Kitabı oku: «Noch mehr Fußball!», sayfa 2

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Leere Köpfe

Huhu, Herr Hartmann! Waldemar Hartmann! Hallo! Wir sind’s! Ja, genau. Seit Jahren schau’n wir Ihrem Treiben ja sehr gerne intensiv zu, und vorgestern abend, nach dem wenig erquicklichen »Zufallsfußball« (R. Beckmann) und Qualifikationsgeacker gegen die Slowakei, haben wir uns zusammen mit Ihnen ab 23.30 Uhr wieder mal eine halbe Stunde lang amüsiert wie Bolle. Königlich! Köstlich!

Oder anders gesagt: Weil Waldis WM-Club, jener herausragende Tiefpunkt in der Geschichte des deutschen Fernsehens, den wir vor exakt einem Jahr bewundern konnten, laut ARD angeblich bis zu 5,5 Millionen Zuschauer vor den Schirm gelockt hat, darf uns der unerreicht gackerfidele Quatschimoderator mit der Neuauflage Waldis EM-Club dieses Jahr nun fünfmal auf den Geist, den Senkel und den Keks gehen.

»Ich freue mich, daß es wieder losgeht. Damit können wir die Fußballabende für die Zuschauer perfekt abrunden«, hatte Hartmann im Vorfeld mitgeteilt, und diesen einzigartigen Perfektibilitätsgedanken des ehemaligen Augsburger Kneipiers fanden am Mittwoch Senderangaben zufolge 1,7 Millionen Menschen derart plausibel, daß sie einschalteten.

Geändert hat sich erfreulicherweise nichts. Waldis »Vereinsheim« (ARD) ist nach wie vor mit vielen bunten Wimpeln und Fußbällen ausstaffiert, und neben dem sagenhaft ironieresistenten »VfBäh-Fan« (Waldi) Hartmut Engler (Pur) und Atze Schröder, der auf Grund einer getönten Brille und einer bekloppten Dauerwelle immer noch als Komiker durchgewinkt wird, sitzt schon wieder Paul Breitner da und zerbricht sich den Schädel über »sehr viele leere Köpfe« in der deutschen Fußballnationalmannschaft.

»Schräge Gespräche und überraschende Erkenntnisse« hatte uns der BR versprochen, und das Gewiehergewitzel des Protagonisten, dieses verquallt-rumpeligen Stammtischdirigenten, zog sich erwartungsgemäß hin, zäh wie Zungenbelag, ranzig wie Friteusenfett.

Hirn rausschrauben und dann einschalten – so werden wir auch die nächsten vier Folgen überstehen.

Kein Pardon bei Chips

Achim Greser und Heribert Lenz leben in Aschaffenburg-Leider. In ihrer Zeichnerwerkstatt produzieren sie unablässig »Witze für Deutschland«. Nebenher beobachten die unbeugsamen Anhänger des 1. FC Nürnberg, des Clubs, akribisch den deutschen und den Weltfußball.

Wie habt ihr die Sommerpause überstanden? Mit Waldläufen? Curling?

Heribert Lenz: Welche Sommerpause? Die Biathlonsommerpause?

Es gibt Menschen, die die Fußballsommerpause schwer verfluchen.

Achim Greser: Geht mir auch so. Ich hab’ mir alles angeguckt und alle Informationen reingezogen über die Mannschaftsneubildungen und Zugänge und Abgänge und Formkurven. Hier fand ja auch die Aschaffenburger Stadtmeisterschaft statt, die einem über ein paar Tage hinweggeholfen hat, und Andy Möller ist jetzt unser Trainer bei der Viktoria. Das hat für eine interessante Nachrichtenlage wenigstens im Lokalen gesorgt.

Wurde Möller als Frankfurter willkommen geheißen?

Greser: Mittlerweile hat er sich schon den Nimbus eines Heilsbringers erworben.

Ein neuer Christoph Daum?

Greser: Nee. Möller ist charakterlich anders disponiert. Wichtig für die Aschaffenburger ist, daß er wohl bereits erhebliche Sponsorengelder rangeschafft hat. In dieser Hinsicht hat Möller bis dato offenbar mehr erwirkt als bei der Mannschaftskonstruktion. Aber gegen Schalke haben sie nur 1:3 verloren.

Lenz: Sie hätten auch ein Unentschieden rausholen können.

Greser: Ein Tor aberkannt, einen Elfmeter versiebt. Und gegen den SC Freiburg haben sie in der letzten Minute 1:2 verloren.

Schalke ist doch kein Maßstab.

Greser: Weiß ich nicht. Es gibt ja immer die Ausreden, daß sie aus dem Trainingslager kommen und müde sind vom Konditionsbolzen. Aber das haben die anderen ja auch gemacht, denk’ ich mal. Die werden ja nicht blöd sein und nicht trainieren.

Bei der Eintracht geht es seit Wochen drunter und drüber. Wie schätzt ihr das ein?

Greser: Das ist eine Folge der zunehmenden öffentlichen Aufmerksamkeit, die der Fußball allgemein erfährt. Jede Regung wird aufgeplustert, gerade in Zeiten, in denen keine Ergebnisse zu vermelden sind.

Also hat Friedhelm Funkel recht, wenn er sich in Rudi-Völler-Manier echauffiert über die Bild, die eine ganze Seite mit Lesermeinungen gebracht hat, und zwar des Tenors, es sei eine Frechheit, welche Spieler Bruchhagen und Funkel verpflichtet hätten, früher sei die Eintracht eine Diva gewesen, heute sei sie eine graue Maus und so weiter?

Greser: Ich bin nicht sehr vertraut mit den Vorgängen rund um die Eintracht. Die hat in den vergangenen Jahren zu meinem Leidwesen gegen den Club immer sehr gut abgeschnitten. Allerdings ist sie seit dem letzten DFB-Pokalhalbfinale ein verläßlicher Punktelieferant für unser Konto.

Lenz: Ähem. Laß mal die ersten zwei Spiele vorbeigehen. Wenn die Eintracht dann zwei Punkte hat, wird wieder vom Europacup geträumt. Dann ist das ganze Geschwätz Makulatur.

Eine typische Frankfurter Nörgelei – in dieser Stadt der Aufschneiderei und Hybris?

Lenz: Klar.

Greser: So haben wir das immer wahrgenommen. Die Erwartungshaltung ist leicht hochzutreiben.

Woher die Unzufriedenheit? Die haben doch in der vergangenen Saison gut gespielt, waren im UEFA-Cup, im DFB-Pokalhalbfinale, haben vierzig Punkte geholt …

Greser: Das ist halt nichts mehr. Ich fand am Frankfurter Publikum früher immer beeindruckend, daß es einen enormen kollektiven Sachverstand besaß und den Wunsch nach schönem Fußball nicht preisgab. Die rein defensive Ausrichtung des Saisonziels ist dagegen zuwenig – die Verhinderung aller möglichen Übel. Das ist nicht im Sinne eines gestandenen Eintracht-Fans, zumindest nicht aus unserer Generation.

Lenz: Das ist wie in Nürnberg. Man träumt dauernd von den goldenen Zeiten. Hölzenbein, Grabowski …

Greser: Hölzenbein und Grabowski, die Nürnberger Meistermacher von ’68! Nein, man verkennt in Frankfurt einfach, daß die Hochkapitalisierung des Fußballs von einigen Vereinen früher ernstgenommen wurde. Die Bayern haben durch jahrelange Erfolgsserien Geld aufgetürmt und hatten plötzlich einen Riesenkonkurrenzvorsprung.

Aber Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre war die Eintracht doch eine Topmannschaft. Man hat den UEFA-Pokal gewonnen … Greser: Aber es gab keine garantierten Einnahmen von zehn oder wie vielen Millionen Euro wie heute in der Champions League.

Also seht ihr langfristig keine Chance für die Eintracht, zu den oberen vier, fünf Bundesligisten aufzuschließen?

Greser: Die Wahl des Spielerpersonals ist auch eine große Glückssache. Einen aus dem internationalen Niemandsland zu holen, der zum Brecher wird, wie diesen Gekas zum Beispiel, das ist Zufall. Hertha BSC war ja auch lange Zeit ein Verein, der nur von seiner Vergangenheit gelebt hat, und dann haben sie den Sprung unter die ersten fünf geschafft.

Mit der Hertha ist es allerdings heute nicht mehr weit her. Das ist ja ein Pfeifenverein sondergleichen – über fünfzig Millionen Euro Schulden, was die Mitglieder nicht daran hindert, den genialen Manager Dieter Hoeneß im Amt zu bestätigen.

Greser: Zu Dieter Hoeneß kann ich eine Geschichte erzählen. Wir haben gute Freunde bei Hertha, die sich als arme Studenten aus Fanleidenschaft VIP-Dauerkarten vom Maul abgespart haben, um dem Getriebe ihres Herzensvereins näher zu sein – mit dem Erfolg, daß einer von denen jetzt im Präsidium hockt, was für uns schon mehrfach von Vorteil war. Wir haben Karten gekriegt für das WM-Spiel gegen Ecuador und das Pokalfinale.

Ihr seid ja gnadenlos korrupt!

Greser: Für Leidenschaften gibt man doch alles!

Lenz: Eben.

Greser: Und über diesen Kontakt haben wir versucht, einen alten Traum zu verwirklichen, nämlich daß einmal eine Zeichnung von uns auf der Stadionanzeigetafel gezeigt wird. Deshalb haben wir angeboten, für das Stadionheft zu jedem Heimspiel einen Witz zu zeichnen – durchaus auch zu aktuellen Problematiken der Hertha –, verbunden mit der Hoffnung, daß er dann auf der Anzeigetafel landet. Wir haben zwei Probewitze abgeliefert, die sind an den Pressesprecher weitergeleitet worden. Ein Witz hat den Alleinherrschaftsanspruch von Dieter Hoeneß thematisiert – nicht nur den Anspruch, der ist ja verwirklicht, Hoeneß mischt sich offenbar in alles ein und läßt sich über jeden Kleinstvorgang unterrichten. Wir hatten die Wäschefrau gezeichnet, die bei Hoeneß vorstellig wird und ihn fragt: »Herr Hoeneß, werden die Heimtrikots bei dreißig oder sechzig Grad gewaschen?« Es ist dann nicht zu unserem Engagement gekommen. Der Pressereferent hat sich nicht getraut, dem Dieter Hoeneß diesen Witzvorschlag vorzulegen. Na ja, der Wunsch, in dieser sagenhaften Wunderwelt Fußball mal an so prominenter Stelle plaziert zu werden, der war eigentlich auch korrupt, weil wir mit der Hertha, was die fußballerische Herzensseite anbelangt, absolut nichts am Hut haben.

Eckhard Henscheids »Hymne auf Bum Kun Cha« flimmerte Anfang der Achtziger mal über die Anzeigetafel des Waldstadions.

Greser: Das war in gewisser Weise Vorbild. Es waren allerdings andere Zeiten. Denn ein Bedenken des Pressemannes war zudem, daß man das durchschnittliche Hertha-Publikum mit Witzen, wie wir sie üblicherweise machen, überfordert.

Da dürfte er nicht falschgelegen haben.

Greser: Ja. Vielleicht war das damals bei der Eintracht aber auch ein einmaliger Fall, daß der Universitätspräsident Achaz von Thümen gleichzeitig Vereinspräsident war und die Intellektuellen der Stadt an den Klub gebunden oder wenigstens dafür gesorgt hat, daß der schöne Auftritt der schönen Henscheid-Hymne zustande gekommen ist. Was findet heute im Fußball an Kultur statt? Es gibt die vereinsindividuellen Fangesänge. Das ist aber alles von unglaublicher Nichtigkeit und auf dem Niveau von Lustigen Musikanten und Schlagerparade.

Geht ihr noch zur Eintracht?

Lenz: Ich war vor einem halben Jahr im Stadion und mußte eine von diesen unsäglichen Zahlkarten lösen, um eine Bratwurst kaufen zu können. Ich hab’ auf dem Kartenkonto immer noch zwischen 1,50 und zwei Euro liegen. Es würde mich schon interessieren, was die mit dem Geld angefangen haben.

Die haben davon den Mahdavikia gekauft.

Lenz: Dann müßte immer noch was übrig sein. Funkel hat betont, man habe mit Mahdavikia und Inamoto zwei »Knaller« geholt. Findet mit der starken asiatischen Fraktion – Takahara gehört ja noch dazu – jetzt eine Anknüpfung an die Zeiten mit dem holden Bum Kun Cha statt?

Greser: Meine Leidenschaft für die Eintracht ist ziemlich abgekühlt, zumal weil in unserer Familie der Graben zwischen Nürnberg- und Eintracht-Fans tief ist. Die Tochter ist erfolgreich auf Nürnberg umgepolt worden, aber der Bub’ hält, vielleicht auch aus purer Opposition zu mir, zur Eintracht. Zu meinem Verdruß.

Lenz: Bei mir liegt der Fall etwas anders. Ich hätte mir gewünscht, daß die Eintracht mehr schwarze Spieler holt. Man erinnere sich an die Saison ’91/’92 mit Yeboah und Okocha. Davon hätte ich mir mehr versprochen …

Greser: … als von den asiatischen Batteln, auf die sie sich jetzt kaprizieren.

Warum bringt der Asiate keine gescheiten Fußballmannschaften her? Die Asienmeisterschaften waren dem Hörensagen nach unterirdisch.

Lenz: Richtig.

Woran liegt das? Daran, daß etwa die Iraner um Mahdavikia kein Bier trinken dürfen?

Greser: Der Iran ist halt nach wie vor ein Schwellenland, zivilisatorisch.

Und Fußball hat was mit zivilisatorischer Entwicklung zu tun?

Greser: Es gibt ja permanente Verfeinerungen in der Spielerbetreuung, Spielerausbildung, taktische Veränderungen – das kommt immer aus Europa oder Südamerika. Wissenschaftlich betrachtet ist die Fußballspitzenforschung dort beheimatet.

Hans Meyer, der unbezweifelbar ein Genie ist, hat die zunehmende Verwissenschaftlichung des Fußballs dergestalt kommentiert, das sei ein grober Unfug. Das einzige, was man mit wissenschaftlichen Verfahren verbessern könne, sei die Athletik, das mache zehn Prozent der Arbeit aus. Der Rest müsse wie vor achtzig Jahren angegangen werden.

Greser: Meyer hat ja auch fast dogmatische Vorstellungen vom Spielsystem – drei Stürmer, davon ein klassischer Strafraumstürmer. Deshalb hat er so viel Wert darauf gelegt, mit Charisteas einen adäquaten Ersatz für Markus Schroth zu bekommen, so einen langgewachsenen Knaller in der Mitte. Zum anderen sind die Spieler, wie man hört, sehr angetan von der Individualisierung der Trainingsmethoden, von der gezielten Bekämpfung individueller Defizite. Mit dem Waldlauf in der Lemmingherde oder dem Hin-und-her-Schmeißen von Medizinbällen hat das nichts mehr zu tun. Klinsmanns Konzept war ja von Erfolg gekrönt.

Meyer behauptet, Übungen mit Gummibändern et cetera seien bei Carl Zeiss Jena schon 1969 gemacht worden. Und im gleichen Atemzug hat er gesagt: »Ich habe mal ein Lehrbuch von Reichstrainer Otto Nerz gelesen, Jahrgang 1936. Fast alles, was da drin stand, stimmt heute noch.« Was sagt ihr jetzt?

Greser: Vielleicht ist Hans Meyer auch überschätzt.

Lenz: Zumindest hat er zur Attraktivität der Pressekonferenzen beigetragen. Er ist einigen Reportern intellektuell und verbal weit überlegen. Es macht einfach Spaß, dem Mann zuzuhören.

Greser: Es ist Teil seines Images, daß er sich als Fundamentaloppositionist gegen irgendwelche Zeitgeistreden stellt.

Lenz: Er bestätigt nicht gern, was ihm die Reporter in den Mund legen wollen.

Greser: Er ist ein Grunddialektiker, der sich sträubt, Vorgaben zu erfüllen, und erst mal die Antithese formuliert.

Ein Hegelianer des Fußballs?

Greser: Das macht ihn so sympathisch.

Er hat des öfteren geäußert, daß er die grauenhafte Fußballphraseologie verabscheut und deshalb Sprüche klopft, die, wie er selber sagt, mitunter noch dämlicher sind als die Fragen, die ihm gestellt werden.

Lenz: Das stimmt.

Greser: Das Gerede ist ja oft unerträglich. Es wird sich aber nicht ändern.

Es wird immer schlimmer. In dem Maße, in dem der Fußball verwissenschaftlicht wird, wird die Fußballsprache immer dusseliger.

Lenz: Es gibt wirklich dumme Leut’ mit unglaublich dummen Fragen, auch bei Premiere. »Wie fühlen Sie sich?« – direkt nach dem Sieg im Pokalfinale!

Miserabel.

Greser: Obwohl ich zu Premiere anmerken muß, daß da einige jüngere Leute agieren, die mit Sachverstand brillieren, die bei der Sache bleiben und nicht das, was sie sich in Homestorys an nichtigen Boulevardinformationen angelesen haben, loswerden wollen. Die sind fix genug, eine Spielentwicklung zu erkennen und zu beschreiben. Da besteht also doch Anlaß zur Hoffnung. Und vor fünfundzwanzig Jahren, muß man sagen, war es auch nicht viel besser. Einen Eberhard Stanjek würde man heute auch nicht mehr ertragen.

Ich erlaube mir einen Schwenk zum Weltfußball. Bernd Schuster, der neue Trainer von Real Madrid, verbietet den Spielern jetzt auf Reisen das Tragen von Kopfhörern und das Hantieren mit Chipstüten.

Lenz: Aus welchem Grund?

Er will die Disziplin verbessern. Ist das der richtige Weg, um Real Madrid wieder an die europäische Spitze zu führen – keine Chips und keine Kopfhörer?

Greser: Tja. Wenn sie nach der Saison zwei, drei Pokale in Händen halten …

Lenz: So erfolglos waren die doch gar nicht. Real ist Meister geworden.

Greser: Es ist wahrscheinlich in jedem mittelständischen Betrieb so. Wenn ein neuer Produktionsleiter kommt, dann …

Lenz: … wechselt der erst mal die Biermarke aus.

Greser: Dann werden die Eisenspäne ordentlich weggefegt. So macht’s auch der Schuster, um sich als zurechnungsfähiger neuer Mann zu präsentieren. Er muß ja hochselbstbewußte Menschen führen, die alle mehr verdienen als er. Das größte Problem ist wohl, den Sauhaufen beieinanderzuhalten. Hat sich nicht sein Vorgänger, der Capello, zum Grundsatz gemacht, einen Euro mehr verdienen zu müssen als der teuerste Spieler? Fand ich gut.

Dann wird Bernd Schuster ordentlich verdienen, denn Real will Kaká für hundertvier Millionen Euro vom AC Mailand holen und ihm ein Jahresgehalt von dreizehn Millionen zahlen. Über solche Summen muß man nicht den Kopf schütteln, oder?

Greser: Wer weigert sich, ins Kino zu gehen, wenn er erfährt, daß …

Lenz: … Tom Cruise …

Greser: … genau, daß mittelmäßige Kameraden wie Tom Cruise für einen Film zwanzig Millionen kriegen? Was soll denn das?! Der Gladiator, der den Löwen erwürgt hat, hat auch mehr gekriegt als derjenige, der einen nicht satisfaktionsfähigen Gegner, einen halbverhungerten Christen niedergerungen hat. Das ist doch eigentlich gerecht – in gewisser Weise.

In gewisser Weise gewiß. Warum aber ist Sepp Blatter für euch nicht satisfaktionsfähig? Er taucht auf keinem eurer vielen Fußballblätter auf.

Greser: Weil es bloß so ein Geraune um ihn herum gibt, er leite eine hochkorrupte Organisation, die sich zum Geldscheffelbetrieb umfunktioniert hat und öffentlich nur in Erscheinung tritt bei karitativen Angelegenheiten, mit deren Hilfe auch jeder Altölstinkebetrieb sein Image zu retten versucht. Inwieweit bei der FIFA wirklich der Wurm drin ist, weiß man aber eigentlich nicht. Hier beim TuS Leider, einem Bezirksligisten, hat der Schiri mal eine fragwürdige Entscheidung getroffen, und da ist einer der Vorstandskollegen auf den Platz gerannt und hat den Schiedsrichter von hinten so gestumpt, daß er umgefallen ist. Da mußte ich so lachen! Das hat mich so gefreut, daß da einer jede mittlerweile auf dem Fußballplatz geforderte Korrektheit hat fahrenlassen und sich im Dienste und Sinne des Vereins sehr weit aus dem Fenster gelehnt hat. Das Spiel wurde abgebrochen und für den Gegner gewertet, samt saftiger Geldstrafe, aber der Mann ist vom Verein geschützt worden, und das fand ich eine gute Art von Verhalten für einen Fußballverwaltungsverantwortlichen.

Fußball wird dann komisch, wenn sich die Leute inkorrekt verhalten?

Greser: Ja. Aber es wird den Leuten sukzessive ausgetrieben. In England ist das schon sehr weit vorangeschritten. Die Geldsummen, die in England für Spieler eingesetzt werden, haben zur Folge, daß die Ticketpreise zwecks Refinanzierung bizarr hoch sind, mit dem Nebeneffekt, daß ein einfacher Kuttenträger, der sein Leben über Jahrzehnte dem Verein geopfert hat, sich das nicht mehr leisten kann. Und tendenziell merkt man das auch in den neuen Super-WM-Arenen. Im Eintracht-Stadion saß vor mir ein Pärchen, das eher den unteren gesellschaftlichen Schichten anzugehören schien. Die haben so verloren gewirkt in diesem Rund. Solche Fans sind beim Bau der neuen Stadien nicht mehr berücksichtigt worden. Wie sollen die sich wehren gegen diese Entwicklung?

Lenz: Die dienen noch als Geräuschkulisse. Dafür braucht man sie noch. Sonst wären die längst rausgekickt und weitere VIP-Lounges gebaut worden. Übrigens fällt mir auf, daß sich der Fußball unheimlich ernst nimmt. Wir haben mal ein lustiges Fernsehinterview gegeben, nach dem hat sich Uli Hoeneß wahnsinnig aufgeregt. Die haben regelrecht Angst, daß ihr riesiger Wirtschaftsbetrieb nicht richtig ernst genommen wird. Das ist alles ein unglaublicher Quatsch. Diese furchtbar ernsten sonntäglichen Fernsehdiskussionsrunden zum Beispiel – was für ein Blödsinn!

Greser: Aber es ist auch ein Abbild der Gesellschaft, insofern alles unter so einer Korrektheitsdunstglocke gehalten wird. Die Geschäfte müssen halt laufen. Die Menschen sind ja mittlerweile auch bereit, dieses Argument zu fressen und sich hochflexibel zu zeigen, wenn es darum geht, einen neuen Arbeitsplatz zu finden und so weiter. Die nehmen ja jede Last auf sich, um an dem Betrieb des großen Geldflusses teilzuhaben. Witz und Ironie – Hoeneß ist diesbezüglich uns gegenüber mehrfach aufgefallen – stören die Ruhe, das Image muß sauber und rein bleiben.

Der Verlust der Ironiefähigkeit auf allen Ebenen – bei den Spielern, den Funktionären und so fort – ist ein Zeichen dafür, wie weit die Ökonomisierung des Fußballs fortgeschritten ist?

Lenz: Ganz sicher.

Greser: Jede Form von Ironie stellt eine anarchische Gefahr dar, die einen Geist mobilisieren kann, der den Geschäftsinteressen zuwiderläuft.

Lenz: Unfreiwillig komische Momente entdeckt man allerdings, wenn man zum Beispiel Jugendmannschaften zuschaut. Wie die jungen Kerle jubeln – das haben die alles aus dem Fernsehen. Neulich habe ich hier beim TuS Leider einen Schiedsrichter gesehen – ein ganz junger Kerl –, der hat Gesten gemacht haargenau wie der Collina! Der hat Collina gespielt! Unglaublich komisch.

Greser: Nur noch Klone. Individualität ist nicht mehr gefragt. Jetzt verbieten sie sogar den Trainern das Rauchen – unter freiem Himmel!

Lenz: Ist doch irre!

Greser: Bei dem erwähnten Vorbereitungsspiel von Viktoria Aschaffenburg saß ich auf der Tribüne und hab’ mir eine Zigarette angesteckt. Mein Nebenmann war empört. Er hat nichts gesagt, aber aus jeder Pore ausgeschwitzt, wie widerlich er das fand. Da bist du heute sofort als Schwein klassifiziert. Eine Katastrophe. Wohingegen von Felix Magath, der ja hier aus der Nachbarschaft stammt, an den Stammtischen schöne Geschichten überliefert werden. Der hat’s sehr bunt getrieben. Der war mit einem überragenden Talent ausgestattet, das es ihm erlaubt hat, in seiner Zeit bei Viktoria Aschaffenburg gern auch mal besoffen aufzulaufen. In der Halbzeit hat er in die Kabine gekotzt, ist dann wieder raus und hat schnell das Spiel entschieden. Und geraucht hat er auch. Jetzt ist er Konvertit – und wie viele Konvertiten ein hundertfünfzigprozentiger Verweigerer dieser Genüsse.

Ich muß noch mal auf Sepp Blatter zurückkommen. Neulich hat er am Rande der Copa América vorgeschlagen, die Verlängerung abzuschaffen. Seit es kein Golden Goal mehr gebe, sei es sinnlos, eine Verlängerung zu spielen. Man solle gleich zum Elfmeterschießen schreiten. Das laut dem Magazin 11 Freunde größte Fußballspiel aller Zeiten, das WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich, wäre ohne Verlängerung niemals das gewesen, was es war. Spinnt der Blatter?

Greser: Ja. Eindeutig.

Lenz: Deutschland – Italien 1970. Wahnsinn!

Greser: Da hab’ ich ein Fußballfantrauma erlitten. Ich war neun Jahre alt, und nachdem Schnellinger kurz vor Schluß durch eine lange Grätsche den Ausgleich erzielt hatte, haben mich meine Eltern ins Bett geschickt, so daß mir die Verlängerung des Jahrhunderts entgangen ist.

Lenz: Das ist dramatisch. Da muß man doch rebellieren!

Greser: Mit neun?

Andererseits hat Blatter der aktuellen Ausgabe von 11 Freunde zufolge mitgeteilt, er wolle in Zukunft auf das Elfmeterschießen verzichten und statt dessen die Anzahl der Spieler während der Verlängerung nach und nach reduzieren, früher oder später fiele dann schon ein Tor.

Greser: Wäre es nicht eher umgekehrt logisch, daß die Anzahl der Spieler erhöht werden müßte?

Lenz: Auch gut.

Greser: Dreiundsiebzig gegen dreiundsiebzig in der 117. Minute.

Lenz: Was will der Blatter denn? Soll der Fußball attraktiver werden? Wird er doch nicht! Warum soll man denn daran was ändern? Ich versteh’ das nicht.

Greser: Vielleicht gibt’s Beschwerden seitens der geldgebenden TV-Anstalten, daß sie mit ihren Programmschemata durcheinandergeraten, wenn pausenlos diese endlosen Verlängerungen gespielt werden. Und wer weiß, was in Familien passiert, in denen die Interessenlage so disparat ist, daß sich die Frau für Fußball absolut nicht interessiert. Wenn es dann noch zur Verlängerung kommt … Ich verstehe Blatters Vision als Maßnahme zur Befriedung der Gesellschaft.

Lenz: Die Scheidungsrate schnellt hoch, wenn die Verlängerung bleibt?

Die Deutsche Meisterschaft 2008 jedenfalls ist entschieden, auch ohne Befehl von Blatter.

Greser: Man muß es fast befürchten.

Lenz: Ach was! Ich würd’ gerne mal wissen, wieviel Prozent Glück eigentlich dabei ist.

Greser: Glück kann man kaufen. Tore kann man kaufen.

Ottmar Hitzfeld hat Franck Ribéry als »Glücksfall« bezeichnet.

Greser: Hm. Er wird jetzt hochgelobt. Mal gucken. Muß sich halt einer hergeben und ihm in den ersten Spielen ein paar auf die Socken hauen.

Beim Club würdet ihr den auch mit offenen Armen …

Greser: Ich muß mal grundsätzlich sagen, daß ich’s nicht verstehe, wie man als Mensch, der Fußballfreundschaft mit Herzenswärme verbindet, Fan des FC Bayern sein kann.

Das ist aber starker Tobak.

Lenz: Damit ist das Gespräch beendet.

Greser: Zu einer gesunden Ausstattung als freier Bürger gehört doch, den Verdacht hochzuhalten und zu schüren gegen jede Form von Monopolismus.

Aber ist der FC Bayern nicht auch ein Verein der Herzenswärme? Man denke nur daran, wie Uli Hoeneß den größten Fußballer aller Zeiten, Gerd Müller, vor dem Untergang bewahrt hat.

Greser: Ja, ja. Und er organisiert auch Benefizspiele. Die russischen Oligarchen werden auch aufgefordert, Brosamen ihrer Milliardenverdienste in den russischen Sozialbetrieb zu stecken, sonst werden sie eingesperrt. Jeder vernünftig operierende Vorstandsvorsitzende einer deutschen Firma, die Verdächtiges oder Übles produziert, wird sich einlassen auf die öffentlich mit Pomp vorgetragene karitative Zahlung. Das ist kein Zeichen von Herzenswärme, sondern von geschäftstüchtiger Heuchelei.

Lenz: Wenn ich der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank wäre, würde ich mir doch nicht einen Mann durch die Lappen gehen lassen, der bei der Dresdner Bank ist und gut ist. Den kauf’ ich weg! Ist doch klar! Mit der Herzenswärme ist es doch seit dreißig Jahren vorbei.

Greser: In deiner Argumentation treffen sich Mitglieder der kriminellen Organisation Bankwesen und der kriminellen Organisation monopolistischer Fußballvereine.

Lenz: So seh’ ich’s.

Dagegen ist kein Kraut gewachsen?

Lenz: Herzenswärme im Fußball ist seit vierzig Jahren passé.

Greser: Ja, sicher. Ich sprech’ ja auch von den Menschen, die sich als Fans zeigen, und unterstelle den Bayern-Fans einfach puren Opportunismus.

Die sind seelisch verkrüppelt?

Greser: Ja. Das sind diese auftrumpfenden Winnertypen, die panzerartig durch diese Gesellschaft fuhrwerken und Spuren hinterlassen, von denen sie nicht ahnen, wie breit sie sind – wie unangenehm und wie trostlos und wie blutig.

Ihr habt beim Club mit Michael A. Roth auch einen Spitzenmoralisten an der Spitze.

Greser: Uli Hoeneß hat den Club mal auseinandergekauft, als er eine junge, aufstrebende Mannschaft hatte, die sogar völlig überraschend den Einzug ins UEFA-Pokalgeschäft gepackt hatte. So weit reicht mein Fangedächtnis noch, daß ich ihm das nicht durchgehen lasse. Die Bayern haben sich bei Leverkusen bedient, bei Bremen, Gladbach haben sie auseinandergekauft.

Klose wollte weg aus Bremen. Bescheinigt man dem SV Werder nicht zu Unrecht immer wieder, er sei ein vernünftiger, sympathischer Klub? Gegen Klose muß es erhebliche Sticheleien und Rempeleien gegeben haben. Die Bayern macht man systematisch als den Gangsterverein schlechthin schlecht, die Bremer werden systematisch als das Gegenmodell in den Fußballolymp gehoben. Das kann’s nicht sein.

Lenz: Das ist wie im Kasperletheater. Uli Hoeneß ist das Krokodil.

Und der Kasper ist Klaus Allofs?

Greser: Der Kasper ist Franz Beckenbauer.

Oder ein anderer Mann mit B – David Beckham. Habt ihr den Zirkus rund um seinen Dienstantritt in L. A. verfolgt? Oder ignoriert ihr das, weil da der Fußball als gesamtgesellschaftlicher Unfug endgültig auf den Begriff gebracht ist?

Greser: Vermutlich ist damit ein Zeichen gesetzt worden für die Perspektive des Fußballs. Es gilt jetzt möglicherweise noch als britische, exzentrische Spinnerei, aber daß das nichtige Promiboulevardgetue den Fußball komplett beherrscht, dazu wird es bei uns schon auch noch kommen. Die Verwahrlosung der Sitten und der Verfall einer, wenn man davon überhaupt sprechen kann: Kultur, der Bedeutung, die Fußball als gesellschaftlich bindende Angelegenheit hat, das alles wird dann durch sein. Beckham hat ein Zeichen gesetzt, indem er zu einem Verein gewechselt ist, der fußballerisch weniger hergibt als der TuS Leider, und sich in der Sphäre der übersportlichen, weltweiten Topschluriprominenz niedergelassen hat. Hat der eigentlich schon Silikon an sich? Silikonwaden?

Bei Ludwig Wittgenstein hab’ ich kürzlich zufällig gelesen: »Fußball hat Tore, Völkerball nicht.« Stimmt das?

Greser: Ich versteh’ den Satz nicht.

Ich auch nicht.

Greser: Ach, Tore im Sinne von Idioten? Völkerball ist doch das viel diskriminierendere Spiel! Da wird man zum Abschuß freigegeben und ist dann weg vom Spielfeld – ein archaisches Ausleseprinzip aus der Neandertaler- oder Raubritterzeit. Dagegen ist Fußball demokratisch, zivilisiert.

Dann bleiben wir bei Gerd Müller und dem Titel seiner Autobiographie: »Tore entscheiden«.

Greser: Der hat mir, als ich ein Bub’ war, mal ein Autogramm verweigert. Seitdem ist mein Verhältnis zu ihm auch gestört.

Lenz: Das tut ihm heute sicher sehr leid.

Ihr habt gemeinsam auch mal ein entscheidendes Tor erzielt, aus hundertzwanzig Metern.

Greser: Es waren nur achtzig. Abwurf Heribert, es war ein sehr kurzer, verunglückter Abwurf, aber ich stand als Verteidiger an der eigenen Strafraumgrenze und hab’ ein Achtzig-Meter-Kopfballtor erzielt, zum Jubel unserer Würzburger studentischen Fußballfreunde. Das war das entscheidende Tor, das uns die Prämie eines Kastens Bier eingebracht hat – mehr wert als jeder Goldcup.

Lenz: So war’s. Prima.

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