hatte und über deren unheilbare geistige Verwirrung später wenigstens Flann O’Briens Roman Der dritte Polizist (1940) ordentlich Auskunft gab, indem er an Hand des Fahrrads über die unheilvolle »Atomtheorie« aufklärte.
Keiner näheren Erörterung bedarf der Radler in Gestalt des Sportlers, zu dem wir zudem den Paraphänotyp des sogenannten Radkuriers zählen müssen, der sich in ohnehin unzumutbaren Städten wie Münster und München (ergänze: Frankfurt, Freiburg, Frankenthal et cetera) zu einem Massenärgernis ohnegleichen entwickelt hat. Mastbullen in synthetischen Wurstpellen (Radlerhosen) bringen jeden Verkehr zum Erliegen und verhelfen einer furchterregenden Alltagskleidungsästhetik zum Durchbruch, vor der wir nur die Augen verschließen können. »Der Radsport soll abgeschafft werden«, forderte deshalb der Radphilosoph Michael Rudolf (Das Fahrradbuch, Leipzig 2003) im Juli 2005 in der taz.
Auch gegen das Radler erhob er ebenda die Stimme, denn das Radler ist sehr übel und untrinkbar. Das entsetzliche Mischgetränk wurde im Sommer 1922 vom Wirt der Kugler Alm, dem ehemaligen Gleisarbeiter Franz Xaver Kugler, erfunden. Noch heute zieht das in Rede stehende Etablissement in Oberhaching nahe München-Süd Tausende von Radlern an, die nach nichts anderem trachten, als ihrem frevlerischen Tun durch den Verzehr einer »Radlermaß« (Bier mit Zitronenlimo) die Krone aufzusetzen.
Für seine Innovation gehörte Kugler post mortem aufs Rad geflochten. Die Frankfurter Henninger-Bräu, die 1994 anläßlich der dreiunddreißigsten Auflage des Radrennens »Rund um den Henninger-Turm« das erste industriell gefertigte Radler auf den Markt kippte, ist hernach verdientermaßen in die Klauen des Konkurrenten Binding gefallen. Im Verbund mit anderen professionellen Schändern des Biergedankens überschwemmt man seither allerdings die Welt mit einer apokalyptischen Zahl von Bräumixturen, allesamt Abkömmlinge des »verkotzten« (Ror Wolf) Radlers: Alsterwasser, Diesel, Moorwasser, Neger, Dreckiges, Schweinebier, Panasch, Wurstwasser sowie, unter Beigabe von Weißbier, Bananenweizen und Russ’.
Kurzum: Könnte man gegen die und gegen das Radler nicht die Bundeswehr einsetzen? Verfassungskonform wäre das sicher. Andernfalls sei landesweit ein Gesetz zum Nichtradlerschutz einzubringen. Radlerfreie Kneipen sind überfällig, zum Erhalt der geistigen Volksgesundheit.
Oberneuses
Zwischen Schönbrunn und Zettmannsdorf, im fränkischen Bierkellerland, liegt Oberneuses, und auf Oberneuses, wo es zwar keine Brauerei, aber eine Kellerstraße gibt, legt sich ein dicker Nebelschaum, nur auf Oberneuses, ein undurchdringlicher Nebelschleier, der exakt vom Ortseingang bis zum Ortsausgang reicht, so, als wolle Oberneuses nicht, nein, partout nicht mittun beim allgemeinen Biergebrumme rundherum, einfach seine Ruhe haben und unbehelligt bleiben, das will Oberneuses, das ist sicher.
Bock around the clock
Seit wann die Brauerei Seelmann in Zettmannsdorf im Steigerwald den Bockbieranstich zelebriert, weiß nicht einmal Juniorbrauer Georg Seelmann genau. »Wahrscheinlich so seit fünfundzwanzig Jahren«, murmelt er, die ewige Zigarette im Mundwinkel, »seit der Gebietsreform, als die uns Schönbrunn zugeschlagen haben. Aber halt auf jeden Fall immer am ersten Samstag nach dem Buß- und Bettag.«
Es ist kurz nach sieben, und der Saal des 1847 gegründeten Familienbetriebs ist schon ziemlich voll. Zwei Bolleröfen heizen seit Tagen vor. Etwa vierzig Bierbänke bieten zweihundert Eventtrinkern Platz, darunter zahlreichen »Auswärtigen«, wie der Franke sagt. Eine Frankfurter Gruppe von Rockern hämmert bereits die zweite Runde Bock in sich hinein. Später am Abend disqualifiziert sie sich auf unrühmliche Weise.
Gerade wird eine Busladung Jugendlicher in den ehemaligen Speicher geschüttet. Drei, vier Aushilfskellnerinnen, forsche Mädels aus dem Bamberger Umland, das dem Bierkenner als »der Nabel der Welt« (www.bierkeller.de) gilt, knallen die Halblitertonkrüge, die »Seidla« zu 2,20 Euro, auf die weißblauen, von der Raiffeisenbank zur Verfügung gestellten Plastiktischdecken. Rote Schleifen und weißblaue Wimpel zieren etwas linkisch die gekalkten Wände, vor den klapprigen Strebenfenstern hängen blaßrote Stores, und am Querbalken der hohen Decke funzelt eine bordellrote Neonröhre.
»Des is’ mei’ erster Bockanstich«, beichtet die für unseren Tisch zuständige Aushilfe, doch ihr gerötetes Gesicht zeugt davon, daß ihr die landstrichtypischen Hauptnahrungsmittel, Bier und Schweinefleisch, nicht fremd sein dürften. Derweil dirigiert Seelmann jr. die letzten eintreffenden Trupps in die Ecken. Der Laden ist aufgefüllt, das Abfüllen kann beginnen.
Auf der Bühne heizt »Dieter« an der Franz-Lambert-Orgel einem Saal ein, der sich in Windeseile von selbst aufheizt. Bockbier ist bei einer Stammwürze zwischen 16 und 18 Prozent eine Art Kopfheizung – zumal der klare, von einem feinen malzrauchigen Nachtrunk beseelte Seelmann-Bock, der nach zwei Halben schlagartig den Schädel verschleiert. Einen Alkoholwert von 10 Prozent vermutet die eine Bedienung, die nächste spricht von 7,8, die eigenen Berechnungen nach der zu vorgerückter Stunde rausgerückten Brauergeheimformel »Stammwürze 17,8 geteilt durch drei plus 0,5« ergeben eindeutig schummrigkeitserzeugende 6,43 Prozent.
Die genügen vollauf. Die Frankfurter am Nebentisch scheitern mehrheitlich schon nach zwei Stunden. Die uniform schwarzgewandeten Gesellen zollen der tückischen Lieblichkeit des rostbraunen Tranks Tribut und strecken ihn in einem Akt der Verzweiflung mit Cola – ein Sakrileg, das Herr Rehse, ein begnadeter Bierkundler aus dem Odenwald, nicht durchgehen lassen kann. »Verkauft nicht euren guten Bock / An das Cola-Bier-Gesock’«, schüttelt er einen Kampfreim aus dem noch wackeren Kopf, weshalb ihm Brauerstochter Christine, die zu wasserstoffblondem Haar vor allem einen glitzernden Rockernietengürtel trägt, das dunkelblaue Tapferkeits-T-Shirt des Hauses überstreift, auf dem zu lesen ist: »Bleib der Heimat treu, / Trink Seelmann Bräu«.
Solche Brauerlyrik verlangt Gegenlyrik. »Der Maus den Käs’, / Dem Ratz den Speck, / Dem Beatle den Rock / Und mir den Bock«, wirft Frau Rehse ein, ihre Tochter spendiert die Sentenz: »Draußen gibt’s nur Kännchen, drinnen gibt’s nur Bock«, und der Schwiegersohn schwingt sich zu einem wagemutigen »Mein Name ist Bier – Bock Bier« auf.
Dieter an der Orgel kämpft währenddessen um die akustische Vorherrschaft, aber das Saalgeräusch überschwemmt alles – dieser anschwellende Bockgesang der Zecher und Zischer, dieses Wogen, das plötzlich kurz abebbt, als zagte die Gemeinde einen Moment lang, um umgehend wieder hinaufzurauschen in fette Höhen aus Clustergeschrei und durstig-kraftvoller Kakophonie.
Längst gehorcht der Deckelabzieh- und Bezahlvorgang postmodernen Free-Style-Regeln. »Na, wos meinst, wos hast?« fragt Seelmann jr. und gesteht sogleich: »Eigentlich is’ mir des Bockwurst. Siehst, etz sin’ 1.000 Promille im Saal«, freut er sich und eiert davon.
»Ein besseres Bier gibt’s kaum«, sagt Herr Rehse, der mit einer immensen Portion Bockbierschäufele – Schweineschulter mit rohem Kloß und Kraut – eine stabile Grundlage geschaffen hatte. »Wer so zu brauen versteht, darf die Welt betrunken machen. Man muß die Maßstäbe hoch ansetzen, um tief fallen zu können«, grinst er.
Einige sind bereits gefallen – gleich auf die Bänke, auf den Boden in der Gaststube, eingehüllt in Schlafsäcke, oder in ihre Wohnwagen oder Igluzelte, die auf der schlammigen Wiese hinter dem Haus stehen.
Um eins kommt der Shuttle-Bus aus dem zwanzig Kilometer entfernten Bamberg, und der alte Brauer Georg Seelmann sen. schleicht wahrscheinlich noch immer umher, zufrieden lächelnd, seine verschreckte weißbraune Katze zart im Arm wiegend.
Mosers Mühen
Nun, wie ist’s denn gewesen beim Bockbieranstich, fragt Moser. Nicht schlecht, nicht schlecht, aber ganz schön heftig, ganz schön deftig, sagt Kenzmann.
Du, verstehst, ich hob’s net a so mit dem Bock, verstehst, sagt Moser. Moser nimmt einen Schluck Weizen. Naa, mit dem Bock, des homma net a so.
Moser fährt den rechten Zeigefinger aus und schiebt mit dem schon länger nicht mehr geschnittenen Fingernagel die Brille zurück auf den breiten Nasensattel.
Du, mir kenna uns ja, sagt Moser, des wär’ nix. Wenn mir Bock trinken tät’n, naa. Auf ei’m Bein steh’n ma net, logo, und wir mög’n uns ja auch, deshalb wer’n des fünfzehn, fünfzehn Bock.
Moser nimmt einen Schluck aus dem Weizenbierglas. Der Willi Winkler, sagt Kenzmann, von dem weiß ich, daß der mit Bockbier aufgezogen wurde. Der wurde mit Bockbier aufgezogen, so, wie Friedrich II. mit Biersuppe aufgezogen wurde.
Ach, wirft Moser ein und greift zum Bierglas. Ja, mit Bier, sagt Kenzmann. Oder mit einer Suppe aus Bier. Ich weiß nicht, ob Willi Winkler Biersuppe bekam, aber Friedrich II. bekam Biersuppe. »Unsere Väter hatten nur das Bier, und das ist das Getränk, das für unser Klima paßt«, hat der Friedrich gesagt.
Das ist richtig, sagt Moser und stellt das Bierglas vorsichtig auf den Bierfilz.
Der Willi Winkler wurde mit Bockbier aufgezogen, sagt Kenzmann, und zwar nicht einfach mit irgendeinem Bock, sondern mit dem Operator! Kenzmann hebt die Stimme. Mit dem Operator wurde der ernährt, von Kindesbeinen an!
Scho’ recht, sagt Moser.
Der Operator, sagt Kenzmann, ist ein Doppelbock. Man muß sich das mal vorstellen! Mit Doppelbockbier aufzuwachsen, ja mit Doppelbockbier aufgezogen und in die Welt geschickt zu werden, das ist doch schon mal was!
Moser schaut Kenzmann an. Der ist aus Odelzhausen, sagt Kenzmann, Spitzenklasse. Der Operator.
Hör mal, sagt Moser, ich war in Regensburg und hob’ Palmator getrunken. In Regensburg, verstehst. Einen Palmator nach dem anderen. Der Palmator, der ging nur so rein. Ich wußt’ ja gar nicht, was ein Palmator alles kann. Fünf Palmator war’n des, fünf über ’n Jordan, ich sag’s. Du, meine Freundin, du, ich hob’ die, ich hob’, na, ich hob’ von der Bockbierverbot bekommen. Hinterher.
Aber der Palmator hat doch nur eineinhalb Prozent mehr als so ein Weizen, sagt Kenzmann. Das kann doch nicht so schwer sein mit dem Bock.
Du, sagt Moser, ich trink’ locker meine acht, neun Weizen, aber beim Bock, naa. Vier über ’n Jordan. Wenn du, hör zu, zwei Bock trinkst, sind des alkoholprozentig approximativ zweieinhalb Weizen. Es sind aber, Mosers Stimme klettert in die Höhe, mehr als zweieinhalb Weizen! Da is’ was anderes drin im Bock. Im Bock is’ was im Busch, hehe.
Moser lacht und greift zum Weizen.
Hör, des is’ schwierig mit dem Bock, beginnt Moser wieder. Wenn ich mal so vierkommaneun annehme beim Weizen und sechsvier beim Bock, dann dürften zwei oder sechs Bock kei’ Problem sein. Aber, Moser hebt den rechten Zeigefinger, zwei Bock sind mehr als zwei Bock! Im Bock is’ ein Mehr an irgendwas! Es is’ unfaßbar. Unfaßbar ist des mit dem Bock!
Moser hält inne. Also, sagt er jetzt und nimmt noch rasch einen Schluck, im Bock ist ein anderer Alkohol. Da ist jedenfalls ein irgendwie etwas Anderes im Bock als im Weizen. Oder, sagen wir, auch im Hellen. Jedenfalls ist im Bock ein anderer Alkohol. Du trinkst dieses Bockbier und hast mehr Alkohol drin, als im Bockbier drin is’. Arithmetisch is’ des unmöglich, ich sag’s dir, unmöglich, imponderabel is’ des! Aber es ist so!
Kenzmann sagt nichts, und Moser sagt, der Alkohol im Bock sei immensurabel. Du saufst halt nicht, erklärt Moser, ein’ Schnaps mit 18 Prozent, sondern mit 80 Prozent. Mir sann auf vierneun geeicht, verstehst, und deshalb haut die Rechnung net hin. Nie haut die hin.
Moser haut wie zur Bestätigung seiner Rechnung mit der rechten Hand auf den Tisch und ruft: Superfalle Bock! Er ordert ein neues Weizen und sagt, gern würde er Bockbier trinken können, sehr gern. Aber mir ham a Problem drauf: Mir spei’n drauf. Des is’ subito klar. Des is’ der integrierte Schnapsfaktor im Bock.
Vielleicht gebe es da so gewisse Alkoholfamilien, sagt Kenzmann, Verträglichkeitsverhältnisse zwischen Getränken und Trinkenden. Der eine könne, der andere nicht. Der eine könne das und das, der andere das und das aber nicht. Auch zwischen Bier und bestimmten Schnäpsen gebe es ja Unverträglichkeiten, ganz furchtbare Interferenzen.
Sicher, sagt Moser, Bier und Whiskey geht, im Prinzip, Bier und Klare, des geht nicht.
Aber das sei doch Usus, sagt Kenzmann, zum Bier einen Klaren zu trinken. So sei das doch gewöhnlich.
Das sei ja die Sauerei, fährt Moser auf, daß das mit diesem Drecksschnaps, mit diesen Sauschnäpsen einfach so hingenommen und gemacht werde! Manche Sachen, sicher, die kann man halt wegbuchsen, ohne weiteres, zehn, elf Weizen, kein Problem, aber Tequila, hör mir auf mit Tequila! Das seh’ ich doch, was aus dem Tequila folgt! Mitten hinein in die Gifthölle marschieren die, Moser zeigt zum Tresen, rein in den Schnapssumpf reiten die, schreit Moser jetzt, jeden Abend!
Nein, Tequila würd’ ich ablehnen, sagt Moser nach einem frischen Schluck Weizen. Wodka ja. Aber Wodka hob’ ich Jahre net mehr getrunken. Ich hob’ Wodkaräusche gehaaaabt, Moser zieht die Stimme in die Länge und mit dem rechten Arm einen weiten Halbkreis, des kannst dir net vorstell’n. Wodka, sag’ ich heut’, Wodka – nur ein’. Und den mit Verstand.
Schnaps mit Verstand? fragt Kenzmann.
Du kriegst ein’ Wodka, sagt Moser, und du sagst: Das ist ein Wodka. Und das war ein Wodka.
Kenzmann winkt nach einem Weizen und fragt: Welchen Schnaps kann man denn dann überhaupt zum Bier trinken?
Keinen! brüllt Moser, er brüllt tatsächlich, warum brüllt er bloß? Hör zu! brüllt er, ja, er höre ja zu, sagt Kenzmann, hör zu, sagt Moser, der Hugo, mein Freund, der Hugo braucht den Schnaps, der braucht den so, und der braucht den zum Bier, der braucht den, weil er, weißt, weil er Depri hat. Der ruft mich an und sagt: Laß uns ein’ trinken, aber der meint nicht Bier. Der meint: Schnaps trinken.
Moser dreht den Kopf zur Seite. Mühsam greift er unter den Tisch und hebt seine Zigaretten auf. Aber ich möcht’ nich’ in diese Bratzkigemeinde, sagt Moser jetzt ruhig, weißt, der Hugo is’ mei’ Freund, aber ich möcht’ net. Bratzkischnapski. Aber der Hugo, der is’ mei’ Freund, und dann sitzma da, und dann is’ der Hugo wieder klug zu seiner Umwelt und sagt: Schau dir die Scheißumwelt da draußen wieder an. Und trinkt seinen Schnaps. Und diese Klugheit verdankt der Hugo dem Schnaps. Irgendwie.
Ich hob’ dem Hugo gestern g’sagt, sagt Moser nach einer kurzen Pause und einem Zug von der Zigarette: Hugo, hör zu, da führ’n wir uns jetz’ halt ein paar Weizen rein. Schnaps, Hugo, Schnaps, schön und gut, aber so geht’s nicht! So geht es natürlich nicht! Das ist pejorativ, Hugo. Das ist äußerst pejorativ, Hugo, hob’ ich dem Hugo g’sagt, aber Weizen, sag’ ich, Weizen geht. Ein Weizen geht noch. Eins geht immer.
Ja, sagt Kenzmann und schiebt seinen Stuhl nach hinten, ich muß jetzt los, leider.
Ja, geh ruhig, sagt Moser und winkt der Bedienung.
Oberharnsbach
Daß es doch ein Jammer und überhaupt nicht zu verstehen sei, daß ein Ort mit einem solchen Namen über keine Brauerei verfüge, sagt Herr Rehse. Nach Oberharnsbach gehöre doch eine Brauerei! Das gehe doch nicht, daß da keine Brauerei sei. So was gehöre sich doch wirklich nicht, so Herr Rehse. Oberharnsbach und Brauerei, das sei doch ein und dasselbe Ei. So würde ein Schuh draus werden. Aber so brauche man hier nicht anzuhalten.
Karnevalskirche
Weh euch, die ihr schon früh am Morgen
hinter dem Bier her seid.
Jes 5,11
Bevor ich vergangenen Sonntag nach dem Frühschoppen die Schankstube der Baunacher Brauerei Sippel verließ, um dem sich ankündigenden fränkischen Faschingsumzugsgelärme und den fanatisch alkoholisierten Festbürgern zu entkommen, ließ ich das Würzburger katholische Sonntagsblatt mitgehen, Ausgabe 4/2002 der »Kirchenzeitung der Diözese Würzburg«; und im friedfertiger gesinnten Nachbarort, in Reckendorf, stieß ich beim rotbraunen Schroll Lager auf die Überschrift »Und Gott lacht mit, weil er euch liebt«.
Gott lacht? War das nicht ein besonders moderner Blödsinn, ein häretischer Quatsch, eine sündhafte Fehllehre?
Seit der Scholastik ist ausgemacht, daß Gott, das allmächtige und vollkommene Wesen, keinen Grund zum Lachen haben kann und demzufolge nicht mal gickert. Gott lacht nie, Gott schweigt, schaut und schläft. Gott lacht? Ha! Daß ich nicht lache. Dem Lachen eigne etwas »Lichtfeindliches«, etwas luziferisch Böses, äußerte Baudelaire (Vom Wesen des Lachens). Ihm dämmerte gar, »das Lachen sei Anzeichen von Schwäche«, von Glaubensferne, scheppernde Kunde von der Ankunft des Fürsten der nahenden Finsternis. Und jetzt, mitten in den frühlingsfunkelnden östlichen Haßbergen, zwischen Bamberg und Haßfurt, dem Domizil des erbitterten Kirchenkritikers Karlheinz Deschner, empfing ich via Sonntagsblatt aus Priestermunde die sonntägliche Frohbotschaft, »daß das Lachen zur Natur des Menschen gehört. Und es ist eine Botschaft, daß hinter allem das unendliche Lachen des Schöpfers steht.«
Nun mag das Lachen laut Freud »die sozialste aller auf Lustgewinn zielenden seelischen Leistungen sein« oder zur Kompensation des Triebverzichts dienen; daß indes Gott den lieben langen Tag und bis in alle Hegelsche Unendlichkeit nichts anderes tut, als zu gakkern und herumzuwiehern, konnte nur ein schlechter Scherz sein. Allein, das Sonntagsblatt, ich traute meinen Augen kaum, feierte nicht bloß den, was es alles gibt, kürzlich stattgehabten »sechsten ökumenischen Wortgottesdienst der Karnevalisten« in der Würzburger Augustinerkirche (wäre’s wenigstens der Münchner Augustinerkeller gewesen), sondern führte zudem aus: »Außerdem hat Fasching einen christlichen Hintergrund, es steckt ein tiefer Sinn dahinter.«
Es ist wohl eher der, so Michail Bachtin, plane weltliche Unsinn der Maskerade und der diffus erotischen Exaltation; was Pater Adalbert Müller faschingsenerviert nicht daran hinderte, folgenden Predigtwitz zu reißen: »Herr Pater, ich habe Ihre Predigt gehört, sagte mir jemand. Meine letzte? fragte ich. Hoffentlich, war die Antwort.«
Zum Schießen, fürwahr. »Der Witz gefiel den Mitgliedern der mehr als zwanzig Faschingsgesellschaften«, erläuterte das Sonntagsblatt und fuhr fort: »Der Prior selbst kann lachen«, ja, dito »dem evangelischen Pfarrer Peter Laudi […] machte der Gottesdienst Spaß«, einen Heidenspaß.
Welch gottverlassenes, kurios katastrophales Treiben. »Ihr Narren seid ein frommer Haufen, ihr seid fröhlich, frei und flott. Es geht euch gar nicht um das Saufen, im Grunde geht es euch um Gott«, schäkerte Laudi. »Am Ende gab’s Applaus«, und »dann zogen Pfarrer, Prinzenpaar und Faschingsnarren zur Musik des Spielmannszuges der Ranzengarde ins Bürgerspital – feiern!«
Offenbar goes heute weiß Gott anything. »Der Witz«, heißt es bei Jean Paul ahnungsvoll, »ist der verkleidete Priester, der jedes Paar traut«, die klerikale Pappnase, die die Karnevalsschafe humorökumenisch eint und »zu Frohheit und Scherz« (Witzprofessor Kuno Fischer) animiert.
Angesichts solch trostloser Umtriebe las ich doch lieber und wahrlich vergnügter in der BamS von ebendiesem 3. Februar, daß die Karnevalsmaske Marke »Edmund Stoiber« der H. Krautwurst GmbH bei 19,25 Euro Erstehungskosten immerhin auch das giftigste sämtlicher handelsüblicher Gummigesichter ist und es während einer »Ausgasungsmessung« auf »21 flüchtige organische Verbindungen« brachte – Verbindungen, die verträglicher, quasi organischer sein dürften als diejenigen zwischen Karneval und Kirche, zwischen beinharter Komik und verweichlichtem Katholizismus, jenseits der Wirklichkeitswelt des Bieres.
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