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Fünf Schlüssel zu Slowing down

Der erste Schlüssel: Gegenwärtigkeit

Der zweite Schlüssel: Unbeständigkeit

Der dritte Schlüssel: Kein Anfang/kein Ende

Der vierte Schlüssel: Entwicklung

Der fünfte Schlüssel: Rhythmik

Wie wir tief in unserem Herzen über Zeit denken, bestimmt unser Leben und gibt ihm Geschwindigkeit und Richtung. Wir stehen mit unserem ganzen Sein in der Zeit. Und unsere Ideen über Zeit durchdringen unser ganzes Sein.

Jede Epoche hat anders über das Phänomen der Zeit gedacht. In jeder menschlichen Gemeinschaft dominieren bestimmte Ideen über Zeit. Sie sind Schlüssel zum Verständnis der Realität einer Gesellschaft oder Gruppe. Ideen über Zeit können unser Leben positiv ausrichten oder verkomplizieren. Nehmen wir die Idee »Zeit ist Geld«. Ökonomisierung macht einiges möglich und vieles unmöglich. Welche Türen öffnet dieser Schlüssel in unserem Leben? Welche verschließt er? Wo bringt er uns hin?

Auf unserem Slowing-down-Weg gilt es kritisch auf unsere Leitideen zu schauen und uns von destruktiven Ideen über die Zeit zu befreien. Wir werden neue Schlüssel zum Thema Zeit und Geschwindigkeit ausprobieren, um unser Verständnis der Welt zu weiten. Im Folgenden stelle ich Ihnen fünf zentrale Schlüssel zu Slowing down vor und zeige ihre Wirkung auf unser Zeitverständnis auf.

Der erste Schlüssel ist Gegenwärtigkeit.

Das Leben findet nur im gegenwärtigen Augenblick statt und nicht in der Zukunft oder Vergangenheit.

Dieser Schlüssel öffnet das Tor zu einem Leben, in dem wir jeden Moment voll erfahren. Wir sind in Kontakt mit dem, was gerade passiert. Wir sind ganz da. Wenn wir trinken, dann trinken wir. Wenn wir wütend werden, spüren wir unsere Wut. Wir spüren, wie unsere Adern anschwellen und unser Puls sich beschleunigt. Wir lassen unsere Wut nicht allein. Es gilt, das Glück im Jetzt wertzuschätzen und nicht zu verpassen.

Der zweite Schlüssel ist Unbeständigkeit.

Alles verändert sich immer und überall. Nichts bleibt, wie es ist. Keine Situation wiederholt sich.

Alles, was wir denken, bauen oder säen, ist unbeständig. Wir sind eine vergängliche Form, die sich in Wechselwirkung mit allen anderen Formen wandelt. Unbeständigkeit können wir in jeder Wolke, jedem Blatt, jedem Samen oder kleinen Kind sehen. Und in jedem unserer Gedanken. Unbeständigkeit im Alltag zu erleben bedeutet die Verletzlichkeit aller Dinge zu erkennen und steigert unsere Wertschätzung für alles, was ist. Schon morgen kann es zerfallen sein. Nutzen wir den Schlüssel der Unbeständigkeit, verlieren wir langsam die Angst vor Veränderung. Wandel ist natürlich. Laub verwelkt, unser Körper wird älter und legt seine Haut in Falten. Finstere Gedanken gehen vorüber. Unbeständigkeit lehrt uns das Loslassen. Loslassen lehrt uns eine Freude, die uns gegenüber äußeren Wechselfällen unabhängiger macht.

Der dritte Schlüssel ist kein Anfang/kein Ende.

Anfang und Ende lassen sich nicht objektiv festlegen. Alles, was existiert, hat seine Vorgänger und Nachfolger. Nichts kann aus sich heraus existieren. Keine Handlung bleibt ohne Folgen. Oft sind wir gefangen in unseren Vorstellungen von Anfang und Ende. JETZT hat es begonnen. JETZT ist es vorbei. Diese klaren Start- und Endpunkte gibt es in der Natur aber nicht. Im Sumoringen heißt es, dass der Ausgang eines Kampfes bereits am Ende des Begrüßungsrituals entschieden ist. Wahlen werden lange vor der Abstimmung gewonnen oder verloren. Anfang und Ende sind sprachliche Vereinbarungen, die beim genaueren Hinsehen zerfallen. Jedes Projekt, das wir beginnen, hat seine Vorgeschichte und wird lange nach seiner Beendigung noch weiterwirken. Nichts geht verloren. Unsere Herzlichkeit und Großzügigkeit kommen in vielfältiger Weise zu uns zurück. Unsere Gereiztheit und unser Zorn auch. Wir sind die Erben unserer Taten und vieles, was heute in unserem Leben blüht, haben frühere Generationen gesät.

Der vierte Schlüssel ist Entwicklung.

Alle Dinge unterliegen einem individuellen Entwicklungsprozess, der für jedes Objekt eine spezifische Eigenzeit hat. Das »Ergebnis« dieses Prozesses ist Reife.

Das menschliche Leben ist Entwicklung. Langsam reifen wir heran. Vom Embryo zum Säugling und Kleinkind. Wir gehen zur Schule und durchleben die Pubertät. Auf jeder Entwicklungsstufe verändert sich unser Körper und unser Geist. Auf jeder Entwicklungsstufe müssen wir uns von einem umfangreichen Weltbild verabschieden und in etwas Neues hineinwachsen. Mensch sein heißt in Entwicklung sein. Hinter jedem Potenzial, das wir realisieren, wartet der nächste Entwicklungsschritt auf uns. Aus dieser Sicht sind wir niemals fertig oder abgeschlossen. Wir können uns Jahre und Jahrzehnte im Kreis drehen und dabei immer schneller werden. Entwicklungsknoten gilt es innerhalb und außerhalb von uns zu identifizieren und behutsam aufzulösen.

Der fünfte Schlüssel ist Rhythmik.

Unser Leben ist in vielfältige innere und äußere Rhythmen eingebettet. Wenn wir diese Rhythmen erkennen und respektieren, werden wir von ihnen getragen.

Alles hat seinen Takt und seinen Rhythmus: unser Herz, die Wellen am Strand und unser Atem. Takt und Rhythmus sind in der Natur nichts Starres. Unser Herz schlägt nicht wie eine Maschine. Unser Puls ist vielfältigen Schwankungen unterworfen, beeinflusst von unseren Gefühlen, Gedanken, von Krankheit und körperlicher Aktivität. Wenn wir das Gefühl für den uns gemäßen Rhythmus verlieren, gerät unser Leben ins Ungleichgewicht. Wenn unser Rhythmus zunehmend fremdbestimmt wird, verlieren wir unsere Freiheit. Rhythmik fragt nach den Einflusskräften, die den Takt unseres Lebens bestimmen. Die Wirkung unterschiedlicher Rhythmen auf unser Wohlergehen ist direkt erfahrbar. Wenn wir uns in unserem Rhythmus bewegen und entfalten können, bekommt unser Leben eine neue Qualität.

Diese fünf Schlüssel zu Slowing down werden uns durch das gesamte Buch begleiten. Daher möchte ich Sie bitten, für einen Moment innezuhalten. Blättern Sie bitte zurück und lesen Sie noch einmal langsam die kursiv gedruckten Definitionen der fünf Schlüssel. Machen Sie bitte nach jedem Absatz eine kurze Pause. Welche Rolle spielt dieser Schlüssel heute in Ihrem Leben? Welche Gefühle löst er aus? Blättern Sie bitte zurück.

Wenn wir diese fünf Leitideen mit Respekt und liebevollem Vertrauen in unserem Leben einsetzen, öffnet sich das Tor zu Slowing down und eine umfassende Entdeckungsreise beginnt. Wir sehen keine anderen Dinge, sondern sehen die Dinge anders. Unser Verständnis von Zeit revolutioniert sich.

Mithilfe der fünf Schlüssel durchdringen wir die Tiefendimension von Zeit und Geschwindigkeit. In dieser tiefen Auseinandersetzung liegt der wesentliche Unterschied zum Zeitmanagement. Zeitmanagement beantwortet uns einige wichtige Fragen: wie wir unseren Tag strukturieren, wie wir Freiräume für ungestörte Arbeit gewinnen, wie wir konsequent unsere Ziele verfolgen können und Prioritäten setzen. Zeitmanagement bricht allerdings nicht mit unserem grundsätzlichen Zeitverständnis. Es bleibt in einem Dogma verhaftet, das Zeit als Ressource betrachtet, die es zu nutzen oder eben zu managen gilt. Zeit und Leben werden getrennt. Zeit wird der Erreichung von Zielen untergeordnet.

Slowing down geht einen anderen Weg. Es zeigt auf, dass sich hinter Anspannung, Atemlosigkeit und Hektik nicht ein falscher Zeitplan verbirgt, sondern ein eingeschränktes Verständnis von Zeit. Zeitmanagement optimiert die Oberfläche unseres Zeitproblems, Slowing down hilft uns, unsere Lebenszeit anders zu erleben und damit unseren Umgang mit Zeit auf einer tiefen Ebene zu verändern. Natürlich werden wir auch weiterhin Terminkalender führen und Entscheidungen über Prioritäten treffen. Slowing down schließt Zeitplanung nicht aus, sondern integriert sie. Wenn wir hingegen traditionelles Zeitmanagement als Schlüssel zur Lösung unserer Zeitprobleme betrachten, sind wir in Gefahr, weniger statt mehr Freiheit im Umgang mit Zeit zu erlangen.

Der erste Schlüssel: Gegenwärtigkeit

Das Leben findet nur im gegenwärtigen Augenblick statt und nicht in der Zukunft oder Vergangenheit.

Im Deutschen haben wir den schönen Begriff der »Geistesgegenwart«. Jemand, der geistesgegenwärtig ist, tut in einer Situation, in der andere blockieren oder in Aktionismus verfallen, genau das Richtige. Sein Geist ist völlig präsent, ist unabgelenkter Teil des Geschehens und kann so genau beobachten, was passiert. Im Zustand völliger Geistesgegenwart ist jegliches unnütze Denken und jegliche fruchtlose Spekulation ausgeschaltet. Das setzt enorme Energien frei. Geistesgegenwärtig zu sein, bedeutet, fest im gegenwärtigen Moment verankert zu sein. Wir tun das, was wir tun, mit voller Aufmerksamkeit. Manche Menschen begeben sich in extreme Situationen, um diesen Zustand zu erreichen. Sie betreiben Sportarten wie Freeclimbing, in denen absolute Fokussierung notwendig ist, um nicht abzustürzen. In solchen Situationen fällt alles Überflüssige weg und wir sind ganz gegenwärtig. Dieser Zustand ist so befreiend, dass er uns süchtig machen kann und in immer neue Grenzsituationen treibt.

Doch es geht darum, Gegenwärtigkeit mitten im Alltag zu kultivieren. Dies können wir mithilfe der Achtsamkeitsmeditation erreichen. Durch die systematische Beobachtung unseres Atems, unseres Körpers, unseres Geistes und unserer Umgebung erweitern wir Schritt für Schritt unser Bewusstsein darüber, was im gegenwärtigen Moment passiert. Das schwächt die Routinen und Gewohnheiten, um die unser Leben kreist, und schafft Raum für unmittelbares Erleben. Wenn wir essen, essen wir. Wir planen nicht gleichzeitig unsere nächste Woche – wir essen und schmecken mit großer Aufmerksamkeit, was wir da essen. Das schärft unsere Wahrnehmung und verbindet uns mit unserer Umgebung.

Während ich diesen Satz schreibe, spüre ich, dass mein Körper auf dem Sprung ist. Er will in die Küche, Kaffee trinken. Er wird zunehmend unruhig. Zur selben Zeit beobachte ich meine Gedanken. Auch sie drängen mich aufzustehen. Und ein leichtes Unbehagen ist da, das sich in den Gedanken übersetzt: »Darf ich mit Koffein im Blut über Slowing down schreiben?« Diese Beobachtung löst ein Lächeln aus. Welch ein interessanter Kampf zwischen Gier und Schuld! »Ja, ich bin gierig!« Ich nehme wahr, dass ich lächle. Mein Körper entspannt sich. Hätte ich den Zustand meines Körpers und Geistes nicht so genau beobachtet, mir wäre Wichtiges entgangen. Vielleicht hätte ich mit einem Schuldgefühl meinen Kaffee getrunken oder der innere Kampf hätte meinen Körper kontinuierlich verspannt. Was unbeobachtet bleibt, treibt uns an. Der achtsame Umgang mit unserer Lebenszeit bereichert unser Leben.

Immer wieder gilt es die Frage zu stellen, warum wir nicht genau jetzt, in der Gegenwart, glücklich sein können. Was fehlt uns? Was fehlt wirklich? Wir haben bereits so viele günstige Bedingungen in unserem Leben. Die meisten von uns erfreuen sich relativer Gesundheit, guten Essens, haben eine Wohnung oder ein Haus, Freunde, Familie, einen Arbeitsplatz … Was fehlt wirklich? Welche Gespenster verfolgen uns? Oder anders: Wenn wir unter diesen Bedingungen nicht glücklich sein können, wann dann? Die Antworten auf diese Fragen warten im gegenwärtigen Moment. Dort wartet nicht nur unsere Freude, sondern auch unser Schmerz. Die ganze ungeteilte Realität erwartet uns. Unverarbeitete Erlebnisse und Verletzungen. In der Gegenwart ist alles da und wir können diese Dinge betrachten statt vor ihnen davonzulaufen. Wenn wir der Realität so ins Auge sehen, verliert sie einen Großteil ihres Schreckens. Die Flucht hat ein Ende. Slowing down.

Je höher unsere Gegenwärtigkeit, desto genauer können wir hinsehen und desto weniger schreckt uns. Dieses Buch ist voller Ansätze, wie Sie sich in der Gegenwart verankern können. Viele kleine Übungen für den Alltag, die Ihnen helfen, bewusst zu stoppen und die Antriebskräfte Ihres Lebens zu erkennen.

Haltepunkte

… wenn Sie sich in Träumen verlieren

… wenn Sie ins Spekulieren geraten

… wenn es Ihnen schwer fällt zu lächeln

1Nehmen Sie Kontakt mit Ihrem Körper auf. Wie fühlt er sich JETZT an? Wo berührt er den Boden oder andere Objekte? Wie fühlen sich Ihre Schultern an? Beschreiben Sie den Zustand Ihres Körpers mit drei Adjektiven.

2Schreiben Sie auf, was Ihr Leben in diesem Moment glücklich, vollständig, ja perfekt machen würde. Was fehlt Ihnen, um genau jetzt glücklich zu sein?

Notieren Sie in einem zweiten Schritt alle positiven Umstände, die Ihr Leben in Ihrer gegenwärtigen Lebensphase unterstützen. Auch das scheinbar Selbstverständliche (Wohnung, Essen, soziale Absicherung etc.). Was ist alles bereits vorhanden? Lenken Sie während des Tages immer wieder Aufmerksamkeit auf die Dinge, die Sie unterstützen. Lächeln Sie ihnen zu.

Der zweite Schlüssel: Unbeständigkeit

Alles verändert sich immer und überall. Nichts bleibt, wie es ist. Keine Situation wiederholt sich.

Unbeständigkeit ist das Grundprinzip des Universums und gilt für alles, was in ihm enthalten ist. Vom kleinsten Quark bis zur größten Galaxie, vom kleinsten Baum bis zum höchsten Gebirge. Unbeständigkeit umgibt uns. Unbeständigkeit durchdringt uns. Wenn wir achtsam sind, können wir sie in jedem Moment unseres Lebens berühren.

Schauen Sie sich zehn Jahre alte Bilder Ihres Körpers an. Kaum eine Ihrer damaligen Körperzellen ist heute noch Teil Ihres Körpers. Beobachten Sie für einige Minuten in Stille Ihre Gedanken. Wie Seifenblasen steigen sie aus geheimnisvollen Tiefen auf, wiederholen sich vielleicht einige Male, um schon bald wieder zu vergehen.

Richten Sie nun bitte Ihre Aufmerksamkeit nacheinander auf jeden Ihrer fünf Sinne. Sehen. Riechen. Hören. Tasten. Schmecken. Beobachten Sie den steten Strom an Sinneseindrücken auf seinem Weg durch Ihr Bewusstsein. Folgen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit der steten Verwandlung all dieser Eindrücke, ohne etwas herauszugreifen oder zu bewerten.

Unbeständigkeit ist allgegenwärtig und dennoch vergessen wir sie im Alltag immer wieder. Viele von uns wünschen sich eine andere Welt, eine Welt, in der die Dinge konstant, stabil und berechenbar sind; in der Überraschungen ausbleiben und wir Dinge auf immer behalten können, die wir einmal gelernt oder erworben haben. Ohne Kontakt zur Vergänglichkeit der Dinge verhalten wir uns leicht so, als ob wir ewig leben würden; oder als ob wir immer noch zwanzig wären.

Der Schlüssel der Unbeständigkeit erinnert uns daran, dass wir unsere Vorstellungen immer wieder loslassen müssen, um frisch auf eine sich wandelnde Welt, sich entwickelnde Kinder, Kollegen oder Freunde zu blicken. Die Offenheit für diesen Wandel entspannt unser Leben auf einer tiefen Ebene. Denn jeder Eindruck, jede Idee oder Meinung, die wir festhalten wollen, steht zwischen uns und der Realität. Im Versuch, eine fließende Realität zu zementieren, müssen wir scheitern. Der bekannte Arzt und Stressmediziner Jon Kabat-Zinn beschrieb Schönheit und Schrecken der Unbeständigkeit:

An einem frühen Morgen paddle ich mit einem Kanu im Norden von Maine über einen See. Ich beobachte die Strudel, die das Paddel im stillen Wasser des Sees erzeugt. Sie drehen sich eine Zeit lang und verschwinden hinter mir. Diese Strudel sind nichts weiter als Wasser in Bewegung, eine Welle, getrennt wahrnehmbar. Als ich hinter mich schaue, sehe ich, dass sie sich rasch wieder auflösen. Die Energie ihrer Bewegung verliert sich im See. Infolge bestimmter Voraussetzungen, die der See und mein Paddel schaffen, tritt für einen Augenblick Form aus der Leere. Auch Lebewesen treten nur für wenige Augenblicke in Erscheinung, als scheinbar eigenständige Wesenheiten, die wir Körper nennen. Doch erscheint uns eine Person als mehr oder minder beständig, und dass sie irgendwann vergeht, überrascht uns und erfüllt uns mit Schrecken.

Einer der größten Antreiber in unserem Leben ist die Angst vor Veränderung, Verlust und Tod. Tiefes Slowing down ist nur zu haben, wenn wir anhalten und uns der Verletzlichkeit unseres Lebens stellen. Wenn wir dem Tod ins Gesicht schauen. Seine Heiligkeit der Dalai Lama meditiert täglich über die Vergänglichkeit seines Körpers und seinen eigenen Tod. Das Ergebnis ist tiefe Freude am Leben und nicht Fatalismus. Was wir als vergänglich und zerbrechlich erkannt haben, dem begegnen wir mit erhöhter Wertschätzung und Respekt. Wir nehmen die Dinge nicht mehr so selbstverständlich.

Gleichzeitig schützt uns die Akzeptanz von Unbeständigkeit vor unnötigem Leiden. Häufig leiden wir an der Veränderung selbst wesentlich weniger als an unserer Angst und unserem Widerstand, der die Veränderung nicht wahrhaben will. Graue Haare tun nicht weh, doch wie viel unnötigen Schmerz durchleben Männer und Frauen, die nicht in Würde alt werden können?

Wie viel Energie wenden Nostalgiker auf, um eine längst versunkene Welt am Leben zu erhalten? Wir beginnen unnötig zu leiden, wenn wir über das notwendige Maß an Würdigung, Trauer und Abschied hinaus am Vergangenen festhalten. Gegen den Zahn der Zeit, den großen Umwälzer anzukämpfen, ist anstrengend und aufwändig. Wir können nicht die ganze Welt unter Denkmalschutz stellen, nur weil wir Veränderung nicht ertragen können.

Unbeständigkeit ist Schönheit. Die Schönheit eines Tropfens, der eine Fensterscheibe hinunterrinnt, sich mit anderen Tropfen vereinigt und weiterfließt. Ohne Veränderung wäre Leben unmöglich. Nichts könnte wachsen. Leben ist in jedem Moment das Aufgeben der aktuellen Form. Es ist ein Kaleidoskop, das ständig neue Bilder hervorbringt, und jedes hat seine eigene Schönheit.

Nehmen wir die kleinen Veränderungen, die ständig in und um uns herum stattfinden, bewusst wahr, freunden wir uns langsam mit der Unbeständigkeit an. Unser Leben gewinnt an Intimität. Wir werden freier, lassen locker und klammern uns nicht mehr so an Dinge oder Personen. Welchen Sinn macht es, einen Tropfen festhalten zu wollen? Unsere Präferenzen weichen auf. Nicht nur der Sommer, auch die anderen Jahreszeiten haben ihre Bedeutung und Schönheit. Wir sehen die Dinge frisch und lebendig. Der Mensch, der morgens neben uns aufwacht, ist nicht mehr der Mensch, der abends neben uns eingeschlafen ist. Wir müssen die Veränderung nur sehen.

Im Bewusstsein über die Unbeständigkeit aller Dinge zu leben, gilt im Buddhismus als Tor zur Befreiung. Kontemplieren wir regelmäßig über die Unbeständigkeit unseres Lebens, befreien wir uns schrittweise von unseren erstarrten Ideen, Überzeugungen und Gewohnheiten. Wir sehen, dass kein Sturm ewig anhalten kann. Wir befreien uns vom Druck, dass die Dinge so sein müssten, wie wir sie geplant oder erhofft haben.

Haltepunkte

… wenn Sie Zeit mit Kranken oder sehr alten Menschen verbringen

… wenn Sie sich innerlich starr oder angespannt fühlen

… wenn Sie Ihren Körper unter der Dusche betrachten

1Gehen Sie zwei Stunden spazieren und betrachten Sie die Welt mit den Augen der Unbeständigkeit. Versuchen Sie etwas zu finden, das beständig ist.

2Suchen Sie den Kontakt mit dem Vergänglichen. Achten Sie während eines Tages auf alle alten und kranken Menschen, die Ihnen begegnen. Versetzen Sie sich in ihre Lage. Sagen Sie sich: Auch ich werde alt werden.

Der dritte Schlüssel: Kein Anfang/kein Ende

Anfang und Ende lassen sich nicht objektiv festlegen. Alles, was existiert, hat seine Vorgänger und Nachfolger. Nichts kann aus sich heraus existieren. Keine Handlung bleibt ohne Folgen.

Betrachten wir eine alte Eiche. Sie produziert im Herbst eine große Anzahl an Eicheln, die zu Boden fallen, unter günstigen Bedingungen keimen, Wurzeln entwickeln und zu einer jungen Eiche heranwachsen. Wann hat das Leben dieser jungen Eiche begonnen? Als die Blüten der alten Eiche bestäubt wurden? Als die Eichel sich aus dem Mutterbaum löste? Als der Keim die Eichelschale durchstieß? Mit der ersten Wurzel oder dem ersten Blatt? Die Frage nach dem Anfang der jungen Eiche lässt sich objektiv nicht beantworten. Und so ist es mit allem, dem wir gern einen klaren Anfang zuordnen wollen.

Jeder Anfang ist lediglich gedankliche Definition, eine Vereinbarung. Leben beginnt nicht. Leben ist anfangslos. Das Leben eines Kindes entsteht nicht unabhängig von der Mutter. Mutter und Kind sind eins. Die Dinge beginnen nicht. Wir sind es, die Epochen oder Projekte definieren. Wenn wir genau hinsehen, hat nichts jemals begonnen und wird nichts jemals enden.

Warum betonen wir die Anfänge so? Weil wir uns als Individuen definieren, die weitgehend unabhängig von anderen durchs Leben gehen und die Dinge erschaffen, die uns umgeben. Wir behaupten: »An diesem Ort, zu diesem Zeitpunkt habe ICH es begonnen.« Doch wie leicht lassen wir uns täuschen. Nichts entsteht aus dem Nichts. Ohne Eiche keine Eicheln. Alles, was sich zu etwas Neuem formiert, baut auf Gedanken, Worten und Taten der Vergangenheit auf.

Dieses Buch ist nicht aus dem Nichts entstanden, auch wenn ich mich in meinen stolzen Momenten als sein Schöpfer fühle. Ich habe mir dieses Buch nicht ausgedacht. Es ist ein Nachfolger ungezählter Gedanken und Worte bereits verstorbener und noch lebender Denker und Schreiber. Es ist keine Schöpfung eines autonomen, abgetrennten Geistes, sondern der Geist vergangener Zeiten fließt durch dieses Buch neu in die Gegenwart. Eingefärbt durch meine Erfahrungen. Kontinuität und Manifestation sind weitaus geeignetere Begriffe, um diesen Prozess zu beschreiben, als Kreation oder Schöpfung.

Meine Lehrer sind nicht tot und vergessen. Sie leben in meinen Worten weiter. Das ist die Essenz von kein Anfang/kein Ende. Wir stützen uns auf ein gewaltiges genetisches, biologisches und kulturelles Erbe, das wir durch unsere Taten geringfügig erweitern. Das könnte uns Grund zur Bescheidenheit geben.

Anfang und Ende festzulegen bedeutet immer Trennung. Wenn wir meinen, dass unser Leben mit unserer physischen Geburt begonnen hat und mit unserem physischen Tod endet, dann bleibt nur eine kurze Zeitperiode zum Leben übrig. Denken wir so, ist es kein Wunder, dass wir so viel wie möglich aus dieser kurzen Zeit herausholen wollen und dabei ins Rennen geraten. Je mehr wir uns hingegen mit unseren Vorgängern und Nachfolgern verbunden fühlen, desto entspannter wird unser Leben. Wir sehen, dass unsere Vorfahren in uns weiterleben, und spüren, dass unsere Taten uns überleben werden. Die Trennung von unserem Umfeld löst sich auf und unsere Rolle im Wechselspiel der Kräfte wird klarer. So wird es einfacher, unsere Verantwortung zu erkennen und entsprechend zu handeln.

Das Gleiche gilt für das so genannte Ende aller Dinge. Wir können nichts einfach beenden. Keine Beziehung, kein Projekt, keine Gewohnheit. Natürlich können wir uns scheiden lassen oder einen Abschlussbericht schreiben. Doch die Vergangenheit ist damit nicht abgeschlossen. Wir können Tote begraben, doch sie leben in unseren Gedanken und Herzen weiter.

Schlussstriche sind oft sehr trügerisch. Wir können der Vergangenheit nicht entrinnen, indem wir sie für beendet erklären. Wir können uns ihr aber stellen, sie tiefer verstehen und damit gute Bedingungen schaffen, damit sich Negatives nicht reflexhaft wiederholt.

Die Ideen von Anfang und Ende können einen solchen Verständnisprozess behindern.

Wenn wir uns der Anfangslosigkeit unserer Taten bewusst werden, können wir Dankbarkeit entwickeln. Wir sehen, wer alles zu unserem Erfolg beigetragen hat, und beanspruchen ihn nicht für uns allein. Wir werden bescheidener. Misserfolge nehmen wir gelassener, denn wir sind nicht allein verantwortlich. Unser Machbarkeitsglaube schwächt sich ab.

Wenn wir uns der Endlosigkeit unserer Taten bewusst werden, wächst unser Verantwortungsbewusstsein. Wir sehen, dass wir die Konsequenzen unserer Taten erben werden. Ein Körper, den wir heute schinden, wird uns in der Zukunft den Dienst verweigern. Wir erben immer. Manchmal sofort, manchmal erst nach vierzig Jahren. Und manchmal erben oder ernten erst unsere Nachkommen die positiven oder negativen Früchte unseres Lebens. Alles, was wir tun, wird in unserem Leben Konsequenzen haben. Seien es Worte oder Taten. Selbst unsere Gedanken sind nicht beliebig und ohne Konsequenz. Sie bereiten den Boden für unsere physischen Taten und Worte. Diese Einsicht macht uns behutsamer im Umgang mit uns selbst und anderen.

Das alles bedeutet nicht, dass es nicht sinnvoll wäre, Start- und Endpunkte zu definieren. Kick-off-Meetings, Hochzeiten, Jubiläen oder Beerdigungen bündeln Energie und richten unser Bewusstsein aus. Sie sind sinnvolle Stoppzeichen im Strom der Ereignisse, geben Orientierung und sind immer auch eine Gelegenheit für Slowing down. Solche Rituale sind Zeitfahnen, sie sind Zeichen am Wegesrand.

Die Realität ist ununterbrochene Kontinuität.

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ISBN:
9783942085359
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