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Kitabı oku: «Münchhausen», sayfa 10

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Siebenzehntes Kapitel

Die drei Schloßbewohner erteilen dem Freiherrn von Münchhausen vernünftigen Rat; er aber bleibt auch für den Bedienten Karl Buttervogel teilweise ein Rätsel

Nachdem Münchhausen seine Erzählung vollendet hatte, fragte er den Schulmeister, warum der alte Baron fortgegangen sei, und noch immer nicht wiederkomme?

»Herr von Münchhausen«, versetzte Agesilaus, »Sie haben zwar auf eine eben nicht freundliche Weise in Ihrer Liebesgeschichte meiner teuersten Überzeugungen gespottet, indessen ist meine Sinnesart nicht so beschaffen, andern etwas nachzutragen, und ich kann ganz gerne Unrecht leiden, ohne mich dafür zu rächen. Ich will Ihnen, trotz Ihrer satirischen Anspielungen auf mich, in betreff unsres alten Herrn einen wohlgemeinten Rat erteilen.«

»Welche satirische Anspielungen auf Sie, Herr Schulmeister?«

»Sie beliebten zu sagen, daß Sie jenem Frauenzimmer eine fürstliche Abstammung vorgelogen hätten. Ich aber erlaube mir, Ihnen zu versichern, daß, wenn ich eine ähnliche Abstammung von mir aussage, damit keinesweges Lügen vorbringe, welche ich überhaupt herzlich verabscheue.«

»Ich beteure, Herr Schulmeister, daß meine Seele nicht an Sie gedacht hat. Großer Gott, kann denn ein Erzähler nicht einmal in dieser Einöde den Deutungen entgehen?«

»Wohl, diese Angelegenheit bleibe, wie manches andere, vor der Hand auf sich beruhen«, sagte der Schulmeister. »Der Rat, den ich Ihnen erteilen wollte, ist folgender. Unser alter Herr hat sich die Rückkehr früherer Verhältnisse, und die Hoffnung auf das Amt, welches er sein angebornes nennt, steif und fest in den Kopf gesetzt. In dieser Beziehung ist er toll, und schon lange quält mich die Besorgnis, daß aus der Geheimerats-Idee, wenn wir sie nicht so sehr schonten, einmal plötzlich der völlig ausgewachsene Wahnsinn hervorspringen wird. Sie aber rühren unvorsichtig — verzeihen Sie meine Freimütigkeit, Herr von Münchhausen — nur zu oft daran, wie es denn heute abend auch noch geschehen ist. Und es wäre doch schlimm, wenn der sonst so vortreffliche und geistesgesunde Mann mutwilligerweise von uns andern Vernünftigen um seine Besinnung gebracht würde.

Die menschliche Seele hat, wie der Körper, nur ein bestimmtes Maß von Kräften des Wachstums«, fuhr der Schulmeister fort. »Ward dieses erschöpft, so bleibt der Mensch geistig stehen, wie er nach dem zwanzigsten Jahre nicht mehr leiblich wächst. Deshalb begreift das Alter die Jugend nicht, und ungewöhnliche Ereignisse finden darum immer nur bei denen Anklang, die noch im geistigen Wachstum stehen. Kann sich nun der Mensch mit allen seinen Seelenkräften vollständig in die von der Natur ihm bestimmte Länge und Breite legen, so wird er nicht verrückt, sondern er bleibt an einem Ziele stehen, andernfalls aber geht es ihm wie einem, der in der Entwickelungszeit eine starke Hemmung erleiden muß; der Überschuß von Kräften schlägt ihm als Krankheit nach innen und er bekommt einen Stich. Unser alter Herr war durchaus bestimmt, Geheimer Rat auf der Adelsbank zu werden, da wäre er stehen, oder vielmehr sitzen geblieben, und als völlig vernünftiger Mann zu seinen Vätern versammelt worden. Weil er aber bis dahin nicht vordringen konnte, so setzte sich ihm der Geheime Rat gewissermaßen als Knoten in die Seele, der, nicht gereizt, vielleicht ein ruhiges Lebensende herankommen läßt, gerieben und entzündet aber, einen unheilbaren Brand auch über die noch gesunden Teile des Geistes verbreiten möchte.«

Der Freiherr wunderte sich über die Weisheit des Schulmeisters und gelobte, seinem Rate Folge zu leisten. Darauf zündete Agesilaus seine Handlaterne an und ging nach dem Gebirge Taygetus, überzeugt, ein gutes Werk getan zu haben.

Münchhausen suchte den alten Baron auf und fand ihn draußen im Mondschein hinter dem Schlosse wandeln. Er wollte ihn um Entschuldigung bitten, der andere fiel ihm aber in die Rede und sagte: »Laßt doch die Narrenpossen; ich habe Euch den Hieb lange vergeben, da ich weiß, daß Ihr mich nicht absichtlich beleidigen wolltet. Zudem könnt Ihr andern auch gar nicht fassen, was es bedeutet, durch die Geburt zu einer Ehre, oder einem Vorzuge, oder einem Amte, wie der Geheimeratsposten ist, bestimmt zu sein. Ihr redet also über solche Sachen, wie der Blinde von der Farbe, und man muß Euch Euer Geschwätz darüber nicht so übelnehmen. Nein, ich blieb nur hier draußen, weil ich, aufrichtig gesagt, an Liebessachen keinen sonderlichen Anteil nehme und dachte, Ihr würdet wohl so gütig sein, mir einmal unter vier Augen ohne Umschweif das Ergrünen zu erklären. Überhaupt wünschte ich, bester Münchhausen, meiner Tochter wegen, Ihr sprächet von Romanenangelegenheiten wenig oder gar nicht mehr.

Meine Tochter hat in diesem Punkte einen Sparren«, fuhr der Alte mit leiserer Stimme fort, indem er dicht zu Münchhausen trat. »Es ist immer schlimm, wenn die Frauenzimmer nicht heiraten, oder keine Kinder bekommen, denn auf Zärtlichkeit sind denn doch nun einmal die armen Dinger durchaus gestellt, und die versetzt sich ihnen dann leicht, daß sie entweder langweilige, empfindsame Bücher schreiben, oder mit Papageien und Schoßhunden quengeln, unerträglich für andere. Meine Tochter hält sich nun weder Schoßhund noch Papagei, dagegen einen Gedanken- und Erinnerungsliebhaber, mit dem sie verkehrt, wie mit einer lebendigen Mannsperson. Besonders im Mondschein, wie jetzo, ist sie immer sehr aufgeregt, und deshalb hütet Euch, Freund, diesen Zustand zu steigern; bedenkt, was für ein Elend für mich alten Mann es wäre, wenn ihre Krankheit aus diesem stillen und sonst unschädlichen Faseln in einen lauten Raptus überginge!«

Münchhausen fehlte die Zeit, dem Vater beruhigende Versicherungen zu geben, denn in der Taxuslaube hinter dem Genius des Schweigens entstand ein Geräusch und hervor trat Fräulein Emerentia, die in der Laube der ganzen Rede zugehört hatte. »Zum Henker«, rief der alte Baron, »das habe ich sauber gemacht!« Er entfernte sich eilig in das Schloß.

Emerentia näherte sich Münchhausen und sprach mit sanfter Stimme: »Es ist eine zu alte Erfahrung, daß die höherstehende Natur von ihren Umgebungen für wahnwitzig gehalten wird, als daß mich die Worte des Vaters verletzen könnten. Vergebung daher ihm, und ferne sei es von mir, das Recht der Wiedervergeltung zu üben und Sie auf seine Einbildungen aufmerksam zu machen.

Aber Dank bin ich Ihnen schuldig, teurer Meister, für die unvergleichliche Zartheit, mit welcher Sie mich heute zweimal aus dem Zimmer sendeten. Eine so rücksichtsvolle Behandlung tut unendlich wohl. Ich muß Ihnen meinen Dank durch eine Warnung betätigen. Hüten Sie sich vor dem Schulmeister, reizen Sie seine Ihnen bekannte Verrücktheit nicht durch hingeworfene Äußerungen, welche er auf sich und seine fixe Idee beziehen kann. Ich habe Ursache, zu glauben, daß die Krankheit dieses Mannes im Steigen ist; denn er kocht schon die sogenannte schwarze Suppe, ohne ihrer benötigt zu sein und schläft zuweilen im Freien auf dem lächerlichen Gebirge Taygetus — Zeichen gewiß einer innerlichen Gärung. Welches Unglück, wenn er plötzlich wütend würde, den Vater, wie leicht möglich, ansteckte, und beide die Riesenkraft der Raserei entfalteten! Wir Vernünftigen wären schwerlich imstande, sie zu bewältigen, ja nur uns vor ihnen zu retten.«

Das Fräulein fuhr fort: »In den Stunden, in welchen ich der Empfindung nachhing, habe ich viel über den Wahnsinn nachgedacht und bin auf folgendes Resultat gekommen. Aller Wahnsinn ist eigentlich eine krankhafte Richtung der Natur, das Individuum in das Maßlose zu erweitern, und über die Schranken hinaus, welche die Selbstverleugnung und eine edle Ergebung in die Beschlüsse des Schicksals ihm setzt, ihm Güter, Gefühle und Genüsse anzueignen. Deshalb ist die geistige Krankheit auch verhältnismäßig häufiger bei Personen aus den geringen Ständen, die so vieles entbehren müssen, und schafft bei ihnen die Einbildung, daß sie Könige, Kaiser, ja Gott seien, oder daß sie große Schätze besitzen. Auch die Furcht vor Feinden und Verfolgern, welche nicht selten als Äußerung des Wahnsinns auftritt, und auf den ersten Anblick meiner Erklärung zu widersprechen scheint, bestätigt sie doch nur. Solche arme und unangesehene Leute haben nicht selten das geheime, nagende Gefühl ihrer Unbedeutendheit; nun kann nur ein Zufall, ein Mißgeschick ihre Seele erschüttern, so fangen sie an, eine erträumte Wichtigkeit in der Menge von geheimen Feinden, welche ihnen die schwärmende Phantasie vorgaukelt, zu genießen. Daher kommt es denn auch im Gegenteil, daß Fürsten und vornehme Personen, wenn sie ihren Verstand verlieren, in Stumpfsinn und Hinbrüten zu verfallen, oder sich ganz alberne Ideen einzubilden pflegen, wie z. B. daß sie von Glas seien, einen Sperling im Kopfe tragen und was dergleichen mehr ist. Natürlich; sie haben schon alles, was das Herz begehrt, deshalb muß die kranke Seele entweder über dem Ungestalteten brüten, oder sich mit den abenteuerlichsten, von Wunsch und Begehren ganz fernen Vorstellungen nähren.

Die Anwendung dieser allgemeinen Bemerkungen auf den Schulmeister zu machen, ist sehr leicht. Die Natur hatte ihm eine Beimischung von Selbstgefühl gegeben, welche mit seinem geringen Amtsberufe nicht in Einklang stand, und diesen Einklang hat er sich nun durch seine stolze Träumerei von der spartanischen Abkunft luftschloßartig gestiftet und erbaut.«

Münchhausen erstaunte noch mehr über diese Rede, als über die der andern Personen, welche er heute abend hatte sprechen hören. Er ging auf sein Zimmer, roch in die Luft hinaus, wie er oft zu tun pflegte, um die Beschaffenheit derselben für seine Zwecke zu erkunden, setzte sich auf sein Bett, und ließ sich vom Bedienten Karl Buttervogel, welcher inzwischen mit dem Waschwasser hereingekommen war und seinem Herrn die Nachtmütze aufgesetzt hatte, die Stiefeln ausziehen.

»Karl«, sagte Münchhausen, »wir sind hier in einem Tollhause. Der alte Baron, das Fräulein, der Schulmeister sind sämtlich verrückt. Jeder von ihnen hat merkwürdigerweise einen klaren Blick in den Zustand des andern, und was noch merkwürdiger ist, sie reflektieren äußerst gescheit über den Wahnsinn. Aber nimm dich doch in acht; denn solche Zustände können durch die geringste Veranlassung gesteigert werden.«

»Ich werd‘ schon«, versetzte Karl Buttervogel, indem er seinem Herrn die Beinkleider abstreifte. »Dem Fräulein hab‘ ich lang‘ was angesehen, sie schießt zuweilen so verzwickte Blicke auf mich. Aber gnädiger Herr, warum sind wir denn so fortgegangen, wo uns die drei Herren so reichlich in allem unterhielten, und Sie nichts zu tun hatten, als sich ein paar Stunden von ihnen studieren zu lassen? Und warum kriechen wir hieher in dieses verwunschene Schloß, wo sich wahrhaftig keine Maus satt fressen kann? Ich liege in einem dunkeln Loche, weder von Sonne noch Mond beschienen, und will ein Halunke sein, wenn ich seit drei Tagen Fleisch gerochen habe! Dazu sind die Wanzen in meiner Spelunk‘, jeden Morgen bin ich zerbissen, als hätte ich mich mit sechs Jagdhunden herumgebalgt! Lassen Sie uns je eher, je lieber fort, gnädiger Herr, denn so gern ich Ihnen diene, hier halte ich es nicht lange aus.«

»Hier bleibe ich, so lange die Ursache dauert, welche mich hergeführt hat«; erwiderte der Freiherr mit Ansehn.

»Die Ursache, welche hergeführt hat«, sagte Karl Buttervogel, »ist doch nur, daß Sie vom Pferde fielen, und diese hat aufgehört.«

»O du Tor und Kurzsichtiger«, rief Münchhausen zornig, »der du immer nur den Sturz vom Pferde erkennst und nicht wahrnimmst — —«

»Was, mein gnädiger Herr?«

»Nichts!« versetzte Münchhausen barsch, warf sich auf sein Bette, daß die Not- und Hülfssponde, welche der Schulmeister roh zusammengefügt, knackte, und schlief sogleich ein.

Karl Buttervogel stand mitten im Zimmer, die Kleidungsstücke seines Herrn auf dem Arme, und sagte, als er ihn schnarchen hörte: »Es ist wahrhaftig recht schlecht von meinem Herrn, daß er mir nicht sagen will, warum wir hier in dem vermaledeiten Neste bleiben? Keinen Lohn kriegt man von ihm, sondern wird ewig vertröstet auf die Zeit, wo er die Luft wird festmachen können, wie sie‘s in Paris tun, und dennoch kein ganzes Zutrauen! Ich weiß doch, daß er nicht mit rechten Dingen in die Welt gekommen ist, warum sagt er denn nicht, was er hier vorhat?«

Zweites Buch. Der wilde Jäger

 Erstes Kapitel

Der Hofschulze

Im Hofe zwischen den Scheuren und Wirtschaftsgebäuden stand mit aufgekrempten Hemdärmeln der alte Hofschulze und schaute achtsam in ein Feuer, welches zwischen Steinen und Kloben am Boden entzündet, lustig flackerte. Er rückte einen kleinen Amboß, der daneben stand, zurecht, legte sich Hammer und Zange zum Griffe bereit, prüfte die Spitzen einiger großen Radnägel, die er aus dem Bruststücke des vorgebundenen Schurzfells zog, legte die Nägel auf das Bodenbrett des Leiterwagens, dessen Rad er ausbessern wollte, und drehte die Stelle des Rades, von welcher ein Stück Schiene abgebrochen war, achtsam nach oben, worauf er durch untergeschobene Steine das Rad in seiner Stellung festigte.

Nachdem er wieder ein paar Augenblicke in das Feuer gesehen hatte, ohne daß seine hellen und scharfen Augen davon zu blinzeln begannen, fuhr er rasch mit der Zange hinein, hob das rotglühende Stück Eisen heraus, legte es auf den Amboß, schwang den Hammer darüber, daß die Funken sprühten, schlug das noch immer glutrötliche um das Rad, da wo die Schiene fehlte, schlug und schweißte es mit zwei gewaltigen Schlägen fest, und trieb dann die Nägel, welche es in seiner weichen Dehnbarkeit noch immer leicht hindurchließ, an ihre Plätze.

Einige der stärksten und heftigsten Schläge gaben dem eingefügten Stücke das letzte Geschick. Der Schulze stieß mit dem Fuße die vor das Rad gelegten Steine hinweg, faßte den Wagen bei der Stange, um das geflickte Rad zu prüfen, und zog ihn ungeachtet seiner Schwere ohne Anstrengung quer über den Hof, so daß die Hühner, Gänse und Enten, welche sich ruhig gesonnt hatten, mit großem Geschrei vor dem rasselnden Wagen entflohen, und ein paar Schweine aus ihrem eingewühlten Lager grunzend auffuhren.

Zwei Männer, von denen der eine ein Pferdehändler, der andre ein Rendant oder Rezeptor war, hatten, unter der großen Linde am Tische vor dem Wohnhause sitzend und ihren Trunk verzehrend, der Arbeit des alten, rüstigen Mannes zugesehen. »Das muß wahr sein«, rief jetzt der eine, der Pferdehändler, »Ihr hättet einen tüchtigen Schmidt abgegeben, Hofschulze!«

Der Hofschulze wusch in einem Stalleimer voll Wasser, welcher neben dem kleinen Ambosse stand, sich Hände und Gesicht, goß dann das Feuer aus, und sagte: »Ein Narr, der dem Schmidt gibt, was er selbst verdienen kann.« Er nahm den Amboß, als sei er eine Feder, auf, und trug ihn nebst Hammer und Zange unter einen kleinen Schoppen zwischen Wohnhaus und Scheure, in welchem Hobelbank, Säge, Stemmeisen, und was sonst zu Zimmer- und Schreinergewerk gehört, bei Holz und Brettern mancher Art stand, lag oder hing.

Indem der Alte sich unter dem Schoppen noch zu schaffen machte, sagte der Pferdehändler zu dem Rezeptor: »Wollen Sie glauben, daß der auch alle Pfosten, Türen und Schwellen, die Kisten und Kasten im Hause mit eigner Hand flickt, oder, wenn das Glück gut ist, auch neu zuschneidet? Ich meine, wenn er wollte, könnte er auch einen Kunstschreiner vorstellen und würde einen richtigen Schrank zuwege bringen.«

»Da seid Ihr im Irrtum«, sprach der Hofschulze, der das letzte gehört hatte und, das Schurzfell jetzt abgetan, im weißleinenen Kittel aus dem Schoppen trat. Er setzte sich zu den beiden Männern an den Tisch, eine Magd brachte ihm auch ein Glas, er tat seinen Gästen Bescheid und fuhr dann fort: »Zu einem Pfosten, zu einer Türe und Schwelle gehören nur ein Paar gesunde Augen und eine firme Faust, aber ein Schreiner braucht mehr. Ich habe mich einmal vom Hochmut verleiten lassen, und wollte, wie Ihr es nennt, einen richtigen Schrank zuwege bringen, weil mir Hobel und Meißel und Reißschiene auch bei dem Zimmerwerk durch die Hände gegangen waren. Ich maß und zeichnete und schnitt die Hölzer zu, auf Fuß und Zoll hatte ich alles abgepaßt; ja, als es nun an das Zusammenfügen und Leimen gehen sollte, war alles verkehrt. Die Wände standen windschief und klafften, die Klappe vorne war zu groß, und die Kasten für die Öffnungen zu klein. Ihr könnt das Gemächt noch sehen, ich habe es auf dem Sill stehen lassen, mich vor Versuchung künftig zu wahren, denn es tut dem Menschen immer gut, wenn er eine Erinnerung an seine Schwachheit vor Augen hat.«

In diesem Augenblicke ließ sich ein lustiges Wiehern aus dem Pferdestalle gegenüber vernehmen. Der Pferdehändler räusperte sich, spuckte aus, schlug sich Feuer an, blies dem Rezeptor eine starke Dampfwolke in das Gesicht, sah sehnsüchtig nach dem Stalle und dann gedankenvoll vor sich nieder. Hierauf spuckte er nochmals aus, nahm den lackierten Hut vom Kopfe, strich mit dem Arme über die Stirn und sagte: »Noch immer eine schwüle Witterung.« — Dann schnallte er seine lederne Geldkatze vom Leibe, warf sie mit Getöse auf den Tisch, daß der Inhalt klang und klirrte, lösete die Riemen und zählte zwanzig blanke Goldstücke hin, bei deren Anblicke die Augen des Rezeptors zu funkeln anfingen, und nach denen der alte Hofschulze gar nicht hinsah. »Hier ist das Geld!« rief der Pferdehändler, die Faust geballt auf den Tisch stemmend, »krieg‘ ich die braune Stute dafür? Sie ist, weiß Gott, nicht einen Heller mehr wert.«

»Dann behaltet Euer Geld, damit Ihr nicht zu Schaden kommt«, versetzte der Hofschulze kaltblütig. »Sechsundzwanzig, wie ich gesagt habe, und keinen Stüber darunter. Ihr kennt mich nun die Jahre her, Herr Marx, und solltet daher wissen, daß das Dringen und Feilschen bei mir nicht verschlägt, weil ich nie von meiner Sprache abgehe. Ich begehre, was mir eine Sache wert ist und tue niemalen vorschlagen, und so könnte ein Posaunenengel vom Himmel dahergefahren kommen, er kriegte die Braune nicht unter sechsundzwanzig.«

»Aber Gott‘s Sackerlot«, schrie der Pferdehändler erbost, »aus Fordern und Bieten besteht doch der Handel, und meinen eignen Bruder überfrage ich, und wenn kein Vorschlagen mehr in der Welt ist, so hört alles Geschäft auf!«

»Im Gegenteil«, erwiderte der Hofschulze, »das Geschäft kostet dann weit weniger Zeit und ist schon um deshalb profitlicher, aber auch außerdem haben beide Teile von einem Handel ohne Vorschlagen vielen Nutzen. Ich habe es immer erlebt, daß, wenn vorgeschlagen wird, sich die Natur erhitzt, und zuletzt niemand mehr recht weiß, was er redet oder tut. Da läßt denn der Verkäufer, um nur dem Gehader ein Ende zu machen, die Ware oft unter dem Preise, den er im stillen bei sich festsetzte, und der Käufer seinerseits in der Begierde und Brunst des Bietens vertut sich ebenso oftmals. Ist aber gar keine Rede von Ablassen, dann bleiben beide schön ruhig, und wahren sich vor Schaden.«

»Da Ihr so vernünftig redet, so werdet Ihr meinen Antrag jetzt besser erwogen haben«, hob der Rezeptor an. »Wie gesagt, die Regierung will alle Korngefälle der Höfe in hiesiger Gegend in Geld umwandeln. Sie hat allein den Schaden davon, denn Korn bleibt Korn, aber Geld ist heute so viel und morgen so viel wert, indessen ist es nun einmal ihr Wille, um der Last des Aufspeicherns quitt zu werden. Ihr tut mir also den Gefallen, und unterschreibt diese neue, auf Geld lautende Urkunde, die ich da zu diesem Behufe schon mitgebracht habe.«

»Durchaus nicht«, antwortete der Hofschulze eifrig. »Es ist ein alter Glaube hierzulande, daß wer seinem Hofe eine Last auflegt, dafür zur Strafe nach seinem Tode auf dem Hofe umgehen muß. Ich weiß nicht, wie es damit beschaffen ist, aber das weiß ich: Vom Oberhofe sind seit vielen hundert Jahren nur Körner an die Gotteszelle gegeben worden, und damit wolle sich also das Rentamt begnügen, wie das Stift sich damit begnügt hat. Wächst Geld auf meinem Acker? Nein. Korn wächst darauf. Woher wollen Sie also das Geld nehmen?«

»Ihr sollt ja nicht übervorteilt werden!« rief der Rezeptor.

»Es muß alles beim alten bleiben«, sagte der Hofschulze feierlich. »Das war noch eine gute Zeit, als die Tafeln mit den Verzeichnissen der Lasten und Abgaben der Bauerschaft in der Kirche hingen. Dazumalen stand alles fest, und kein Gezänk hat sich nimmer darüber begeben, wie neuerdings nur gar zu oft. Hernacher hieß es, die Tafeln mit den Hühnern und Eiern und Maltern und Sümmern schadeten der Andacht, und sie wurden hinweggetan. Im Gegenteil, sie hatten immer zu Predigt und Gesang gehört, wie Amen und Segen; ich für mein Teil, wenn ich sie ansah, besonders beim dritten Teile oder der Nutzanwendung, hatte die erbaulichsten Gedanken bekommen, zum Exempel: Überhebe dich nicht, denn da steht geschrieben, wieviel Zinsroggen und Schloßhafer du geben mußt, oder auch so: Wenn du draußen Lasten zu tragen hast, hier im Gotteshause bist du frei, und was dergleichen mehr war. Nun aber, als man auf die leeren Stellen sah, gingen die Gedanken immer wandern und suchen nach den Tafeln, und es dauerte geraume Zeit, ehe und bevor die Menschheit wieder recht nach dem Pastor hinhörte.«

Er ging in sein Haus. — »Das ist ein alter Racker!« rief der Pferdehändler, als er seinen Handelsfreund nicht mehr sah, indem er den lackierten Hut verdrießlich wieder auf den Kopf stülpte. »Wenn der nicht will, so bringt ihn der Teufel nicht herum. Das Schlimmste ist, daß der Kerl die besten Pferde in der Gegend zieht, und sie im Grunde sozusagen billig genug losschlägt.«

»Ein starres, widerhaariges Volk hierzulande«, sagte der Rezeptor. »Ich bin erst vor kurzem aus Sachsen herversetzt, und merke den Abstand. Dort wohnen die Leute beisammen und deshalb müssen sie schon höflich und nachgiebig und betulich miteinander sein. Aber hier sitzt ein jeder auf seinem Kampe, hat sein Holz, sein Feld, seinen Wiesewachs um sich, als gäbe es sonst nichts in der Welt. Darum halten sie auch auf ihre alten Schnurren und Faxen so steif, die anderwärts überall abgekommen sind. Was für Mühe habe ich schon mit den andern Bauern wegen der dummen Schreibereien gehabt, aber dieser hier ist doch der schlimmste.«

»Das kommt daher, Herr Rezeptor, weil er so reich ist«, bemerkte der Pferdehändler. »Mich wundert, daß Sie es mit den andern in der Bauerschaft ohne ihn durchgesetzt haben, denn der hier ist ihr General und Advokat und alles, sie richten sich in jeglicher Sache nach ihm. Er bückt sich vor keinem. Vorm Jahre kam ein Prinz hier durch; wie er den Hut vor dem abnahm, war es wahrhaftig, als wollte er sagen: Du bist der und ich bin der. Der Mistfink! Für die Stute sechsundzwanzig Pistolen haben zu wollen! Aber das ist das Unglück, wenn der Bauer zu viel Vermögen kriegt. Wenn Sie dort durch das Eichholz hindurch sind, gehen Sie eine geschlagene halbe Glockenstunde durch seine Felder. Und alles bestellt, daß es nur so eine Art hat. Ich bin mit meiner Koppel vorgestern durch den Roggen und Weizen geritten, und Gott strafe mich, wenn was anderes als die Köpfe von den Pferden über die Ähren hinübersahen. Ich dachte, ich würde ersaufen.«

»Woher hat er‘s denn?« fragte der Rezeptor.

»O!« rief der Pferdehändler, »da liegen hier mehrere solcher Höfe herum, man heißt sie Oberhöfe; wenn die nicht manchen Edelmann ausstechen, so will ich nicht Marx heißen. Das Erdreich ist von uralter Zeit zusammengeblieben. Und sparsam und fleißig ist der Nichtsnutz von jeher gewesen, das muß man ihm lassen. Sie sahen ja, wie er sich abäscherte, nur um dem Schmidt die paar Groschen Verdienst zu nehmen. Jetzt freit seine Tochter einen andern jungen Geldschlingel, die kriegt mit! Ich bin an der Leinwandkammer durchgegangen, der Flachs und das Garn, das Gebild, die Wäsche und alle mögliche Kramerei ist bis unter die Decke gestopft. Und dazu gibt ihr der alte Schabhals noch bare sechstausend Taler mit. Blicken Sie nur um sich; ist es nicht hier, als ob man bei einem Grafen wäre?«

Während der letzten Reden hatte der verdrießliche Pferdehändler sacht in die Geldkatze gegriffen und den zwanzig Goldstücken, gleichsam gleichgültig tuend, noch sechs hinzugefügt. Der Hofschulze trat wieder in die Türe, und der andre sagte brummend, ohne ihn anzusehen: »Da liegen die sechsundzwanzig, weil es einmal nicht anders sein soll.«

Der alte Bauer lächelte schalkhaft und sprach: »Ich wußte wohl, daß Ihr das Pferd kaufen würdet, Herr Marx, denn Ihr sucht für den Rittmeister in Unna eins zu dreißig Pistolen, und mein Bräunchen paßt Euch dazu, wie bestellt. Ich ging auch nur in das Haus, um die Goldwaage zu holen, und konnte vorhersehen, daß Ihr Euch unterdessen besonnen haben würdet.«

Der Alte, welcher in seinen Bewegungen bald etwas ungemein Rasches, bald wieder die größte Bedächtigkeit zeigte, je nachdem das Geschäft war, was er trieb, setzte sich an den Tisch, wischte langsam und sorgfältig seine Brille ab, spannte sie über die Nase und fing nun an, die Goldstücke genau zu wägen. Zwei oder drei musterte er als zu leicht aus, worüber der Pferdehändler ein heftiges Gezeter erhob, welchem der Hofschulze schweigend und kaltblütig, die Waage in der Hand behaltend, zuhörte, bis der andre statt der verworfenen vollwichtige hervorholte. Endlich war die Sache beendigt, der Verkäufer packte bedächtig das Geld in ein Papier und ging mit dem Pferdehändler nach dem Stalle, um ihm das Pferd zu überliefern.

Der Rezeptor wartete die Rückkunft der beiden nicht ab. »Mit solchem Klotz ist nichts anzufangen«, sagte er, »aber wenn du uns nur nicht so ordentlich auf die Termine bezahltest, wir wollten dich —« Er fühlte nach seinen urkundlichen Papieren in der Tasche, merkte an ihrem Knittern, daß sie noch darin seien, und schlich vom Hofe.

Aus dem Stalle traten der Roßkamm, der Schulze und ein Knecht, welcher zwei Pferde, das des Roßkammes und die erkaufte braune Stute hinter sich herführte. Der alte Schulze sagte, indem er die letztere zum Abschiede streichelte: »Es tut einem immer leid, wenn man eine Kreatur, die man aufzog, losschlägt, aber wer kann dawider? — Nun, halte dich brav, Bräunchen!« rief er und gab dem Tiere einen herzhaften Schlag auf die runden, glänzenden Schenkel.

Der Pferdehändler war indessen aufgestiegen und sah mit seiner langen Figur und der kurzen Schoßjacke unter dem breitkrempigen lackierten Hute, mit seinen erbsengelben Hosen über den dürren Lenden und den hochhinaufreichenden ledernen Kamaschen, mit seinen Pfundspornen und mit seiner Peitsche wie ein Wegelagerer aus. Er ritt, ohne Lebewohl zu sagen, fluchend und wetternd davon, die Braune am Leitzaum nachziehend. Keinen Blick wandte er nach dem Gehöfte zurück, die Braune dahingegen drehte mehrere Male den Hals um und wieherte wehmütig, als wollte sie klagen, daß ihre gute Zeit nun vorüber sei. Der Hofschulze blieb, die Arme in die Seite gestemmt, mit dem Knechte stehen, bis der Zug durch den Baumgarten verschwunden war. Dann sagte der Knecht: »Das Vieh grämt sich.« — »Warum sollte es nicht?« erwiderte der Hofschulze, »grämen wir uns doch auch. Komm auf den Futterboden, wir wollen Hafer messen.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
1010 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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