Kitabı oku: «Am Stillen Ozean», sayfa 26
»Werdet es gleich hören. Ich bin überzeugt, daß Quimbo den chinesischen Namen nicht richtig gemerkt hat.«
Es versteht sich von selbst, daß wir jetzt englisch gesprochen hatten und von den Chinesen entweder gar nicht oder nur schlecht verstanden worden waren. Jetzt hielt ich das Licht so, daß das Gesicht des Kapitäns hell beleuchtet war, und sagte in seiner Muttersprache:
»Willst du mir wohl deinen Namen nennen?«
Er antwortet nicht; kein Zug seines Gesichtes verriet, daß er meine Worte gehört hatte.
»Auch möchte ich gern wissen, wo Mynheer Bontwerker, euer Gefangener, steckt,« fuhr ich fort.
Ganz dieselbe Starrheit und Schweigsamkeit.
»Dein Schweigen nützt nichts,« sprach ich weiter. »Wir finden ihn doch, denn wir werden nach dem Hu-Niao fahren.« ich betonte diesen chinesischen Namen, von dem Quimbo behauptet hatte, daß es der richtige sei. Der Kapitän horchte einen Augenblick überrascht auf; dann ging ganz so, wie ich es erwartet hatte, ein Zug höhnischer Befriedigung über sein Gesicht. Ich that, als ob ich das nicht bemerkte, und fügte schnell hinzu:
»Da habe ich mich versprochen; ich meinte die Hu-Kiao, nach der wir fahren werden.«
Ich nahm ihn bei diesem Worte, welches sich nur durch das K anstatt des N von dem vorherigen unterschied, scharf in das Auge und bemerkte mit innerer Freude, daß er erschrak, sich aber Mühe gab, dies nicht sehen zu lassen. Ich war zufriedengestellt, wendete mich ab und verließ, von Raffley gefolgt, das Zwischendeck. Oben angekommen, fragte er mich:
»Was hatten diese Fragen für einen Zweck? Ihr sagtet, Ihr hättet Euch versprochen; ich habe aber nichts davon bemerkt.«
»Nicht? Aber sein Gesicht habt Ihr beobachtet?«
»Yes.«
»Sahet Ihr etwas?«
»Yes. Erst lachte er heimlich und schadenfroh; dann aber schien er zu erschrecken.«
»Ganz richtig! Ihr wißt, daß ich schon vorher nicht glaubte, daß Hu-Niao, Tigervogel, der Name eines Ortes sein könnte. Quimbo mußte sich entweder verhört oder das Wort schlecht gemerkt haben. Ich suchte nach ähnlichen Wörtern und fand Kiao anstatt Niao. Hu-Kiao heißt Tigerbrücke, und so kann ein Ort recht wohl heißen. Es handelt sich um eine Halbinsel oder, wie Quimbo sich in seiner Weise auszudrücken beliebt, um eine Insel, von der aus ein Weg an das Land führt. Unter diesem Wege, diesem schmalen Landstreifen, welcher die Insel mit dem Festlande verbindet, ist sehr wahrscheinlich die »Tigerbrücke« zu verstehen.«
»Möglich. Aber wo mag diese Halbinsel liegen?«
»Kaum anderswo als an der Küste von Sumatra. Wir werden nach ihr suchen.«
»Nach ihr suchen? In welcher Weise? Etwa so, daß wir ganz Sumatra umfahren und bei jeder Halbinsel fragen, wie sie heißt?«
»Nein; ich meine, daß wir auf den Karten nach ihr forschen werden, Sir John.«
»Well; das lasse ich mir eher gefallen; aber dazu ist wohl morgen auch noch Zeit.«
»Natürlich. Wir haben hier unsern Zweck und noch viel mehr erreicht und wollen die Angelegenheit zunächst einmal beschlafen.«
Wir verließen das Schiff, nachdem wir den Soldaten die größte Wachsamkeit anbefohlen hatten. Natürlich nahmen wir Quimbo mit, der im H6tel einen besseren und bequemeren Platz fand, als sein Versteck unten im Ballastraum der Dschonke gewesen war.
Am darauffolgenden Morgen saßen wir noch beim ersten Frühstücke, als der Mudellier schon zu uns kam, um sich nach dem Ergebnisse unserer Gespensterjagd zu erkundigen. Raffley erzählte es ihm und knüpfte hieran einige scharfe Bemerkungen in Beziehung auf den Aberglauben, den nicht nur die Wächter, sondern auch deren oberster Vorgesetzter gezeigt hatten. Dies brachte den Mudellier in eine Verlegenheit, aus der er sich dadurch zu helfen suchte, daß er eine wichtige Amtsmiene annahm und von uns verlangte, ihm Quimbo auszuliefern, weil sich dieser in doppelter Weise straffällig gemacht habe. Ich lachte einfach darüber; Sir John aber sah ihn erstaunt an und fragte:
»Doppelt straffällig? Wie so?«
»Er hat die Soldaten in Schreck gejagt; schon das muß streng bestraft werden, und sodann – — – «
»Und sodann? Was noch?« fiel ihm der Englishman in die Rede.
»Und sodann die Hauptsache: dieser Mensch ist auf der Dschonke betroffen worden und also ebensogut ein Seeräuber wie die Chinesen. Er muß grad so streng bestraft werden wie sie, und es ist meine Pflicht, ihn arretieren und einsperren zu lassen.«
Da rutschte der Klemmer schnell vor auf die Nasenspitze, und der Besitzer dieser beiden Gegenstände fuhr den Mudellier an:
»Was fällt Euch ein, Sir! Habt Ihr vielleicht vergessen, was ich bin?«
»Nein.«
»Nun, was? Ich meine nämlich mein Verhältnis zu seiner Herrlichkeit, dem General-Gouverneur.«
»Ihr seid ein Verwandter dieses hohen Herrn.«
»Schön! Und wer ist der Gentleman, den Ihr hier neben mir sitzen seht?«
»Euer Freund.«
»Ebenso schön! Und was ist dieser Quimbo, den Ihr einen Seeräuber zu nennen beliebt?«
»Er ist ein – ein – — ein – — – «
Er stockte; da fuhr Raffley an seiner Stelle fort:
»Quimbo ist der Diener dieses Gentleman. Was folgt daraus? Könnt Ihr mir das sagen?«
»Nein,« gestand der Mudellier, dem es bei dem herrischen Tone des Engländers bang wurde.
»Das ist aber doch so kinderleicht zu sagen! Hier ein Verwandter des General-Gouverneurs, dann ein Freund dieses Verwandten und dann ein Diener dieses Freundes; daraus folgt doch augenfällig, daß Quimbo ein Diener des General-Gouverneurs ist. Seht Ihr das nicht ein, Sir?«
Der Mudellier antwortete nicht, sondern schüttelte langsam und zweifelnd den Kopf.
»Wie? Ihr seht es nicht ein? Wißt Ihr, was das heißt? Wenn ich etwas behaupte und Ihr schüttelt den Kopf dazu, so ist das eine Beleidigung, welche unter Gentlemen nur durch Blut abgewaschen werden kann. Ich hoffe doch, daß Ihr Euch für einen Gentleman haltet. Charley, bitte, holt einmal meine Pistolen her!«
Da rief der Mudellier schnell und ängstlich aus:
»Halt! Wartet doch! Es ist mir nicht eingefallen, Euch zu beleidigen, und also ist kein Blutvergießen nötig. Ich schenke Euch vollständig Glauben, Sir!«
»Ihr gebt also zu, daß unser guter Quimbo kein Räuber, sondern ein Ehrenmann ist?«
»Ja.«
»Der vollständig unangetastet bleiben muß?«
»Ja.«
»Well,« nickte Sir John da befriedigt, indem er den Klemmer wieder an die Augen schob. »Wir sind also einig. Uebrigens würde ich Euch auch ohnedies raten, ganz so zu thun, als ob gar kein Mensch vorhanden wäre, der Kaffer ist und Quimbo heißt.«
»Warum?«
»Weil Ihr ihn für ein Gespenst gehalten habt. ich müßte das dem Gouverneur erzählen, wenn er kommt. Sagt selbst, ob Euch das lieb sein kann!«
»Wir werden ihm nichts sagen, kein Wort. Es hat gar kein Gespenst auf der Dschonke gegeben. Ist Eure Lordschaft damit einverstanden?«
»Yes, will einverstanden sein.«
»Ihr müßt nämlich wissen, daß der Gouverneur heut kommt. Er hat mich durch einen Eilboten davon benachrichtigt. Er kommt, um Gericht zu halten.« —
Es ist bereits erzählt worden, daß der Gouverneur uns nach seiner Ankunft im Hotel Madras aufsuchte und dem Lord den Betrag der verlorenen Wette auszahlte. Ebenso wurde erwähnt, daß wir vor unserer Abfahrt der Hochzeit Kaladis beiwohnten.
Was die Dschonke und ihre gefangene Bemannung betrifft, so begab sich der Gouverneur selbst an Bord, um alles und alle in Augenschein zu nehmen. Wir erzählten diesem Herrn von Bontwerker und der Tigerbrücke, wo er gefangen gehalten wurde. Der Gouverneur nahm die Girl-Robbers selbst ins Verhör, um die genaue Lage dieses Ortes zu erfahren, erhielt aber nicht die geringste Auskunft von ihnen. Selbst als er sie der Reihe nach durchpeitschen ließ, behaupteten sie, keinen Ort zu kennen, dessen Name Hu-Kiao sei. Ich war überzeugt, daß sie logen und die Tigerbrücke vielmehr von großer Bedeutung für sie sein müsse, weil sie sich selbst durch solche Schmerzen nicht zwingen ließen, sie zu verraten. Sie schwiegen sogar dann, als sie ihr Urteil hörten. Sie seien als Seeräuber heut noch aufzuknüpfen, doch solle derjenige begnadigt werden, welcher sage, wo die Hu-Kiao liege. Es meldete sich keiner, und am Abende hingen sie alle nebeneinander an der Raae.
Wir waren also auf uns selbst, auf unsern Scharfsinn, angewiesen und nahmen die Karten vor, um die Halbinsel zu entdecken. Die Mühe war vergeblich; wir konnten den Namen Hu-Kiao nicht finden. Wir übersetzten das Wort in alle am indischen und südchinesischen Meere gebräuchlichen Sprachen und Idiome, doch auch das war ohne Erfolg.
Nun nahm ich Quimbo noch einmal vor und examinierte ihn nach allen Richtungen hin, konnte aber nicht mehr erfahren, als was ich jetzt schon wußte. Da kam ich endlich auf den sehr naheliegenden Gedanken, den ich eigentlich gleich anfangs hätte haben sollen, noch einmal an Bord der Dschonke zu gehen; ich hatte dort in der Kapitänskajüte Karten liegen sehen. Raffley ging mit. Er wunderte sich ebenso sehr wie ich darüber, das uns diese Karten nicht eher eingefallen waren.
Wir gingen die betreffenden Blätter sehr sorgfältig durch, konnten aber nichts entdecken, was uns als Wegweiser hätte dienen können. Schon wollten wir uns unmutig in diesen Mißerfolg ergeben, da fiel mir eine nicht gedruckte, sondern mit der Hand gezeichnete Pilotkarte der Nikobaren-Inseln auf. Die Zeichnung war außerordentlich sorgfältig ausgeführt, und ich sagte mir, daß diese Genauigkeit einen Grund haben müsse. Hatte diese Inselgruppe für die Girl-Robbers vielleicht eine besondere Wichtigkeit gehabt? Vielleicht hätte ich die Antwort auf diese Frage einem von ihnen entlocken können; aber sie lebten nicht mehr. Ich mußte mich an Quimbo wenden, obgleich sein Gedächtnis einem vollständig leeren Blatte geglichen hatte, auf dem kein Buchstabe mehr zu lesen war.
Es war ihm auch heut unmöglich, mir den Weg zu beschreiben, den die Dschonke, seit er sich auf ihr befunden hatte, gesegelt war. Ich fragte ihn nach den Nikobaren-Inseln; er antwortete kopfschüttelnd:
»Nikobar? Quimbo nicht weiß Nikobar.«
Da fiel mir ein, daß die Bewohner der Nikobaren Malayen sind, und so fragte ich ihn, indem ich den malayischen Namen der Insel anwendete:
»Hast du denn auch nicht die Inseln gesehen, welche Pulo-Sembilang genannt werden?«
Da ging ein Grinsen der Erinnerung über sein Gesicht, und er antwortete, eifrig nickend:
» – — – bilang – — – bilang hab schon Quimbo sehen; – — – bilang bin viel Insel in groß Wasser.«
»Irrst du dich nicht? Weißt du den Namen genau?«
»Gut’, tapfer Quimbo bin nicht irre; Schiff bin bleib stehen bei Inseln – - – bilang«
»Bei welcher von diesen Inseln?«
»Quimbo nicht das wissen.«
»Hast du nicht die Namen der einzelnen Inseln gehört?«
»Quimbo nicht kann sprech wie Räuber; Quimbo nicht versteh alles, was werd’ reden.«
»So paß einmal auf, ob du vielleicht eines von den Worten gehört hast, die ich jetzt sagen werde!«
Ich zählte die Namen der Inseln langsam auf und ließ nach jedem eine Pause eintreten, damit er Zeit zum Nachdenken finde. Es war seinem gespannten Gesichte höchst deutlich anzusehen, daß er sein Gedächtnis sehr anstrengte, und als ich den Namen Tillangdschong nannte, schlug er die Hände zusammen, daß es knallte, that einen Freudensprung und rief aus.
»Till – — till – — langdschong – — – langdschong – — – — oh, oh, das bin Insel, was hab sehen Quimbo.«
»Wirklich?«
»Ja. Till – — dschong bin Insel, wo Schiff halt an und bleib in groß’ Wasser stehen.«
»Erinnere dich recht! Es kommt sehr viel darauf an, daß du dich nicht irrst3 Quimbo.«
Da erhob er die rechte Hand wie zum Schwure, machte ein sehr energisches Gesicht und versicherte:
»Schön’, gut’, tapfer Quimbo weiß genau. Schiff bleib stehen, und Räuber immer sag: – — langdschong – — langdschong – langdschon. Quimbo hab hören gut.«
»Ahnst du vielleicht, was das Schiff bei dieser Insel gewollt hat, warum es dort hielt?«
»Ta-ki wohn’ da.«
»Ta-ki? Wer ist das?«
»Ta-ki bin Räuber, groß’, stark’, breit’ Riese, so groß, daß stoß überall an mit Kopf.«
Er unterstützte diese Worte mit Hand – und Armbewegungen, welche erkennen ließen, daß dieser Ta-ki ein wahrer Goliath an Gestalt sein müsse.
»Dieser Ta-ki war auf der Dschonke?« forschte ich weiter.
»Ja,« nickte er froh, mir Auskunft erteilen zu können.
»Gleich von dem Tage an, an welchem man dich auf das Seeräuberschiff brachte?«
»Ta-ki bin schon da, als Quimbo komm auf Schiff.«
»Er hat die ganze Fahrt bis nach den Inseln Pulo-Sembilang mitgemacht?«
»Ta-ki bin fahr immer mit.«
»Woraus vermutest du denn, daß er auf der Insel Tillangdschong wohnt?«
»Weil Ta-ki da aussteig bin.«
»Ah, so! Er stieg nicht wieder ein?«
»Nein, Ta-ki bleib auf Insel.«
»Er allein?«
»Ja.«
»Weißt du, warum? Was er da treibt?«
»Quimbo nicht weiß.«
»Befand er sich allein auf der Insel, als er ausgestiegen war, oder gab es noch andere Menschen dort?«
»Als Ta-ki aussteig, steh Männer am Ufer.«
»Wie viele?«
»Zwei – fünf und noch zwei – fünf; Quimbo nicht zählen.«
»Nahm dieser Ta-ki Gepäck von dem Schiffe mit an das Land?«
»Nehm mit ein Faß – zwei Faß – — viel Faß.«
»Weißt du, was sich in diesen Fässern befand?«
»Steck Pulver in Faß.«
»Ah! Sollten die Seeräuber etwa ein heimliches Magazin auf dieser Insel angelegt haben?«
»Tapfer Quimbo das nicht weiß.«
»Würden Sachen vom Lande auf das Schiff gebracht?«
»Viel Melon’ und Kokos und Frucht, was alles soll werd’ essen auf Schiff.«
»Schön! Jetzt aber paß einmal ganz besonders auf, was ich dich fragen werde, denn das ist das Wichtigste, worauf alles ankommt! Dieser Ta-ki befand sich auf dem Schiffe, als du von der Tigerbrücke an Bord genommen wurdest. Er muß also wissen, wo die Halbinsel liegt, welche diesen Namen trägt?«
»Ta-ki bin steh’ da; er es wissen.«
»Gut! Was für eine Rolle spielte er auf dem Schiffe? Gehörte er zu den gewöhnlichen, niedrigen Leuten, oder galt er vielleicht mehr? Hatte er einen Titel?«
»Wenn Kapitän ihn ruf, so sag er Tsu.«
»Tsu? Dann war er Offizier. Er weiß also ganz sicher wenigstens das, was wir erfahren wollen. Kannst du mir vielleicht sagen, ob er auch mit auf der Tigerbrücke gewesen ist?«
»Er steig von Schiff und geh auf Tigerbrücke.«
»Hat er deinen Herrn, Mynheer Bontwerker, gesehen?«
»Hab sogar sprech mit Mynheer Bontwerker.«
»Was?«
»Quimbo hab’ nicht hör’, steh weit davon.«
»Das ist schade! Es käme viel darauf an, zu wissen, was er mit ihm gesprochen hat. Doch, es giebt eine noch wichtigere Frage: War der Kapitän zugleich der Befehlshaber auf der Halbinsel?«
»Kapitän nein, sondern ein ander Mann.«
»Wie hieß dieser?«
»Heiß Ling-tao.«
»Das mag stimmen, denn dieser Name bedeutet so viel wie »befehlendes Schwert«, während Ta-ki so viel wie »großer Mut« bedeutet. Der Offizier, welcher auf der Nikobaren-Insel Tillangdschong ausgestiegen ist, dürfte also seinem Namen nach nicht nur als körperlicher Riese, sondern auch in Beziehung auf seine Tapferkeit zu fürchten sein. Wir werden ihn mit Vorsicht zu behandeln haben.«
Diese Worte richtete ich nicht an Quimbo, sondern an den Lord, welcher bei uns gestanden und unsern Fragen und Antworten schweigend, aber mit großer Spannung zugehört hatte. Er machte eine geringschätzige Armbewegung und meinte:
»Körperliche Hünen haben oft gar keinen Mut, während ein Knirps zehn solche Riesen vor sich hertreibt. Ich fürchte mich nicht vor ihm. Ihr vielleicht, Charley?«
»Ueberflüssige Frage!«
Ich versuchte, von Quimbo noch mehr zu erfahren, doch war es jetzt mit dem, was er wußte, zu Ende. Er hatte mir überhaupt mehr gesagt, als was von ihm zu erwarten gewesen war, und so wendete ich mich wieder an den Englishman:
»Ich glaube, daß wir jetzt die notwendige Grundlage zum Handeln gefunden haben. Wahrscheinlich ist Ling-tao der oberste Kommandant der saubern Gesellschaft und residiert auf der Tigerbrücke. Es ist möglich, daß er mehrere Raubschiffe besitzt. Ta-ki ist, um mich so auszudrücken, Magazinmeister auf Tillangdschong, wohin wir zunächst und vor allen Dingen müssen, um ihm das Geständnis zu erpressen, wo die berüchtigte Halbinsel liegt.«
»Hm! Wollen wir wetten?«
»Nein.«
»So wartet doch erst, was ich meine, ehe Ihr nein sagt! Ich wette nämlich um fünfzig oder auch um hundert Pfund, daß wir von ihm nichts erfahren.«
»Wettet mit Quimbo, Sir; ich thue nicht mit.«
»Hört, Ihr seid wirklich ein schauderhafter Kerl, mir zuzumuten, mit einem Kaffern zu wetten! Ihr seid also entschlossen, mit mir zu fahren, um diesen Mr. Bontwerker zu befreien?«
»Ja.«
»Well, so sagt, ob Ihr ein gutes Gelingen erwartet!«
»Ich hoffe, daß wir ihn herausholen.«
»Schön! Wann dampfen wir ab?«
»Mit der Ebbe morgen früh.«
»Die Jacht ist schon heut bereit.«
»Das wäre zu früh. Auf ein solches Unternehmen darf man nicht eingehen, ohne vorher alles reiflich zu überlegen. Es eilt ja nicht so sehr. Von hier bis nach den Nikobaren brauchen wir vier Tage, während welcher Zeit wohl nicht zu befürchten ist, daß der liebe Ta-ki uns davonläuft. Es giebt wohl wenig Tage im Jahre, an denen ein Schiff die Insel Tillangdschong anlaufen wird.«
»Stimme bei. Euer Quimbo geht natürlich mit?«
Ich brauchte diese Frage nicht zu beantworten, denn der Kaffer that dies eiligst an meiner Stelle:
»O, schön’, gut’, tapfer Quimbo mitfahren! Will bleiben bei lieb’, gut’ Deutschland, um mach’ frei Mynheer Bontwerker und schlag tot all’ Chines’, Malay’ und Räubervolk!«
Ta-ki
Die Eilandsgruppe der Nikobaren liegt ungefähr auf dem 112. Längengrade östlich von Ferro, südlich von den Andamaninseln und nordwestlich von Sumatra. Ihr Klima ist ein tropisches, wird aber durch die Seewinde und häufigen Regen abgekühlt; dennoch ist der Aufenthalt dort ein höchst ungesunder, weil die während der Ebbe bloßgelegten Strandmoräste und Mangrovendickichte ein Fieber ausbrüten, von welchem selbst die Eingeborenen nicht verschont werden. Ja, das Nikobarenfieber ergreift sogar die Tierwelt, und es ist nichts Seltenes, daß man Schweine und Hühner unter starken Fieberanfällen hin und her taumeln sieht.
Aus diesem Grunde hat man mit den wiederholten Versuchen, diesen Archipel zu kolonisieren, keine Erfolge gehabt, und zuletzt nahmen die Engländer im Jahre 1869 von den Inseln nur zu dem Zwecke Besitz, hier eine Verbrecher-Kolonie anzulegen, welche unter der Verwaltung des Gouverneurs der Andamangruppe steht.
Die hierher deportierten Verbrecher sind meist indische Sepoys und gehören allen Völkerschaften an, welche in Hindostan und dem Dekan wohnen.
Wenn ich früher von der Pflanzenpracht Ceylons mit Bewunderung gesprochen habe, so muß diese doch zurückstehen vor der unvergleichlichen Vegetation der Nikobaren. Während auf Ceylon die Kokospalme dominiert, streitet diese auf den Nikobaren mit der Arekapalme und dem prächtigen Pandanus um den Vorrang, wozu sich eine Menge anderer, tropischer Baumarten gesellt, bei deren Anblick man sich in eine Märchenwelt versetzt fühlen möchte. Auf Ceylon läßt sich trotz der ausgedehnten Tropenwälder der Einfluß der Menschenhand nicht verkennen; die Nikobaren aber bieten den unberührten, jungfräulichen Urwald des Südens, dessen grandiose Herrlichkeit jeder Beschreibung spottet. Da giebt es Dschungeln, welche noch nie der Fuß eines Europäers betreten hat; da entsprossen dem Boden Millionen fruchtbarer Keime, welche sich zu den phantastischesten Pflanzenformen entwickeln, und über diesem Gewimmel anstaunenswerter Bäume und Gewächse ragen, einen Wald über dem Walde bildend, die unvergleichlichen Kronen der Palmen hoch empor. Kein Mensch, und sei er ein noch so großer Meister der Feder oder des Pinsels, vermag es, dieses Bild nur annähernd wiederzugeben. Die Großartigkeit dieser Schöpfung läßt sich weder auf das Papier noch auf die Leinwand bringen.
Von den unzähligen Pflanzenindividuen ist der Pandanus wohl das sonderbarste zu nennen; er gehört nächst den Palmen zu den imposantesten Formen der monokotylen Gewächse. Fast möchte man annehmen, daß er aus einer frühern Schöpfungsperiode stamme. Auf einem Gerüste von Stütz – oder Luftwurzeln, welches einem konisch zusammengestellten Baue von dicken Pfählen gleicht, erheben sich ein oder mehrere schlanke Schäfte, welche hoch oben ein höchst seltsames Zweigwerk mit eigentümlichen, lanzettförmigen Blättern und großen, tannenzapfenartigen Früchten tragen. Die Stützwurzeln sind oft über zwanzig Fuß hoch, und der Baum gewährt einen so fremdartigen Anblick, daß man ihn einen wunderlichen, närrischen Einfall der Natur nennen möchte.
Dieser Tropenwald ist an der Küste von einem Gürtel von Mangroven umgeben, welche nur da gedeihen, wo das Meer während der Flut ihre Wurzeln bespült, um sie bei der Ebbe wieder bloßzulegen. Zwischen diesen Wurzeln brütet, wenn das Wasser sich von ihnen zurückgezogen hat, die glühende Sonne die Fieber aus, welche den Eingeborenen und den Fremden gleich gefährlich werden.
Und draußen, im Wasser, zieht sich um diese Inseln noch ein weiterer Kranz von pflanzenähnlichen Gebilden, nämlich Korallen, welche in allen Formen und Farben aus der Tiefe schimmern und das Auge des Europäers stundenlang beschäftigen.
Da in die dichten Dschungeln nur sehr schwer einzudringen ist und jede gelichtete Stelle im Innern der Inseln sich schnell wieder mit einem üppigen Pflanzenwuchse bedecken würde, befinden sich die Wohnungen der Eingeborenen, gleichviel, ob sie einzeln stehen oder zusammenhängende Dörfer bilden, meist in der unmittelbaren Nähe der Küste. Sie sind auf Pfählen errichtet, was nicht nur Schutz gegen die Ueberschwemmungen des Meeres und etwaige feindliche Angriffe bietet, sondern auch den freien Zutritt der Luft zum Podium des Hauses bietet und also die Schädlichkeit der Fieberdünste mildert.
Die Verbrecherkolonie der Nikobaren besteht aus einigen hundert Individuen und ist auf der Insel Kamorta untergebracht. Die meisten von ihnen sind für lebenslänglich, die übrigen ausnahmslos zu langen Freiheitsstrafen verurteilt, denn es werden nur schwere Verbrecher hierhergeschickt. Aber die einen haben vor den andern nicht viel voraus, denn die mörderischen Fieber machen jede längere Detention zu einer lebenslänglichen; sie raffen nach verhältnismäßig kurzer Zeit den stärksten Mann dahin. Es ist darum kein Wunder, daß das Sinnen und Trachten dieser Gefangenen fortwährend auf die Flucht gerichtet ist.
Bei der Entfernung der Inselgruppe von dem Festlande und bei dem Umstande, daß nur selten ein Schiff hier anlegt, sollte man ein Entkommen fast für unmöglich halten, aber es hat doch Fälle gegeben, in denen die Flucht gelungen ist. —
Wie schon erwähnt, hatte Mynheer Bontwerker den ihm abgezwungenen Brief nach Tjelatjap auf der Insel Java adressieren müssen, und ich hielt es für gar nicht schwer, den Adressaten dort zu ermitteln und von ihm zu erfahren, wohin die Antwort verlangt worden sei. Von dem betreffenden Orte aus mußte dann der Weg nach der »Tigerbrücke« zu finden sein. Seit uns aber Quimbo von Ta-ki erzählt hatte und daß dieser an der Insel Tillangdschong das Raubschiff verlassen hatte, hielten wir es für besser, nach diesem Eilande zu dampfen anstatt nach Tjelatjap. Ta-ki kannte die Tigerbrücke, und wir konnten also von ihm erfahren, wo sie lag. Wie aber war es anzufangen, ihn zu bewegen, es uns zu verraten? Selbstverständlich hatte List viel mehr Aussicht auf Erfolg als Gewalt; aber welche List war anzuwenden? Wir sannen und sannen und kamen zu keinem Plane. Schon näherten wir uns dem Zehn-Grad-Kanale, welcher die Nikobaren von den Andamanen trennt, und noch waren wir auf keinen Gedanken gekommen, dessen Ausführung ein Gelingen verhieß.
»Hab es gewußt,« meinte der Lord. »Wollte ja gleich mit euch wetten, daß wir von diesem Kerl auf Tillangdschong nichts erfahren werden. Keiner von uns ist imstande, eine pfiffige Idee zu finden. Und mit Prügeln holen wir auch nichts aus ihm heraus.«
»Allerdings nicht, nämlich wenn er ebenso verschwiegen ist wie seine Genossen, welche sich aufknüpfen ließen, ohne ein Wort zu sagen,« antwortete ich.
»Was also thun? Es wird nämlich Zeit. Es ist jetzt fast Mittag, und gegen Abend liegen wir vor Tillangdschong.«
»Es bleibt nichts übrig, als es dem Zufalle zu überlassen. Mir fällt nichts ein.«
»Mir auch nicht. Mein Kopf ist so gedankenleer wie ein ausgetrunkener Flaschenkürbis. Und wenn ich bedenke, welche Schwierigkeiten uns die Sprache verursachen kann, so will ich die Hoffnung immer – — «
»Die Sprache? Wieso?« fiel ich ihm in die Rede. »Ta-ki ist Chinese.«
»Ihr wollt sagen, daß Ihr in seiner Muttersprache mit ihm reden könnt? Das weiß ich wohl! Aber denkt Ihr etwa, daß Ihr ihn nur aufzusuchen und vor ihn hinzutreten braucht, um ihn aushorchen zu können? Das bildet Euch ja nicht ein!«
»Diese Einbildung habe ich nicht. Er kann sich doch nicht allein auf der Insel befinden. Die Leute, welche dort wohnen, sind – — – «
»Wahrscheinlich Nikobaresen,« unterbrach er mich. »Versteht Ihr deren Sprache?«
»Hm! Sie sind ein Mischvolk von Malayen und Burmehsen, und es ist möglich, daß ich da mit meinem bißchen Malayisch und Hindustani auskommen werde.«
»Das wäre gut, denn ich verstehe davon ebenso viel wie Ihr; aber vielleicht können wir uns da auf unsern Mahaba verlassen. Werde ihn einmal fragen.«
Mahaba war nämlich ein Bekannter unseres früheren Genossen Kaladi, auf dessen Hochzeit wir ihn kennen gelernt hatten. Lange Jahre Matrose gewesen, hatte er das indische und chinesische Meer nach allen Richtungen befahren, kannte sämtliche indischen Inseln und hatte sich einen Sprachschatz angeeignet, der uns allerdings zu statten kommen konnte. Der Lord hatte ihn kurz vor unserer Abfahrt von Ceylon an Kaladis Stelle engagiert und, ganz so wie ich, in ihm einen ebenso brauchbaren wie zuverlässigen Menschen kennen gelernt, dem wir unser Vertrauen schenken konnten. Von Raffley befragt, erklärte der Singhalese, daß er die Insel Tillangdschong ziemlich genau kenne; mit etwas Malayisch und ebenso viel Hindustani komme man bei den wenigen Leuten, welche dort wohnten, recht gut aus.
Noch sprachen wir mit ihm, da richtete er sein Auge über Backbord hinüber auf einen Punkt der See, stieß einen Ruf des Erstaunens aus und sagte:
»Sahib, dort schwimmt etwas. Wenn ich mich nicht irre, so ist es ein Boot.«
»Was für eins?« fragte der Lord.
»Ein Andamanenboot.«
»Wird sich an einer Insel losgerissen haben.«
»Nein. Der Bug steht südwärts auf uns; das wäre bei einem leeren Fahrzeuge und dem jetzigen Winde nicht möglich. Es wird gerudert.«
»Hm! Wollen einmal sehen!«
Raffley holte sein Fernrohr, sah nur kurze Zeit hindurch und erklärte dann.
»Es sind zwei schmale Boote, längsseits aneinander gebunden; drin sitzen Männer, welche rudern.«
»Zwei Boote? Aneinander gebunden, Sahib?« fragte Mahaba in einem uns auffallenden Tone.
»Ja. Jetzt wenden sie. Sie scheinen von uns abkommen zu wollen.«
»Laßt sie abkommen, laßt sie abkommen, Sahib! Sie gehen uns nichts an!«
»Warum nicht? Zwei zusammengebundene Boote auf hoher See, das ist auffällig. Habe große Lust, sie anzudampfen und anzureden.«
»Laßt sie, Sahib, laßt sie!«
»Hm! Du scheinst dich ungeheuer für sie zu interessieren. Welchen Grund hat das?«
»Es sind arme Teufel, die um ihre Freiheit rudern.«
»Verstehe dich nicht.«
Ich verstand, was Mahaba meinte, und erklärte dem Englishman:
»Wahrscheinlich sind es flüchtige Deportierte.«
»Ah! Wie? Was? Fliehende Verbrecher? Die kommen doch von den Andamanen!«
»Allerdings«
»Und scheinen nach den Nikobaren zu wollen!«
»Denke es auch.«
»Dann sind es keine Flüchtlinge.«
»Wieso?«
»Weil sie da aus dem Regen in die Traufe kämen. Auf den Nikobaren würde man sie ergreifen. Wer von den Andamanen flieht, der flieht nordwärts, dem Festlande zu; das müßt Ihr doch auch sagen, Charley?«
»Nein.«
»Nicht? Warum nicht?«
»Nordwärts durch die so belebten Preparis-Kanäle, das wäre für flüchtige Verbrecher ein höchst gefährlicher Weg. Günstiger ist es für solche Leute, über die Nikobaren hin die Nordspitze von Sumatra zu erreichen.«
»Da werden sie auf den Nikobaren ergriffen!«
»Nein, wenn sie klug und vorsichtig sind. Beamte giebt es doch nur auf Kamorta. Wenn die Flüchtlinge diese Insel vermeiden, ist ihr Entkommen fast gewiß.«
»Denkt ihr? Hm! Ja, ihr könnt recht haben. Flüchtige Verbrecher! Ich bin Englishman, und es ist meine Pflicht, auf diese Kerls zu fahnden. Meint Ihr nicht?«
»Ich habe kein persönliches Interesse dabei, meine aber auch, daß die Strafen für begangene Verbrechen nicht verhängt werden, um unausgeführt zu bleiben.«
»Well; nehmen wir die Kerls also an Bord, wenn sie wirklich das sind, wofür wir sie halten!«
Auf seinen Befehl ließ der Steuermann die Jacht nach Backbord abfallen und hielt grad auf die Boote zu, deren Insassen die Ruder einzogen, als sie sahen, daß sie unmöglich entkommen konnten. In ihrer Nähe wurde gestoppt. Die Jacht ging noch zwei Schiffslängen bis ganz an die Boote heran und wurde dann nur noch von dem Wellengange bewegt. Wir sahen von oben in die Boote. Die zwei Ruderer saßen in dem einen und hatten, nur daß dasselbe nicht kentern könne, ein zweites daran gebunden. Ihre ganze Bekleidung bestand aus einer Art von Hemde, welches bis auf die Knöchel herabreichte und an den Aermeln einige mir unbekannte Zeichen hatte.
»Ach, Verbrecherhemden!« sagte der Lord. »Sogar Abteilung Viperinsel, wohin nur ganz gefährliche Kerle kommen. Werde mich ihrer freundlich annehmen.«
Er bog sich über die Reiling hinab und fragte die beiden, welche in ängstlicher Erwartung zu uns emporblickten, in englischer Sprache:
»Woher Kinder, heh?«
»Von Klein-Andaman,« antwortete der eine in derselben Sprache.
»Und wohin?«
»Nach Kamorta.«
»Welcher Zweck?«
»Besuch.«
»Bei wem?«
»Bei Verwandten, zu einem Begräbnisse.«
»Schön, meine Kinder! Habt tüchtig arbeiten müssen bei diesem Seegange; sollt mit uns fahren. Wir gehen nämlich auch nach Kamorta. Steigt an Bord!«
»Das können wir nicht, Sahib.«
»Warum nicht?«
»Wir sind geringe Leute, die nicht zu so großen und vornehmen Maharadschas passen.«
»Thut nichts; das wird passend gemacht. Kommt nur, Kinder, kommt getrost herauf!«
Er sagte das in väterlich freundlicher Weise, und sein Gesicht strahlte dabei so vor Vergnügen, als ob es ihn ganz glücklich mache, zwei arme Menschen bei sich aufzunehmen. Trotzdem lautete die Antwort von unten herauf-
»Verzeiht, Sahib! Wir rudern gern und befürchten, Euch durch unsere einfache Gegenwart zu beleidigen.«
»Das befürchtet ja nicht, Kinder! Ihr würdet mich vielmehr beleidigen, wenn ihr nicht kämt. Ich bin ein Englishman, der für jede abgeschlagene Einladung eine Kugel giebt.«