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Kitabı oku: «Ardistan und Dschirnistan I», sayfa 4

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Der »Panther«

Es ist nicht der Zweck dieser Zeilen, eine zusammenhängende und lückenlose Beschreibung unseres Rittes zu geben. Ich habe lediglich das zu erzählen, was für den Grundgedanken, den ich verfolge, von Bedeutung ist, und kann daher nur sagen, daß wir volle drei Tage lang die Küstenniederung durchquerten, ohne daß etwas Wichtiges oder auch nur Erwähnenswertes geschah. Ich sorgte während dieser ganzen Zeit zwar dafür, daß wir die Richtung nach dem Binnenlande einhielten, stellte mich dabei aber so, als ob Halef der Führer sei und ich ihm ohne eigenen Willen folgte. Ich freute mich schon im voraus auf das Gesicht, welches er machen würde, sobald es sich herausstellte, daß er der gar nicht sei, für den er sich hielt.

Für Essen brauchten wir in diesen Tagen nicht zu sorgen; wir waren von Schakara mit Vorrat versehen worden. Geschlafen wurde an geeigneten Stellen des Waldes, wo es trockenen Boden und möglichst wenig Mücken gab, die überhaupt eine große Plage dieser tiefliegenden Gegend bildeten. Am Morgen des vierten Tages veränderte sich das Land. Es wurde trockener, und der Urwald bekam Bäume, welche die Nässe weniger lieben als der bisherige Mangrovewald. Es bildeten sich wiesenartige, freiliegende, grüne Flächen, die unsern Pferden gutes und wohlschmeckendes Futter boten. Wir kamen an lebendige Wasserläufe, die man getrost als Bäche bezeichnen konnte. An geeigneten Stellen bildeten sich von ihnen Teiche und Seen, an und in denen es ein außerordentlich reges Tierleben gab. Auch Menschen schienen hier zuweilen zu verkehren; wir fanden Spuren davon. Diese Spuren waren alt, schon fast ganz verwischt. An einer Stelle aber, wo sie durch hohes Gras führten und sich in demselben kreuzten, als ob hier sehr eifrig nach irgend etwas gesucht worden sei, schienen sie jüngeren Datums zu sein, so daß ich es für angezeigt hielt, sie zu untersuchen. Ich hielt darum mein Pferd an.

»Warum nicht weiter?« fragte Halef.

»Siehst Du nicht diese Spuren?« antwortete ich, indem ich auf sie deutete.

»Natürlich sehe ich sie! Sie scheinen von Hirschen oder wilden Sauen zu stammen.«

»Hirsche? Wilde Sauen? Halef, schäme Dich!«

»So meinst Du wohl, von Menschen?«

»Ganz selbstverständlich. Das sieht man doch gleich bei dem ersten Blick!«

»So müssen wir sie wohl prüfen?«

»Allerdings.«

»So bitte ich Dich, abzusteigen.«

»Ich? Warum ich?«

»Sonderbare Frage! Das Prüfen von Spuren ist doch bisher immer Deine ganz besondere Arbeit gewesen. Warum nun plötzlich jetzt nicht mehr?«

»Das Spurenlesen ist sehr schwer und außerordentlich verantwortungsvoll. Ein Irrtum kann da sehr leicht das Leben kosten. Darum wird das stets nur von den Hauptpersonen befolgt. Ich aber bin doch nur Nebenperson!«

Sein Gesicht wurde um einige Zentimeter länger.

»Hm!« brummte er verlegen. »Habe ich etwa behauptet, daß ich auch in Beziehung auf das Fährtenlesen die Hauptperson bin?«

»Eine solche Behauptung war gar nicht nötig. Zum Verständnis so verworrener Spuren, wie diese hier sind, gehört eine Klugheit, die kein Mensch besitzen kann, dem die Dummheit angeboren ist. Also bist Du es, der abzusteigen hat. Vorwärts, Halef, vorwärts! Bedenke, wie gefährlich die Ussul sind, die Du mir beschrieben hast! Wenn solche Riesen hier herumliefen! Oder gar, wenn wir ihnen begegneten! Also steig ab, steig ab! Wir müssen unbedingt erfahren, was für Menschen es sind, von denen diese Fußeindrücke stammen!«

Da schwang er sich aus dem Sattel und begann die Arbeit, die ihm eine verhaßte war, weil er es niemals so weit gebracht hatte, Schluß auf Schluß zu bauen. Diese Kunst aber wird von einem jeden verlangt, der sich anmaßt, Spuren und Fährten lesen zu können. Auch ich stieg ab, doch nicht, um mich an dieser Arbeit zu beteiligen, sondern um es mir im Gras bequem zu machen und ihm zuzusehen.

Es war spaßhaft, wie unbeholfen er sich anstellte. Er hatte oft gesehen, mit welcher Sorgfalt ich so eine Spur behandelte. Sie durfte nur betrachtet, nicht aber berührt oder gar vernichtet werden. Er aber lief auf all diesen Eindrücken hin und her, trat sie nieder und löschte sie aus, ohne zu bedenken, daß dies ein unverzeihlicher Fehler war. Und als er damit fertig war, berichtete er:

»Sihdi, Du hast Unrecht, vollständig Unrecht. Das sind keine Menschen gewesen!«

»Was sonst?«

»Elefanten! Oder Nashörner! Oder Nilpferde! Solche große, mächtige Tiere!«

»Warum das?«

»Wegen der großen Stapfen. Solche Füße kann nur ein Elefant oder Hippopotamus haben!«

»Wie viel Beine hat ein Elefant?«

»Natürlich vier.«

»So stimmt es nicht. Die Untiere, die hier herumgelaufen sind, haben nicht vier, sondern nur zwei Beine gehabt.«

»Das muß ich bezweifeln! Wie willst Du das überhaupt wissen? Man sieht doch nicht die Tiere, sondern nur die Stapfen ihrer Füße; es ist also im höchsten Grade fraglich, ob zwei Stapfen oder ob vier Stapfen zu einem Exemplar gehören. Du stimmst für zwei, ich aber für vier, und es ist Dir doch wohl bekannt, daß die Mehrzahl stets den Sieg behält. Es sind also Elefanten oder Nashörner, nicht aber Menschen!«

»Hast Du die Spuren nicht vielleicht auch daraufhin betrachtet, ob Sporen an den Stiefeln waren?«

»Sporen? An den Stiefeln?« Er brach in ein sehr herzlich gemeintes Gelächter aus und fuhr, immer lachend, fort: »Seit wann tragen die Elefanten Stiefel? Und gar mit Sporen daran!«

»Seit sie auf Deinen Nilpferden reiten,« antwortete ich, indem ich in das Lachen einstimmte. »Übrigens bist Du ja noch gar nicht fertig mit Deiner Arbeit. Bis jetzt hast Du bestimmt, ob es Menschen oder ob es Tiere waren. Nun gilt es, noch zu erfahren, woher sie gekommen und wohin sie gegangen sind.«

»Und da soll ich nachsehen?«

»Ganz selbstverständlich!«

»Sihdi, wenn Du mir doch dabei helfen wolltest!« bat er.

»Nein,« antwortete ich.

»Warum nicht?«

»Weil ich dadurch Deine angeborene Klugheit beeinträchtigen würde. Also geh!«

Ich sagte das in etwas scharfem Tone. Darum drang er nicht weiter in mich, sondern bemerkte nur:

»So will ich wenigstens meine Gewehre ablegen, die mich in der Bewegung hindern, wenn ich suche.«

Er hatte seine lange, arabische, reich mit Elfenbein ausgelegte Flinte und das von mir geschenkt erhaltene europäische Doppelgewehr an Riemen über den Rücken. Er nahm sie ab und schnallte sie quer über den Sattelknopf. Dann machte er sich von neuem auf die Suche. Um das neue Kommando zu verstehen, muß man sich ein Bild der Gegend machen können, in der wir uns befanden.

Von da aus, wo ich bei unseren Pferden im Grase saß, lag rechts und links ziemlich dichtes Gebüsch, an welches sich zu beiden Seiten der hohe Wald anschloß. Grad vor mir gab es die freie, grasige Lichtung, auf welcher Halef jetzt die Spuren untersuchte. Sie zog sich vielleicht zweihundert Schritte lang gerade aus, stieß dann an den Wald und ging nach links, wo sie hinter dem Gebüsch verschwand. Die Spuren kamen rechts von mir aus dem Gebüsch heraus, gingen, indem sie sich verschiedentlich durchkreuzten, über den ganzen Grasplatz hin und bogen dann mit ihm um die linke, hintere Ecke des Gebüsches. Es konnten drei bis vier Personen sein, die da gegangen waren. Das Durch-und Übereinanderlaufen der Fußeindrücke ließ mich vermuten, daß man hier nach Blumen, eßbaren Wurzeln oder sonst etwas dem Ähnliches gesucht habe. Die Stapfen sahen allerdings sehr groß aus, auch schon von weitem. Das lag zunächst an der Höhe des Grases, jedenfalls aber auch an der Art der Fußbekleidung, die man getragen hatte. Meine Frage nach Stiefel und Sporen war ganz selbstverständlich nicht ohne guten Grund gewesen. Es ist immer von großer Wichtigkeit, ob Leute, die man vor sich hat, beritten sind oder nicht.

Halef hielt es für nötig, vor allen Dingen nachzuforschen, wohin die Spuren führten. Es war seine Ansicht, daß man dann wohl gar nicht zu wissen brauchte, woher sie gekommen waren. Er verfolgte sie jetzt also über die ganze Lichtung hin, soweit ich sie überblicken konnte, und verschwand sodann nach links, hinter der schon erwähnten Ecke des Gebüsches. Ich hielt es für gar kein Wagnis, ihn in dieser Weise sich selbst zu überlassen. Er besaß zwar nicht den weiten, fernschauenden Blick und die alles scharf zusammenfassende Kombinationsgabe, ohne die man eine Reise, wie die unserige war, nicht unternehmen kann, aber er war doch klug, er war sogar pfiffig, und ich nahm keineswegs an, daß er mit Eingeborenen zusammentreffen werde, denn die Fußeindrücke waren zwar noch jung, aber doch nicht mehr so neu, daß man die Anwesenheit der betreffenden Personen hier noch vermuten konnte. Ich war also ganz ohne alle Sorge um ihn, zumal es sich doch ganz von selbst verstand, daß er sich nicht allzuweit entfernen und sofort zu mir zurückkehren werde, sobald ihm etwas Verdächtiges in die Augen fallen sollte.

Halef war noch nicht lange verschwunden, als ich von Syrr, meinem Rappen, ein warnendes Zeichen bekam. Er stellte sich ganz nahe an mich heran, hob den kleinen, feinen Kopf, legte die Ohren vor und sog die Luft mit jenem leisen, sich stoßweise unterbrechenden Geräusch durch die roten Nüstern, welches ein Beweis des beginnenden Verdachtes ist. Assil Ben Rih, das Pferd Halefs, stutzte sofort auch. Beide Tiere schauten nach rechts, und zwar nach der Stelle, wo die Spuren aus dem Gebüsch traten. Sollten noch andere Leute desselben Weges kommen? Ich strengte mein Gehör an, hörte aber nichts. Ich legte den Kopf auf die Erde und lauschte. Da hörte ich nun allerdings ein Geräusch, welches sich zu nähern schien, denn es war leise, wurde aber stärker. Es klang wie langsame, schwere Schritte, die ein Blätterrauschen begleitete. Ich richtete mich wieder in sitzende Stellung auf. Jetzt war das Geräusch zu vernehmen, auch ohne daß mein Ohr die schalleitende Erde berührte. Es näherte sich wirklich. Es wurde stärker und immer stärker, zuletzt so stark, daß ich allerdings an Halefs Elefanten, Nashörner und Nilpferde dachte. Das Gezweig rauschte und schlug klatschend zurück; Zweige knackten, stampfende Schritte dröhnten. Aber diese Schritte waren wohl kaum die Schritte eines wilden Tieres. Sie klangen in genauen Intervallen, wie abgemessen, dabei behaglich, behäbig, als ob ein Riese in vortrefflicher Stimmung durch den Wald spazieren gehe und gar nicht darauf achte, daß er dabei die Büsche und den Boden zerknattert und zerstampft. Ich stand aber doch nun auf und griff nach meinen Gewehren.

Da teilte sich das Gesträuch weit auseinander, und die lebendige Ursache des Geräusches trat vor meine Augen. Man lächle nicht, wenn ich sage, daß ich bei dem Anblicke, der sich mir da bot, ganz unwillkürlich an einen heimatlichen Künstler denken mußte, nämlich an Arnold Böcklin, den berühmten Maler der rätselnden Groteska. Seine Kentauren, sein Einhorn im >Schweigen im Walde< traten mir in die Erinnerung, als ich das Wesen, oder vielmehr das Doppelwesen erblickte, welches mich ganz in derselben Weise anstaunte, wie es von mir angestaunt wurde. Oder waren es zwei verschieden Wesen, von denen das eine auf dem anderen saß? Ja, richtig! Ein Reiter! Aber was für einer? Und das Tier, auf dem er saß, war das ein ausgeartetes Nilpferd, ein entarteter Tapir, ein vorweltlicher Riesenhirsch ohne Geweih oder ein überfüttertes Kamel mit Elefantenbeinen und weggefallenem Höcker? Es hatte von alledem etwas; aber bei näherer Betrachtung konnte ich die Idee nicht von mir weisen, daß diese zoologische Merkwürdigkeit den entfernten Zweck verfolgte, ein Pferd zu sein. Hufe hatte es, und zwar ganz richtige, wirkliche Pferdehufe, aber von einer Größe, die mir noch nie vor die Augen gekommen war. Der Kopf glich dem eines Riesenelkes, besonders in Beziehung auf das Maul, oder richtiger ausgedrückt, auf die Schnauze. Die Mähne war außerordentlich reich und lang, aber von so kräftiger Struktur, daß sie nicht aus Haaren, sondern aus Bindfaden zu bestehen schien. Ihre Farbe, wie überhaupt die Farbe des ganzen Tieres, war schwer zu bestimmen, denn sie war unter einem dicken, panzerartigen Schmutzüberzug vollständig verschwunden. Solche Schlammfutterale hatte ich an den nordamerikanischen Büffeln gesehen, die sich in Schmutz zu wälzen pflegten, um den Insektenstichen zu entgehen. Ganz besonders erwähnenswert an dieser auffälligen Kreatur waren die Augen und der Schwanz. Ob der letztere lange Haare hatte oder nur eine Quaste an der Spitze, das konnte ich nicht sehen. Viel Haare aber waren es jedenfalls nicht, und das Wenige, was man sah, war mit einer solchen Kruste von Schorf, Grind und Unrat überzogen, daß man viel eher an einen verunglückten Biberschwanz als an das edle Behänge eines Pferdes denken konnte. Und das Erstaunlichste hierbei war, daß dieser Schwanz trotz seiner Festigkeit und Kompaktheit in einer unausgesetzten, nicht endenwollenden Bewegung war. Er hing nie still, sonder regte und rührte sich immerfort, und zwar meist im Kreise. Es sah ganz so aus, als ob ein unsichtbarer Musikant das Pferd für einen Leierkasten und den Schwanz für den Drehling hielt. Dieser Unsichtbare stand nun hinter dem Tiere und drehte den Schwanz mit einer Begeisterung und einer Ausdauer, die geradezu ideal zu nennen war. Und eben weil man ihn nicht sah, sondern nur den immer in einer und derselben Richtung kreisenden Schwanz, machte diese Bewegung auf den Beschauer einen Eindruck, der ganz unmöglich zu beschreiben ist. Von ganz derselben Rastlosigkeit waren auch die beiden Augen. >Augen< ist eigentlich Übertreibung, es muß >Äuglein< heißen. Sie waren viel, viel zu klein für den Koloß, dessen Körper das Fleisch von zwei ausgewachsenen Ochsen in sich vereinigte. Diese Äuglein waren ganz unbegreiflich ruhelos. Es erschien fast als unmöglich, sagen zu können, wohin sie schauten. Nach rechts, nach links, nach oben, nach unten, nach hüben, nach drüben, überallhin schauten sie, und zwar, wie es schien, in demselben Augenblick. Man sah immerfort das Weiße des Augapfels. Das wirkte so außerordentlich ungewohnt, so pfiffig, ja fast beängstigend. Es sah aus, als ob in diesem dicken, plumpen, ungeschlachten Körper eine Seele wohne, die während ihres früheren Lebens irgend einem Tausendkünstler oder Geheimpolizisten angehört habe. Gleich beim ersten Blick, den man auf diese überall allgegenwärtigen Äuglein warf, mußte man sich sagen: Mit dieser Bestie darf man nur in Liebe verkehren, über das Ohr hauen läßt sie sich nicht.

Doch nun zu dem anderen Wesen, welches als Reiter auf dem soeben beschriebenen Tiere saß!

Das war ein Mensch, ja, aber was für einer? Wer ihn sah und die Bibel kannte, der mußte an Goliath, den Philister, denken, von dem die Heilige Schrift erzählt, daß er sechs Ellen und eine Hand breit hoch gewesen sei. »Und er hatte einen ehernen Helm auf seinem Haupte und war mit einem schuppichten Panzer angetan, und das Gewicht des Panzers war fünftausend Seckel Erz. Und er hatte eherne Schienen an seinen Beinen, und ein eherner Schild bedeckte seine Schultern. Und der Schaft seines Spießes war wie ein Weberbaum, und selbst das Eisen seines Spießes hielt sechshundert Seckel Eisen.«

Dieser Goliath war höchst wahrscheinlich nicht größer und auch nicht stärker gewesen, als der Reiter, den ich jetzt vor mir sah und der um anderthalben Kopf länger war als ich, mit dementsprechender Schulterbreite und Muskulatur. Er trug zwar keinen ehernen Helm auf seinem Haupte und keinen erzenen Panzer um den Riesenleib, aber die Lanze in seiner rechten Faust glich auch einem Weberbaum, und das Messer, welches in seinem Gürtel steckte, hatte eine derartige Form und Schwere, daß es zugleich als Beil, wenn nicht gar als Axt gebraucht werden konnte. Auf dem Rücken hing ihm ein sehr gewichtiger, aus Krokodilsrücken gefertigter Bogen und darunter ein für Wurfspeere und Pfeile undurchdringlicher Köcher aus Schildkrötenschale, der infolge seiner Größe auch als Schild zu verwenden war. Die Füße steckten bis herauf an das Knie in dicken, stiefelähnlichen Baströhren, die dadurch festeren Halt bekamen, daß man sie mit breiten Lederriemen umwunden hatte. Die Sohlen waren von einer solchen Länge und Breite, daß sie die Größe der Stapfen im Grase mehr als hinreichend erklärten. Die Oberschenkel steckten in sehr festen, ledernen Hohlzylindern, die man unter Zuhilfenahme der Phantasie als Hose bezeichnen könnte. Von Leder war auch die Bekleidung des Leibes, eine Art von Koller, welches vorn sehr weit offen stand und eine vollständig und sehr dicht behaarte Brust sehen ließ. Man hatte bei diesem Anblicke das Gefühl, daß auch der ganze übrige Körper in der gleichen Weise behaart sein müsse. Dementsprechend war der unbedeckte Kopf durch einen dunklen Haarwald geschützt, der wie eine Mähne bis halb über den Rücken herunterhing, und vom Gesicht waren nur einige kleine Stellen Haut zu sehen; das andere alles war Bart, der vorn fast noch weiter herniederreichte als hinten das Haar des Hauptes. Die Augen dieses Mannes konnten, genau wie diejenigen seines Pferdes, nur als >Äuglein< gelten; sie waren viel zu klein für diese Hünengestalt, für diesen Riesenkopf und für dieses breite, ja fast überbreite Gesicht, in dessen Behaarung sie fast ganz verschwanden. Einen Sattel gab es nicht, Steigbügel auch nicht, und das Zaumzeug bestand sehr einfach aus einem Riemen, der dem Pferde um das Maul geschlungen war, so daß der Reiter die beiden Enden in den Händen hatte. Metallteile gab es auch nicht. Das war sehr bequem für das Tier, nicht aber für den Reiter, dem in dieser Weise weiter nichts als nur der Schenkeldruck zur Verfügung stand, sich das Pferd gefügig zu machen.

Man denke ja nicht, daß es in der Absicht dieser Beschreibung liegt, Roß und Reiter lächerlich zu machen. Ich habe ganz im Gegenteile zu konstatieren, daß die ungewöhnlichen Formen beider mich zwar überraschten, doch keineswegs nach der heiteren, sondern nur nach der ernsten Seite hin. Die Doppelfigur, die vor mir stand, machte den Eindruck der aufrichtigen ungekünstelten Natürlichkeit, der ungeschmälerten Kraft, der unbedingten Furchtlosigkeit, der überstrotzenden Gesundheit und – last not least – jener geraden, unbekümmerten Gutmütigkeit, die allen ihrem Ursprung nach ziemlich nahestehenden Wesen eigen ist. »Ursprung«, ja, das war das richtige Wort für die Vorstellung, die man sich bei dem Anblicke dieses Mannes und dieses Pferdes machte. Hätte ich ein Märchen zu schreiben, in welchem der Urmensch auf dem Urpferde zu erscheinen hat, so würde ich ganz unbedingt zu dem Bilde greifen, welches ich hier vor Augen hatte.

Der Riese betrachtete mich ebenso still und forschend, wie ich ihn. Dann fragte er:

»Wo kommst Du her?«

Ich deutete hinter mich und antwortete:

»Daher.«

»Vom Meere?«

»Ja.«

»Wo willst Du hin?«

»Dorthin.«

Indem ich dies sagte, deutete ich vorwärts. Da forderte er mich auf:

»Drücke Dich bestimmter aus! Daher und dorthin, das sind keine Antworten! Du scheinst mich nicht zu kennen?«

»Ich habe Dich allerdings noch nicht gesehen.«

»So höre, was ich Dir sage, und merke es Dir! Ich bin Amihn, der oberste Scheik des unbesiegbaren Stammes der Ussul, hast Du das verstanden?«

»Ja.«

»So verhalte Dich dementsprechend! Das ganze Land, von der Küste des Meeres an bis dort hinauf, wo die Berge beginnen, ist mein Eigentum. Alles, was in diesem Lande wächst, gehört mir. Jeder, der in diesem Lande wohnt, gehört mir. Und jeder, der dieses Land betritt, gehört mir. Also auch Du! Hast Du das verstanden?«

»Ja.«

»Wenn mir der Mann gehört, so versteht es sich ganz von selbst, daß mir auch alles gehört, was er besitzt. Gibst Du das zu?«

»Ja.«

»Das freut mich. Fremder, Du scheinst überhaupt nicht dumm zu sein! So schnell wie Du, hat bisher noch keiner eingesehen, daß ich der rechtmäßige Inhaber seines Eigentumes bin. Ich werde Dich einmal genau betrachten und Deine Sachen dann auch.«

Er kam bis heran zu mir geritten und stieg von seinem Urpferde. Nun sah man erst, was dieser Mann für Füße, für Schenkel, für Arme hatte! Seine Hände waren noch einmal so breit als die meinigen. Diese Breite der Schultern! Ich stand fast wie ein Zwerg vor ihm! Er faßte mich hüben und drüben an den Oberarmen und drehte mich zweimal um mich selbst. Ich ließ mir dies ruhig gefallen, doch nicht etwa aus Angst, o nein! Hier stand der Körper dem Geiste, die rohe, ungefüge Kraft der geschulten Überlegung, der Muskel dem Gehirn gegenüber, und wer da schließlich die Oberhand behalten mußte, das kam gar nicht erst in Frage. Diese meine scheinbare Gefügigkeit schien ihn für mich einzunehmen, denn er sagte:

»Du gefällst mir! Du bist von jetzt an mein Knecht, hast also bei mir zu bleiben. Ich weiß zwar nicht, wozu Du mir dienen und welchen Nutzen Du mir bringen sollst, aber es wird sich wohl schon etwas finden, wodurch Du mir beweisen kannst, daß Du wenigstens nicht ganz und gar wertlos bist. Zeig her, was Du da hast!«

Um beide Hände frei zu bekommen, rannte er seinen Spieß in den Erdboden und griff nach meinen Gewehren, um sie zu betrachten. Den fünfundzwanzigschüssigen Henrystutzen behielt er nur einen Augenblick in der Hand, dann warf er ihn weg; er war ihm zu leicht.

»Ich kenne diese Dinger nicht, mag sie auch nicht,« sagte er in sehr verächtlichem Tone. »Spielzeug für Kinder!«

Die ungewöhnliche Schwere des Bärentöters aber imponierte ihm. Er wiegte ihn hin und her, nahm ihn dann bei den Läufen, schwang ihn durch die Luft, als ob er jemand mit dem Kolben erschlagen wollte, und ließ sich zu der lobenden Bemerkung herab:

»Diese Flinte ist besser! Die zerbricht nicht, wenn man sie einem Feinde auf den Schädel schlägt!«

Für ihn schienen Gewehre wohl nur als Keulen, nicht aber zum Schießen vorhanden zu sein. Dennoch gefiel es ihm, das Schloß der Büchse einer näheren Betrachtung zu unterziehen, doch sah ich ihm an, daß er sich gar nicht viel Kluges dabei dachte. Während der Urmensch sich mit dieser meiner Waffe beschäftigte, beliebte nun auch dem Urgaul eine Annäherung an mich. Er schob mit der Schnauze seinen Herrn ganz einfach zur Seite, kam zu mir heran, kurbelte mit dem Schwanze, beäugelte und beschnüffelte mich und schien mich für einen ganz annehmbaren Kerl zu halten, denn er tat mir die Ehre an, seine nasse Schnauze an meinem Gesicht abzutrocknen. Da gab ich ihm eine Ohrfeige, und zwar was für eine! Das beleidigte ihn aber nicht. Im Gegenteile, es schien ihm zu gefallen, denn er hob den ungeschlachten Kopf hoch empor, schloß vor lauter Glückseligkeit die beiden Äuglein zu, riß das Maul sperrangelweit auf und – — – wieherte etwa? O nein! Das, was ich da zu hören bekam, das war kein Wiehern, das war kein Trompeten eines Elefanten, kein Brüllen eines Löwen, kein Nebelhorn eines Seedampfers und auch keine Hupe eines Automobils; aber es hatte etwas von alledem, und das klang so außerordentlich überraschend, daß ich am liebsten umgefallen wäre, nur weiß ich nicht, ob vor Schreck oder vor Lachen. Da drehte sich sein Herr zu ihm um und fuhr es in strafender Weise an:

»Bist Du toll? So zu brüllen! Hier im freien Feld, wo man gar nicht weiß, ob nicht noch andere Fremde da sind, die nicht wissen dürfen, wo wir uns befinden! Schäme Dich!«

Da fiel der Kopf des Gaules schnell wieder herab, noch tiefer, als er vorher gehangen hatte; der Schwanz unterbrach seinen Radumlauf; die Äuglein näherten sich einander, um beschämt an der Nase lang herabzublicken, und aus dem Herzen stieg ein so langer, schwerer, unendlich tiefer Seufzer, als ob das liebe Vieh im Begriff stehe, aus lauter Scham und Reue in die Erde zu versinken. Ich fühlte mich im Innern meiner Seele aufrichtig gerührt. Es gab gar keinen Zweifel darüber, daß dieses Urpferd zugleich auch ein Gemütspferd war!

»Er heißt Nazik,« erklärte mir der Scheik, indem er auf den Leierkasten deutete, dessen ersten Ton wir soeben zu hören bekommen hatten. »Er ist nicht der einzige, den wir haben; wir besitzen ihrer viele. Du wirst sie zu sehen bekommen.«

»Wann?«

Er ahnte nicht, wie viele Erkundigungen in diesem kurzen, einsilbigen Worte steckten, und gab mir den Bescheid:

»Morgen oder übermorgen. Heut sind wir nicht daheim, sondern auf der Jagd.«

»Wo?«

»Da drüben im Walde.«

Er streckte den Arm nach der Richtung aus, in welcher Halef verschwunden war.

»Wie viel Jäger seid Ihr?«

»Zwanzig, ohne die Frauen. Die Männer jagen; die Frauen graben nach Wurzeln, die zum Fleisch gegessen werden.«

Um nicht aufzufallen, fragte ich nicht weiter; ich wußte schon jetzt genug. Die Weiber hatten hier auf der grasigen Lichtung nach Wurzeln gesucht; daher die Spuren. Diese Spuren führten nach dem Lager, wo es zwanzig riesige Ussul gab, die, wenn sie ihrem Scheik glichen, zwar gutmütige, für uns aber dennoch gefährliche Menschen waren. Halef blieb zu lange aus. Er hatte sich zu weit entfernt. Es war sehr leicht möglich, daß man ihn gesehen und festgenommen hatte. Wenn bei den Ussul der Grundsatz herrschte, daß jeder Fremde, der ihr Gebiet betritt, ihnen gehört, und zwar mit allem, was er besitzt, so hatte man diesen Grundsatz auch an Halef geltend gemacht, und wie ich ihn kannte, mußte ich annehmen, daß ihm gar nicht eingefallen war, sich dies gefallen zu lassen. Er hatte sich dagegen gewehrt, war überwältigt worden und befand sich nun in Gefahr. Ich mußte ihm folgen, um ihm beizustehen. Da gab es für mich eine Waffe, die besser und erfolgreicher als jede andere war, nämlich den Scheik selbst, den ich festzunehmen hatte, damit er mir als Geisel dienen möge. Das gab voraussichtlich einen Kampf zwischen ihm und mir, vor dem mir aber gar nicht bange war. Die körperliche Überlegenheit dieses Gegners fürchtete ich nicht. Er war das, was man einen Simpel, einen Tolpatsch nennt, und es gehörte gar keine große, geistige Anstrengung dazu, die Chancen gleichzustellen.

Nachdem er mich in Augenschein genommen hatte, tat er dasselbe auch mit unsern Pferden. Da stellte es sich denn sofort heraus, daß er kein Kenner war. Sein Urgaul galt ihm mehr als unsere beiden Rappen zusammengenommen. Er meinte, sie seien viel zu leicht, um ihn tragen zu können, und für die hiesige Gegend habe man überhaupt auf sie zu verzichten, weil sie bei der Kleinheit ihrer Hufe bei jedem Schritt in den Sumpf einbrechen und mit ihrem Reiter ertrinken und ersticken würden. Je größer und je breiter die Hufe, desto wertvoller sei das Pferd.

Als er mir das erklärte, schlich sich Nazik, der >Köstliche<, von hinten an mich heran, um mich liebkosend in den Nacken zu beißen. Er bekam sofort eine zweite Ohrfeige, die noch weit kräftiger als die erste war. Er hielt aber auch sie nur für ein Zeichen meiner Gegenliebe, denn er hob ganz genau wie vorhin den Kopf hoch empor, machte die Äuglein zu, sperrte das Maul dafür um so weiter auf, um den fürchterlichen Grundton seines Wesens zum zweiten Male hören zu lassen. Da aber fiel ihm noch im letzten Augenblicke ein, daß sein Herr ihn vorhin aufgefordert hatte, sich zu schämen; er schluckte das, was empor hatte klingen wollen, wieder hinunter, machte das Maul wieder zu, die Äuglein dagegen auf, senkte den Kopf und schielte uns beide schwanzwedelnd an, ob wir uns wohl als fähig erweisen würden, seine Selbstüberwindung zu bewundern. Das rührte mich. Das ging mir nahe und brach mir fast das Herz. Ich klopfte und klatschte ihm liebkosend den Hals. Das hatte aber grad den entgegengesetzten Erfolg. Er warf seine ganze Selbstüberwindung sofort über den Haufen, schwang den Kopf schnell wieder in die Höhe und fing an, zu brüllen, zu trompeten, zu hupen, zu wiehern, zu kreischen und zu tuten, daß mir hätte angst und bange werden mögen. Da zog der Scheik seinen Spieß aus der Erde, holte aus und schlug derart auf den Sänger ein, daß dieser sofort verstummte. Hieraus war wohl mit vollem Recht zu schließen, daß die Urpferde bei den Ussul in guter Zucht und Sitte standen.

Es war eine geradezu kindliche Naivität, mit welcher der Scheik alle Gegenstände, die ich bei mir hatte, betrachtete und sie sofort in Gedanken und Worten derart registrierte, als ob sie nun ganz zweifellos schon in seinen Besitz übergegangen seien. Meine Uhr gefiel ihm so, daß er sie mir gleich gar nicht wiedergab, sondern sie einfach zu sich steckte. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß sie in meine, nicht aber in seine Tasche gehöre. Da sah er mich fast ohne Verständnis an, schüttelte den Kopf und sagte:

»Ich begreife Dich nicht! Ich habe Dir doch gesagt, daß alle diese Gegenstände mir gehören, und Du hast Dich damit vollständig einverstanden erklärt!«

»Du irrst!« widersprach ich ihm.

»Ich irre nicht!« behauptete er. »Ich will zu Deiner Ehre annehmen, daß Du ein schlechtes Gedächtnis besitzest. Wenn ich das nicht täte, müßte ich Dich für einen Lügner halten, und Du gibst doch wohl zu, daß dies das Allerschlimmste ist, was einem Menschen geschehen kann! Oder hast Du etwa auch nicht zugegeben, daß jeder Mann mir gehört, der dieses mein Land betritt?«

»Nein, das habe ich allerdings nicht zugegeben.«

»Du hast aber doch >Ja< gesagt!«

»Aber hierzu nicht! Du fragtest mich, ob ich verstanden habe, was Du sagtest; hierauf sagte ich >Ja<. Und darauf sagtest Du, wenn der Mann Dein Eigentum sein, verstehe es sich ja ganz von selbst, daß Dir auch alles gehöre, was er besitzt. Da habe ich allerdings zugestimmt. Aber bezieht sich denn das auf mich? Und wie willst Du mir beweisen, daß ich Dir gehöre, daß ich Dein Diener, Knecht oder Sklave bin?«

»Ich habe es Dir gesagt; das ist der Beweis. Eines anderen bedarf es nicht!«

»Da irrst Du eben!«

»Ich irre nie!« behauptete er. »Ich bin der oberste Scheik der Ussul, und was in meinem Stamme Recht und Sitte ist, das führe ich aus. Es ist Recht und Sitte, daß Du mein Eigentum geworden bist; dabei bleibt es!«

Er sprach jetzt in sehr bestimmtem Tone.

»Und wenn ich nicht will? Wenn ich mich dagegen wehre?« fragte ich.

Er sah mich von oben herunter an, lachte belustigt auf und antwortete:

»Du Dich wehren? Du Knirps! Schau nur hier meine Hände an! Sag noch ein Wort dagegen, so drücke ich Dir mit diesen Fäusten den dummen Kopf zusammen, daß er mir als Brei hier an den Fingern klebt!«

Bei diesen Worten hielt er mir seine Gigantenhände drohend vor das Gesicht.

»Es würde Dir keinen Segen bringen,« warnte ich ihn. »Ich bin nämlich nicht allein!«

»Nicht allein?« fragte er, indem er rund um sich schaute. »Ich sehe niemand!«

»Aber Du siehst doch zwei Pferde! Hast Du wirklich noch nicht daran gedacht, daß einer der beiden Reiter fehlt?«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
630 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
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