Kitabı oku: «Das Gold der Felder», sayfa 2
Hinter einem der Bäume verborgen, blieb Gérards stehen und linste verstohlen um den Stamm herum, wie ein Junge, der in eine verbotene Stube hineinsah. Brix stand schräg zu ihm, sodass Gérard seinen wohlgeformten Hintern und seinen muskulösen Rücken, aber auch sein Profil sehen konnte, das selten so entspannte wirkte wie an jenem Morgen als er sich unbeobachtet glaubte. Das Bein mit der Narbe war angewinkelt, sodass sein saftiger Schenkel den Blick auf die Lenden verbarg.
Es wäre gar nichts Ungewöhnliches dabei gewesen, wäre Gérard einfach ins Wasser gegangen um sich ebenfalls zu waschen, sie badeten ständig alle zusammen im Bach und niemand störte sich an der Nacktheit der anderen, doch es gehörte sich ganz sicher nicht, heimlich den Capitaine zu beobachten, ohne überhaupt die Absicht zu haben, sich zu zeigen.
Aber Gérard konnte einfach nicht anders, obwohl ihm bewusst war, dass er etwas Falsches tat. Etwas Verbotenes, das köstlich süß schmeckte, wie ein Löffel Honig, der auf der Zunge zergeht.
In seinem Magen staute sich ein seltsames Gemisch aus einer Art Hungergefühl und Ärgernis, etwas an Brix ließ ihm zugleich das Wasser im Mund zusammenlaufen und glutroten Zorn empfinden. Womöglich hatte beides miteinander zu tun, wobei er sich immer noch nicht erklären konnte, was dies zu bedeuten hatte.
Gérard schluckte, seine Kehle war wie ausgedörrt, während er gebannt die kräftigen Hände beobachtete, die sanft die leichten Erhebungen der Muskeln mit klarem Wasser wuschen. Es schien kalt zu sein, denn die winzigen Brustwarzen hatten sich zu zwei harten Knöpfen zusammengezogen, und über den gesamten Körper legte sich eine deutlich sichtbare Gänsehaut.
Brix fuhr sich gemächlich über die ausgeprägten Brustmuskeln, und Gérard verfolgte die Berührungen, als wären es seine eigenen. Immer tiefer glitten diese starken Hände, die Gerüchten zu Folge ein Schwert wie einen verlängerten Arm führen konnten. Über die sanften Hügel der Bauchmuskeln, zu dem weichen, behaarten V darunter und schließlich …
Gérard bemerkte gar nicht, wie er sich streckte, um einen Blick auf jene verborgene und verbotene Körperregion erhaschen zu können. Und tatsächlich, als sich der Capitaine zwischen den Beinen wusch, konnte Gérard seine Männlichkeit entdecken, die Brix mit gleicher Hingabe führte wie sein Schwert.
Die Sonne glitzerte in Gérards verträumten Blick, seine blassrosafarbenen Lippen öffneten sich um Atem zu holen, ohne dass er irgendetwas davon mitbekam. Brix` Männlichkeit schwoll in seinen massierenden Händen an, während in Gérards Hose nur durch den Anblick bereits ein Zelt wuchs.
Begierde erstickte Gérard, und da begriff er, was ihn von Beginn an so verärgert hatte. Brix war herablassend, selbstsicher, unnahbar, und dennoch beliebt bei seiner Kompanie … er war ein wahres Mannsbild, wunderschön, faszinierend und absolut unerreichbar.
Un-er-reich-bar. Das Wort ließ mit jeder Silbe Beklommenheit in Form von trüben Nebel aufkommen.
Ein Vogel stob plötzlich ausgerechnet direkt über Gérards Kopf aus dem Blätterdach, durchbrach mit einem Schrei die morgendliche Stille und erschrak damit den nichtsahnenden, badenden Brix.
Gérard zog erschrocken den Atem ein und versteckte sich hinter dem Stamm. Für einen Augenblick hatte er geglaubt, der Capitaine hätte ihn vielleicht gesehen. In der darauffolgenden Stille vergingen die Momente wie viele aneinandergereihte Ewigkeiten. Gérards Herzschlag wurde immer schneller, sodass ihm sein Blut in den Ohren rauschte und er angestrengt ruhig atmete, damit er nicht vor Aufregung keuchte.
Der Bach plätscherte, als Brix ihm entstieg, Gras raschelte leise, als er sich vom Ufer entfernte.
Gérard linste um den Baumstamm herum und stellte erleichtert fest, dass der Capitaine den Bach verließ und sich in Richtung Lager aufmachte. Seine einfachen Unterkleider trug er wieder am Leib, die von seiner feuchten Haut leicht durchsehbar wurden.
Gérard blickte ihm kurz nach. Er lehnte den Kopf an die raue Rinde und schloss verhalten fluchend seine dunkelblauen, großen Augen.
Sein Herz wollte sich nicht beruhigen, doch es schlug keineswegs so hoch, weil er beinahe beim Linsen erwischt worden wäre, sondern weil er den Anblick des nackten Körpers nicht wieder vergessen konnte.
Von diesem Tag an ging er jeden Morgen runter zum Bach. Und jeden Morgen war Brix dort, während Gérard sich hinter einem Baum versteckte und ihn beobachtete. Nachts träumte er dann von dem Anblick.
Er schämte sich nur in den ersten Tagen für sein Verhalten, doch das Gefühl der Scham nahm schnell ab, je heller seine Sehnsucht brannte.
***
»Sergent!«
Gérard zuckte ungewollt schuldbewusst zusammen, als Brix` dunkle Stimme nach ihm rief.
Eben war er noch ganz vertieft in seine Erinnerungen an das Gesehene von jenem Morgen gewesen, während er nach dem Training die Übungsschwerter der Kompanie in die Ständer stellte, da wurde er brüsk aus seiner Träumerei gerissen. Und zwar ausgerecht von dem Grund seiner Verträumtheit.
Er schluckte trocken und drehte sich dann strammstehend zu seinem Vorgesetzten um. »Capitaine!«
Brix kam auf ihn zu, er trug ausnahmsweise lange Lederhosen, seine Schwertscheide hing sogar am Gürtel, das Gewicht des Panzerbrechers zog das Leder auf einer Seite ein Stück nach unten. Nur das lockere Hemd, dessen Schnürung offenstand, zeugte von seiner leicht arroganten Nachlässigkeit.
Allerdings war es an jenem Sonnentag besonders heiß dort am Fuße des Pic du Canigou, also sei ihm verziehen.
Zumal er einen deutlichen Blick auf seine muskulöse Brust gewährte.
Ihm sei mehr als verziehen.
Erstaunlich, wie schnell Gérard in Anbetracht dieses Mannes seine strenge Ausbildung und seine Disziplin verwerfen konnte …
Brix hielt einen Bericht in den Händen und sprach mit Gérard, doch dieser konnte ihm nicht für einen Augenblick lang zuhören.
Gérard war ihm in den letzten Tagen aus gutem Grund aus dem Weg gegangen und hatte nur das Notwendigste mit ihm besprochen, bestmöglich ohne ihm dabei in die Augen sehen zu müssen. Eine irrationale Furcht davor, Brix könnte ihm ansehen, dass er ihm beim Baden beobachtete, sorgte dafür, dass Gérard ihm kaum mehr ohne rot zu werden gegenübertreten konnte.
Oder ohne ihn mit einem verhangenen, ganz verträumten Blick anzustarren.
Gérard konnte nicht verhindern, dass seine dunkelblauen Augen an Brix hinab glitten und an der Ausbuchtung der Lederhose haften blieben.
So nahe und doch so fern …
Er wusste, was die Beule beinhaltete, selbst wenn er es immer nur vom Weiten sah, er wusste es. Kannte bereits die leicht gebogene Form, die Länge, die nicht in eine Hand passte, die blass pflaumenfarbige Spitze, die einem Speer glich, die lose Haut, die sacht auf und ab geschoben wurde …
»Sergent!« Brix` strenge Stimme ließ Gérard umgehend aufblicken. »Habt Ihr verstanden?«
»Ja, Capitaine«, versicherte er, obwohl er gar nicht zugehört hatte. Aber er kannte seine Arbeit innerhalb der Kompanie mittlerweile auswendig. Er wusste, was von ihm erwartet wurde, weshalb er sich kaum einen Kopf darum machte. Er sorgte für Ordnung, die schon geherrscht hatte, bevor er eingetroffen war, und er war der Laufbursche des Capitaine. Das war nicht schwer, sich zu merken, und er führte seine Aufgaben immer hervorragend und vorbildlich aus.
Sofern ihn nicht gerade Brix` Anwesenheit in einen verträumten Knaben verwandelte, der die Augen nicht von einer besonders schönen Maid abwenden konnte.
Brix schien nicht überzeugt, er verengte argwöhnisch die Augen. »Habt Ihr mir überhaupt zugehört, Sergent?«
Gérard nickte knapp. »Natürlich, Capitaine.«
Brix senkte die Hand mit dem Bericht und trat noch einen weiteren Schritt auf ihn zu, einen bohrenden Blick in den hellbraunen Augen. »Stimmt etwas nicht, Sergent? Ihr scheint … etwas abgelenkt.«
Er hat es bemerkt, schoss es Gérard durch den Kopf, und umgehend raste sein Herz vor Furcht.
»N-nein, Capitaine«, stotterte er und blinzelte verräterisch voller Nervosität, »ich … ich …«
Unversehens huschten seine Augen wieder hinab, während er angestrengt nach einer guten Ausrede suchte. Er schluckte laut.
Brix folgte dem Blick und sah Gérard danach sehr kritisch ins Gesicht.
»Ich … Ich habe nur … Euer Schwert bewundert«, versuchte Gérard, sich zu retten, » … Ihr habt da … ein wirklich prächtiges Schwert.«
Der darauffolgende Gesichtsausdruck des Capitaine war äußerst misstrauisch, aber ebenso amüsant.
»Es ist … «, er suchte verzweifelt nach Worten, » … Ist es selbst geschmiedet? Oder hat die Armee es Euch gegeben?«
Brix musterte ihn, als hätte er den Verstand verloren. »Ich habe es überreicht bekommen, als ich Ruhm auf dem Schlachtfeld erlangte.«
»Die gleiche Schlacht, als Ihr Euch die Narbe zugezogen habt?«
Brix sah ihn auf die Frage hin dermaßen zornig an, dass Gérard der eigene Atem im Halse stecken blieb. Der Capitaine blieb ihm die Antwort darauf schuldig.
Gérard versuchte, Haltung zu wahren, obwohl seine schimmernden Augen sich nur zu gerne mit einem verträumten Blick auf Brix‘ geschwungene Lippen geheftet hätten, die selbst dann ihre Form nicht verloren, wenn Brix dermaßen grimmig dreinblickte wie in jenem Augenblick.
Als Brix sich nach einer gefühlten Ewigkeit rührte, zuckte Gérard bei dessen Schnauben regelrecht ängstlich zusammen. Der Capitaine wandte sich ab und ließ ihn einfach stehen.
Aufatmend ließ Gérard die Schultern hängen, als der andere endlich von ihm abließ. Er musste unverzüglich damit aufhören, ihm nachzustellen, sonst würde er sich eines Tages doch noch verraten.
Gérard wollte sich gerade abwenden und schnell ein Bad im eiskalten Bach nehmen – er kann bis heute nicht verstehen, wie Brix sich darin waschen konnte ohne zu erfrieren – um die Enge in seiner Hose wieder loszuwerden. Doch da landete vor ihm im trockenen Boden ein Eisenschwert.
Verwundert drehte er sich nach dem Capitaine um, der den Bericht fortgelegt hatte und stattdessen seinen Panzerbrecher aus der Scheide zog.
»Kommt«, forderte Brix mit einem überheblichen Lächeln, das Gérard gleichermaßen ärgerte und Sehnsucht empfinden ließ. »Ihr seid hier, um von mir zu lernen. Also lernt.«
Gérard traute der ganzen Angelegenheit nicht, denn das letzte Mal, als Brix ihm etwas lehren wollte, hatte er ihn nur vorgeführt und seine eigene Stärke demonstriert.
»Das ist ein Befehl, Sergent«, drängte Brix mit strenger Miene.
Sich ein Seufzen verkneifend, bückte Gérard sich nach dem Schwert. Es war um einiges leichter, kürzer, dünner und von deutlich minderer Qualität als die des Panzerbrechers.
Brix legte eine Hand auf seinen Rücken und hob mit der anderen sein locker geführtes Schwert, um auf Gérards Brust zu deuten. »Zeigt mir Eure Verteidigungshaltung.«
Er bat nicht, er befahl auch nicht, er forderte vielmehr. Mit tiefer Stimme, die fast wie ein Knurren klang und umgehend Gérards Blut in Wallung brachte.
Gérard tat, wie ihm geheißen und zeigte dem Capitaine, was dieser sehen wollte. Nur leider war er derart von der Enge in seiner Hose abgelenkt, dass er recht verkrampft vor ihm stand, um seine Härte vor ihm zu verstecken.
Wieder schnaubte Brix auf seine ihm eigene hochnäsige Weise. Er sprang plötzlich mit erhobener Klinge auf ihn zu und schlug nach ihm. Es waren nicht einmal raffiniert ausgeführte Hiebe, jeder Bauerntrottel hätte auf diese Weise angreifen können, und trotzdem brachten sie Gérard aus dem Gleichgewicht. Er stolperte über seine eigenen Füße und landete auf dem Po.
»Ha!« Brix hatte sich den zynischen Laut wohl nicht verkneifen können. Gérard hätte ihm dafür gerne in den Magen geboxt.
»Was bringen sie euch Burschen eigentlich bei?«, fragte er und schüttelte wieder den Kopf, als bedauerte er Gérard zutiefst. »Oder schickten sie Euch zu mir, weil es sonst niemand vermochte, Euch irgendetwas beizubringen?«
Gérard sprang auf. »Ich bin ein guter Kämpfer!« Wenn er nicht gerade mit einem angeschwollenen Phallus in der Hose herumlief.
Brix zog die Augenbrauen mit einem angedeuteten, schiefen Lächeln nach oben. Sein braunschimmerndes Haar wurde ihm von einer sanften Windbrise ins Gesicht geweht. »Ach? Na dann, versucht es noch mal.«
Als Brix wieder etwas Abstand nahm, atmete Gérard tief durch. Er nahm erneut die ihm beigebrachte Verteidigungsstellung ein, dieses Mal ignorierte er die Beule in seiner Hose.
Allerdings ließ Brix kopfschüttelnd sein Haupt hängen, ein weiteres Schnauben ausstoßend.
Gérard knirschte bereits ärgerlich mit den Zähnen, doch er würde niemals einen Vorgesetzten angreifen, ob verbal oder körperlich, ganz gleich wie wütend er war.
Brix kam auf ihn zu, umrundete ihn und trat ihm die Füße auseinander. »Stellt die Beine nicht so eng beisammen, sonst habt Ihr keinen festen Stand«, erklärte er brüsk. Dann packte er Gérards Arme von hinten und senkte sie ein Stück herab. »Ihr jungen Burschen habt immer Angst um eure Nase, dabei solltet Ihr vor allem eure Brust, den Bauch und auch die Beine schützen. Denn mit einem entstellten Gesicht könnt Ihr weiterleben, aber nicht mit einem durchbohrten Herzen.«
»Wie soll ich alles auf einmal verteidigen?«, nörgelte Gérard.
»Eben deshalb ist es wohl klüger, die Waffe mittig zu halten.« Brix stieß ihm mit dem Fuß in die Kniekehlen, damit seine Beine etwas einknickten. »Damit Ihr immer schnell einen Hieb abblocken könnt. Denn verteidigt Ihr nur Euer Gesicht, wird sich der Gegner auf Eure Beine stürzen.«
Gérard ließ sich formen wie eine Lehmstatue. Er hätte verärgert sein sollen, aber Brix´ Hände auf seinem Körper nahmen ihm die Fähigkeit, Zorn zu empfinden. Jede kleinste Berührung, sei sie noch so grob, sandte Hitzewellen durch seine Venen und ließen ihn mit offenem Mund nach Atem ringen.
»Also gut, bereit?« Brix ging zurück an seine Position und wartete auf Gérards zustimmendes Nicken.
Es lag eine gewisse Leichtigkeit in Brix` Lächeln, das er zu verstecken versuchte, genau wie beim ersten Mal, als er Gérard vorgeführt hatte.
Doch noch bevor Gérard sich darüber Gedanken machen konnte, tänzelte Brix auf ihn zu und verteilte Schwerthiebe.
Eines musste Gérard ihm zugestehen, er hatte ihm wertvolle Tipps gegeben, die wirklich nützlich waren, denn es schien ihm geradezu kinderleicht, die Hiebe abzufangen.
»Achtet auf mich«, warnte ihn Brix, »behaltet den Gegner genau im Auge. Ahnt jede Bewegung voraus …«
Das sagen die Ausbilder zu den Rekruten, aber bei einem Gegner wie Brix war das gar nicht mal so leicht. Und dabei schien Brix sich nicht einmal anzustrengen, er wirkte so entspannt und ruhig wie eine alte Bäuerin beim Häkeln in ihrer Stube. Es brachte ihn auch nicht ins Schwitzen.
Gérard grinste bald darauf über das ganze Gesicht, denn es gelang ihm trotzdem, Brix` Hiebe stets rechtzeitig abzuwehren, obwohl dieser dazu überging, einen Schlag anzutäuschen und ihn dann in einen nach unten geführten Hieb umzuwandeln.
Brix kämpfte nicht, stellte Gérard schwärmend fest, er tanzte. Er war ein tödlicher Tänzer.
Plötzlich schlug der Capitaine derart hart zu, dass Gérard unter der Wucht beinahe ins Straucheln gekommen wäre. Er fing die feindliche Klinge mit seiner ab, die Schwerter kreuzten sich und kamen seiner Nase gefährlich nahe. Brix stemmte sich gegen ihn, als wollte er ihn köpfen.
»Ha!«, stieß Gérard nun aus, Brix nachäffend, und grinste dem Capitaine in Manier eines Bengels mitten ins Gesicht. »Geblockt! Und nicht umgefallen.«
Brix lächelte, als hätte er Mitleid mit ihm. Dann zog er Gérard einfach die Beine mit dem Fuß weg und ließ gelassen das Genick rollen, als wäre er gerade aus einem Mittagsschlaf erwacht, und müsste sich erst einmal strecken.
Gérard landete mit einem Grunzen auf dem Rücken, Staub wirbelte auf, und er konnte den Aufprall sogar als Kratzen in der Lunge spüren. Er hustete trocken.
»Immer auf die Beine achten«, sagte Brix, der neben ihm ragte und von diesem Blickwinkel ebenso unwiderstehlich anziehend wie unausstehlich überheblich aussah.
»Ihr seid kein wirklich zuvorkommender Lehrer«, stieß Gérard entkräftet aus. Ihm war zu heiß, er war gedemütigt und er wollte einfach liegen bleiben.
Brix sah auf ihn herab. »Das mag daran liegen, dass ich Soldat und kein Lehrer bin.«
Gérard konnte es sich nicht verkneifen, zu erwähnen: »Das sieht die Armee wohl anders.«
Mit einer eisernen Miene ging Brix neben ihm in die Hocke, sodass Gérard bereits die Augen zusammen petzte, weil er befürchtete, für sein freches Mundwerk gerügt zu werden.
Brix stieß die Spitze seines Schwerts in den trockenen Boden, drehte es hin und her, als müsste er sich davon abhalten, es zu gebrauchen, und sah Gérard mit einem sehr ernsten, fast grimmigen Blick in die dunkelblauen Augen. Dann beugte er sich zu ihm runter und sagte leise mit rauer Stimme: »Ich weiß, dass du mich beobachtest.« Brix stand abrupt auf und ging mit großen, schweren Schritten ohne ein weiteres Wort davon.
Gérard schloss die Augen und rammte den Hinterkopf auf den Boden. »Merde …«
***
Seit diesem Vorfall ging Gérard morgens nicht mehr zum Bach, um Brix zu beobachten.
Gérard versuchte, ihm weitestgehend aus dem Weg zu gehen, was überhaupt nicht einfach war, da er ihn über alles in Kenntnis setzen musste, was in der Kompanie vor sich ging, und weil er ihm sozusagen ständig zur Verfügung stehen musste.
Jeden Nachmittag suchte Brix nach ihm und beorderte ihn zu den Übungsplätzen. Brix war ein strenger Lehrer, der es liebte, seine Autorität zu unterstreichen, in dem er Gérard immer wieder auf den Boden beförderte. Außerdem hielt er nichts von Übungsschwertern aus Holz, weshalb Gérard vermehrt Schnittwunden von den Lehrstunden davontrug, auch eine Schutzrüstung durfte er nicht überziehen. Sie kämpften mit echten Schwertern, mit nichts als Leinenhemden und Lederhosen am Leib.
»Lernt, Euch zu verteidigen, wenn Ihr keinen Schutz tragt«, erklärte Brix in seinem üblich autoritären Tonfall, »lernt, gegen einen Gegner zu kämpfen, der ohne Rüstung viel schneller ist. Wenn ihr nackt kämpfen könnt, ist Eure Rüstung nur noch eine Absicherung. Ein Schutz, der Euch beruhigt.«
Gérard war ein ungenügsamer Schüler. Je mehr Zeit er mit Brix auf dem staubigen Boden des Übungsplatzes verbrachte, je mürrischer wurde er.
Brix war unausstehlich, er hatte ständig das Bedürfnis, Gérards Fehler aufzuspüren und dann ohne Gnade auszunutzen. Gérard kam natürlich nicht in den Sinn, dass Brix ihm damit half, sich zu verbessern. Aber in jener Hinsicht war Gérard ebenso trotzig, wie Brix überheblich war.
Ich bin ein guter Kämpfer! Sonst hätten sie ihn wohl nicht zum Sergent gemacht. Er wollte nur, dass Brix seine Talente anerkannte. Brix sollte ihn nur ein einziges Mal loben und seine Fähigkeiten bewundern. Mehr wünschte er sich gar nicht.
Stattdessen wurde er wie ein Kind behandelt, dass gezüchtigt werden musste.
Brix schien gewillt, seine Wut über sein derzeitiges Dasein an Gérard auszulassen, der von allen am wenigsten etwas dafürkonnte, dass er Brix` Schüler und möglicher Nachfolger sein sollte.
Seine fünfte Lehrstunde endete damit, dass Brix ihm das Schwert aus der Hand schlug.
Gérard zischte scharf und presste die blutende Hand gegen die Brust. Umgehend färbte sich sein Hemd rot, und in seinem Handballen breitete sich ein schmerzhaftes Brennen aus.
Brix seufzte unglücklich, mal wieder enttäuscht von Gérard.
»Wie oft soll ich Euch noch zeigen, wie Ihr einen nach unten geführten Schlag pariert, Sergent?«
Dass Gérard seinen Daumen hätte verlieren können, schien Brix nicht zu interessieren.
Gérard starrte nur wutentbrannt zu Boden, weil er sich zunehmend zusammenreißen musste, nicht seiner Weißglut zu verfallen und dem Capitaine einen Faustschlag ins Gesicht zu verpassen.
Oh wie gerne er gerade in jenem Moment auf ihn eingedroschen hätte.
Brix trat auf ihn zu und streckte fordernd die Hand aus. »Zeig mal her!«
Immer dann, wenn er so nahekam, dass nur Gérard ihn hören konnte, wurde seine Stimme rauer und seine Anreden vertrauter. Aus dem förmlichen Sergent wurde dann einfach Gérard.
»Jetzt zeig schon her!«, meckerte Brix, als Gérard ihn nur anstarrte. Er packte Gérards Handgelenk und riss die verletzte Hand zu sich heran. Doch er ging erstaunlich behutsam vor, als er die Handfläche schließlich nach oben drehte und den Schnitt in der warmen Sonne begutachtete. Er strich sanft mit dem Daumen das Blut aus der Wunde, um zu sehen, wie tief seine Klinge ins Fleisch geschnitten hatte.
Gérard konnte derweil nicht seine verträumten Augen von Brix` Gesicht nehmen, er sperrte sogar den Mund auf wie ein Nesthäkchen, das auf Futter wartete, da ihm der Atem wegblieb. Brix war ihm so nahe, er konnte jedes Fältchen und jeden Tropfen Schweiß auf dessen Gesicht erkennen, seine Wärme spüren, die von ihm abstrahlte, und seinen würzigen Geruch nach Leder und Staub einatmen. Gérard hatte nie etwas Aufregenderes erlebt, als jenen Moment, als er Brix so nahe war, dass er sich nur hätte vorbeigen müssen, um dessen Wange mit den Lippen zu berühren. Schmerzen spürte er plötzlich keine mehr, allerhöchstens sehr gedämpft, wie das Verhallen eines Brüllens in den Bergen.
»Halb so wild«, entschied Brix. Seltsamerweise schien es so, als beruhigte ihn das. Vielleicht hatte er sich Sorgen gemacht, dass er gerügt werden würde, wenn er seinem Sergent den Daumen abgetrennt hätte.
»Genug für heute«, entschied Brix. Gérard hätte ohnehin nicht weiterkämpfen können. »Lass die Wunde versorgen. Morgen werden wir wieder an deiner Haltung arbeiten.«
Es lag wohl einfach in Brix` strengem Wesen, seinem Sergent selbst bei einer Verletzung keinen Ruhetag zu gönnen. Aber Gérard störte sich nicht daran, denn auch wenn ihm seine Gefühle gegenüber Brix peinlich waren und er sich mächtig über dessen Verhalten ärgern konnte, kostete er doch jeden winzigen Augenblick mit ihm zusammen aus.
Gérard sah ihm nach, als er verschwand und spürte noch lange dessen Berührung auf seiner Haut nachbrennen. Der blutige Schnitt tat längst nicht so weh wie die unerfüllte Sehnsucht, die seinen Magen mehr und mehr verkrampfte.
***
Das nahegelegene Dorf feierte am Abend eine Hochzeit, zu deren Fest aus Höflichkeit auch die Kompanie eingeladen wurde. Die Provinzler sahen sich wohl in einer Art Pflicht, die Männer der Armee mit Respekt zu behandeln. Als hätten sie Furcht davor, sollte wiedererwarten irgendjemand dem Dorf schaden wollen, dass die Soldaten ihnen nicht helfen würden, weil sie nicht zu einem Fest gebeten wurden.
Nichtsdestotrotz wurden finstere und argwöhnische Blicke der Väter hin und her geworfen, während sie ihre jungfräulichen Töchter, deren Weiblichkeit bereits erblüht war, hüteten wie ihre Augäpfel.
Gérard hielt sich abseits, während seine Kameraden Wein tranken, vom einem köstlich aussehenden Braten kosteten, lachten, mit den Damen tanzten und schäkerten. Je tiefer die Nacht wurde, je mehr Männer verkrochen sich mit ihrer Angebeteten in irgendeiner Scheune oder Hütte.
Gérard hielt sie nicht auf, sie würden ohnehin nicht auf ihn hören. Sie hätten vielleicht auf Brix gehört, doch der Capitaine war selbst beschäftigt.
Am Rande der Feier, die auf dem mit Blumengirlanden geschmückten Marktplatz stattfand, saß Gérard einsam auf einer Bank an einer Tischkante und beobachtete Brix bereits den ganzen Abend, wie er mit schönen Mädchen lachte und tanzte.
Eine Dame schien es ihm besonders angetan zu haben. Sie war etwas älter, aber nicht viel älter als Brix selbst. Eine Witwe, wie Gérard sich denken konnte, sonst wäre ihr Gatte gewiss bereits dazwischen gegangen. Ihre weiblichen Rundungen wurden von einem einfachen Leinenkleid umschmeichelt, und auf ihren dunklen Locken saß ein weißes Bauernkäppchen, keck hingen zwei braune Strähnen in ihrem schönen Gesicht.
Brix tanzte eine ganze Weile mit ihr, und je mehr er trank, je dunkler wurde sein Blick. Gérard erwischte sich bei der Vorstellung, Brix würde ihn so ansehen. Dem Lächeln des Capitaine hing etwas Verwegenes an, wenn er der Witwe leise zuflüsterte, dass sie rot wurde.
Und er küsste sie.
Es war nur ein kurzer, zierlicher Kuss, aber in ihm lag eine Zärtlichkeit, die Gérard beim Zusehen die Kehle zuschnürte und ihn gleichzeitig erschaudern ließ.
Der Wirbelsturm an Gefühlen in seinem Inneren trieb ihn letztlich in die Flucht. Vor allem weil Jean ihn schon mehrfach danach fragte, warum er sich nicht unter die Mädchen mischte.
Ja, warum eigentlich nicht?
Gérard wusste es nicht, er hatte einfach keine Lust auf Gesellschaft. Nicht auf diese Art von Gesellschaft. Seine Augen lagen unentwegt auf Brix, der beim Tanzen genauso beeindruckend aussah wie auch beim Kämpfen, und dabei krampfte sein Magen, als müsste er sich gleich übergeben, obwohl er nicht krank zu sein schien.
Gérard stand auf und schüttelte über sich selbst den Kopf. Er hatte den Capitaine nun wahrlich genug beobachtet, es wurde Zeit, dass er sich auf sein Lager zurückzog und sich in Träumen verlor. Denn in seinen Träumen war es ihm nicht verwehrt, seine Neugierde zu stillen.
Er fühlte sich seltsam niedergeschlagen, als er durch die Nacht am Bach entlang schlenderte und gelegentlich lustlos gegen einen Ast oder Stein trat. Manchmal stellt er sich dabei Brix Bein vor … oder sein Gesicht.
Gérard war äußerst verwirrt. Wie kann er sich gleichzeitig über einen einzigen Menschen ärgern und sich zu ihm hingezogen fühlen. Und dann auch noch zu einem Mann.
War es nicht eine Sünde, diese glühend heiße Sehnsucht nach einem anderen Mann zu verspüren?
Er blieb am Ufer stehen und betrachtete die fließende Wasseroberfläche des niedrigen Bachs, in der sich verschwommen die funkelnden Sterne des Himmelszelts spiegelten. In der Dunkelheit plätscherte das Wasser einsam und leise vor sich hin, wodurch sich Gérard seltsamerweise getröstet fühlte. Als wüsste der Bach um seine Zerrissenheit und würde sie mit ihm teilen. Beide flossen sie einfach nur so vor sich hin, getrieben von ihrer inneren Natur, doch war das wirklich die Richtung, in die sie fließen wollten?
Was stimmte bloß nicht mit ihm? Was war falsch mit ihm?
»Ihr geht schon, Sergent?«
Gérard fuhr erschrocken herum. Und da stand er. Brix. Groß und männlich, trotz leicht schwankender Haltung und gekrümmten Schultern. Der Vollmond leuchtete sein kantiges Gesicht an, seine Lippen glänzten feucht vom Wein, und seine hellbraunen Augen wirkten glasig. Sein Haar war zu einem Zopf gebunden aber zerzaust, als hätte er sich mehrfach hindurchgefahren, und seine Nasenspitze leuchtete rot wie die Blüte einer Rosenknospe.
Er war benebelt, und offensichtlich wollte er sich gerade erleichtern.
Gérard nickte nur, er wagte nicht, auch nur ein Wort zu sagen. In der Nacht, und vor allem im weißen Mondschein, besaß Brix eine noch stärkere Faszination auf ihn als sonst.
Brix zuckte mit den Schultern und torkelte leicht benommen zu einem Baum. Er öffnete ungeachtet der Tatsache, dass Gérard ihn verträumt anstarrte, seine Hose und erleichterte sich mit einem zufriedenen Stöhnen.
Sogar betrunken wirkte sein schneidiges Profil unheimlich anziehend.
Gérard kniff gequält die Augen zusammen und schüttelte wieder über sich den Kopf. Sein Magen verkrampfte derart heftig, dass er vor Schmerz fast gestöhnt hätte.
»Alsdann«, verabschiedete er sich eilig und machte kehrt, um zu den Zelten zurückzukehren, wo er wie jede Nacht allein auf sein Lager sinken würde, den Kopf voll verbotener Sehnsüchte und Träume.
Doch er war noch nicht weit gegangen, als ihn eine Hand grob an der Schulter packte und an ihr riss.
Ungewollt wirbelte er zu Brix herum und starrte ihn aus großen Augen erstaunt an.
Brix` geschwungene Lippen wirkten grimmig. »Warum siehst du mich immer so an?«
Gérard blinzelte überrascht. »Wie sehe ich Euch denn an?«
»Na … so eben.« Brix kam näher, zog aber den Kopf mit einem misstrauischen Blick zurück, als näherte er sich einem kranken Tier. Oder etwas Übelriechendem. »So … verträumt. Mit halbgeschlossenen Lidern und träumerisch schimmernder Iris. Und immer steht dein Mund offen.«
Gérard starrte ihm mit dem erwähnten Blick einfach nur auf die Lippen. Er konnte nicht denken, er konnte nicht zuhören, er hörte nur seinen eigenen Herzschlag in den Ohren hämmern und konnte sich nur auf den Krampf in seinem Bauch konzentrieren.
Es fühlte sich an, als müsste er sterben, wenn er nicht … wenn er nicht bald irgendetwas von Brix bekam, und sei es nur eine flüchtige Berührung.
»Warum beobachtest du mich?« Brix ging dazu über, Gérard wie eine Raubkatze zu umrunden. Er war nah, sehr nahe, sodass Gérard die Wärme seines Körpers wahrnehmen aber nicht auf der Haut spüren konnte. Sein heißer Atem streifte Gérards Nacken, der unwillkürlich erschauderte.
Gérard schluckte und drehte das Gesicht über die Schulter. »Ich kann einfach nicht wegsehen, Capitaine.«
Er hatte lügen wollen, aber die Lüge wollte nicht über seine Lippen. Er glaubte, bald an seiner Sehnsucht ersticken zu müssen, wenn er sie weiterhin verheimlichte. Doch der Tod könnte ihn auch treffen, sollte er sich offenbaren. Ganz gleich was er tat, es würde wohl unschön für ihn enden.
Brix umrundete ihn, sodass Gérard über die andere Schulter sehen musste, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Etwas Seltsames lag auf dem Gesicht des Capitaine. Überraschung? Neugierde? Gérard konnte es nicht deuten.
»Ich weiß, dass du jeden Morgen zum Bach kommst«, hauchte Brix mit einer gesenkten Stimme, die Gérard eine Gänsehaut bescherte. »Aber du badest nie, du siehst mich einfach nur an.«
Er schloss bei der Erinnerung genüsslich die Augen und merkte an: »Wenn Ihr es wisst, warum badet Ihr dann jeden Morgen dort?«
Wieder vor ihm angelangt, blieb Brix stehen und musterte nachdenklich sein Gesicht, er blieb ihm die Antwort jedoch schuldig. Vermutlich wusste er es selbst nicht, denn in seinen Augen stand beinahe die gleiche Verwirrung, die Gérard seit Wochen verspürte.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.