Kitabı oku: «Weihnachten», sayfa 4

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Drei Magier und Herodes

Den Start bildet dabei ein kosmisches Ereignis, das der Geburt eines Gottes angemessen ist, jedenfalls in der antiken Tradition immer wieder mit einem solchen verbunden wurde. Es gibt also ein Zeichen am Himmel: Ein Stern ist erschienen, der auf einen Ort verweist, an dem sich Großes ereignet.

Man kennt die Geschichte, die sich nun vollzieht. Der Stern wird von Spezialisten beobachtet, von Astronomen bzw. Astrologen, die sich mit Sternen und Vorbedeutungen auskennen – Matthäus spricht von magoi, was die Einheitsübersetzung mit ›Sterndeuter‹ und Luther mit ›Weise aus dem Morgenland‹ übersetzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurden daraus gemeinhin ›Magier‹. Die historischen Vorbilder dürften persische Priester gewesen sein, später ausgeweitet auf Theologen, Astronomen/Astrologen, Zauberer und Wundertäter aus dem Osten. In der Tradition wurden daraus Könige, wieder einmal im Sinne einer Vorausdeutung. Den Bezug stellt Psalm 72 her, der das Vermächtnis Salomos für seinen Nachfolger formuliert: »Die Könige von Tarschisch und von den Inseln bringen Gaben, mit Tribut nahen die Könige von Scheba und Saba. Alle Könige werfen sich vor ihm nieder, es dienen ihm alle Völker.« Entgegen der unbestimmten Zahl bei Matthäus sind es bei Origenes dann genau drei, weil Matthäus von drei Geschenken berichtet: Gold, Weihrauch, Myrrhe. Natürlich ist auch dies immer wieder kommentiert bzw. gedeutet worden, zum Beispiel Weihrauch für Jesus als Gott, Myrrhe für den Menschen, Gold für den König. Ganz abgesehen davon, dass die Sterndeuter-Könige Namen bekamen, nämlich Caspar, Melchior und Balthasar. Sie wurden zuerst als Vertreter der drei Lebensalter, später als Vertreter der gesamten bekannten Welt gesehen, so dass Caspar als Schwarzer dargestellt wurde und in der Kunst häufig auffällig prunkvoll-modisch gekleidet ist.


Ludwig Konraiter (zugeschr.): Die Anbetung der Könige, Magdalenenkappelle, Hall (Tirol)

Es ist klar, was Matthäus mit seiner mythologischen Darstellung »sagen« will: Gottes Sohn kommt nicht einfach so in die Welt, der Kosmos reagiert. Und der zweite, noch wichtigere Punkt: Dieser Sohn Gottes kommt zu den Juden, deren Schriftgelehrte werden förmlich auf ihn aufmerksam gemacht, wissen auch aufgrund ihrer Bibelkenntnis, dass nur Betlehem für die Geburt in Frage kommt – und gehen nicht hin. Ganz im Gegenteil, sie verraten den Ort auch noch jemandem, bei dem sie sich ausrechnen können, dass er kurzen Prozess machen wird – Herodes. Nur zeigt sich dann, dass Gott solche Boshaftigkeit durchkreuzt. Er lässt im Traum Josef informieren, der dann mit der Flucht nach Ägypten die Situation rettet. Schon die Magier müssen Lunte gerochen haben, kehren sie doch nicht zu Herodes zurück, um ihm die genaue Lage zu verraten, sondern ziehen »auf einem anderen Weg heim in ihr Land«. Herodes sieht sich damit »getäuscht« und greift zur Rache. Schwer zu sagen, wer danach schlechter dasteht: Herodes als Mörder oder die Juden als Verräter.

Matthäus hat also konstruiert, aber er macht es anders als Lukas. Gewiss, er »mythologisiert«, aber die Ereignisse fühlen sich »historischer« an, auch wenn ein wichtiger Punkt offenbleibt. Matthäus sagt nichts über die Zeit des Ereignisses, erwähnt keine Krippe, sondern spricht von einem »Haus«, in dem die Sterndeuter das Kind »sahen«. Jedenfalls finden sich bei Matthäus keine Krippenseligkeit, keine Hirten mit Engelsgesang, sondern konkrete Gestalten, die politische Ereignisse hervorrufen, die das Geburtsgeschehen mit der damaligen politischen Wirklichkeit verknüpfen. Das liegt weniger an den Sterndeutern als an Herodes. Und in einem überraschenden Punkt ist auch noch das, was man am ehesten als Mythologie verstehen könnte, wieder mit der damaligen Gegenwart verknüpft: der Stern bzw. die mit ihm verbundene Erwartung eines kommenden Herrschers. Ich muss dazu etwas ausholen, denn die »normalen« Kenntnisse über diesen Herodes als Kindermörder reichen nicht. Zumal der von ihm angeordnete Mord eines der wenigen Verbrechen ist, das er nahezu sicher überhaupt nicht begangen hat.

Herodes war in seinem Todesjahr 4 v. Chr., das letztlich das wahrscheinlichste Jahr von Christi Geburt darstellt, 70 Jahre alt. Er müsste also damals den Mord organisiert haben, was schon aufgrund seiner schweren Krankheit unwahrscheinlich erscheint. Er war zuletzt schlicht »wahnsinnig« und wird keine Magier empfangen haben, die etwas über einen Stern faselten. Aber man erinnerte sich im Osten sehr gut an die Karriere dieses Despoten, der es zum nach Kaiser Augustus reichsten Mann der damaligen Welt gebracht hatte – ihm gehörte mehr als die Hälfte des Landes, daneben betrieb er auch noch höchst einträgliche Kupferminen. Augustus bezeichnete Herodes als seinen zweitbesten Freund, direkt nach seinem persönlichen Berater. All dies war Herodes nicht in die Wiege gelegt, er hat die Position in einem zähen, bluttriefenden Kampf errungen, der ihn immer wieder mit Rom in Verbindung brachte, zunächst auf Seiten des heftigsten Gegners des späteren Augustus. Diese Verbindung mit Rom aber ist wichtig, weil wir hier zum ersten Mal auf den Stern stoßen.

Zunächst also ein Schritt zurück. Palästina war unter den Nachfolgern von Alexander dem Großen im 3. Jahrhundert an die Seleukiden gegangen. Da brach der Aufstand der Makkabäer aus, die zeitweise Jerusalem für sich gewannen und Könige wurden. 64 v. Chr. machte Pompeius dem ein Ende, ließ Jerusalem stürmen, massenhaft seine Verteidiger töten und schaffte anschließend das Königtum ab. Darauf wurde Pompeius im Bürgerkrieg von Caesar besiegt, der einen Erben der Makkabäer, den Hasmonäer Antipater zum Prokurator, also obersten Verwalter, von Judäa machte, zusammen mit seinen Söhnen, von denen einer Galiläa erhielt – Herodes. Der damals Fünfundzwanzigjährige ließ als Erstes alle irgendwie verdächtigen Juden töten, musste deshalb einen Prozess überstehen, bei dem ihn die Römer retteten. Bei den Juden war er deshalb von Anfang an verhasst, zumal Herodes, der sich jüdisch »gab« und zum Beispiel die jüdischen Speisegebote befolgte, als Idumäer, also Spross eines heidnischen Volkes in Palästina und Sohn einer arabischen Mutter, eher zum Schein zum Judentum konvertiert war. Flavius Josephus, der jüdische Historiker der Epoche und Region, der die Fronten wechselte und mitten im jüdisch-römischen Krieg zu den Römern übertrat, betrachtete ihn als einen hoffnungslosen Fall, unter anderem als sexuell unersättlich.

In der weltgeschichtlichen Auseinandersetzung zwischen Oktavian und Marcus Antonius schlug sich Herodes auf die Seite des Antonius, der ihn in Palästina als König einsetzte. Herodes machte sich anschließend bei seinem jüdischen Volk lieb Kind durch die Heirat mit Mariamne, einer Makkabäerprinzessin, einer Vorzeigejüdin also. Überhaupt setzte er sich immer wieder für sein Volk ein, erließ etwa in Notzeiten Steuerbefreiung. Aber dann wurde es turbulent. Die ewigen Gegner Roms im Osten, die Parther, drangen vor, der letzte (im Verborgenen lebende) Makkabäerfürst Antigonos verbündete sich mit ihnen, erhielt für 1000 Talente (also sehr viel Geld) und einen Harem mit 500 Frauen die Stadt Jerusalem. Jerusalem erhob sich prompt gegen Herodes, der mit seinen Konkubinen in die Wüste Judäas floh, aber von dort etwas tat, was seine Karriere erheblich beschleunigen sollte: Er reiste nach Rom, wo ihn Antonius (der damals noch mit Oktavian als dem späteren Augustus kooperierte) zum König von Judäa ernannte. Das war im Jahr 40 v. Chr., einer sehr bewegten Zeit.

Machen wir an dieser Stelle einen Schnitt und wenden uns den Ereignissen in Rom zu. Genau um diese Zeit, als noch nicht klar war, wer aus dem großen Ringen als Sieger hervorgehen würde, Antonius oder Oktavian (der spätere Augustus), glaubte man in Rom, dass ein Stern eine hohe Geburt ankündige. Die astronomisch-astrologischen Verhältnisse waren gerade dramatisch: Saturn trat vom Zeichen der Fische in das des Widders ein – am Frühlingspunkt also, der immer als Anfangstermin der Welterschaffung gegolten hatte. Vergil, der mit seiner Aeneis das römische Staatsepos schaffen sollte, arbeitete die Ankündigung der Geburt dieses Kindes (eines Abkömmlings Jupiters) in eines seiner Hirtengedichte ein, die Bucolica, als die vierte Ekloge. Mit diesem Kind namens Aion kehre das Goldene Zeitalter zurück. Man kann sich vorstellen, auf wen dies bezogen wurde, als Oktavian dann endlich siegreich aus den fürchterlichen Bürgerkriegen nach Caesars Ermordung hervorgegangen war – natürlich auf ihn, den nunmehrigen Augustus. Zwar hatte Vergil selbst die Ankündigung auf das Haus des Konsuls Pollio gemünzt, dem die Ekloge gewidmet ist, aber in der Rezeption trat sehr schnell der Kaiser an diese Stelle, zumal man auch in seinem Hause eine Geburt erwartete. Und dann dichtete man ihm (nach der Biographie Suetons im frühen 2. Jahrhundert) indirekt auch noch einen Kindermord an, sofern der Senat jeden neugeborenen Knaben zu töten beschlossen hätte, um zur Republik zurückkehren zu können.

Was aber in Rom kaum jemand mitbekam: Es gab einen dritten Anwärter auf das göttliche »Aionskind«, nämlich keinen anderen als Herodes, seit seinem Romaufenthalt ein enger Freund dieses Pollio. Der schon damals Größenwahnsinnige bezog die Geburt auf sein eigenes Haus, zumal seine Frau Mariamne als »Stern der Hasmonäer« galt. Das alles spielte sich also in den Jahren nach 40 v. Chr. ab, also weit vor der Geburt Jesu und dem Auftreten der sternsuchenden Magier. Aber der Stern war nun einmal in der Welt, man wusste um die Vision des Goldenen Zeitalters dank dieses Sterns, wie sie Vergil auf klassische Weise formuliert hatte. Matthäus könnte die Story auch vier Generationen später noch gekannt und genutzt haben.

Was Matthäus auf jeden Fall nutzte, ist dann die Brutalität des Herodes, die sein Wirken durchweg prägte und wohl lange im Gedächtnis geblieben war. Denn Herodes kehrte in die alte Heimat Jerusalem zurück, um sich sein Reich zurückzuholen, wobei er zunächst Antonius in schwieriger Situation im Osten gegen die Parther half, ihn in bedrängter Lage buchstäblich rettete. Der Dank waren 30 000 Fußsoldaten und 6000 Reiter, mit denen Jerusalem zurückerobert wurde, wobei die Metzelei so furchtbar ausfiel, dass selbst Herodes die Römer bestach, damit sie aufhörten. Herodes ließ anschließend Antigonos als letzten Makkabäerfürsten stilvoll enthaupten, weiter von 71 Angehörigen des Hohen Rats (des »Sanhedrin«) 45 brutal hinrichten. Nur gab es noch einen Spross der Makkabäer, der auf Rache sinnen konnte – seine Ehefrau Mariamne in seinem eigenen Schlafzimmer.

Simon Sebag Montefiore hat die unglaublichen Einzelheiten in seinem Jerusalem-Buch eindrücklich geschildert, wozu eine Verschwörung von Mariamne mit Antonius’ Frau Kleopatra gehört, um Herodes zu vernichten. Die Morde in der eigenen Familie reihten sich im damaligen Jerusalem aneinander. Herodes’ Schwester Salome (die später das Haupt des Johannes forderte, worüber Matthäus ja berichtet) ruhte nicht, bis Mariamne hingerichtet war. Er selbst war trotz seiner Krankheit noch handlungsfähig genug, um das Morden unter seinen eigenen Söhnen fortzusetzen, bis er im Jahr 4 v. Chr. zusammenbrach. Und dieser Herodes soll das Jesuskind verfolgt haben, wo er konkurrierende Kronprätendenten nicht aus den Sternen lesen musste, sondern genügend in seinem eigenen Hause vorfand?

Matthäus griff also auf sehr vage Kenntnisse über diesen Unglücksherrscher zurück, der sich in Jerusalem mit einem prächtigen Tempelneubau, einem wahren Weltwunder, und seinem Palast auf eine Weise verewigt hatte, deren Grundmauern noch heute sichtbar sind. Natürlich konnte Matthäus ihm angesichts dieser Biographie den Kindermord in die Schuhe schieben – aber zu einer Zeit, als die Erinnerung an die wirkliche Grausamkeit schon verblasst war.

Der Stern

Ein Stern – nehmen wir den Faden wieder auf – fungiert als Ankündiger eines großen Ereignisses (Mt 2,1–12). Matthäus sagt darüber nichts Genaues, eher Verwirrendes, wenn dieser Stern nach seinem Erscheinen zunächst wieder verschwindet, so dass die Magier in Jerusalem nach dem Ort fragen müssen, und dann plötzlich »zu ihrer großen Freude« wiederkehrt, um sie zur Krippe zu führen. Das »Führen« ist also eigenartig unbestimmt gelassen, obwohl es ein durchaus prägnantes Vorbild gab. Denn Vergil hat nicht nur in seiner Ekloge einen Stern als Zeichen für eine bedeutende Geburt bemüht, sondern in seinem berühmteren Werk, nämlich der Aeneis, einen Stern als dauerhaften Führer geboten, nämlich von Aeneas und seinem Vater, als sie aus dem brennenden Troja fliehen – übrigens ist es ein Komet mit einem Schweif (stella facem ducens, ein ›Stern, der eine Fackel mit sich führte‹), der dann auf den Stern der drei Könige übertragen wurde und bis heute in kaum einer Krippendarstellung fehlt. Ausdrücklich ist in diesem Zusammenhang von einem »Wunder« die Rede.

Literarisch sind Sterne, speziell Großes ankündigende, also nichts Besonderes. Wo man auch hinsieht, tauchen sie gerade bei der Geburt von wichtigen Persönlichkeiten auf. Der römische Historiker Sueton berichtet es in seinen Kaiserviten von Caesar (in Kapitel 88, bei der Begräbnisfeier) und Augustus (als Sternzeichen in Kapitel 94), in anderen Quellen findet man es im Hinblick auf den Pharao genauso wie auf den Philosophen Platon. Ein damals bekannter Fall war auch noch König Mithridates VI. von Pontos, der im 2. Jahrhundert v. Chr. kurzzeitig die römische Herrschaft in Kleinasien bedrohte. Matthäus hat also aus vielen Quellen schöpfen können. Eigenartigerweise lässt er sich jedoch eine Vorausdeutung entgehen, die später die Theologen vorbrachten, nämlich den Spruch des nichtjüdischen Propheten Bileam, eines Zeitgenossen von Mose, der sich auf die Rückkehr des jüdischen Volkes aus Ägypten bezieht: »Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel« (Num 24,17).

Neuzeitliche Astronomen haben sich natürlich kundig gemacht und nach Ereignissen am Himmel gesucht, die für das himmlische GPS in einem historischen Sinne in Frage kommen. Im Jahr 12 bis 11 v. Chr. (also für die Geburt deutlich zu früh) war der Halleysche Komet zu sehen, der alle 75 Jahre wiederkehrt, wie Johannes Kepler herausfand. Zeitlich etwas besser positioniert, dafür ansonsten weniger spektakulär, gab es 7 v. Chr. eine große Konjunktion der drei Planeten Jupiter, Saturn und Mars im Sternbild der Fische, wobei die Fische immer dem »fruchtbaren Halbmond«, also auch Palästina, zugeordnet waren und der Fisch als Symbol der Christen galt, weil griechisch ichthýs mit seinen Buchstaben für iēsoûs (›Jesus‹), christós (›der Gesalbte‹), theoû (›Gottes‹), hyiós (›Sohn‹) und sōtér (›Retter‹) standen.

Hinzu kam noch, dass die eng nebeneinander am Himmel stehenden Planeten eine besondere Helligkeit erzeugten: Astronomen sprechen von einem Zodiakallicht, das aus der Bestrahlung der interstellaren Materie zwischen Sonne und Erde resultiert. Wie der Astronom Konradin Ferrari d’Occhieppo herausgefunden hat, strahlte dieses Zodiakallicht, von Jerusalem aus gesehen, genau in Richtung Süden, also nach Betlehem, übrigens auch nach Edom, der Heimat der herodianischen Königsfamilie. Auch weitere Konstellationen kommen in Frage, von denen allerdings keine das Zeug dafür hat, vor Beobachtern herzuziehen und sie an einen Ort zu führen. Über irgendeine Form von astronomisch akzeptablem Wissen (auch nach dem Kenntnisstand der damaligen Zeit) kann Matthäus ohnehin kaum verfügt haben. Aber er hatte ja letztlich Besseres: den Sternenglauben der Zeit, nach dem irdische Ereignisse mit himmlischen verknüpft sein müssen.

Letztlich wollte Matthäus eine dramatisch-eindrucksvolle Geschichte erzählen, die nebenbei zeigt, wie sehr dieser Neugeborene von Anfang an gefährdet war, den man ja später wirklich ans Kreuz nagelte. Und so macht Matthäus Herodes für seine Zeitgenossen wohl immer noch überzeugend zum Gegenspieler des neugeborenen Kindes. Im Übrigen geht die Geschichte für Jesus selbst vorläufig ja gut aus. Denn erstens kommt es zur berühmten Szene, in der die Könige im Stall eintreffen und als Zeichen ihrer Huldigung ihre Gaben abliefern. Damit ist ihre Aufgabe erfüllt, sie ziehen weiter, ohne noch einmal mit Herodes zusammenzutreffen. Dessen Soldaten aber erwischen nicht das richtige Kind, weil es längst weg ist. Die Eltern fliehen mit Jesus nach Ägypten, wo sie den Tod von Herodes abwarten, ehe sie zurückkehren. Wir kennen schon die unkonkrete Vorausdeutung, die Matthäus damit verbindet. Aber man sieht auch den Hintergrund der Erfindung: Die Ereignisse um die Geburt Jesu ähneln der Geschichte des jüdischen Volkes, das ja ebenfalls nach Ägypten floh (in diesem Fall, weil es an Nahrungsmitteln mangelte) und später in sein angestammtes Land zurückkehrte. Wobei auch noch der Kindermord seine Parallele besitzt. Auch der damalige Pharao ließ die Erstgeborenen des jüdischen Volkes ermorden, weil er fürchtete, sie würden in Ägypten die Macht übernehmen. Und auch in diesem Fall entwischte das »wichtigste« Kind, nämlich Mose, der dann zum Führer seines Volkes aufstieg.


Der Betlehemitische Kindermord. Ausschnitt des Bodenmosaiks im Dom von Siena

Es könnte allerdings auch sein, dass dem »mythologischen« Motiv der Weisen aus dem Morgenland ein konkretes geschichtliches Ereignis als Anregung diente. Denn im Jahr 66 n. Chr., diesmal also in unmittelbarer Nähe zur Abfassungszeit des Evangeliums, gab es einen spektakulären Auftritt vor Kaiser Nero in Rom, der unter anderem von einem ganz unabhängigen Autor bezeugt wird, nämlich von Plinius dem Älteren, dem römischen Flottenkommandanten mit naturkundlichen Interessen, in dessen Naturgeschichte (30,6,16 f.). Der armenische König Tiridates war mit dreitausend Reitern auf dem Landweg nach Italien gezogen, um genau das zu vollziehen, was die Heiligen Drei Könige getan hatten: nämlich dem Gott-Kaiser zu huldigen. Plinius bezeichnet sie übrigens ausdrücklich als »Magier«. Die pomphaften Umstände kann man sich leicht ausmalen. Ob Matthäus von dem aufsehenerregenden Ereignis gehört hatte und die Anbetung in Betlehem als Gegenstück konzipieren wollte (wie der Theologe August Strobel vermutete)? Gegen die Utopie vom römischen Weltfrieden, der auf Waffengewalt gründete, die Utopie von einem ganz anderen Frieden, der vom Kind in der Krippe ausgeht? Gegen die dreitausend Perser die Heiligen Drei? Und nicht zuletzt: gegen den Weltherrscher in Rom, der vor gerade einmal zwei Jahren anlässlich des Brandes von Rom die Christen als Verursacher verdächtigte, weil man ihn selbst im Verdacht hatte, und sie bevorzugt als lebendige Fackeln verbrennen ließ?

Die Erfindung des Weihnachtsfestes
Anfänge des Kirchenjahres

Die frühe Kirche hatte das Problem jeder Religion: Sie musste für die Durchsetzung ihrer Lehre angemessene Formen finden. Da die ersten Mitglieder Juden waren, orientierte man sich an deren Gebräuchen. Paulus feierte nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte die drei Hauptfeste des Judentums zusammen mit den Juden: Pessach-Ostern, Pfingsten und das Laubhüttenfest. Bei jedem nächsten Schritt aber sann man auf Abgrenzung.

Dies zeigt sich bereits an der Übernahme der Siebentagewoche. Die Römer kannten sie nicht, sie benutzten eine Achttagewoche mit den Kalenden, Nonen und Iden als den Markttagen. Allerdings gibt es die Siebenteilung schon sehr viel früher im Zweistromland, wo man eine Gliederung des Mondmonats in vier (fast) gleiche Phasen zu je sieben Tagen mit entsprechendem Ausgleich vorgenommen hatte. Die Juden übernahmen das Schema ohne Bezug auf Mondphasen bzw. Monatsgrenzen, weil es zum Schöpfungsbericht im Alten Testament mit der Erschaffung der Welt an sieben Tagen inklusive des Ruhetages am Ende passte. Dabei lag dieser Ruhetag auf dem Samstag, dem Sabbat. Als die Christen das Schema aufgriffen, verlegten sie den Ruhetag auf den Sonntag, den »Tag des Herrn«. Schon Paulus notiert es in seinem Brief an die Galater (Gal 4,10 f.) nicht ohne polemischen Unterton: Der jüdische erste Tag der Woche wird bei den Christen zum letzten. Seit dem 2. Jahrhundert gibt es Zeugnisse für den Sonntag als den Tag, an dem die Gemeinde Eucharistie feierte.

Dann folgte die Bestätigung von höchstmöglicher Stelle. Kaiser Konstantin erklärte 321 den Sonntag zum Ruhetag für Richter, Stadtbevölkerung und alle Erwerbstätigen mit Ausnahme der Bauern, nachdem er das Christentum zwar noch nicht als Staatsreligion, aber als wichtigste des römischen Staates installiert hatte.

Noch viel gravierender aber gestaltete sich die Umformung von Pessach als dem höchsten Fest der Juden, das eng mit dem Kreuzestod Jesu verknüpft war. Schon immer hatten die Juden das Kommen des Messias in der Nacht vor dem Frühlingsvollmond erwartet. In dieser wichtigen Nacht war auch der Auszug aus Ägypten erfolgt, aus der Sklaverei, die dann mit dem Pessachfest für immer in Erinnerung gehalten wurde. Dieses jüdische Hauptfest dauerte sieben Tage im Frühlingsmonat Nisan, mit dem Höhepunkt am 15. Tag nach Neumond, dem Mazzotfest. Die Kreuzigung Jesu aber war genau in die Zeit des Pessachfestes gefallen, auch wenn sich die Evangelisten über die genauere Abfolge der Ereignisse (das Abendmahl verlegen die Synoptiker auf Donnerstag, Johannes auf Freitag) nicht einig sind, nur darin, dass Kreuzigung und Tod auf einen Freitag, die Auferstehung auf einen Sonntag fiel. Für uns ist wichtig, dass das Christentum mit Ostern sein erstes zentrales Fest erhielt. Weiter, dass sich dieses Fest an das jüdische Pessachfest anlehnte, weil die historischen Abläufe eben miteinander verbunden waren. Das bedeutete: Gefeiert wurde nach dem Mondkalender, den Zeitpunkt bestimmte der erste Frühlingsvollmond. Ostern war damit ein bewegliches Fest (Luther sprach später von einem »Schaukelfest«, das er gerne auf einen fixen Termin gelegt hätte: den 25. März). Nur setzten damit sofort größte Schwierigkeiten ein.

Unter den Judenchristen gab es – erster Streitpunkt – eine Gruppe, die den Wochentag der Kreuzigung als Ostern beging, während die Heidenchristen den Tag der Auferstehung, also immer den Sonntag, bevorzugten. Der zweite Streitpunkt betraf die Berechnung des Osterfestes überhaupt. Die Bestimmung des Frühlingsvollmonds setzt voraus, dass man weiß, wann der Frühling (als Zeitpunkt der Tagundnachtgleiche) eintritt. Dessen Bestimmung schwankte aber damals zwischen dem 21. und 25. März. Als Caesar den römischen Kalender erneuerte, fiel die Frühlings-Tagundnachtgleiche genau auf den 25. März. Seither aber rückte der Termin aufgrund einer leichten Ungenauigkeit bei der damaligen Bestimmung der Länge des Jahres immer weiter vor, pro Jahrhundert um etwas mehr als einen Tag. Durchsetzen sollten sich die Gelehrten in Alexandria mit ihrer tatsächlich überlegenen astronomischen Kenntnis, denen man sich in Rom dann anschloss bzw. sich auf deren Berechnung verließ.

Dabei rechnete man nicht jedes Jahr neu, sondern entnahm das Datum der jeweils fälligen Osterfeier Tafeln, die ganze Zyklen enthielten. Die Astronomen hatten nämlich verstanden, dass die Tagundnachtgleiche (und damit auch Ostern) nach gewisser Zeit wieder auf das gleiche Datum und schließlich auch auf den gleichen Wochentag fällt. In einer älteren, noch ungenauen Berechnung war die Wiederholung mit 16 Jahren (für das gleiche Datum) bzw. siebenmal 16, also 112 Jahren (für gleiches Datum und gleichen Wochentag), angegeben, nach einer späteren und genaueren Berechnung auf 19 bzw. 28 mal 19, also 532 Jahre. Dabei wurde ein interessantes Nebenproblem gelöst, das bis heute nachwirkt. Der römische Abt Dionysius Exiguus (›der Kleine‹) rechnete im 6. Jahrhundert nicht nur vorwärts, sondern auch zurück und schloss dabei den ersten Zyklus an das Jahr der Geburt Jesu an, womit die alte Zeitrechnung nach den Regierungsjahren des jeweiligen römischen Kaisers wegfiel. Natürlich kannte dieser Dionysius das Geburtsjahr nicht wirklich, er bestimmte es nach den Daten, die man in diesem Zusammenhang als wahrscheinlich angesehen hatte. Übrigens kannte man in der damaligen Mathematik noch nicht die Null, weshalb dem Jahr 1 v. Chr. das Jahr 1 n. Chr. folgt. Wir haben also bei der Diskussion um Ostern zwar keinen Tag der Geburt, aber immerhin ein Jahr dieser Geburt erhalten, das bis heute weltweit den Kalender bestimmt.

Was die Feier des Osterfestes betrifft, bleibt noch ein letzter Punkt zu erwähnen. Wie auch immer der Termin bestimmt wurde: Niemand wollte, dass das christliche Osterfest mit dem jüdischen Pessachfest zusammenfiel, lieber gab man die exakte Berechnung auf. Wenn der Zusammenfall drohte (weil das Mazzotfest ebenfalls auf einen Sonntag fiel, was alle sieben Jahre vorkommt), rückte man eine Woche weiter, um nicht »mit den Juden« zu feiern. Anlehnung an die Juden und Distanzierung oder gar Abscheu gingen also von Anfang an zusammen. Lange Zeit hörte man trotz der grundsätzlichen Einigung von verschiedenen Feierterminen in einzelnen Gemeinden, was in der Großkirche als erheblicher Makel, ja Skandal empfunden wurde. Aber mit dem Osterfest war sozusagen ein erster fester Punkt im Kalender gegeben, um den sich das Jahr dann drehen konnte. Auf dem Konzil von Nicäa im Jahr 325 sollten dafür die Würfel endgültig fallen.

Die nächsten Feste lagen dann gewissermaßen auf der Hand. Sie konnten nur aus dem biblischen Geschehen abgeleitet werden, aus den weiteren Stationen im Leben Jesu, die man kannte. Eines der ersten Feste betraf Pfingsten, wieder mit jüdischer Vorgabe, sofern es um den 50. Tag nach Pessach ging. Man musste nur den Sinn des Festes ändern, also statt der Übergabe der Tora nach dem Bericht des Lukas das Erscheinen des Heiligen Geistes feiern, wie es Lukas im 2. Kapitel seiner Apostelgeschichte geschildert hatte. Früh verband man damit außerordentlich Wichtiges: nämlich die Entstehung der Kirche. Weil zwischen Ostern und Pfingsten die Auffahrt Jesu in den Himmel stattfand, nach Lukas am 40. Tag der Osterzeit (deshalb immer an einem Donnerstag), ergab sich auch noch ein drittes Fest: Christi Himmelfahrt. Die Feier von Pfingsten als Abschluss der Osterzeit ist erstmals im Jahr 130 bezeugt, gehört also zu den frühesten Festen überhaupt. Christi Himmelfahrt ist komplizierter, wurde in der frühen Kirche eigenartigerweise trotz Lukas mit Pfingsten zusammen begangen. Die »korrekte« Trennung scheint im späten 4. Jahrhundert erfolgt zu sein, möglicherweise in Verbindung mit dem Konzil von Nicäa.

All diese Feste ließen sich datieren, weil sie gewissermaßen an Ostern »hingen«: die Himmelfahrt nach 39 Tagen, Pfingsten nach 49. Schwieriger wurde es mit Ereignissen, über die die Evangelisten berichteten, ohne ein Datum zu nennen. Dazu gehörten die Geburt Jesu und seine Taufe. Beide Feste wurden spät eingeführt und traten dann auch noch eine Weile in eine eigenartige Konkurrenz, weil einige Theologen die Taufe als die eigentliche Geburt ansahen – die Geburt des Gottessohnes. Und so flossen Taufe und Geburtstag gewissermaßen zusammen, mit der Folge, dass für eine »richtige« Geburt kein Bedarf mehr bestand.

Mehr noch: Gegen ein Fest der Geburt gab es sogar Widerstand. Einer der bedeutendsten Kirchenlehrer im 3. Jahrhundert, Origenes, in Alexandrien geboren, aber auch nach Rom gekommen, protestierte dagegen mit dem Argument, Geburtstag feierten nur die Heiden, womit er besonders an den römischen Kaiser dachte, der diesen Tag immer äußerst prunkvoll zu begehen pflegte. Augustus hatte damit begonnen, sein Geburtstag fiel auf den 23. September, der zum nationalen Feiertag erklärt wurde mit Prozession durch Rom, Staatsopfer und Spielen für das Volk. Übrigens galt dies auch für den Geburtstag der Stadt Rom am 21. April, deren 1000-Jahr-Feier im Jahr 248 bei leeren Staatskassen trotzdem mit größtem Aufwand stattfand. Doch auch die ganz normalen Römer pflegten den Brauch, den die frühen Christen entsprechend herzlich verachteten. Wenn sie Heilige mit Festen ehrten, taten sie dies nie an deren Geburtstag, sondern an deren Todestag, speziell bei einem Martyrium als dem »Geburtstag« ihrer Heiligkeit.

Man sieht: Für ein Geburtsfest Jesu, das spätere Weihnachten, gab es anfangs – und das heißt: fast vier Jahrhunderte lang – keinen Bedarf. Das Kirchenjahr etablierte sich allmählich, der Osterfestkreis wurde geschaffen, auch erste Heilige erhielten ihre Gedenktage, allen voran Petrus und Paulus am 29. Juni. Um die Feier der Geburt kümmerte sich jedoch niemand, obwohl sie in den Evangelien durchaus prominent geschildert wird. Geradezu plötzlich, möchte man sagen, ist das Fest da. Deshalb tun sich Fragen auf: Wieso so spät? Wieso überhaupt? Und nicht zuletzt: Wie vollzog sich die Etablierung im Einzelnen?

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