Kitabı oku: «Fußball! Vorfälle von 1996-2007», sayfa 6

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In Schlagzeilengewittern

Gestern, bei Deutschland – Irland, mal ZDF, das Zweitbeste Deutsche Fußballfernsehen unter zwei Anbietern. Draußen erstaunlich viel Verkehr. Die armen Müllmänner müssen schuften. Mein augenblickliches Lieblingsdrecksblatt Bild packt nach den Schlagzeilen »Rudi, haudi Saudi« und »Klose, schieß sie aus der Hose!« im Sportteil auch die Line »Frau Kahn in Japan eingetroffen«. Na so was.

Ich bin pünktlich zum Spielbeginn auf meinem irischgrünen Sofa eingetroffen. Experte O. Rehhagel sieht »Flankengewitter« heraufziehen. Kurz zu Premiere, um der öffentlich-rechtlichen Werbefolter zu entgehen. Der dortige Fr. Beckenbauer attestiert »uns« (Jockel Fischer), »das haben wir auch gar nicht notwendig«. Was? Nervös zu sein?

Béla Réthy flattern die Nerven und stottert angesichts der stürmischen Inselbarbaren: »Man hatte mit einer abwartenderen Abwartung gewartet.« Der Janckerschrank fällt um. Ich greife zu einem Beruhigungserfrischungsgetränk mit grünem Etikett. Mein grünes Sofa ächzt.

Bis zur 19. Minute. Erst setzt endlich »Inselwetter« (Réthy), meint: Regen, ein, dann köpfelt Klose, noch in der Hose, ein. Kahn kocht. »Einige werden dieses Spiel feucht genießen müssen.« (Réthy) Ich auch.

Réthy verliert völlig die Sprachfassung und sieht »keine Anspielstation in einem Bereich, der Sinn macht«. Kahn hält wie ein Wahnsinniger. Bevor überhaupt irgendwas und noch dazu ein Bereich »Sinn macht«, mache ich die Bild-Überschriften von morgen. »k. u. k. – Klose und Kahn!« Zu schlapp. »King Kahn König«. Öde. »Irrer Kahn knockt (K)Ir(r)land k. o.«. Puh. Bäh. Dann lieber »Deutschland kahnenklos – Irland torlos«.

Wie? So nicht? O. k. Also: »Kahn killt Kelten«. Genau. Ein Belohnungsschluck. Bode kommt. Muß das 2:0 machen. »Marco macht die Bode«. Nix war’s. Und dann die 93. Minute. Es fehlten dieser Glosse neunzig Sekunden bis zum Erreichen des Achtelfinales. Und der Herr Redakteur muß natürlich das letzte Wort behalten: »Klose, das ging in die Hose«. Bzw. Franz Beckenbauer: »Woas die Zeitungen schreib’n, is’ ja völlig wurscht.«

Fernsehradio

Ich schätze Tom Bayer, die honorig-sonore Fußballradiostimme des WDR, sehr, und ich hab’ Tom Bayer sogar mal kennengelernt. Er hatte zusammen mit Günther Koch die Bundesligapartie Bayern – Dortmund in voller Länge übertragen, und hinterher beim Bier plauderte er so charmant und fachlich brillant wie via Äther.

Ich bin also positiv voreingenommen gegenüber Tom Bayer, und deshalb ist um so bedauerlicher, was er derzeit als Premiere-Reporter bietet. Bayer tönt gewohnt freundlich und spielt die natürlichen Stärken seiner Stimme aus, aber so gewinnend der Klang, so mißlich die Gesamtanlage seiner Reportagen. Bayer beherrscht die Kunst der Radiodramaturgie aufs trefflichste, den situationsbedingt schlagartigen Wechsel zwischen Schilderung, Abschweifung, Stakkato und Crescendo, doch leider vergißt er, daß er gerade einem anderen Medium dient.

Günther Koch arbeitet nicht fürs Fernsehen. Er weiß, er sähe schlecht aus, er würde zu ausführlich, zu breit daherreden. Tom Bayer redet pausenlos, pausenlos zu breit, zu ausführlich daher. Die Dimensionen eines Werner Hansch erreicht er nicht, trotzdem tut das weh, denn er hätte es nicht nötig, jeden Kurzpaß, jeden Flankenwechsel, jede Körperdrehung, jedes Replay zu kommentieren. »Aber jetzt schauen wir erst mal hin, was Allbäck macht«, fordert er uns auf, und das müßte nicht sein.

Bayer braucht eigentlich kein Vorbild. Ausnahmsweise nehme er sich bitte eins – am eher wortkargen Premiere-Kollegen Wolf-Christoph Fuß. Radio machen im Fernsehen ist Formel-1-Fahren auf der Kartbahn.

Sieben Schwedenspielgeschichten

Es war so, daß der erbarmungslose Schwed mit einem Unentschieden, und wäre dies auch nur ein torloses 0:0-Unentschieden gewesen, zufrieden gewesen und in der nächsten Runde gelandet wäre. Also setzte er auf seinen Tormann Isaksson und machte mit den restlichen Mannen dicht. Da schauten die Argentinier.

*

Vorne beim Schwed war bloß Larsson abgestellt, die Glatze. In der Mitte zog der Schwed rund um Mellberg eine fünf Mann hohe Mauer hoch, und hinter ihr stand eine feste Viererkette. Die Matten des Gegners, d. s. die langhaarigen Angreifer der Argentinier, rannten ein ums andere Mal auf dieses Bollwerk los. Es nützte vorläufig nichts.

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Es war um die 28. Minute herum, daß der Argentinier in Gestalt des langhaarigen Juan Pablo Sorin eine dritte Riesenchance mit dem Kopf herausarbeitete, doch der Schwed, der gelbe Goliath, ließ sich nicht beirren und betrieb weiter Zermürbung.

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Als Argentinien wieder einmal ein Powerplay aufzog, holte der Schwed im Gegenzug durch Marcus Allbäck einmal eine Ecke heraus. Sie brachte nichts ein.

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Der überwiegend kahlrasierte Schwed nahm immer eiskalter die Zügel des Spiels in die Hand, was den gegnerischen Ersatzmann Claudio Caniggia noch in der 47. Minute so erzürnte, daß er etwas von der Bank hereinrief zum Schiedsrichter Ali Mohamed Bujsaim, und darauf wurd’ der alternde Star Caniggia augenblicklich des Platzes verwiesen, auf dem er sich gar nicht befand. So etwas …

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Endlich aber besann sich der Schwed in der zweiten Hälfte des Spiels seiner Angriffsstärke, die eine Freistoßstärke war, und er verwandelte in der 59. Minute im zweiten Versuch durch einen Freistoßhammer des rauhen Magnus Svensson, was den Argentinos ganz fürchterlich zusetzte und ihnen zumal das Genick brach. Sie schieden aus.

*

Nur im Nachtrag wird später einmal zu hören sein von Crespos Ausgleichstreffer, der lediglich der Kosmetik diente, und von dem schönen Satz des Reporters Born, der schon dreißig Minuten vor dem bitterlichen Ende sprach: »Im Hotel der Argentinier können schon einmal die ersten Rechnungen zusammengestellt werden.« Wie wahr.

So eigentlich nicht, Türkei!

Gewiß, Türkei, tanzen, jubeln und singen / Sahen wir Deine Spieler hinterher, echte Kerle, die / Verdient hatten den Sieg über China, doch andererseits, / Türkei, war da doch viel Sand im Getriebe, viel Knatsch / Und Knarz und Knorz gewesen, zumal das Mittelfeld / Harmonierte schlecht. //

Deshalb, Türkei, sei fürder gewarnt und von hier aus, drei / Stockwerk’ über Deinem Sozialdienstverein Frankfurt-Gallus, ernstlich ermahnt, / Daß so etwas Lasches und Fahriges und ja Faules nimmer soll / Beleidigen unser Aug’, das unbestechlich weilt auf den Dingen, / Die da gescheh’n. //

Nein, Türkei, laß fürder nicht faules Geschwätz aus Deinem / Mächtigen Munde strömen, Nachreden nicht laß aus jenem / Sich ergießen gegen die Freunde aus Süd- und Mittelamerika, / Namentlich Brasilien und Costa Rica, welche verhalfen Dir / Zum Weiterkommen. / Laß nicht noch einmal hören von einem Komplott gegen Dich, Türkei, von / Schiebung, welche Du befürchtetest, von Absprache und Mauschelei. / Spiel lieber besser, Türkei, geh ran an den Mann wie ein Mann und laß / Das Wehklagen sein, Du Pfeife. //

Ein schönes 1:0 machte Sas, der Junge, und Korkmaz / Ließ folgen rasch ein zweites Tor, doch dann, Türkei, / Wurdest pomadig Du, und keine Entschuldigung darf / Sein Bastürks Formtief, sein blasser Schatten, welcher Dich / An weit’rem Sturmlauf / Nicht hinderte. //

Allein, Türkei, Du nahmst den Gang raus, schautest blöd und ließest / Geschehen, daß Chen Yang, unser Frankfurter, herrlichst knallte das Leder / Wider Deinen linken Pfosten. Eng war nun das Match, und Rüstü (Recber) (Tor) / Floh das Unheil, um Ömer (Catkic) auszusetzen dem wilden gelben Drang. //

Türkei, es ging noch einmal gut, die bitt’re Pille an Dir vorbei. / O Ömer, welch Omen! dachten wir bang, / Doch Ömer Barthez, so nennt Ihr ihn, hielt tapfer, / Da nichts zu halten war. Brasilien, Türkei, merk Dir das!, verhalf Dir / Durchs 5:2 zum Achtelfinal’, und rächen hätt’ können sich / Dein gammliges Getu’, Dein nicht gerade zwingendes Geplänkel. //

Türkei, sprecht hohen Dank aus der Seleção, zu deren Zauberwerk ich / Dann in der 77. Minute auch umgeschaltet habe, und obwohl Dein / Ziege Davala (Ümit) mit rechts den Treffer drei markierte, werde ich Dich, / Türkei, das nächste Mal kräftig in die Pfanne hauen.

Absolut, ja

Wie geht es Ihnen? Ich meine: Geht es noch? Oder sind die Sehlaktatwerte im kritischen Bereich? Die Sehnerven überreizt? Ist der Sehmuskel sauer?

Bei mir, wenn Sie mich fragen – ich mein’, ich weiß, Sie fragen mich nicht, aber ich sag’s Ihnen –: geht es so. Es ist so an der Grenze. Ich gehe mehr oder weniger am WM-Blindenkrückstock. Das war schon immer so, bei jeder WM, denn jede WM ist immer wie jede vergangene WM, bei der es, TV-Vollversorgung vorausgesetzt, schon immer so war, daß gegen Ende der zweiten Woche nicht mehr viel ging. Man sollte mal wieder rausgehen.

Das geht aber nicht. Man darf, man will, aus welchem dunklen Antrieb auch immer, nichts, kein Spiel verpassen. Man guckt weiter, und die Pupillen weiten sich weiter. Bis nichts mehr geht.

Gestern – oder war’s vorgestern? – war das Limit überschritten. Dachte ich. Falsch gedacht. Wer während einer WM denkt, ist auf dem falschen Dampfer. Ich wollte Schluß machen und den Hahn zudrehen, d. h. meinem Fernsehgerät den Suchtsaft abdrehen. Aber dann erschien auf dem Schurkenschirm Bernd Schuster, einer der Premiere-Experten, der »blonde Engel«, das genaue Gegenteil des bissigen »blonden Fallbeils« Fast Edi Stoiber.

Der Schusterjunge stand neben Moderatorin Monica Lierhaus, und die befragte ihn tapfer: zur möglichen Entwicklung in der zweiten Hälfte, ob z. B. Paraguay das noch packen könne. »Absolut, ja«, nuschelte Schuster, der ewig junggebliebene Mittelfeldstehgeiger, der jetzt, stehend hinterm Studiopult, aufs schummrigst-schönste seinen Job vergeigte und dennoch gewann.

Herr Fischer, mein Mitgucker, begann zu lachen, und ich tat es ihm bald gleich. Der jungenhafte Bengel Bernd Schuster schlief im Stehen, sein Hirn stand unter einer unfaßbaren Siebzigerfrisur standhaft auf Stand-by, und sein Mundwerk richtete das Nichts ins Werk. Ja, da müsse mehr attackiert werden, da fehle der Wille, da müsse auch mal nach vorne gespielt werden, döselte und dröselte er jede Frage der fragilen Frau Lierhaus auf, und Frau Lierhaus schien innerlich zu flehen, es mögen diese ewigen Studiostunden endlich zu Ende gehen.

Die Zeit tat ihr keinen Gefallen, aber uns, Herrn Fischer und mir. »Muß Paraguay mehr tun?« (Lierhaus) »Absolut, ja.« (Schuster) »Da fehlt es am Willen zum Abschluß, oder?« – »Absolut, ja.« – »Vielleicht sollten sie einen zusätzlichen Stürmer bringen. Brächte das was?« – »Absolut, ja.«

Es war das Absolute, es war die Aufhebung der Zeit, das televisionäre Nirwana, die vollkommene Erleichterung und interesselose Betrachtung einer Sache, die nichts ist – des Fußballs. Herr Fischer und ich dankten, beseelt und erquickt, dem rhetorischen Nullinger und Jungbrunnen Bernd Schuster und waren gestärkt für den nächsten Tag.

Bloß Monica Lierhaus, poor Monica Lierhaus! Monica Lewinsky hatte mehr Chancen gehabt, bei ihrem Mitspieler zu landen. Absolut. Ja. Nur das Jawort hatte Big Billy Clinton ihr nicht gegeben. Vielleicht geben sich deshalb Bernd Schuster und Monica Lierhaus zum Ausgleich bald das Jawort. Herr Schuster ist es ihr, Monica, schuldig. Die trauliche Bild-Schlagzeile möchten wir doch lesen: »Lierhaus schustert sich Schuster zu – Neues deutsches Traumpaar perfekt!«

Schweds End

Da der Schwed in die nächste Runde einziehen wollte, ins Viertelfinale, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich dem Negergegner Senegal zu stellen. Der aber tat dem Schwed keinen Gefallen und tat so, als wolle er gleichfalls ernst machen, spuckte dem Schwed in die Suppe und gewann.

*

Kein Mittel ließ der Senegalenser aus, um den braven Schwed zu attackieren, zu zwicken und auszuspielen. Er schoß sogar ein Tor, in der 37. Minute durch den schwarzen Mann Henri Camara, ließ es aber dabei noch nicht einmal bewenden, sondern zeigte sich unersättlich und setzte durch abermals Camara in der 104. Minute, schon nach Ablauf der regulären Spielzeit, den Goldenen Schuß. In der Sprache der FIFA wird dieser »Golden Goal« genannt.

*

Die Trainer des Schwed (oder, korrekter, des Schweden), die beiden unzertrennlichen Bordellkumpel Tommy Söderberg und Lars Lagerbäck, sahen, daß ihre Leute, die Schweden, kein Glück hatten und sich ein ums andere Mal den Schneid abkaufen ließen. Sie konnten nichts machen.

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Plötzlich hatten sie aber eine Idee, und sie wechselten die beiden Urschweden Andreas Andersson und Zlatan Ibrahimovic ein. Beide waren Stürmer und mühten sich, aber heraus kam nur, daß sie zwei Riesenchancen vorbeischossen und der Schwed insgesamt also doch schmählich und unwiderruflich unterlag.

*

Der Senegal griff zu guten taktischen Kniffen. Er ließ seine gesperrten Stammkräfte Salif Diao und Khalilou Fadiga sowie den verletzten Souleymane Camara einfach draußen, nahm drei neue, frische Männer an Bord, schoß erst einmal, um zu zeigen, wo der Hase Haken schlägt, ein Abseitstor (richtig gesehen!) und versenkte hernach nach abermals drei magischen Großgelegenheiten vor dem zitternden Tor des Schwedonsson im Stadion Big Eye zu Oita die elf Mann starken Kämpen aus dem Land der Wälder und mancher Wiesen. Viele Anhänger des Schwed ergrimmte das.

*

Die Geschichte vom sensationellen Scheitern des Schwedleins wird sich einmal lesen als gar grausliche Mär, die niemand so recht glauben möcht’, allein, weiter unten auf dem Erdball, in den Gefilden der heißen Erdschrunde, tanzten die Sieger noch eine ganze Nacht lang, und dann ging die Geschichte auch wieder weiter.

Na ja, Türkei

Klar, Türkei, abermals weiter bist Du und zierest nun / Erstmals das Viertelfinale der Meisterschaft, allein, / Ich wäre Dein wackerer Sänger nicht, hätte / Ich nicht allzuviel Schäbiges neuerlich / Geseh’n in Deinem einst, gegen Brasilien, so / Tänzelnd-schwebenden Spiel. //

Okay, Türkei, klar, personell / Mußtest Du etwas ändern und die linke Seite / Völlig neu besetzen, doch andren Teams, / Welche gleichfalls kämpfen um den Siegerkranz, / Ist’s schon tausendfach ergangen so. //

Du indes, Türkei, holztest einen knüppelfett / Lumpigen Stiefel zusammen, ließest rumpeln / Und humpeln den Ball wie Dein Gegner, das / Siechende Japan, welches nichts hatte entgegenzusetzen / Dir, Türkei, der unverdient durch die Angst des Kontrahenten / Und dessen Geheimtaktik »1 Spitze, 6er-Mittelfeld« / Begünstigten Elf. //

Japan hatte seine Schuhe nie so richtig an, und / So also, Türkei, pflegtest Du »ergebnisorientierten Fußball«, / Du sahst Suzukis Fehlern zu und beschautest schläfrig, wie / Miyamoto sich festrannte, Ono war frei, und gleichwohl / Nakata plötzlich unter Regen eine Chance sich bot, / Versikkerte jene ohne jede Gefahr noch Gefährdung Deiner. //

Dein Augenschattenmann, Türkei, der rüstige Rüstü, schlummerte / Blütenblauzart vor dem Gehäuse, und Du, Türkei, brachtest den / Historischen Erfolg qua Dusel und Contraunvermögen, qua / Nervenblockade der kein’swegs gewitzt Geschlitzten als / Auch per Davala-Einsnull sicher heim. Es sei Dir gesagt, / Türkei, / Daß das so nicht weitergeht! / (Selbst wenn Deine »Fans« am Rad und mit / Luxus-BMWs Wheelies vor meinem Hause drehen!) //

An Japan aber dies: Japan, dett / Woar gar nüscht. / (Nur der Titel für die idiotischste Flanke der WM, / 89. Minute, der ist Dir nicht mehr zu nehmen. Nicht / In hundert Jahr’.)

Gegen Goethe

Als einen »Scherenschlag wie ein Gedicht von Goethe« charakterisierte Ror Wolf mal eine Aktion irgendeines Spielers, weil, weitergedacht, ein hin und her wogendes Match der Kunst in ihren besten Momenten ähnelt, ja eine exquisite Opernaufführung oder Verskomposition sogar verblassen läßt.

Gewöhnlich erwarten wir, daß uns Fußballspiele mitreißen, bis zur Erschöpfung. Jede einzelne Begegnung soll uns in den Taumel der Begeisterung, des ästhetischen Erlebens versetzen, und dafür gibt es gute Gründe. Viel bessere jedoch gibt es dafür, die mediokre, nein: die völlig verfahrene, unansehnliche Partie wertzuschätzen.

Vorbei sind die teils hektischen Alles-oder-nichts-Achtelfinals, und endlich herrschen ein paar Tage Ruhe, um zur Besinnung zu gelangen. Und wenn wir uns wirklich besinnen, erinnern wir uns jetzt nur allzugern an einige besonders katastrophale Gruppenspiele – Wettkämpfe ohne K.-o.-Drohung, ohne Nervenpein, wie inszeniert für einen makellosen Sofagammel-TV-Tag.

Südafrika gegen Slowenien z. B. überzeugte durch insgesamt zwei Torschüsse und einen allgemeinen nutz- und ziellosen Zweikampfkrampf, der das Wort des Frankfurter Publizisten Dieter Pudenz bestätigte: »Goethe hilft im Zweikampf nur bedingt weiter.« Gegen Goethe i. S. Ror Wolfs agierten gleichfalls überaus angenehm die Tunesier beim 0:2 contra Rußland. Nichts lief, nichts ging zusammen. Kassierten die Nordafrikaner da eine von mir »hochgelobte Niederlage« (Toni Schumacher), so trieben sie es im Verein mit Belgien am 10. Juni noch segensreicher.

»Heute sind wir also dabei, Belgien und Tunesien zu bestaunen, wobei sich das Bestaunen in Grenzen hält«, plauderte der Premiere-Reporter in Anbetracht einer merkwürdigen »Klasseszene« in der 50. Minute vor sich hin. Davor und danach: Sendepause. Keine Bewegung. Kein Schwung, kein Einsatz. Das Spiel nach vorne stockte konstant. Man stand auf, holte ein Getränk, bettete sich wieder. Ein Tor hätte dem Spiel nicht gutgetan. Kaum ein Ball kam an. Mal ein Schußversuch, mehr nicht. Das Spiel erlahmte noch ein bißchen mehr. Die klare Linie fehlte völlig. Herrlich erbärmlich. Ihnen fiel nichts ein. Sie taten nichts. Kein Licht, bloß stiller Schatten. Alle tauchten unter. Beide Seiten sehr, sehr harmlos. Eine grandios schwache Vorstellung.

Es war prima, tadellos fade, ungeheuer mies, ein Gestocher und Geschiebe, das meinem – zeitweiligen – Ideal eines Fußballspiels voll entsprach. Der letzte Schritt zur totalen Entspannung wäre allerdings erst getan, erfüllte sich ein Wunsch von Didi Hamann: »Am liebsten würde ich gegen gar keinen spielen.«

Freitag

Gestern war’s soweit. Es gab kein Zurück mehr, kein Zurück mehr vor dem Abrücken. Ich rückte ab vom dieser Tage in mir ausgebrochenen »Fußballwahn« (Joachim Ringelnatz). Seit dem 31. Mai hatte mein Wecker jeden Tag um 7.30 Uhr geklingelt, und nach der ersten WM-Woche war ich automatisch um 7 Uhr aufgewacht. Ich war konditioniert wie ein Powerpawlowköter, den man auf der Straße aufgelesen und vor einen Premiere-Decoder gesetzt hatte.

Es mußte eine Pause her. Mittwochmorgen beschloß ich, standhaft zu bleiben und die Glotze kalt zu lassen. Ich ließ den Fernseher aus, und ich guckte, Quatsch: ich las ein sehr gutes Buch. Bis Seite elf. Dann griff ich zur einen Deut weniger gehaltvollen Postille GQ und erfuhr: »David Beckham trägt Jeans von Michiko Koshino«, und »der Flankengott und Fußballpunk« trug auch ganz eigenmündig mal einen Gedanken vor, z. B.: »Mein persönlicher Stil? Oh, ich weiß nicht. Etwas von einem anderen Planeten.«

Mündig, wie ich war, gönnte ich mir dann, auf dem »Publizistikplaneten Erde« (Achim Greser) liegend, ein paar Seiten Videotext und nahm zur Kenntnis, daß Beckham seinen Friseur einfliegen ließ, weil er gegen Brasilien nicht so mies aussehen wollte wie gegen Dänemark. Schön, dachte ich, das reicht, genug Fußball für heute, und du hast kein Spiel gesehen, das war der Plan. Mein Freitag am Mittwoch war gelungen. Ich hatte widerstanden.

Abends nahm ich die Programmzeitschrift zur Hand. Zufällig fiel mein Blick auf die Sportspalte. Ich stutzte. Nix. Keine WM. Keine Liveübertragung.

Der kicker klärte (mich) auf: Es war ein spielfreier Tag gewesen, der erste.

Valentinwahnsinn

Ein gutes Jahr vor der an Verbaleskapaden wie erwartet auch nicht ganz armen asiatischen Fußballweltmeisterschaft hatte Franz Beckenbauer im März 2001 nach einer 0:3-Schlappe des FC Bayern bei Olympique Lyon einen seiner legendärsten Ausraster. Im Salon Tête d’Or des Hilton brüllte er damals in Anwesenheit der gesamten Presse den kompletten Spielerkader derart orkanartig zusammen, daß selbst Manager Uli Hoeneß hinterher uneingeschränkt entsetzt war und stammelte, er hätte sich statt jener Hitlerei »eine Valentinade« gewünscht.

Eine Valentinade. Von Beckenbauer. Soso. Ausgerechnet von Beckenbauer ein (Stegreif-)Stück voller Kunstkonfusion, voller Komik, Takt und Worterfindungsfuror – das ging noch weiter als die ewige groteske bis ekelerregende Gedankenlosigkeit, den Ex-Bundestorwart und Schmalstspurhampelmann Maier Sepp, der in Südkorea/Japan für die Kameras einmal mehr den lustigen Augustin des DFB mimte, den »Valentin des Fußballs« zu taufen.

Doch zum Auftakt des Weltmeisterschafts- und Wahljahres 2002 übertraf diesen doppelten Stuß tatsächlich – die bayerische Deppentrinität krönend – das Radioprogramm hr1. Das – man erinnert sich recht ungern – schnarchsäckigste, verschrumpeltste, unbeholfenste, einfallsloseste, glut- und mutloseste, uninspirierteste, verhockteste, trottelhafteste, lemurenhafteste, gespenstischste, trostloseste Interview, das je ein Politiker gab, nannte der Hörfunkmoderator – »den valentinesken Auftritt des Kandidaten Stoiber bei Christiansen«.

Ob denn, die Demenz mit ein paar Monaten Anstandsabstand und mit Hinblick auf die baldigen »TV-Duelle« weiterdrehend, der bekannte Tophumorist Gerhard Schröder bei Liesl Christiansen demnächst eine polternd polteske Powerszene auf die Bretter knallt? Und Sabine Karlstadt den engelhaft engelkeesken Comedykonter fährt? Während Stoiber dumm aus der feschen Wäsche schaut und bei Scheibner oder Hüsch um Nachhilfe ersucht, um für den kommenden Medienlachkampf gerüstet zu sein?

Ich befürchte es fast.

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