Kitabı oku: «Der Bonapartenschuster»
KARL MAY
DER BONAPARTENSCHUSTER
ERZGEBIRGISCHE
DORFGESCHICHTE
Aus
KARL MAYS
GESAMMELTE WERKE
BAND 43
„AUS DUNKLEM TANN“
© Karl-May-Verlag
eISBN 978-3-7802-1333-4
KARL-MAY-VERLAG
BAMBERG • RADEBEUL
Inhalt
Der Bonapartenschuster
Der Bonapartenschuster
Am Eingang des Dorfes lag ein kleines einstöckiges Häuschen, dessen rot angestrichenes Fachwerk munter aus dem frischen Weiß der Wände hervortrat. An einem Fenster des Wohnstübchens saß Meister Walter Matthies, der ‚Bonapartenschuster‘ genannt, und betrachtete nachdenklich das gegenüberliegende Vordergebäude des stattlichen ‚Kaiserhofs‘.
„Komm her, Vater; bitte geh auch herbei, Mutter! Das Essen ist fertig!“, weckte ihn eine freundliche Stimme aus seinem Sinnen.
Die Eltern folgten der Einladung, stellten sich an ihre gewohnten Plätze, und nachdem der Hausvater der schmucken Tochter zugenickt, faltete diese die Hände und betete:
„Komm, Herr Jesus, sei unser Gast, und segne, was du bescheret hast! Amen, in Gottes Namen!“
„Heut mag es bei Kaisers hoch hergehn!“, bemerkte die Mutter, als das Klappern der Löffel und Messer etwas nachzulassen begann. „Wenn der Beutel so groß und voll ist, wie bei denen, so kann man sich bei der Brautschau schon sehn lassen; aber Berta, du willst heut wohl gar nichts essen?“
Das Mädchen senkte das Köpfchen tiefer über den fast noch unberührten Teller und schwieg. Der Vater enthob sie einer Antwort:
„Die richtige vornehme Frau bekommt der Albert, das muss man sagen. Und fest scheint die Sache auch schon zu sein, denn sie ist ja schon gleich in der Kirche gewesen und hat mit ihrem Seidenstaat dagesessen wie die Prinzess von ‚Schaumichan‘.“
Man sah es dem offenen Gesicht des Sprechers an, dass nicht der Neid ihm diese Worte in den Mund gelegt hatte. Der tiefe Missmut, der ihn überkam, sooft von seinem Nachbar, dem Kaiserbauer, die Rede war, hatte einen ganz anderen Grund, einen Grund, der weit, weit in die Vergangenheit zurückgriff und auf Ereignissen beruhte, über denen der Schleier der Verborgenheit ausgebreitet lag.
*
Indessen saß drüben in dem Kaiserhof das Gesinde in der Knechtstube bereits beim Essen, im Staatszimmer war nun auch angerichtet, und der Hausherr erhob seine schwere Gestalt aus dem Polster des schwellenden Sofas, auf dem er mit der zukünftigen Schwiegertochter gesessen hatte.
„Na, da kommt, setzt euch her und lasst’s euch schmecken! Steinmüller, du hast mich brav ausgefüttert, als ich bei dir zum Anspruch war; nun sieh, ob der Kaiserhof auch was leisten kann! Aber wo bleibt denn der Albert?“
Der Genannte, sein einziger Sohn und Erbe, erschien erst nach längerem Rufen und Suchen und machte Miene, sich neben der Mutter niederzulassen.
„Halt, Bursch“, gebot Kaiser, „heut ist dein Platz ein anderer. Geh her zum Fräulein Gretchen und tu nicht, als könntest du kein Mädel anschaun!“
Erst auf den besorgten Blick, den ihm die Bäurin zuwarf, gehorchte er, aber obgleich seine Nachbarin sich alle mögliche Mühe gab, liebenswürdig zu erscheinen, widmete er ihr nur die allernotwendigste Aufmerksamkeit, sah ernst und wortkarg vor sich nieder, und wie ein Teller da drüben in dem kleinen Häuschen, so wollte auch der seinige nicht leer werden. Trotz der zornigen Winke, die der Vater ihm verstohlen gab, war er der erste, der sich erhob und das Zimmer verließ.
„Hör, Kaiser“, gab der Müller seinem Unmut Ausdruck, „der Junge will mir nicht gefallen. Er ist doch ein Bursch, der sich sehen lassen kann; also warum tut er denn so zimperlich mit meiner Gret? Die Steinmühle wird nicht viel geringer sein als der Kaiserhof, und meine Tochter darf nur die Hände hinausstrecken, so hängt gleich an jedem Finger einer. Das sollte der Albert doch wissen!“
„Brauchst dich nicht so in Eifer hineinzureden, Steinmüller. Er ist sonst immer lustig und hat das Herz auf der rechten Stelle, aber mit der Gret scheint er eben noch ein wenig zaghaft zu sein. Trink nur immer weiter, ich bin gleich wieder da!“
Er stand auf und ging hinaus, um den Sohn zu suchen. Dieser stand hinter der Gartenhecke und beobachtete über die Straße hinweg Berta, die jetzt drüben mit dem Strickstrumpf am geöffneten Fenster saß. Ihr Gesicht schaute wie ein liebliches Gemälde aus dem Rahmen hervor; es hatte, nur in weicheren Linien, denselben fremdartigen Schnitt, der die südliche Abstammung ihres Vaters verriet. –
*
Als 1813 die Franzosen unter Vandamme bei Kalm und Nollendorf von den Verbündeten geschlagen waren, hatten viele der Fliehenden ihren Weg über das Gebirge genommen und bei den freundlichen Dörflern wohlwollende Aufnahme und Pflege gefunden. Eines Abends war der Vater des jetzigen Kaiserbauern von einem französischen Sergeanten herausgeklopft und zu einem kleinen Wagen geführt worden, in dem eine kranke Frau mit einem kleinen Knaben gelegen hatte. Auf das Zureden seiner Frau war er bereit gewesen, die Obdachlose aufzunehmen; dann hatte sich der Soldat entfernt und vorher in einem kaum verständlichen Deutsch zu verstehen gegeben, dass er gehen wollte, um seinen Herrn, einen hohen Offizier, zu suchen. Er war jedoch niemals zurückgekehrt. Die Kranke hatte nur noch wenige Tage gelebt, und ihr Söhnchen war nach einiger Zeit von Gemeinde wegen an einen armen kinderlosen Flickschuster als den Mindestfordernden versteigert worden. Dieser hatte sich des Verwaisten in väterlicher Liebe angenommen, ihn in seinem Handwerk unterrichtet und ihm dann auch nach seinem Tod das alte Häuschen hinterlassen, an dessen Stelle der herangewachsene Findling, den der Volksmund in Beziehung auf seine Abstammung und die politischen Ereignisse, unter denen er in das Dorf gekommen war, nur den ‚Bonapartenschuster‘ nannte, später das jetzige erbaute.
Während er sich im Lauf der Zeit ein zwar kleines, aber freundliches und musterhaft bewirtetes Besitztum zusammengerundet hatte, war es mit Kaisers schneller vorwärts gegangen. Die früher nur mäßige Wohlhabenheit der Familie hatte sich in Kürze zu einem offen zur Schau getragenen Reichtum gestaltet, sodass sich die Nachbarn diese Veränderung nicht mit gewöhnlichen Gründen zu erklären vermochten. Hier musste ein ganz besonderer Umstand obgewaltet haben, und da man keinen anderen kannte, so sprach man erst heimlich und sodann offener davon, dass die Habe jener verstorbenen Französin wohl bedeutender gewesen sei, als Kaiser angegeben hatte. Auf diese Vermutung hindeutend, nannten die Dorfbewohner, wenn der alte Kaiser es nicht hörte, seine Besitzung auch wohl den ‚Franzosenhof‘.
Albert, der junge Kaiserbauer, kannte dieses Gerücht. Es war zu alt und tief eingewurzelt, als dass es ihm hätte entgehen können, aber niemals hatte er mit solchem Ernst daran gedacht wie jetzt, wo er aus Rücksicht auf das leidige Vermögen zu einem Schritt gezwungen werden sollte, von dem er fühlte, dass er ihm nie Heil und Segen bringen werde. Hatten die Leute die Wahrheit erraten, so war ja der Reichtum des Vaters ein unrechtmäßig erworbener, und wer war der rechtliche Besitzer? Niemand anders als der ‚Bonapartenschuster’, der Vater der hübschen Berta, die neben ihm aufgewachsen und seine Schulkameradin gewesen war. Er musste jetzt immer und immer wieder hinüberblicken zu ihr, und je länger er sie betrachtete, desto fester wurde sein Entschluss, die geplante Verbindung abzuweisen, es koste, was es wolle.
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