Kitabı oku: «Lernen in überbetrieblichen Kursen (E-Book)»
Markus Maurer, Karin Hauser
Lernen in überbetrieblichen Kursen Didaktische Hausapotheke, Band 15 ISBN Print: 978-3-0355-1879-5
ISBN E-Book: 978-3-0355-1880-1
Coverfoto: D-Keine, iStock
1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© 2021 hep Verlag AG, Bern
Inhalt
Vorwort des Herausgebers
1 Einleitung
2 Rahmenvoraussetzungen
3 Entscheidungen zu Kursinhalten
4 Formen von üK-Anbietern
5 Entscheidungsfelder der üK-Organisation
6 Gestaltung der Lernprozesse in überbetrieblichen Kursen
7 Ausblick
8 Literatur
Über die Autorin und den Autor
Vorwort des Herausgebers
Dieses Heft ist Teil der von der PH Zürich herausgegebenen Reihe «Didaktische Hausapotheke», die sich den Grundlagen des Lehrens und Lernens widmet und einen besonderen Fokus auf die berufliche Aus- und Weiterbildung richtet. Alle Bände der Reihe präsentieren ihre Inhalte auf komprimierte Weise, um für Lehrpersonen und Berufsbildnerinnen oder Berufsbildner gut zugänglich zu sein.
Während sich die meisten Titel der Reihe mit Themen befassen, die näher am schulischen Unterricht liegen, behandelt dieser Band die überbetrieblichen Kurse (üK). Er füllt damit eine Lücke, denn für Berufsbildende am dritten Lernort liegt wenig pädagogisch-didaktische Literatur vor, obwohl die Aus- und Weiterbildung dieser Zielgruppe zunehmend wichtig wird. Wir sind zudem der Überzeugung, dass am dritten Lernort, in den üK, sehr viel Innovation geschieht, die in der Bildungslandschaft der Schweiz oft nur am Rande wahrgenommen wird.
Das Heft beschäftigt sich nicht nur mit Ausbildung und Lernen in üK, es beleuchtet eingehend auch die Rahmenbedingungen der überbetrieblichen Ausbildung in der Schweiz und diskutiert unterschiedliche Entscheidungsfelder, die für die Anbieter von üK wichtig sind. Insofern ist es auch aus der Perspektive der Schul- und Qualitätsentwicklung von grossem Wert.
Prof. Dr. Christoph Städeli
Leiter der Abteilung Sekundarstufe II/Berufsbildung der Pädagogischen Hochschule Zürich
1Einleitung
Es ist derzeit oft von den grossen Herausforderungen die Rede, mit denen die Berufsbildung in der Schweiz, angesichts der Digitalisierung, des Wandels der Arbeitswelt und gesellschaftlicher Umbrüche, konfrontiert sei. Solche Debatten könnten vergessen machen, dass die Berufsbildung vor Herausforderungen konstanter Natur steht, die nie ein für alle Mal als gemeistert gelten können. Dazu gehört etwa der Anspruch, dass möglichst alle Lernenden, unabhängig von den betrieblichen Möglichkeiten, ein Anrecht auf hohe Ausbildungsqualität haben sollen, und zwar an allen drei Lernorten der beruflichen Grundbildung: an den Berufsfachschulen, in den Betrieben und bei den Anbietern überbetrieblicher Kurse (üK).
Von diesen drei Lernorten bekommen die üK zweifellos am wenigsten Aufmerksamkeit, obwohl gerade sie im dualen Berufsbildungssystem zentrale Funktionen erfüllen. Denn zum einen muss die überbetriebliche Ausbildung sicherstellen, dass die berufspraktischen Kompetenzen möglichst bei allen Lernenden den Anforderungen der Abschlussprüfungen genügen; zum anderen muss sie dazu beitragen, dass die Lernenden in der Lage sind, theoretische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten in kompetentem beruflichem Handeln zu verknüpfen.
Dass die üK vergleichsweise wenig Beachtung finden, hat wohl damit zu tun, dass die meisten Lernenden deutlich mehr Zeit im Betrieb und auch an der Berufsfachschule verbringen, vielleicht auch damit, dass die üK der jüngste Lernort sind. In den meisten Berufen etablierten sie sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, während schulischer Unterricht in vielen Kantonen schon seit Ende des 19. Jahrhunderts die betriebliche Ausbildung ergänzt. 1963 wurden die üK als Einführungskurse ins Berufsbildungsgesetz (BBG) aufgenommen; seit 1978 sind sie verbindlich, auch wenn viele Lernende in Grossunternehmen davon zunächst befreit blieben. Seit der jüngsten Revision des Berufsbildungsgesetzes (in Kraft seit 2004) ist der Besuch von üK obligatorisch, Grossunternehmen können die Kurse aber auch innerbetrieblich anbieten.
Dennoch: Die üK bilden heute ein zentrales Element der Berufsbildung in der Schweiz, und es gibt durchaus Hinweise, dass ihre Bedeutung in den letzten Jahren eher noch zugenommen hat, etwa weil hier aktuelles Branchenwissen besser vermittelt werden kann als an der Berufsfachschule. Auf die zunehmende Bedeutung der üK weist auch der Umstand hin, dass die berufspraktische Abschlussprüfung in immer mehr Berufen nicht mehr im Betrieb stattfindet, sondern eben im üK.
Wie allgemein in der Berufsbildung der Schweiz lassen sich auch im Bereich der üK unterschiedlichste Erscheinungs- und Organisationsformen finden. So sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Berufen gross: Bei den einen liegt der Fokus auf der Vermittlung manueller Fertigkeiten, bei anderen steht branchenspezifisches Wissen oder die Reflexion beruflichen Handelns im Zentrum. In den meisten Berufen finden die üK in brancheneigenen Zentren statt, in einigen aber auch in Räumlichkeiten einer Berufsfachschule.
Vor dem Hintergrund solcher Diversität verfolgt dieser Band zwei Ziele: Zum einen enthält er einen kompakten Überblick über die vielfältige Landschaft überbetrieblicher Ausbildung, gedacht vor allem für Fachleute, die sich in der organisatorischen und didaktischen Ausgestaltung der Kurse engagieren (möchten). Zum anderen liefert das Heft nützliche Hinweise zur Didaktik in der überbetrieblichen Ausbildung, wie sie in der inzwischen sehr breiten Literatur zur Berufsbildung bisher noch kaum zu finden sind.
Dieser Band ist im Rahmen des durch swissuniversities beziehungsweise das SBFI geförderten Projekts «Berufsfelddidaktik» zustande gekommen. Dieses befasst sich mit der Didaktik der beruflichen Bildung und wird von den Institutionen durchgeführt, die sich in der Aus- und Weiterbildung von Berufsschullehrpersonen und weiteren Berufsbildungsverantwortlichen engagieren. Die PH Zürich befasst sich dabei mit der Ausbildung in überbetrieblichen Kurszentren und hat hierzu zahlreiche Interviews durchgeführt, deren Erkenntnisse wesentlich zum Inhalt dieses Bandes beigetragen haben. An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei allen Vertretenden von üK-Zentren bedanken, die sich für den Austausch mit uns Zeit genommen haben. Ein besonderer Dank geht an Peter Dinkel, Berufsinspektor beim Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Zürich, der uns bei Rückfragen im Zusammenhang mit rechtlichen und finanziellen Aspekten des überbetrieblichen Kurswesens zur Verfügung stand. Schliesslich bedanken wir uns bei Tatjana Straka und Fiona Hasler vom hep Verlag sowie bei Christoph Gassmann und Dario Venutti, die uns bei der Vorbereitung des Manuskripts und der Finalisierung des Bandes unterstützt haben.
2Rahmenvoraussetzungen
In diesem Kapitel stehen die Rahmenbedingungen der überbetrieblichen Kurse (üK) im Zentrum. Zunächst geht es um die Frage, wozu die Kurse überhaupt dienen, im Weiteren um zahlreiche Aspekte, die auf Bundesebene geregelt und für die Durchführung von üK entscheidend sind, etwa um Vorgaben zu Inhalten, Steuerung und Finanzierung.
2.1Funktionen überbetrieblicher Kurse
Das Berufsbildungsgesetz legt fest, dass üK und vergleichbare dritte Lernorte den «Ergänzungen der beruflichen Praxis und der schulischen Bildung» dienen (Art. 16 Abs. 2 lit. c BBG). Doch Bildungsangebote haben immer unterschiedliche Funktionen – dies gilt auch für die üK. Die Funktionen können sich ergänzen, sie können – wie auch dieses Buch immer wieder zeigen wird – auch miteinander in Konflikt stehen. Im folgenden Abschnitt stellen wir fünf Funktionen der üK dar (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Funktionen der üK im Überblick
Funktion 1: Einführung
ÜK dienen wesentlich der Einführung von Lernenden in Inhalte, auf denen die Ausbildung im Betrieb aufbauen soll. Diese Inhalte können unterschiedlicher Natur sein:
→Praktische Grundfertigkeiten: Der Aufbau praktischer Kompetenzen steht in vielen Berufen im Zentrum der üK. Der Fokus liegt häufig auf idealisierten Basistechniken, etwa auf der Bearbeitung von Materialien oder dem Einsatz von Geräten. In einigen Branchen (so im Pflegebereich) können Lernende gewisse Arbeiten im Betrieb erst dann verrichten, wenn im üK die entsprechende praktische Einführung stattgefunden hat.
→Fachrichtungs-/branchenspezifisches Wissen: In einigen üK wird sehr viel Wissen vermittelt, vor allem wenn die fraglichen Wissensbestände an der Berufsfachschule nicht Unterrichtsthema sind. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Beruf unterschiedliche Branchen oder Fachrichtungen umfasst, die an der Berufsfachschule in einer Klasse gemeinsam unterrichtet werden. So gibt es zum Beispiel branchenspezifische üK für Kaufleute; in den üK der Bankbranche wird dann zum Beispiel auf das Thema «Geldwäscherei» eingegangen, das an der Berufsfachschule höchstens am Rande behandelt wird.
→Sicherheits- und Verhaltensvorschriften: In vielen Berufen ist das Einhalten von Sicherheits- und Verhaltensvorschriften von grosser Bedeutung. Aus diesem Grund wird bei den Elektroinstallateuren/-innen EFZ oder den Polymechanikern/-innen EFZ in den ersten üK einige Zeit darauf verwendet, dass Lernende die Sicherheitsvorschriften der Suva kennen und umsetzen können. Im Beruf Fachfrau/Fachmann Gesundheit EFZ wird in einem ersten Kurs das Thema «Hygiene» behandelt, etwa mit Blick auf Händehygiene, Reinigung und Desinfektion von Geräten, Instrumenten und Flächen, Massnahmen zur Unterbrechung der Kontaminationswege usw.
→Überfachliche Kompetenzen: Diese Kompetenzen gewinnen in der beruflichen Grundbildung überall an Bedeutung – so auch in den üK, die insbesondere im Bereich Arbeitstechnik (als Teil der Methodenkompetenz) einen wichtigen Beitrag leisten.
Die Einführungsfunktion war bei der Entstehung der üK sicherlich entscheidend. Tatsächlich war im Berufsbildungsgesetz von 1963 noch von Einführungskursen die Rede, die der «Aneignung der grundlegenden Fertigkeiten» dienen sollten.
Funktion 2: Anwendung, Vertiefung und Reflexion
ÜK können auch dazu dienen, die Anwendung von zu einem gewissen Grad bereits erworbenen Kompetenzen zu üben und zu vertiefen, nicht zuletzt durch die Verknüpfung von Theorie und Praxis. Dies kann etwa im Rahmen von Simulationen geschehen, in denen besonders herausfordernde Anwendungssituationen nachgeahmt werden (mehr dazu in Abschnitt 6.5.3). Verbreitet ist auch die Reflexion solcher Anwendungssituationen, zum Beispiel bei den Fachleuten Betreuung und Gesundheit.
Das Üben und Trainieren kann in den üK, anders als im Betrieb, in einem pädagogisch geschützten Rahmen stattfinden, weil im üK kein ökonomischer Druck besteht, Leistungen möglichst zeiteffizient und fehlerfrei zu erbringen. Der Umstand, dass ein Fehler im üK oft weniger schwerwiegende Folgen hat als im Betrieb, ist durchaus lernwirksam.
Funktion 3: Standardisierung
ÜK können dazu dienen, die Heterogenität der betrieblichen Ausbildung in einem gewissen Mass auszugleichen. Auch wenn nämlich die Berufsbilder in der schweizerischen Berufsbildung im internationalen Vergleich eher «eng geschnitten» und vergleichsweise spezialisiert sind, kann von den Betrieben – selbst wenn sie im gleichen Beruf ausbilden – aufgrund ihrer jeweiligen Spezialisierung nicht erwartet werden, dass sich betriebsintern sämtliche in den Bildungserlassen definierten berufspraktischen Fertigkeiten in gleicher Form und Tiefe ausbilden lassen. Die Standardisierungsfunktion hat dann besondere Bedeutung, wenn die üK auf berufspraktische Teile des Qualifikationsverfahrens (QV) vorbereiten. Dies ist etwa bei den Elektroinstallateuren/-innen EFZ der Fall, die in vielen Kantonen für den QV-Bereich «Praktische Arbeit» in Räumlichkeiten der üK-Zentren eine praktische Prüfung ablegen, die zahlreiche Kompetenzbereiche umfasst (VSEI, 2018).
Letztlich trägt die Standardisierungsfunktion der üK wesentlich zur Vergleichbarkeit der Berufsabschlüsse bei – und damit zur Glaubwürdigkeit der beruflichen Bildung. Dies unterstützt schliesslich die Arbeitsmarktfähigkeit der Lernenden, die nach dem Lehrabschluss allenfalls im selben Berufsfeld den Betrieb wechseln wollen.
In der politischen Diskussion um die üK wurde ihre zentrale Bedeutung nicht selten mit der Standardisierungsfunktion begründet. So forderte 1985 eine im Nationalrat eingereichte Motion, die Einführungskurse seien auszubauen, weil sie «am meisten Gewähr für die Vermittlung von berufsübergreifenden Qualifikationen bieten» (Kommission des Nationalrats, 1985).
Funktion 4: Transfer von Technologie und Know-how
Überbetriebliche Ausbildung könnte auch dazu dienen, über die Lernenden Kompetenzen im Umgang mit neusten Technologien in die Betriebe hineinzutragen, vor allem in kleinere Unternehmen. So sollten angehende Elektroinstallateure/-innen EFZ im üK im vierten Lehrjahr zum Beispiel lernen, Fotovoltaikanlagen zu installieren und bei der Inbetriebnahme mitzuwirken.
Ein Blick in die Bildungserlasse zeigt jedoch, dass von üK nur in wenigen Berufen die Vermittlung dieser Art von Kompetenzen verlangt wird. Sie werden eher im Berufsfachschulunterricht thematisiert (dann meist aus theoretischer Sicht) – und selbstverständlich steht es den Betrieben frei, ihre Lernenden nach Bedarf mit der Anwendung neuester Technologie vertraut zu machen.
Funktion 5: Beurteilung
In fast allen üK wird nicht nur ausgebildet, es werden auch die Leistungen von Lernenden beurteilt. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen:
→mündliche Rückmeldung, gegebenenfalls zur Dokumentation durch die Lernenden im Lernjournal,
→schriftliche Beurteilung ohne Relevanz fürs QV, in Form von Noten (z. B. 1 bis 6) oder bestanden/nicht bestanden, allenfalls ergänzt durch eine ausformulierte Begründung,
→schriftliche Beurteilung mit Relevanz für die QV-Note.
Die je nach Beruf unterschiedliche Bedeutung der üK-Leistungen für das QV wird in Abschnitt 2.3 noch näher beleuchtet.
2.2Bestimmungen zu Dauer und Inhalten
Wesentliche Bestimmungen zu Dauer und Inhalten von üK finden sich in den Bildungserlassen (d.h. in den Bildungsverordnungen und Bildungsplänen) der verschiedenen Berufe und in den für viele Berufe ebenfalls auf nationaler Ebene vorliegenden Ausführungsbestimmungen für die üK.
2.2.1Dauer
Die Anzahl üK-Tage ist in der Bildungsverordnung jedes Berufs festgehalten. Zum Teil bestimmen die Verordnungen eine Minimal- und eine Maximalzahl von Tagen, die dann in den Bildungsplänen näher bestimmt werden. Da es in dieser Hinsicht keine berufsübergreifende Vorgabe gibt, sind die Unterschiede zwischen den Berufen beträchtlich (siehe Tabelle 1).
Oft sind die Bestimmungen von betriebswirtschaftlichen Überlegungen der Unternehmen abhängig, denn die Lernenden fehlen an den Ausbildungstagen im Betrieb – und auch die Kosten des Kursbesuchs werden meist vollumfänglich von den Betrieben getragen. Entscheidend für die Festlegung der Anzahl üK-Tage sind aber wohl Überlegungen wie beispielsweise, über wie viele Grundfertigkeiten Lernende verfügen müssen, um überhaupt produktiv tätig werden zu können (siehe Einführungsfunktion, Abschnitt 2.1), oder auch, inwiefern es sich lohnt, die Ausbildung der Grundfertigkeiten nicht im Ausbildungsbetrieb stattfinden zu lassen. Die Verbände selbst, oft Träger der üK, können ebenfalls an längeren üK interessiert sein, weil das die Auslastung der vorhandenen Infrastruktur erhöht.
Tabelle 1: Durchschnittliche Anzahl üK-Tage pro beruflicher Grundbildung, Stand 2016 (SBBK, 2019a)
In der Praxis können die üK-Anbieter – in Absprache mit den Betrieben – über die in den Bildungserlassen definierte maximale Anzahl üK-Tage hinausgehen. Dies zeigt sich zum Beispiel bei Lernenden der kaufmännischen Grundbildung in der Branche Bank, deren Bildungsplan 16 üK-Tage festlegt, während das CYP, das anerkannte üK-Zentrum für die Branche, deutlich mehr Tage anbietet. Selbstverständlich werden für diese zusätzlichen Ausbildungstage von den Kantonen keine Pauschalbeiträge entrichtet (siehe Abschnitt 2.4.2).
2.2.2Spezialisierung in Branchen und Fachrichtungen
In breiter gefassten Berufen gibt es gemäss Bildungsverordnung häufig unterschiedliche Branchen oder Fachrichtungen. In solchen Fällen dienen üK meist auch der Spezialisierung, umso mehr, wenn die Lernenden gemeinsam in einer Klasse unterrichtet werden. Wenn eine Spezialisierung im üK stattfindet, wird dies ebenfalls in den Bildungserlassen geklärt. Wie erwähnt, kann der üK dann je nach Branche oder Fachrichtung unterschiedlich viele Tage umfassen.
Exkurs: Zur Abgrenzung zwischen Berufsfachschulunterricht und überbetrieblichen Kursen
ÜK hatten sich zunächst in jenen Berufen als Einführungskurse etabliert, wo sie funktional entscheidend waren. So waren die Winterkurse für die Maurer schon deshalb relevant, weil die Jahreszeit, in der es auf Baustellen weniger zu tun gab, für die Ausbildung genutzt werden sollte. Auch für viele andere handwerkliche Berufe waren Einführungskurse, die einen klaren Einführungszweck verfolgten, schon früh funktional.
Im Zuge der beiden jüngeren Revisionen des Berufsbildungsgesetzes (1978/2002) wurde die Durchführung von üK für sämtliche Berufe zwingend, auch da, wo dies funktional weniger erforderlich war. Dies hat insbesondere zur Folge, dass die Abgrenzung der üK vom Berufsfachschulunterricht nicht in jedem Fall klar gegeben ist. Offensichtlicher ist sie da, wo es klare Unterscheidungsmerkmale gibt. Bei technischen oder handwerklichen Berufen ist das zentrale Merkmal der üK-Zentren die verfügbare technische Infrastruktur, die das Einüben beruflicher Grundfertigkeiten erlaubt. Hier ist die Theorievermittlung auf ein Mindestmass beschränkt. So heisst es zum Beispiel im Bildungsplan der Elektroinstallateure/-innen EFZ: «Berufskenntnisse werden nur insoweit vermittelt, als sie für das Aneignen der praktischen Fertigkeiten unerlässlich sind. Die Instruktion darf kein Ersatz für den Berufsfachschulunterricht darstellen» (VSEI, 2015a, S. 43).
Ähnlich gelagert ist der Fall der Fachleute Gesundheit EFZ, wo die Lernenden im üK zum Beispiel in den Umgang mit medizinaltechnischen Verrichtungen eingeführt werden. Ein anderes Distinktionsmerkmal ist die Spezialisierung in Branchen oder Fachrichtungen, wenn die Lernenden an der Berufsfachschule nicht in getrennten Klassen unterrichtet werden, so etwa bei den Kaufleuten oder den Detailhandelsfachleuten.
Entsprechend grösser sind die Herausforderungen in Berufen, in denen sich üK und Schule weniger deutlich unterscheiden. So wird bei den Informatikern/-innen EFZ sowohl an der Berufsfachschule als auch im üK wesentlich mithilfe von Computern gelernt, und die Spezialisierung nach Fachrichtungen geschieht schon an der Berufsfachschule. Die Zuteilung der 25 ausserbetrieblichen Module zu den beiden Lernorten üK und Berufsfachschule lässt sich somit schwerer begründen. Ähnliche Herausforderungen stellen sich für den Beruf Fachfrau/Fachmann Betreuung EFZ. Auch in den üK stehen zum Beispiel keine Kindergruppen zum «Üben» zur Verfügung, andererseits braucht es auch keine umfassende technische Infrastruktur.
Zweifellos haben sich solche Herausforderungen mit der Handlungskompetenzorientierung (HKO) der beruflichen Bildung noch verstärkt. Auch von Berufsfachschulen wird heute ein stärker handlungsorientierter und praxisbezogener Unterricht erwartet. Im selben Zusammenhang steht der Trend, die Vermittlung praktischer Inhalte an Berufsfachschulen durch entsprechende Infrastruktur zu unterstützen, was die Abgrenzung des schulischen Unterrichts von den üK weiter erschwert (siehe dazu auch den Exkurs «Blick nach Deutschland»). Das Beispiel der Informatiker/-innen EFZ zeigt, dass die Einführung von Modulen, die gleichermassen auf eine Verknüpfung von Theorie und Praxis und die Entwicklung spezifischer Handlungskompetenzen abzielen, die Abgrenzungsproblematik weiter verschärft. Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma könnte darin bestehen, dass die Praxis im Rahmen der schulischen Bildung vor allem zur Veranschaulichung von Theorie dient – während sie im üK vor allem in der Anwendung der Theorie durch die Lernenden besteht.
Meist zeigen sich die wichtigsten Stärken der üK in Abgrenzung zu den beiden anderen Lernorten in folgenden Punkten:
→Infrastruktur und Übungsmaterial: ÜK-Zentren verfügen häufig über eine ähnliche Infrastruktur wie die Lehrbetriebe, es steht Übungs- und Verbrauchsmaterial zur Verfügung. So gibt es in den üK-Zentren der Polymechaniker/-innen EFZ moderne Bearbeitungszentren (polyfunktionale Werkzeugmaschinen), bei einer Ausbildung im medizinischen Bereich sind im üK Röntgenapparate vorhanden usw. Die Infrastruktur der Berufsfachschulen dagegen ist mehrheitlich auf den Theorieunterricht ausgelegt.
→Befristeter Einsatz thematisch spezialisierter Fachleute: Berufsfachschullehrpersonen sind in der Regel Generalisten, die für alle Berufskunde-Themen eines Berufs qualifiziert sind und übers ganze Jahr unterrichten. In den üK gibt es jedoch auch die Möglichkeit, für bestimmte üK-Themen spezialisierte Fachleute aus der Praxis einzusetzen. Diese erteilen Kurse in ihrem Spezialgebiet nur während weniger Tage pro Jahr.
→Eins-zu-eins-Coaching und Rückmeldung: Im üK hat das Eins-zu-eins-Coaching im Vergleich zum Berufsfachschulunterricht tendenziell mehr Raum. Dies hängt auch von der Grösse der üK-Klassen ab, die sich in dieser Hinsicht von Berufsfachschulklassen unterscheiden können.
→Gezielte Zusammensetzung der üK-Klassen: Berufsfachschulklassen werden häufig nach dem Zufallsprinzip gebildet; manchmal bevorzugen die Betriebe bestimmte Schultage. Weitere Kriterien gibt es in der Regel nicht. Bei den üKKlassen ist die Zuteilung nach Lehrbetrieb, Leistung, Thema, Interesse usw. möglich.
→Wahlthemen: Einige Berufe (z. B. Informatiker/-in EFZ, Geomatiker/-in EFZ, Produktionsmechaniker/-in EFZ) haben Pflicht- und Wahl-üK, je nach Interessenlage der Betriebe und/oder der Berufslernenden.
→Mehrtägige Unterrichtseinheiten: Bei den üK besteht die Möglichkeit zu mehrtägigen oder mehrwöchigen Unterrichtseinheiten, anders als bei der Berufsfachschule, wo meist im Wochenrhythmus unterrichtet wird. Mehr Flexibilität erlaubt andere Unterrichtsformen (z. B. grössere Projekte).
2.3Qualifikationsverfahren
Wie schon dargestellt (siehe Beurteilungsfunktion, Abschnitt 2.1), übernehmen üK in den meisten Berufen auch eine Funktion bei der Beurteilung des Leistungsstands. Die Bestimmungen in den einzelnen Berufen sind in dieser Hinsicht jedoch sehr unterschiedlich.
2.3.1Erfahrungsnote
In vielen Berufen fliesst – sofern das in der entsprechenden Bildungsverordnung geregelt ist – die Beurteilung von benoteten Leistungen im üK in die QV-Erfahrungsnote ein, was aber nur dann möglich ist, wenn die bewerteten Kurse je mindestens drei Tage dauern (SBFI, 2016). Zweifellos erhöht ein solcher Beitrag der üK zum QV deren Bedeutung in der entsprechenden beruflichen Grundbildung; gleichzeitig erfordert die Benotung der üK-Leistungen der Lernenden zeitliche Ressourcen und erhöht damit die Kosten.
In einigen Berufen haben die Noten aus dem üK sogar grosses Gewicht. Dies gilt etwa für die Elektroinstallateure/-innen EFZ. In ihrer beruflichen Grundbildung ergibt sich die Erfahrungsnote aus der Summe der Noten aus dem üK einerseits und der Berufsfachschule andererseits. Dies ist auch Ausdruck davon, dass man in diesem Beruf der Beurteilung der praktischen Fertigkeiten im QV besondere Bedeutung zumisst. In den meisten anderen Berufen ist jedoch eine etwas weniger starke Gewichtung der üK-Leistungen üblich. Die Leistungsbewertung im üK kann unterschiedliche Formen annehmen. In technischen und handwerklichen Berufen sind praktische Prüfungen oder die Beurteilung von Arbeiten, die während des Kurses entstanden sind, verbreitet. Auch das ist bei den Elektroinstallateuren/-innen EFZ der Fall. Hier wird die üK-Note aus den Noten der vier über die Lehrjahre verteilten Kurse errechnet, die sich auf Prüfungsergebnisse, die Bewertung von im Kurs ausgeführten Arbeiten und die Beurteilung von überfachlichen Kompetenzen stützen (siehe Tabelle 2).
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