Kitabı oku: «Herr Maiwald, der Armin und wir», sayfa 2

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WENN KINDER FERNSEHEN

Auf dem Pausenhof der Grundschule schwatzten wir Schüler eher über Serien, die eigentlich für Erwachsene gemacht waren: DAKTARI, BONANZA und RAUMSCHIFF ENTERPRISE. Nachmittags, auf den Wiesen zwischen den Wohnhäusern unserer Siedlung, spielten die Nachbarskinder und wir die Abenteuer der Serienfiguren nach: Wir fantasierten uns in die afrikanische Wildnis, in staubige Westernstädte oder ins Weltall, weit weg von Schule und Alltag.

Im Gegensatz dazu weckten die Abenteuer des Spatzen keine Sehnsucht – eher die Überlegung, ob man eines Tages lieber Briefzusteller, Meteorologe oder Kameramann werden wollte.

Der Spatz machte mit seiner näselnden Stimme zu allem Bemerkungen, passende und unpassende, sprach aus, was er dachte, war oft ironisch.

In allen Fernsehserien hatten die Hauptfiguren so unverkennbare Stimmen, dass man wusste, wer sprach – auch wenn man die Figur nur hörte und nicht sah. Das lag einerseits an deren Sprechweise – wie bei Mister Spock, dem ersten Offizier im RAUMSCHIFF ENTERPRISE, in dessen Sätzen sich immer eine Art Skepsis andeutete – oder es lag am Klang, wie bei dem weißhaarigen Rancher Ben Cartwright, dessen rauchiger Bass tönte wie ein grob gezahntes Sägeblatt, das einen großen hohlen Holzschrank zersägt.

Die Stimmen der Kommentatoren von Nachrichtenfilmen oder Magazinbeiträgen sprachen wie gedruckt und so gleichgültig, als wären sie unbeteiligt an dem Film, den die Zuschauer sahen.

Als ich in der vierten Klasse war, tauchten im Programm die SACH- UND LACHGESCHICHTEN FÜR FERNSEHANFÄNGER auf. Diese Sachgeschichten zeigten zum Beispiel, wie ein Löffel hergestellt wurde. Ganz trocken, Arbeitsschritt für Arbeitsschritt. Ohne Kommentar. Nur Filmaufnahmen und ein paar Töne Musik. Diese kurzen Filme waren, als stünden sie mit dem Rücken zum übrigen Programm. In diesen Sachgeschichten gab es keine Handpuppen oder Marionetten. Diese Filme stießen einen mit der Nase auf die nächste Umgebung: auf Brötchen, Löffel, Schuhe …

Sie stellten Dinge in den Mittelpunkt. Wenn man Menschen sah, dann hatten sie mit der Herstellung oder Nutzung dieser Dinge zu tun.

Später gab es Filme, in denen eine helle und klare männliche Stimme Gegenstände benannte, die im Bild zu sehen waren. Nur Stichworte und Begriffe, höchstens einzelne Sätze. Wie Bildunterschriften in der Zeitung.

Manche Filme zeigten, wie Kinder sich im Straßenverkehr verhalten sollen. Nur am Ende sagte der Sprecher etwas:

«Kinder sitzen im Auto hinten. Dann werden sie nämlich beim Bremsen von der Sitzlehne aufgefangen.»

Anschnallgurte im Auto waren damals noch nicht üblich.

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BEZUGSPUNKT: WIRKLICHKEIT

Das klang nach gelber Gummi-Ente in der Badewanne: Fliewatüüt. Kindisch. Für solche Fernsehsendungen fühlten mein kleiner Bruder und ich uns zu alt.

Weil Mediathek, Video on Demand und DVDs noch nicht erfunden waren, wurden erfolgreiche Sendungen im Fernsehen öfter wiederholt.

Bei uns zuhause lag die Zeitschrift mit dem Fernsehprogramm auf dem niedrigen Couchtisch im Wohnzimmer. Unsere große Schwester sorgte dafür, dass jeweils die Seite mit dem entsprechenden Wochentag aufgeschlagen war. Mit Kugelschreiber markierte sie die Sendungen, die sie angucken wollte. Das war immer dann blöd, wenn sie etwas im zweiten Programm sehen wollte, während es gleichzeitig im ersten Programm eine Sendung gab, die uns Brüder interessierte.

Zur ersten Wiederholung der Serie ROBBI, TOBBI UND DAS FLIEWATÜÜT gab es in der Fernsehzeitschrift ein Bild. Auf dem Foto war eine Art Hubschrauber abgebildet. Vorne am Rumpf waren Scheinwerfer angebracht, wie an einem Sportwagen. Statt Landekufen war unter dem grauen Rumpf ein stabiles Fahrwerk montiert. Neben diesem Hubschrauber stand ein Junge in rotem Pullover. Aus seinem Holzkopf wuchsen strubbelige blonde Haare. Eine Marionette.

Gut, wir guckten ja auch AUGSBURGER PUPPENKISTE.

Also schalteten wir diesmal ein. Der Hubschrauber interessierte uns.

Die Geschichte handelte von Tobbi. Das war der Junge mit den blonden Haaren und dem roten Pullover. Drittklässler.

Wie mein kleiner Bruder.

An den Wänden in Tobbis Zimmer hingen Zeichnungen und Pläne eines Gefährts, das fliegen, schwimmen und fahren konnte. Tobbi nannte das Gefährt «Fliewatüüt». Er hatte es selbst erfunden.

Auf die Idee mit so einem Flugbootauto wäre ich auch gerne gekommen.

Eines nachts bekam Tobbi Besuch von Robbi, einem Roboter, der die dritte Roboterklasse besuchte. Der erklärte, dass er das «Fliewatüüt» gebaut hätte: «Steht im Garten.»

Tatsächlich! Das Gefährt sah aus wie ein großes Ei aus grauem Leichtmetall. Die Vorderseite bestand aus einer großen gewölbten Scheibe. Dahinter waren zwei Sitze und Steuerknüppel zu erkennen. Es stand auf einem dreirädrigen Fahrwerk. Obendrauf hatte das «Fliewatüüt» einen Rotor, wie ein Hubschrauber.

Robbi und Tobbi flogen, schwammen und fuhren im «Fliewatüüt» über die Nordseeküste und das Meer bis zum Nordpol und von da über Schottland wieder nach Hause. Sie mussten drei Prüfungsaufgaben für Roboter der dritten Roboterklasse lösen.

Alle Figuren wurden von Marionetten dargestellt. Aber die Landschaften um sie herum waren echt. Auch die Luftaufnahmen. Puppenspiel und Wirklichkeit vermischten sich. In der AUGSBURGER PUPPENKISTE waren sowohl die Marionetten als auch die Hintergründe aus Holz und Pappmaché.

Im Film verging viel Zeit damit, dass man das «Fliewatüüt» fliegen sah, über Wälder, kleine Städte, um den goldenen Hahn auf der Spitze eines Kirchturmes herum. Weiter über Industrieanlagen, an einem breiten Fluss entlang. Es gab viel Zeit, den Flug mit Robbi und Tobbi zu genießen.

Vor der dritten Wiederholung strichen wir die Sendetermine in der Programmzeitschrift an – diesmal waren wir schneller.

Bilder aus dem Fernsehen konnten wir nicht aufzeichnen. Aber Tonaufnahmen konnten wir schon selber machen – wir hatten einen Kassettenrekorder mit externem Mikrofon. Das benutzte man hauptsächlich, um seine Lieblingsmusik aus dem Radio aufzunehmen. Auch die Titelmelodien der Fernsehserien, die wir am liebsten guckten, haben wir aufgenommen. Wir hatten eine eigene Tonbandkassette nur für Fernsehmelodien: ABENTEUER IM REGENBOGENLAND, MINI-MAX …

Bei ROBBI, TOBBI war die Musik ein Teil der Erzählung. Deshalb nahmen wir von allen vier Folgen den gesamten Ton auf. Dazu stellte ich vor jeder Sendung einen kleinen Tisch neben dem Fernseher auf. Auf den Tisch stellte ich das kleine röhrenförmige Mikrofon und richtete es auf den Lautsprecher neben dem Fernsehschirm. Das Mikrofonkabel führte unter den Tisch. Es war mit dem Kassettenrekorder verbunden, der auf dem Teppich stand. Sobald die Fernsehansagerin fertig war, drückte ich am Recorder gleichzeitig die Tasten ‹Record› und ‹Play›. Den Rest der Familie hatte ich angewiesen, sich während der Sendung gefälligst ruhig zu verhalten – in der ganzen Wohnung, bitteschön.

Eines Tages lief im Fernsehen ein kurzer Film mit dem Titel WIE DAS FLIEWATÜÜT FLIEGT. Am Anfang des Filmes ging es darum, wie man ein Modell des Gefährts konstruiert, das für Filmaufnahmen brauchbar war.

Die erste Szene zeigte zwei schlanke Typen in Jeans und Pullover. Sie standen in einem Büro. An der Wand hinter ihnen hingen Pläne, auf dem Tisch vor ihnen lagen Skizzen ausgebreitet. Die beiden schlanken Typen beugten ihre Köpfe so tief über die Pläne, dass man ihre Gesichter kaum sehen konnte. Man konnte aber erkennen, dass sie beide Brillen trugen, der Typ links im Bild hatte dunkle Haare, der rechts stehende hatte schulterlange aschblonde Haare. Der Kommentator erklärte knapp: «Regisseur Armin Maiwald und Szenenbildner Wolfgang Schünke überlegen, wie es wohl funktionieren könnte.»

Einen Regisseur hatte ich mir anders vorgestellt: Älter. Dicker. Irgendwie mächtiger.

Aus dem Dialog zwischen den beiden Filmleuten erschloss sich, dass es Probleme gab mit dem Rotorkopf des Fluggerätes. Der mit den schulterlangen Haaren schien der Regisseur zu sein. Der Szenenbildner erklärte ihm, wie er sich die Konstruktion vorstellte.

Der langhaarige Regisseur hatte eine Frage. Er ließ sich vom Szenenbildner den Bleistift geben, kritzelte einen kleinen Kreis auf den Rand der Konstruktionszeichnung und erklärte: «Also, von oben gesehen sieht das doch so aus: Hier ist das Gelenk, wo die Achse drin ist», dann zeichnete er eine dicke gerade Linie, die von dem Kreis wegführte und sagte: «Dann ist doch hier dieser dünne Pinnüssell da …»

So drückte sich dieser dünne, langhaarige Regisseur aus. Echt locker. Pinnüssell.

So einen Ausdruck benutzte keiner unserer Lehrer.

Ich war beeindruckt.

In dem Film wurden viele Werkstätten und Büros gezeigt.

Wir sahen diesen langhaarigen Regisseur im Gespräch mit anderen Mitarbeitern seines Teams. Diesmal saßen sie um einen Tisch herum. Wieder lagen Pläne und Papiere mit Skizzen vor ihnen. Sie besprachen eine Trickaufnahme. Die Mitarbeiter machten dem Regisseur Vorschläge, wie sie einen Filmtrick durchführen wollten. Dann sahen wir, wie der Regisseur das Ergebnis der Besprechung seinem Kameramann erklärte. Immer ging es darum, die Aufnahmen vom Modell des «Fliewatüüts» im Studio mit den Aufnahmen einer wirklichen Umgebung draußen in der Landschaft abzustimmen.

Am Ufer einer Talsperre bauten die Filmleute einen meterhohen Leuchtturm aus Gerüsten, die mit Sperrholz verkleidet und angestrichen wurden. Mit einem richtigen Hubschrauber schwebten sie vorsichtig an diesen Leuchtturm heran. In der offenen Tür des Hubschraubers saß ein Kameramann und filmte. Seine Filmaufnahme sah nachher so aus, als stünde der Leuchtturm mitten im Wasser, weit draußen im Meer.

In anderen Szenen sah man die Filmleute auf einem Gletscher in den Alpen. Hier sah man den langhaarigen Regisseur Schnee schippen. Mit einem Hubschrauber wurden Kulissenteile auf den Gletscher transportiert. Die Kulisse bestand aus weißen Styroporblöcken. Man sah, wie die Filmleute aus den Styroklötzen einen Iglu zusammensetzten. Daneben stellten sie ein Wetterhäuschen auf und einen Mast mit einer wehenden Fahne daran. Das sollte die Forschungsstation des Polarforschers Zacharias sein. Als der Aufbau fertig war, näherte sich wieder der Hubschrauber mit dem Kameramann, der die Station aus der Luft filmte – langsam flog er die Kulisse der Forschungsstation an.

Die Filmleute hatten für ROBBI, TOBBI UND DAS FLIEWATÜÜT sogar am Polarkreis einen Hubschrauber gemietet, um passende Luftaufnahmen von Eisschollen auf dem Meer zu drehen.

Später wurden in einem Studio verschiedene Szenen mit Robbi und Tobbi im «Fliewatüüt» aufgenommen. Passend dazu liefen im Hintergrund die Bilder von den Eisschollen auf dem Meer. Oder die Luftaufnahme von dem Leuchtturm. Oder ihr Anflug auf die Forschungsstation im ewigen Eis am Nordpol. In der Kombination sah das aus, als würde das Fliewatüüt fliegen. Tatsächlich hatte es die ganze Zeit im Studio am Boden gestanden.

Beim SPATZ VOM WALLRAFPLATZ war eine Marionette in die Wirklichkeit eingetaucht. Bei ROBBI, TOBBI UND DAS FLIEWATÜÜT wurde die Wirklichkeit zu den Marionetten ins Studio geholt.

Bei Filmarbeiten schien es viel zu geben, was mit schaufeln, sägen, schrauben und anstreichen zu tun hatte. Und mit technischem Erfindergeist. Als würden Filmleute spielen und gleichzeitig arbeiten wie Handwerker, zusammen mit Puppenspielern, Baggerfahrern und Hubschrauberpiloten.

Spätabends im dunklen Zimmer (eigentlich sollten wir längst schlafen) zog mein kleiner Bruder den Kassettenrekorder unter dem Etagenbett hervor. Er hatte das untere Bett. Er drückte die Taste ‹Play›. Unsere Aufnahme lief möglichst leise, damit die Eltern uns nicht hören konnten. Wir lauschten der Titelmusik und der Tonspur einer Folge ROBBI, TOBBI UND DAS FLIEWATÜÜT. Jede Figur hatte eine einzigartige Stimme, wie bei einem Hörspiel. An den Geräuschen und Dialogen entlang erinnerten wir uns an die Bilder der Handlung. Der Motor des «Fliewatüüts» brummte hell. Die Rotorblätter flatterten rhythmisch. Mit geschlossenen Augen sah ich Robbi und Tobbi fliegen. Unter ihnen das Meer. Am Horizont voraus: Eisschollen auf dem Wasser, der Polarkreis.

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WARUM «DER SPATZ VOM WALLRAFPLATZ» HIER WICHTIG IST

Für mich als Kleinstadtjunge aus der Voreifel war dieser betonierte, viereckige Wallrafplatz mit der Platane in der Mitte das Bild der grauen Großstadt gewesen. Man sah mehr Häuser als Himmel.

Einerseits war ich froh, dort nicht wohnen zu müssen, andererseits gab es da mehr zu gucken, als bei uns auf dem Marktplatz. Mehr Menschen, Autoverkehr, Baustellen. Dort schienen mehr Geschichten möglich zu sein. Auch so eine:

Es war einmal ein kleiner Spatz, der wohnte auf einem belebten Platz mitten in einer deutschen Großstadt …

Allerdings war dieses Märchen von dem halbgebildeten Spatzen, der mit Menschen sprechen konnte, nicht romantisch. Seine Umgebung war rau. Sie zeigte mehr Wirklichkeit, als ausgedachtes. Ein dokumentarisches Märchen.

Der Spatz flatterte los und geriet zufällig irgendwo hinter die Kulissen: Bei der Sportschau oder in einer Raffinerie. In einem Film landete er in einer Autowerkstatt. Dort zeigte ihm ein Mechaniker, wie er die tiefe Delle im Blech einer Autotür ausbeulte. Eine Szene mit wenigen Einstellungen, wie eine kurze Sachgeschichte.

Zum Wetteramt in Essen geriet der Spatz, weil er Hunger hatte. Er trieb sich auf dem Parkplatz für die Autos der Kamerateams vom WDR herum. Ein Team wollte gerade vom Hof fahren, als es an der Schranke aufgehalten wurde. Der Pförtner winkte mit einem Umschlag und rief: «Fahrt ihr nach Bonn?» – «Nää, Essen», rief der Fahrer des Teamwagens dem Pförtner zu. «Essen?», rief der hungrige Spatz und bettelte: «Darf ich mitkomm’?» – «Na, ausnahmsweise.»

So geriet der Spatz nach Essen, zum Wetteramt. Das Filmteam sollte dort die Wettervorhersage fürs Wochenende in Nordrhein-Westfalen aufnehmen.

Der Spatz wollte hinter den Kameraleuten ins Gebäude flattern. Doch die Kollegen schlugen ihm die Tür vorm Schnabel zu. Der Spatz flatterte ums Gebäude, schaute durch die Fenster hinein. So sahen wir die Meteorologen bei der Arbeit. Wir sahen, wie das Kamerateam drinnen die Aufnahmen für die Wettervorhersage vorbereitete: Kamera vor der Wetterkarte aufbauen, mit Filmscheinwerfern das Licht einrichten. Der Tonmann verkabelte Mikrofone mit seinem Tonbandgerät.

Beim SPATZ VOM WALLRAFPLATZ deckten die Macher ihre eigene Arbeit auf. Sie spielten uns etwas vor und ließen sich gleichzeitig dabei in die Karten gucken.

Filmleute nahmen die Wettervorhersage auf. Andere Filmleute drehten die Geschichten mit dem Spatz. Ein interessanter Beruf: zugucken.

Interessanter als Schulaufgaben.

Ich bastelte mir eine Kamera. Aus einem Schuhkarton. An einer Schmalseite schnitt ich ein rundes Loch in den Karton. In das Loch steckte ich den Pappkern einer Klopapierrolle – als Objektiv.

Ich spielte nur selten mit meiner Pappkamera. Meistens lag sie irgendwo im Kinderzimmer herum. Sie hatte für mich keine tiefere Bedeutung – weniger als mein Cowboyhut und der Colt, der mit Knallplättchen geladen werden konnte.

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BEI DEN FERNSEHNACHRICHTEN

Bei Herrn Bauhardt, einem freiberuflichen Kameramann, bekam ich eine Stelle als Assistent. Wir drehten meistens Nachrichtenfilme für die HEUTE-Sendung. Herr Bauhardt hatte ein kleines Büro im ZDF-Studio Bonn.

Damals wurden die Nachrichten nur noch selten auf Film gedreht. Meistens wurde mit elektronischer Bildaufzeichnung gearbeitet. Die Aufzeichnungsmaschinen waren groß und schwer. Ein Techniker musste sie auf einer Sackkarre hinter dem Kameramann her schieben. Zwischen der Maschine auf der Sackkarre und der Kamera gab es eine Kabelverbindung. Weil die Sackkarre ohnehin schon sperrig war, hatten die Techniker auch einen kleinen Kontrollmonitor daran befestigt. Auf dessen Bildschirm war zu sehen, was der Kameramann aufnimmt.

Meine Aufgabe als Kameraassistent bestand zunächst darin, Stativ und Kamera zum Drehort zu schleppen und nach Herrn Bauhardts Anweisungen aufzustellen. Eines Tages habe ich die Gelegenheit ergriffen, auch das Bild einzustellen – so, wie ich dachte, dass man es aufnehmen könnte. Herr Bauhardt begutachtete meine Einstellung am Kontrollmonitor. Er sagte: «Mach’ mal ein bisschen enger, den Bildausschnitt …», woraufhin ich den Bildausschnitt entsprechend veränderte. Und als ich Herrn Bauhardt die fertig eingestellte Kamera überlassen wollte, sagte der nur: «Schieß’ et so ab, Jung’!»

So machten wir das seitdem öfter und später sogar, wenn kein Kontrollmonitor verfügbar war. Dann hielt sich Herr Bauhardt dicht neben mir, als könnte er durch meinen Kopf hindurch in den Kamerasucher gucken und raunte mir gelegentlich was ins Ohr, so: «Pass auf, gleich kommt der Kanzler von links, schwenk’ schon mal langsam ’rüber und nimm ihn dann mit.»

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IM HAUS DES FILMEMACHERS

Eines Tages beim Mittagessen in der ZDF-Kantine – es gab «Kutterscholle mit Speck und Salzkartoffeln», also war es Freitag – da teilte Herr Bauhardt mir mit: «Nächste Woche müssen wir uns ma’ für’n paa’ Tage aus dem Nachrichtengeschäft ausklinken und ’was in Köln drehen. Der Aamiin hat angerufen», sagte Herr Bauhardt, der Westfale.

Am frühen Montagmorgen fuhren wir in Herrn Bauhardts türkisblauen Citroën CX nach Köln. Dort würden wir nicht mit einer schweren elektronischen Ausrüstung drehen, sondern mit einer leichten Filmkamera. Obwohl es hieß, der Aamiin hätte eine eigene Kamera, hatten wir auch die Filmausrüstung von Herrn Bauhardt in den Kofferraum geladen. Herr Bauhardt lenkte seinen eleganten Kombi über eine lange vierspurige Straße. Schilder wiesen den Weg zu Dom und Hauptbahnhof. Wir fuhren unter einem dunkelroten Hochhaus hindurch. Oben an dem Haus leuchteten hellblau die Buchstaben WDR. Die breite Straße machte einige Schlenker, unterquerte die Bahngleise, dann bogen wir ab in ein Gewirr aus engen Straßen.

«Ein Glück, dass ich nicht fahren muss», dachte ich, «hier findest du ja nie wieder heraus.»

Wir hielten vor einem weiß verputzten Haus mit schmalen hohen Fenstern. Auf einem der Fenster stand in eckigen, weißen Buchstaben der Schriftzug «FLASH» – von links unten nach rechts oben, diagonal auf die Scheibe gedruckt. Das kurze Wort in eckigen Buchstaben, exakt im Winkel von 45 Grad auf dem Fenster platziert, wirkte auf mich wie ein Anspruch.

Dieser Aamiin öffnete die gläserne Eingangstür. Ein schlanker Typ in Jeans und Poloshirt, mit Brille und kurzen dunkelblonden Haaren. Den hatte ich schon mal gesehen, irgendwo im Fernsehen. Wir reichten uns die Hand, er sagte: «Armin Maiwald, guten Tag.»

«Ach, der ist das», dachte ich. Ich erinnerte mich an einen knapp halbstündigen Film im Nachmittagsprogramm. Da erzählte er, wie er mit seinem Filmteam eine Dreizehnjährige auf der Wanderung über einen felsigen Klettersteig in den Alpen begleitet hatte.

Das Foyer bei «FLASH» wirkte genau so streng gestaltet, wie der Schriftzug draußen am Fenster. Armin Maiwald zeigte uns die Räume. Es war wie eine Einweisung.

Das Haus ist ein Altbau. Dennoch sieht es außen wie innen schlicht und modern aus. Bei «FLASH Film» im Haus ist auf allen Böden schwarzer Teppich verlegt. Auch Türen und Fensterrahmen sind schwarz. Aber alle Räume sind hell. Die Wände und hohen Decken sind weiß. Klare Verhältnisse. Entschlossenheit.

«Wir haben darauf geachtet, dass es in allen Räumen genug Steckdosen gibt», erklärte Herr Maiwald.

Nicht nur die Platzierung der Stromanschlüsse, einfach alles schien so eingerichtet zu sein, dass es genau den Bedürfnissen seiner Filmproduktion entspricht.

Herr Maiwald führte uns im Schlepptau durch sein Haus. Es gab viele kurze, verwinkelte Gänge, wir gingen treppauf, treppab.

Im Keller gab es ein winziges Studio, eine Werkstatt mit allen möglichen Werkzeugen, einen winzigen Raum, den Herr Maiwald als Grafikraum bezeichnete: in schmalen Regalen und tiefen Schränken lagerten Farben und Pinsel, farbige Pappen, Plakatkarton, Tonpapier und Klebstoffe.

In allen Kellerräumen gab es weiße Schränke. Hinter deren Türen verbargen sich ein Requisiten- und ein bescheidener Kostümfundus mit alten Schuhen, Hüten, Jacken und Mänteln.

In den oberen Etagen gab es ein Tonstudio und Schneideräume.

«Wir machen hier alles selbst,» erklärte Herr Maiwald, «bis auf Filmentwicklung und -kopierung.»

Studio Babelsberg im Kleinformat.

Diese Führung durchs Haus wirkte, als würde Herr Maiwald festlegen: «So geht das hier. So machen wir das hier. Genau so wird hier gearbeitet. Merkt euch das.»

Im Foyer kam ein junger Mann die mit schwarzem Teppich belegte Treppe hinunter. Er hatte es eilig.

«Das ist der Christoph – mein Regisseur für die Mausgeschichten», erklärte Herr Maiwald – und schon war der Mann in der braunen Lederjacke durch die Tür.

Die Wand neben der Tür war mit schwarzem Teppichboden tapeziert. An dieser Wand hing ein Strohkranz mit Trauerflor. Auf der schwarzen Schleife stand in weißer Schrift:

«DEM SPATZ VOM WALLRAFPLATZ»

Als hätte ich das lose Ende eines verlorenen Fadens wiedergefunden. Einen Faden, den ich als Schuljunge aus der Hand gelegt hatte. Jetzt war ich ein junger Kameraassistent und hielt in der Hand: das andere Ende des verlorenen Fadens. Auf einmal arbeitete ich für den, der die Filme gedreht hatte, die mir als Schuljunge wichtig gewesen waren.

«Hier geht’s weiter», rief Herr Maiwald und öffnete eine schwarz gestrichene Stahltür. In Augenhöhe waren außen auf die Tür weiße Blockbuchstaben gedruckt:

«KEEP

THIS ROOM

TIDY.»

«Das ist unser Kameraraum», erklärte Herr Maiwald.

In der Mitte des Raumes gab es einen kleinen quadratischen Tisch, gerade groß genug, um darauf den Dunkelsack auszubreiten, in dem man Filmmaterial in die Kamerakassetten einlegt. An drei Seiten ragten Regale aus massiven Holzbalken bis unter die Decke empor. In den Regalen befand sich alles, was man benötigen könnte, um Filme zu drehen: auch Gummistiefel, Sonnenschirme und Bauhelme. Fast alle Regalböden waren mit kleinen Schildern versehen: «Akkuladestation», «Leerdosen», «Spezialleuchtmittel» … Im Regal mit «Putzzeug» gab es neben groben Bürsten auch Reinigungsbenzin, Optikreiniger, Zahnstocher und Fensterleder.

Rechts unten, in der Ecke neben der Tür, stand ein kleiner Kühlschrank. Darin wurden die flachen runden Blechdosen mit Filmmaterial aufbewahrt.

Im Regal links von der Tür, auf einem Boden in Hüfthöhe, lagerten zwei schwere silberne Alukoffer. Jeder dieser Koffer war größer als ein Werkzeugkasten und schwerer als ein Kasten Mineralwasser. Aber er hatte nur einen schmalen Griff an der Oberseite, wie der Griff eines kleinen Aktenkoffers. Das machte jeden dieser Koffer höllisch schwer und unhandlich.

«Die haben wir für Australien gebaut», erklärte Herr Maiwald. Er war ein Jahr zuvor mit seinem Team wochenlang down under gewesen.

Herr Maiwald erklärte weiter: «In der einen Kiste ist die Kamera mit Optiken, Akkus, Ladegeräten und sämtlichem Zubehör, in die andere Kiste passen ein dutzend Rollen Filmmaterial, außerdem sind darin Werkzeug, Maßband und alles, was man zum Drehen braucht. Die gesamte Ausrüstung in zwei Kisten. Nur für den Ton haben wir noch einen zusätzlichen kleinen Koffer.»

Alles war sehr übersichtlich sortiert. Ein Blick in den jeweiligen Koffer genügte. Wenn keines der maßgeschneiderten Fächer leer war, hatte man alles dabei.

Sehr praktisch.

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