Kitabı oku: «Kai Ebel - Von Schumacher bis Schumacher», sayfa 2

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„SCHUMMEL-SCHUMI“ TRIFFT MICHAEL HART

In so einer Profikarriere ist natürlich nicht immer alles eitel Wonne. Wenn ein Mensch – in diesem Fall eben ein Sportler – in der Öffentlichkeit steht und absolute Höchstleistungen vollbringt, suchen diverse Leute dauernd Gründe, um ihn zu diffamieren. Stichwort „Schummel-Schumi“. Ein Begriff, den die BILD-Zeitung aus dem Boden stampft, im wahrsten Sinn des Wortes: Die Holzplatte am Unterboden des Benetton-Ford passt nicht, entspricht nicht den Vorschriften. Der Sieg im Großen Preis von Belgien 1994 wird Schumacher deshalb aberkannt.

Mit diesen Anschuldigungen hat Michael wirklich hart zu kämpfen. Er nimmt für sich in Anspruch, ein ehrlicher Mensch zu sein. Und soweit ich das beurteilen kann, ist er das während seiner Karriere auch immer gewesen.

Fest steht: Michael ging immer ans Limit. Sonst wäre der Erfolg ausgeblieben. Das bedeutet in der Formel 1, gewisse Regeln genau auszuloten. Das schließt nicht aus, einmal eine gewisse Grenze zu überschreiten. Über das Ziel hinauszuschießen. Genau das hat sein Team gemacht. Ich betone: Sein Team und nicht die Person Michael Schumacher. An ihm bleibt es natürlich letztlich hängen. Der Name „Schummel-Schumi“ ist geboren. Diese „Taufe“ passt ihm gar nicht. Überflüssig.

Auch für mich als Reporter ist das eine schwierige Phase. Schumi weckt Deutschland gerade aus dem Dornröschenschlaf. Die Formel 1 bekommt einen neuen Helden geschenkt. Die ganze Nation ist verzückt. Beim Heim-Grand-Prix in Hockenheim campieren die Fans schon zwei Wochen vorher rund um den Ring, damit sie das Rennen live verfolgen können. Und wir armen „Medienschweine“ müssen der Sache „Schummel-Schumi“ nachhetzen, kritische Fragen stellen, einen Helden ins Wanken bringen und in die Knie zwingen. Das macht keinen Spaß. Das fällt mir schwer. Dafür übe ich diesen Job nicht aus. Lieber gönne ich jemandem seinen Erfolg. Bei der Fußball-WM steht die ganze Nation ja auch hinter der Mannschaft und will, dass Deutschland den Titel holt.

Mein Credo, angelehnt an den Boxsport: Bis zur Gürtellinie okay, darunter nicht, weil Tiefschlag. Ich habe mit Michael offen über die Causa „Schummel-Schumi“ gesprochen. „Pass auf, da muss ich kritisch ran und nachfragen.“ Ich wusste ja, nicht er hat etwas ins Auto eingebaut, sondern sein Team. Dennoch, diesbezüglich sind wir nicht immer auf demselben Kurs. „Musstest du das jetzt unbedingt fragen?“, lautet seine Gegenfrage. „Ja, es geht hier nicht um mich, sondern um deine Millionen Fans da draußen. Ich verstehe die Zusammenhänge, denen müssen wir sie erklären.“ Das führt zwischen uns zu vielen Diskussionen. Ein ständiges Hin und Her. „Wie hättest du die Frage formuliert?“, frage ich ihn. Er verstand, worum es ging.

Ich verstehe, dass es seine Anhänger und auch seine Kontrahenten nicht immer leicht haben mit ihm. Etwa in Monaco 2006: die legendäre „Rascasse-(R)Ausfahrt“. In den letzten Minuten des Qualifyings steuert Michael – mit doch recht bescheidener Geschwindigkeit – seinen Boliden in die Leitplanke. Das führt unweigerlich zum Abbruch. Aufgrund dieses „Unfalles“ kann Fernando Alonso seine Runde nicht beenden. Somit „verfällt“ für ihn die Chance auf die Pole-Position.

Für alle Experten ist klar: Das war reine Absicht! Die FIA bestraft Schumacher und reiht ihn ans Ende des Starterfeldes. Mit solchen Aktionen nimmt sich „Schummel-Schumi“ das eine oder andere Mal selbst aus dem Rennen.


© Damien Meyer / AFP / picturedesk.com

Perfektionist im Auto: Michael Schumacher

ERNSTE DREHUNG MIT AMÜSANTER WENDE

In seiner zweiten Karriere, wie ich es gerne nenne, gibt sich Michael bei Mercedes deutlich entspannter. Ein „kleiner“ Unfall beim Qualifying und ich frage ihn, wie groß seine Angst vor einer neuerlichen Bestrafung ist: „O ja! Ich bin mächtig gespannt, ob sie mich von Rang zwölf auf Platz 16 zurückstufen. Da habe ich eine Wahnsinnsangst vor.“ Seine Ironie ist deutlich zu hören. In seiner ersten Laufbahn denkt er noch, die Welt verbiegen zu können. Jetzt gibt er mit all seiner Erfahrung Gas. Weiterhin ist er ein harter Arbeiter und Perfektionist. Aber nun weiß er um die Limits Bescheid. Michael kennt das Ende der Fahnenstange. Selbst privat fällt zunehmend seine Lockerheit auf.

Bei einem Event passiert Folgendes. Ein Typ spricht mich an: „Hey, frag doch mal den Michael, warum er es nicht schafft, auf der Autobahn unfallfrei durchzukommen. Im Rennen hat er seinen Boliden besser im Griff.“ Der Hintergrund dazu: Bei der Anreise touchiert Schumi tatsächlich einen Lkw. Manager Willi Weber ist sauer auf mich, als ich Michael damit konfrontiere. „Warum fragst du sowas? Ganz Deutschland sucht jetzt den beschädigten Lkw. Und die Journalisten wittern eine Riesenstory!“ Während Willi halb ausflippt, bleibt Michael ganz seelenruhig.

Bei den „Ferrari-Days“ am Hockenheim- und Nürburgring sitze ich neben Schumi in einem Straßen-Ferrari und soll ihn während der Fahrt interviewen. Er macht ordentlich Tempo, und plötzlich fabriziert der Champion mitten auf der Strecke einen „weltmeisterlichen“ 360-Grad-Dreher. Ich bin außer mir vor Verzückung: „Wow, was für eine Show! Michael, sensationell! Das war Klasse!“ Er blickt mich entgeistert an: „Naja, das war keine Show. Ich habe den Wagen verloren.“ Wir zeigen uns belustigt. Eine ernste Drehung mit amüsanter Wende. Und ich lerne: Selbst ein Michael Schumacher ist nicht perfekt. Einmal mehr stellt er seine Ehrlichkeit unter Beweis. Er hätte ja auch sagen können, dass es Absicht gewesen sei. Eine gewollte Showeinlage. Aber nein, er gibt seinen Fehler offen zu. Dafür schätze ich ihn.

SCHUMI KLAUT REIFEN AUS DEM MÜLL

Vom „No-Name“ bis zum erfolgreichsten Fahrer der Formel-1-Geschichte – ein weiter und steiniger Weg! Michael Schumacher räumt alle Hindernisse beiseite. Nur die wenigsten wissen, dass der Start in die Motorsportwelt für ihn sehr holprig begann. Talent ist ausreichend vorhanden, Geld gar nicht. Daher löst Michael als Kart-Pilot zunächst eine luxemburgische Lizenz. Dafür braucht er keine finanziellen Sicherheiten. Arm an Mitteln, wird Schumi sogar zum Reifendieb. Zeitweise klaut er weggeworfene alte Pneus aus dem Müll, um damit noch die eine oder andere Runde zu drehen. Reich an Eifer, schafft er 1991 den Satz in ein Formel-1-Cockpit.

„Schumi-like“ – ganz wie es sich für einen Mann seines Formates gehört – schreibt er bei seinem ersten Start bereits eine besondere (Vor-)Geschichte:

Jordan-Pilot Bertrand Gachot verbüßt gerade eine Gefängnisstrafe, weil er einem britischen Taxifahrer unsanft ins Lenkrad gegriffen und ihn dabei verletzt hat. Somit wird ein Platz für das Rennen in Spa frei. Manager Willi Weber streckt seine Fühler aus und bezirzt Teamchef Eddie Jordan. Der „willige Willi“ versichert, dass Michael die Piste in- und auswendig kennt, schließlich liegt Schumis Heimatort ja ganz in der Nähe. Das Schlechte daran: Es stimmt nicht! Das mit Spa ist nicht wahr. Tatsache: Michael war in seinem bisherigen Leben noch nie dort vor Ort. Egal. Eddie „erhört“ Willis Worte und Schumi darf an den Start. Jahre später rückt Jordan mit der Wahrheit heraus. Schumacher war einfach die schnellste Wahl. Viel überzeugender als Webers Wunschvorstellungen sind die Sponsoren im Hintergrund. Sie überweisen dem Rennstall eine „Mitgift“. Das wirkt mehr als die „Magie des Managers“. Doch im Nachhinein zeigt sich Eddie mit Michael sehr glücklich und zufrieden.

Als Vorbereitung auf das Rennwochenende tritt Michael ordentlich in die Pedale. Nämlich in die eines Fahrrades, mit dem er den Kurs besichtigt. Das Abstrampeln lohnt sich: Platz sieben im Qualifying. Mit zwei Rädern ist der Grand-Prix-Neuling allerdings länger unterwegs als auf vieren. Im Rennen bleibt er nach einem Kupplungsschaden nach 700 Metern auf der Strecke …

Doch das reicht. Benetton kommt dem Deutschen mit einem Vertrag entgegen. Schon im nächsten Rennen sitzt Schumi in einem „besseren Benetton“. Teamchef Flavio Briatore fällt der Deutsche auf. Das Duo läutet für den britischen Rennstall ein goldenes Zeitalter ein. Zurück zu den Wurzeln: Ausgerechnet in Spa gewinnt Michael seinen ersten Formel-1-Grand-Prix. 1994 und 1995 folgen zwei WM-Titel hintereinander.

RAUS AUS DER ROTEN GURKE

1996 steigt Schumacher bei Benetton aus und bei Ferrari ein. Zu Beginn seiner Ära in Rot läuft es für den Doppel-Weltmeister allerdings gar nicht nach Wunsch. Die BILD tituliert bereits: „Michael, raus aus der roten Gurke.“ Schumi beißt in den sauren Apfel. Zähneknirschend bleibt er auf Kurs und lässt sich nicht von seinem eingeschlagenen Weg abbringen. „Michele“ führt bei Ferrari eine neue Arbeitsweise ein. Pronto …

Klare Regeln: Keine stundenlangen Verspätungen mehr und antanzen mit einem Espresso in der Hand. Das ist nicht sein Kaffee. Es gibt kein Einlenken. Und er schenkt allen reinen Wein ein: Kein Alkohol mehr beim Mittagessen. Gefeiert wird nur noch nach entsprechenden Leistungen. Basta. Gearbeitet wird, bis alles erledigt ist, und nicht, wenn die Uhr um 16:00 den Feierabend anzeigt. Deutsche Gründlichkeit! Avanti! Er baut das Team komplett um, dreht an sämtlichen Schrauben, und nach 21 Jahren „Boxenstopp“, sprich Ferrari-Wartezeit, schafft es Schumi im Jahr 2000 zum „Campione“. Das Pferd wiehert wieder. Ein neuer Italo-Nationalheld. Eine rote Legende. Die „Ferraristi“ liegen „Michele“ zu jenen Füßen, mit denen er weltmeisterlich das Gaspedal tritt. Bravissimo!

DAS LETZTE ABENDMAHL MIT SCHNAPS UND WITZEN

Im siebenten Ferrari-Himmel und auf einmal die (Unfall-) Hölle auf Erden. Wie viele andere auch, trifft es mich echt hart, von Schumis Schiunglück am 29. Dezember 2013 zu erfahren. Noch dazu, wo wir beide kurz davor noch beim gemeinsamen Abendessen sitzen.

„Ein Abend mit der Nummer eins“, unter diesem Motto veranstaltet die DVAG eine exklusive Serie von Incentives für ein ausgewähltes Publikum. Ich darf moderieren. Nürnberg im Dezember. Ich ahne nicht, dass dies die letzte Veranstaltung dieser Art sein sollte. Und das letzte Mal, dass ich Schumi treffe. „Ein Abend mit der Nummer eins“. Er verfliegt im Nu. Wir sorgen für die Show. Der Vorhang fällt …

Michael schlägt vor: „Hör mal, wir sollten noch was zusammen essen gehen und einfach ein bisschen Unsinn erzählen.“ Meine Frau komplettiert die Runde. Es ist kurz vor den Weihnachtsfeiertagen. In einem gemütlichen Restaurant erwartet uns schon ein feierlich gedeckter Tisch. Ich bestelle Schäufele (Schweinsschulter) und Michael irgendwas Rustikales. Dazu fließt der eine oder andere Schnaps. In dieser Laune erzählt Schumi einen Witz nach dem anderen. Lachen ohne Ende. Spaßige Stunden. „Und was machst du jetzt so über die Feiertage? Wie geht’s weiter? Es ist doch bald Weihnachten.“ Er antwortet: „Morgen fliege ich nach Méribel zum Schifahren. Die Familie ist bereits dort.“ – „Ein tolles Schigebiet. Da wünsche ich dir viel Vergnügen.“ Fertig essen, plaudern, herumalbern. Unsere Wege trennen sich. Ein lustiger Abschied. Ich mache mich auf den Heimweg. Am nächsten Tag hebt Michael nach Frankreich ab.

Später, zu Hause dann – ich glaube es lief „n-tv“ –, lese ich in den Schlagzeilen: „Schwerer Unfall von Michael Schumacher!“ Ich rufe meine Frau herbei. „Guck mal, hier! Die haben sie nicht mehr alle, die spinnen schon wieder rum. Michael ist im Urlaub, wo soll er denn einen schweren Unfall gehabt haben?“ Bei einem Unfall von Schumacher denkt doch jeder automatisch ans Auto. Unmöglich. Der ist doch unverletzlich. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen.

Immer mehr Details kommen ans Tageslicht: „Schiurlaub in Méribel!“ Schön langsam fange ich zu überlegen an. Was ist passiert? Auch ich beginne zu recherchieren und versuche, die Wahrheit herauszufinden.

Stück für Stück mehr Informationen. Bis zur traurigen Gewissheit. Mir stockt der Atem. Vor Kurzem noch das letzte Abendmahl. Mit Schnäpsen und Witzen. Tage später vergeht der gesamten Formel-1-Welt das Lachen. Ein tragischer Schiunfall! Ich kann es einfach nicht glauben. Unfassbar. Undenkbar. Unwirklich.

Mein Telefon läuft heiß. Ich werde laufend kontaktiert. Sowohl vom Sender als auch von allen möglichen Zeitungen. Alle wollen von mir wissen, was passiert ist. Was ich weiß. Sofort gehen die wildesten Gerüchte herum: „Michael, ein Adrenalin-Junkie!“ Nein, nicht mit mir. Das habe ich seit jeher verneint. Auch mein damaliger Sportchef springt auf diesen Zug auf und möchte diese Schiene fahren. Ich erhebe meine Stimme und sage dazu klipp und klar nein: Michael ist kein Typ, der das Risiko sucht. Er spannt kein Seil zwischen zwei Bergen und balanciert ungesichert rüber, nur weil er den Kick braucht. Sicher nicht.

Natürlich sitzt er in einem Rennauto und rast mit 300 km/h im Kreis. Das ist so, wie wenn unsereins rückwärts einparkt. Ein bisschen aufpassen, aber keine große Sache. Alles, was Michael tat, hatte er unter Kontrolle. Ich äußere eine Bitte: „Macht nicht etwas aus ihm, was er absolut nicht ist.“ Dann suchen wir Interviewausschnitte heraus. Genau jene, wo ich mit ihm über Adrenalin spreche. Er sagte immer, dass er das Adrenalin nicht brauche. Und dass er wisse, was er tue.

Bei diesem Schiunfall wollte Michael mit 20 km/h die Piste wechseln. Da ist es passiert. Schlichtweg ein Unglück. Er sprang nicht irgendwo von einem Helikopter auf eine ungesicherte Piste oder hatte die Absicht, die „Drei Zinnen“ runterzupressen. Es war ein Unglück. Pech. Schicksal. Jeden hätte es treffen können. Wäre er schneller gewesen, vielleicht wäre ihm dieser Stein nicht in den Weg gekommen.

Natürlich will ich wissen, wie es Michael geht. Ich kontaktiere seine Managerin Sabine Kehm. Ich spreche auch mit anderen Personen, die ihn vor Ort besuchten. Jean Todt macht nach wie vor regelmäßig seine Aufwartung.

Darüber spreche und schreibe ich aber nicht. Das ist privat. Nur die Familie hat das Recht zu entscheiden, was in die Öffentlichkeit gelangen soll und was nicht. Daran halte ich mich. Nach wie vor treffe ich hie und da auf seine Angehörigen. Meistens beschränkt es sich auf ein kurzes „Hallo“.

Was wäre ich nur für ein Mensch, würde ich diese Gelegenheiten ausnützen, um nach dem Gesundheitszustand zu fragen? Sein Sohn Mick steht ja gerade am Anfang der Formel-1-Karriere. Ich will gar nicht wissen, wie häufig er darauf angesprochen wird, wie es seinem Vater geht.

Um ehrlich zu sein, bin ich auch sehr froh darüber, dass ich nicht mehr weiß. Oder gar zu TV-Sendungen eingeladen werde, um darüber zu reden. Da bin ich lieber außen vor statt mitten drin. Das ist für mich so eine Art Selbstschutz. Ich arbeite beim Fernsehen und kenne mich mit unbestätigten Gerüchten bestens aus. Ich finde es auch gut, dass die Familie jetzt so zurückgezogen lebt. Und hoffentlich zur Ruhe kommt.

Ich kann mich gut erinnern, in der Zeit, bevor Michael Weltmeister wurde, habe ich ihn einmal von zu Hause zu einem Dreh abgeholt. Er lebte damals noch in Kerpen-Manheim. Bereits zu diesem Zeitpunkt sagte er mir, dass er hier bald mal umziehen muss. Mit steigender Bekanntheit standen plötzlich wildfremde Leute bei ihm im Garten, die gemeinsam mit ihm grillen wollten. Das musst du dir vorstellen: Keine Ruhe! Nicht einmal auf dem eigenen Grundstück. Irgendwo ist die Grenze …

Ich fühle mit der Familie mit. Immer wieder tauchen irgendwelche wilden Spekulationen auf. Ja, sogar Verschwörungstheorien von wegen Michael sei entweder wieder vollkommen gesund oder schon tot. Schrecklich! Es zeigt aber auch, welchen Stellenwert er nach all den Jahren weiterhin besitzt. Michael ist eine der wenigen großen, deutschen Sportkanonen. In dieser besonderen Kategorie fallen mir nur noch zwei Namen ein: Franz Beckenbauer, obwohl er ja aus einem Teamsport kommt, und Boris Becker. Für das Trio gibt es aus dem Medien-Karussell kein Entkommen.

SCHLIMMER GEHT´S NIMMER: IMOLA 1994

„Motorsport is dangerous!“ Auf jeder Akkreditierung, egal, ob von Fahrer, Teamchef, Mechaniker oder Journalisten, steht dieser Satz drauf. Nicht ohne Grund. Klar ist der Grand-Prix-Zirkus gefährlicher als ein Fußballstadion. Es passieren entsetzliche Unfälle. Dennoch möchte ich eines festhalten:

„Wer sich umbringen möchte, der ist in der Formel 1 am falschen Ort!“

Diese Sportart hat sich in puncto Sicherheit enorm entwickelt und verbessert. Natürlich kann und soll die Vergangenheit nicht ausgeblendet werden. Vieles ist geschehen und nicht mehr ungeschehen zu machen. Vor allem in der Anfangszeit bis in die 1980er-Jahre hinein haben pro Saison ein bis zwei Fahrer ihr Leben gelassen. Als ich in die Formel 1 kam, lag der letzte tödliche Unfall Gott sei Dank bereits eine Zeit lang zurück. 1982 starb der Italiener Riccardo Paletti beim Großen Preis von Kanada in Montreal. Du verdrängst das Risiko. Es ist dir gar nicht mehr bewusst.Vor der Saison 1994 möchte ich ein paar Dinge im Ablauf unserer Sendung verändern. Zum damaligen Zeitpunkt erfolgen nur das Rennen und der Kommentar dazu live. Der Rest wird vorab aufgezeichnet und eingespielt. Mein Bestreben gilt größerer Flexibilität. Ich will den Fans einfach mehr bieten und den „Schumi-Boom“ richtig nutzen. Die Idee: eine sogenannte Live-Kamera. Scheidet ein Fahrer aus, soll er so schnell wie möglich in der Boxengasse seinen Kommentar dazu abgeben.

Alles steht bereit. Die Frage der Umsetzung hängt nur noch vom richtigen Zeitpunkt ab. Der Große Preis von San Marino in Imola: Startschuss zur Europasaison. Ich darf die „Live-Cam“ erstmals „ausführen“. Perfektes Timing. Wir machen Stimmung. Wir präsentieren das „Rundum-gute-Laune-Programm“. Wir liefern italienische Lebensfreude. Doch leider ist nicht alles „tutto bene“.

Der Freitag beginnt mit einem schweren Unfall von Rubens Barrichello. Mit rund 200 km/h hebt sein Wagen beim Überfahren der Curbs ab. Er prallt gegen einen Reifenstapel und überschlägt sich mehrmals. Die Zunge des Brasilianers legt sich über seine Luftröhre. Rubens verliert das Bewusstsein und muss noch auf der Strecke medizinisch behandelt werden. Der Arm wird überdies in Gips gelegt. Die Nase ist gebrochen. Barrichello sieht übel aus. Ein Wunder, dass er nicht noch mehr abbekommen hat. Die Live-Kamera ist zum ersten Mal im Einsatz.

Beim Qualifikationstraining der nächste Crash. Es erwischt Roland Ratzenberger. Der österreichische Simtek-Pilot verliert bei beinahe 300 km/h seinen Frontflügel und kracht fast frontal in eine Betonmauer. Auch er benötigt sofortige Erste Hilfe an Ort und Stelle. Mit dem Hubschrauber wird er ins Krankenhaus geflogen. Von dort kommt bald die Schreckensnachricht, dass Ratzenberger seinen schweren Verletzungen erlegen ist.

Am Samstagabend stellt sich Ayrton Senna einem Interview. Das Gespräch fühlt sich eigenartig an. Sonst immer ein sehr bereitwilliger Dialogpartner, gibt er sich diesmal zurückhaltend und zugeknöpft – wohl den Umständen geschuldet. Er agiert sichtlich besorgt. Im Hintergrund stimmen seine Fans Senna-Sprechchöre an. Normalerweise reagiert er prompt darauf. Mit einem Lächeln oder Winken. In diesem Fall verliert er komplett die Fassung. Auf seinen Wunsch brechen wir das Interview gleich zweimal ab. Es dauert, bis wir alles im Kasten haben. Sein Verhalten bringt mich ins Grübeln. Viele Journalisten bildeten rund um mein Mikrofon einen Kreis und wurden Ohren- und Augenzeugen des Gesprächs. Im Nachhinein behaupten einige Kollegen, dass Senna eine Vorahnung plagte. Für mich ist das etwas zu spekulativ. Aber eines ist tatsächlich nicht zu übersehen: Senna wirkt unglaublich mitgenommen und betroffen.Vor dem Rennen am Sonntag äußern sowohl Senna als auch Gerhard Berger Sicherheitsbedenken. Die Kommissare nehmen die Aussagen zur Kenntnis. Ohne Konsequenzen. Ohne Umdenken. Ohne Maßnahmen. Schon beim Start kommt es zu einem heftigen Zusammenprall zwischen JJ Lehto und Pedro Lamy. Teile der Karosserie fliegen in die Menschenmenge und verletzen neun Zuseher. Die Unfallstelle wird geräumt. Als der fliegende Start nach der Safety-Car-Phase abgeschlossen ist, passiert der Senna-Unfall. Sofortiger Rennabbruch. Wie bei Ratzenberger einen Tag zuvor hebt der Hubschrauber erneut Richtung Bologna ins Spital ab. Die Live-Kamera ist mehr als up-to-date. Als einen der Ersten darf ich Niki Lauda befragen. Wenn sich einer mit Unfällen auskennt, dann er. Allen wird die ernste Lage sofort bewusst. Abermillionen Menschen vor den TV-Schirmen verfolgen die grauenvollen Bilder. Aber sie werden nicht allein gelassen und erhalten erste Informationen. Aus journalistischer Sicht fühlt es sich richtig an, wie wir mit dieser Situation umgegangen sind. Eine traurige Live-Kamera-Premiere …


© Jean-Loup Gautreau / AFP / picturedesk.com

Legende zu Lebzeiten: Ayrton Senna

Was die meisten für unmöglich halten, geschieht: Das Rennen wird fortgesetzt! Eine Tragödie: The show must go on. Zwei Stunden nach der Zielflagge verlässt uns Ayrton Senna für immer. Gerhard Bergers Worte klingen mir seither in den Ohren: „Als wäre die Sonne vom Himmel gefallen.“


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Ayrton Sennas tödlicher Unfall

Zwei Menschen kommen binnen 24 Stunden ums Leben. Imola 1994, das fürchterlichste, grausamste, schrecklichste Wochenende der Formel-1-Historie. Ich habe so gut wie möglich versucht, meinen Job zu erledigen. Voll unter Strom. Mit Hochspannung. Elektrisiert. Je mehr Interviews ich führen musste, desto weniger fand ich Zeit, zu reflektieren. Am Abend sinke ich zusammen. Erschöpft. Erledigt. Ergriffen. Still in einer Ecke sitzend, lasse ich die Ereignisse Revue passieren. Drei bis vier Interviews waren an diesem Wochenende geplant. Geworden sind es zwischen 30 und 50. Ich habe aufgehört zu zählen. Ich weiß es nicht mehr. Ich habe es verdrängt …

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