Kitabı oku: «Der schwarze Mustang», sayfa 15
»Nein.«
»Sehen Sie, da haben Sie wieder Ihre geistige Zwerghaftigkeet, wie sie klar zu Tage tritt! Pi is die Vor— und Einleitungssilbe zu allem, was geschossen, geblasen oder mit den Fingern geschpielt wird. Geschossen wird mit der Pistole; geblasen wird mit dem Pistong, und geschpielt wird off dem Pianino. Geschtehen Sie ein, daß alle diese Worte een pi vorne haben? Also, ich werde mich Ihrer Persönlichkeet und Ihrer Erbschaft annehmen, grad so, wie sich der eene Zwilling —das bin ich – des andern Drillings – das sind Sie – anzunehmen hat. Verhalten Sie sich nach den Vorschriften, die mir angeboren sind, da werden Sie es zu etwas bringen und als een geachteter Mensch und angesehener Timpe in Ihre Heimat zurückkehren können. Verkennen Sie aber mich und die schönen Gaben, welche das ›Mädchen aus der Fremde‹ bringt, so können Sie nur gleich wieder einpacken, denn da gibt es keenen eenzigen Menschen off dem Jahrmarkt, der Ihnen Ihren Pfefferkuchen abkoofen wird. Es is ja möglich, daß Sie zu Ihrem Glücke nach Amerika gekommen sind, aber sicher und gewiß nur in dem eenzigen Falle, daß Sie Ihr Haupt unter meiner Würde beugen, welche schon seit langen Jahrhunderten und durch alle möglichen Generationen off mich und meine Intelligenz vererbt worden is.«
Seine Rede wäre sehr wahrscheinlich in dieser Weise fortgesetzt worden, wenn nicht Winnetou, der in der Nähe stand, jetzt plötzlich mit einer schnellen Bewegung seine Silberbüchse nach oben angelegt und abgedrückt hätte. Der Schuß krachte. Old Shatterhand war noch mit der Verlosung der Waffen beschäftigt. Er drehte sich rasch um, sah den Apatschen mit dem Gewehre stehen und fragte, den Blick sofort auch nach oben richtend:
»Warum hast du geschossen?«
»Es sah jemand von der Felsenkante herab,« antwortete Winnetou.
»Hast du getroffen?«
»Nein; der Kopf verschwand, als ich den Finger anlegte.«
»Hast du ihn deutlich gesehen?«
»Ja.«
»Was hast du sonst noch bemerkt?«
»Es war kein weißer Mann.«
»Also ein Indianer?«
»Winnetou weiß es nicht genau. Der Kopf war nur so lange zu sehen, als ich meine Büchse heben konnte; dann verschwand er wieder.«
»Hm! Es ist niemand mehr oben, der zu uns gehört. Mein roter Bruder mag mit mir hinaufgehen. Der Mann, der es gewesen ist, wird zwar nicht warten, bis wir hinaufkommen, aber es ist doch geraten, einige Posten aufzustellen, denn man kann mit größter Leichtigkeit von da oben aus einen von uns niederschießen.«
Sie stiegen hinauf und nahmen die beiden Timpes mit, um ihnen Posten anzuweisen. Als sie dann nach einiger Zeit wieder herunterkamen und Frank sie fragte, erfuhr er, daß sie niemand gefunden hatten. Oben war es jetzt dunkel, und nach Spuren zu suchen, hätte, selbst wenn es hell gewesen wäre, doch zu nichts geführt, weil die Eisenbahner alles niedergetreten hatten und also, wenigstens in der Nähe der Schlucht, eine Einzelfährte nicht unterschieden werden konnte.
Das war gegen Morgen, und bald darauf begann der Tag zu grauen. Man konnte nicht die Absicht haben, sich lange und unnütz mit den Indianern zu befassen; so ganz in der Nähe des Camp wollte man ihnen die Freiheit denn doch nicht geben; sie waren zwar nun waffenlos, aber bei ihrer großen Zahl und bei der Feigheit der Bewohner dieses Ortes konnten sie, wenn sie einen Massenangriff versuchten, ihnen doch gefährlich werden. Darum wurde beschlossen, sie eine tüchtige Strecke in die Prairie hinauszutransportieren und dann nach und nach in einzelnen Abteilungen freizugeben. Dort war das Terrain offen, und man konnte sie weit sehen und beobachten. Sie mußten sogar annehmen, daß man ihnen heimlich folgen werde, und so stand zu erwarten, daß ihnen schon die Vorsicht verbieten werde, aus Rachsucht nach dem Camp zurückzukehren.
Während also Swan, der Engineer, sich nach dem Camp begab, um nach Rocky-ground zu telegraphieren, daß man den Zug wieder senden solle, gaben Winnetou und Old Shatterhand den Eisenbahnern die Anweisungen, welche für diese nötig waren, die Gefangenen fortzuschaffen. Man band die Indianer auseinander und gab ihnen die Füße frei, sorgte aber dafür, daß ihnen die Hände um so fester auf dem Rücken gefesselt waren, worauf jeder an den Bügel eines Pferdes gebunden wurde; dann stiegen die Bahnarbeiter auf und ritten mit ihren Gefangenen davon. Die andern, nämlich Old Shatterhand und seine Gefährten, gaben ihnen eine halbe Stunde lang das Geleite, bis sie den Wald hinter sich hatten, und kehrten dann zurück, um den Zug zu erwarten.
Jetzt endlich kam Leveret, der Engineer, wieder zum Vorscheine. Als er erfuhr, wie die Komantschen bestraft worden waren, erklärte er es für eine Dummheit, daß sie nicht aufgehängt worden waren, und für eine Ungerechtigkeit, daß man nicht einen Teil der Beute auch für ihn bestimmt hatte; aber Swan, sein mutigerer Kollege, gab ihm eine so deutliche und kräftige Antwort, wie sie ihm gebührte, und so trollte er sich wieder von dannen, ohne Ruhm oder Beute mitzunehmen.
Als später der Zug kam, wurde eingestiegen. Natürlich nahm man auch die beiden Pferde mit, welche jetzt dem Hobble-Frank und Droll gehörten, die ganz und gar nicht unglücklich darüber waren, daß sie auf eine solche Weise Besitzer von zwei so guten Tieren hatten werden dürfen; bessere konnte es für sie ja gar nicht geben!
Es war nur noch die Bestrafung des Mestizen zu erwarten. In Beziehung hierauf, wendete sich, während der Zug dahinrollte, der Hobble-Frank an Old Shatterhand:
»Jetzt habe ich eene Bitte, die Sie mir beileibe ja nich abschlagen dürfen.«
»Welche?«
»Sagten Sie nich, daß dieser Ik Senanda, der sich Yato Inda nannte, Haue bekommen und nachher freigelassen werden soll?«
»Ja.«
»Hören Sie, das is doch eegentlich gar keene hinreichende Schtrafe für so eenen erbärmlichen Tellurius! Prügel kriegt mal jeder Schuljunge, ohne daß er een Mestize is; Prügel haben hoffentlich ooch Sie von Ihrem Vater gekriegt, obgleich Sie damals nich die Absicht hatten, den Komantschen so een Schock Chinesen auszuliefern, und ich, so großartig und diminuendo ich schon damals mit meinen Naturgaben veranlagt und ausgezeichnet war, so habe ich doch wirklich ooch die heraldische Erfahrung machen müssen, daß es sorgsame Väter und sogar freundliche Mütter gibt, welche die Rute da abschneiden, wo sie angewachsen is und damit unverantwortlicherweise dorthin hauen, wo sie ihr Lebtage gar nich anwachsen kann; von dieser Wahrheet bin ich sehr häufig höchst schmerzlich in meinem Innern und off meinem Äußern berührt worden, obwohl es mir niemals in den Sinn gekommen is, mich off Firwood-Camp als Scout und Verräter engagieren zu lassen. Also, was ich sagen wollte, dem besten Menschen bleibt es nich erschpart, mit dem birkenen Hans aus Schlesien Bekanntschaft zu machen, und da soll dieser Halunke, der eene ganz andre Schtrafe verdient hat, ooch noch wie een ungekochtes Ei behandelt werden und nischt andres als nur eene Tracht Prügel kriegen? Ich bitte Sie, verehrtester Herr Shatterhand, wenn Sie nur halbwegs noch een bißchen Sinn für Gerechtigkeet und Reorganisation im Herzen haben, da müssen Sie einsehen, daß das viel zu wenig is. Ich gebe mir darum die herablassende Ehre, Ihnen eenen Vorschlag zu machen, welcher mir tief im Gemüte liegt und den ich loslassen muß, wenn mein gefühlvolles Herz nich dran erschticken und zu Grunde gehen soll wie een Kanarienvogel, der mit Paprika und Zwiebelsamen gefüttert wird.«
Alle, außer Winnetou, lachten über die Art und Weise, in welcher der Kleine sich auszudrücken beliebte, und Old Shatterhand fragte:
»Welchen Vorschlag willst du hören lassen?«
»Das können Sie sich eegentlich selber denken, zumal ich weeß, daß Ihre Kenntnisse ooch nich ganz von Pappe sind. Jeder schtudierte Jurisprudente und Schtaatsanwalt kennt außer den Paragraphen über die Milderungsgründe ooch den über die sogenannten Verdickungsgründe. Man kann nämlich, zumal bei dem Prügeln, die Schtrafe dünner und ooch dicker offtragen; ich schtimme hier nich für das Dünne, sonder für das Dicke.«
»Du meinst also einen stärkeren Stock?«
»Das meene ich weniger. Ich kann aus meiner eegenen Erfahrung und Sensitivität bezeugen, daß een dünner Hans aus Schlesien viel weher thut als een dicker, weil er nämlich besser schwippt, wissen Sie, meine Herren, een dicker wirkt bekanntlich nur off diejenige Höhenlage, welche man Epidermis nennt, een dünner aber geht durch und durch, so ähnlich, wie das Licht beim Photographieren durch die ganze Linse geht und dann das schönste Bild zu schtande bringt. Nee, ich meene vielmehr etwas andres. Zur Prügelschtrafe muß noch eene andre kommen, oder wir geben ihr eene Dauer und Konschtabilität, welche dem Verbrechen angemessen is. Der Kerl schteckt doch im Brunnen. Wir gießen so viel Wasser hinein, daß es ihm bis an die Lippen geht und er nur immer nach Luft zu schnappen hat. Das is doch wenigstens eene ehrliche Todesangst, obgleich er nich dran schterben wird. Wenn er die so eenige Schtunden ausgeschtanden hat und durch und durch naß geworden is, dann ziehen wir ihn heraus und halten mit den Hieben nich eher, aber ja nich eher off, als bis er wieder trocken is. Off diese Weise erkältet er sich nich und hat ooch schpäter keenen Grund, uns vorzuwerfen, daß wir das, was sein Vater früher an ihm versäumt hat, nich tüchtig nachgeholt haben. Verdient hat er das mehr als genug; quod erat demimonschtrum!«
Als hierauf wieder alle lachten, fragte er, schnell zornig werdend:
»Was gibt‘s denn da zu lachen? Ich habe im heiligen Eifer für die Dezimalwage der Gerechtigkeet geschprochen; das is doch nischt so Lustiges! Das Schtrafgesetzbuch is nur für ehrliche Leute geschrieben, die es ernsthaft nehmen und es sich zum Beischpiel und Exempel dienen lassen. Wenn Ihnen aber meine offrichtig gemeente Schtrafprozeßordnung nur Schpaß anschtatt der beabsichtigten Abschreckung bereitet, so wasche ich, wie der Rigi sagte, meine Hände in Unschuld mit Karbol— und Mandelseefe und denke, daß – —«
Er hielt inne, denn es brach jetzt ein solches Gelächter aus, daß er seine eigenen Worte nicht mehr hören konnte. Er wartete, darüber ergrimmt, bis es sich gelegt hatte, und rief dann aus:
»Nee, so eene Zucht und Pudelschererei hat man noch nich erlebt! Das wird ja mit der heutigen Menschheet immer schlimmer! Sagen Sie mir doch nur eenen eenzigen Grund, warum ich bei aller meiner schtaatlichen Würde dazu verurteelt bin, so een höllisches Hohngelächter anhören und erdulden zu müssen? Habe ich denn irgend eenen technischen Vorzug an mir, über den Sie sich so lustig machen können?«
Droll kannte ihn sehr genau; er wußte, daß eine Explosion im Anzuge war, und antwortete also nicht. Auch Kas und Has waren durch Schaden vorsichtig genug geworden, um zu schweigen; darum übernahm es Old Shatterhand, an den er sich nicht in der Weise wie an andre wagte, ihm die Antwort zu geben:
»Wir lachen nicht über dich, sondern über den Rigi, lieber Frank.«
»Über den Rigi? Wieso?«
»Ich wasche meine Hände in Unschuld, das hat Pilatus gesagt.«
»Nein, der Rigi hat‘s gesagt!«
»O, bitte! Es hat niemals ein Mensch den Namen Rigi geführt, sondern so heißt ein Berg am Vierwaldstättersee; ein andrer, nicht weit von ihm an demselben See gelegener Berg wird der Pilatus genannt; das hast du gehört oder gelesen; das schwebt dir vor, und so wurde die Verwechslung des Landpflegers Pilatus mit dem Berge Rigi möglich.«
»So – also so —!« dehnte der Kleine, indem seine Augen funkelten. Er getraute sich aber nicht loszubrechen, weil Old Shatterhand es war, der es sagte. »Also eene Verwechslung soll es sein? Wissen Sie das genau?«
»Ja.«
»Sind Sie denn schon mal dort gewesen an diesem See?«
»Ja, und auch auf beiden Bergen, gestiegen und gefahren. Es führen Zahnradbahnen hinauf.«
»Ach so, Zahnradbahnen! Das muß ooch een schöner Landpfleger von Palästina sein, der sich mit Zahnrädern im Gesicht herumkratzen läßt! Ihr Wort in allen Ehren, Herr Shatterhand, aber da muß ich erscht selber mal hin und mir die Geschichte richtig bevierwaldschtättern, ehe ich es gloobe, daß man sich off solchen Bahnen in Unschuld waschen kann! Bis dahin aber nehme ich meinen Vetoantrag zurück und setze mich dort hinten in die Ecke. Mit Leuten, die mich und meine Metropolitarität bezweifeln, werde ich in Zukunft etwas vorsichtiger sein. Es is nich jeder Mensch dazu geschaffen, seine Lustschpiele in Trauerschpiele verwandelt und aus den herrlichsten Gedanken und Okulationen seines Herzens saure Gurken und gebackene Pflaumen gemacht zu sehen. Wem das Edle nich mehr imprimiert, der is ooch für das Ordinäre ganz total verloren. Ich habe geschprochen. Howgh!«
Er schob sich in die hinterste Ecke des Wagens, um zürnend, wie einst Achilleus, der den Feinden furchtbare Peleione, dort denen zu schmollen, die nicht hoch oder tief genug gebildet waren, seine Überlegenheit ohne alle Widerrede anzuerkennen. Old Shatterhand, dessen Gutmütigkeit nicht die geringste seiner Eigenschaften war, konnte die Betrübnis des Kleinen, obgleich sie eigentlich komisch war, nicht lange mit ansehen und fragte nach einer Weile: »Hast du deinen Vorschlag ganz aufgegeben, lieber Frank?«
Der Moritzburger warf ihm einen noch halb zornigen, halb aber schon versöhnlichen Blick zu und antwortete.
»Haben Sie nur keene Sorge! Ich werde gar niemals wieder eenen Vorschlag machen!«
»Das sollte mir leid thun. Du weißt doch, daß ich viel auf deine Ansichten gebe.«
Da nahm die Freundlichkeit im Auge des Hobble noch mehr zu, und es klang unter einem erlösenden Seufzer:
»Das sagen Sie doch jedenfalls nur deshalb, um mich wieder gut zu machen; im Grunde und aus der Perschpektive betrachtet, is es aber doch ganz andersch. Sie wissen, daß Sie meine Brust mit unversöhnlichem Zorn erfüllt haben und wollen nun een Weiermüller-Universalpflaster off meine Entrüstung legen; das kostet nich viel, in jeder Droguenhandlung nur zehn Pfennige für die Schachtel. Spitzbuben, wie der Mestize eener is, möchten Sie das Gesicht mit seidenen Handschuhen schtreicheln, aber mich, der ich doch Ihr größter Freund und Gönner bin, versenken Sie bei jeder passenden Gelegenheet in die tiefste Betrübnis und Konzentration. Wer so zart besaitet is, wie ich es bin, dem darf man nich mit eenem Violonbaß-Fidelbogen kommen, sondern der muß sanft angeklimpert werden wie zum Beischpiel eene Guitarre oder eene Aprikosen-Mandoline. Jedermann sollte bedenken, daß es Menschen gibt, deren Herz sehr leicht gebrochen werden kann, und es gibt zwar Porzellan— und Eisenkitt, aber daß man ooch Herzenskitt zu koofen kriegt, um die Schprünge der geschwollenen Mandeln wieder off das richtige Gleis zu bringen, davon habe ich noch nischt gehört.«
Die andern hatten wieder mit ihrer Lachlust zu kämpfen; Old Shatterhand zeigte sein ernsthaftestes Gesicht, indem er fragte:
»Rechnest du auch mich zu diesen Menschen?«
»Wer sich getroffen fühlt, der braucht nich erscht zu fragen. Und ob ich rechne? Ich rechne gar nich mehr, fällt mir nich ein! Wem gleich zwee Vierwaldstätter Zahnradbahnen um den Kopp geworfen werden, der hat keene Lust zum Rechnen mehr. Und wem man gar zumutet, den Landpfleger Rigi oben off dem Pilatus zu suchen und ihm dort die Hände mit Unschuld zu waschen, mit dem is es erscht recht ganz aus. Ich bleibe also hier in meiner Ecke und lass‘ mich von keenem Mississippi und Amazonenschtrom herausschwemmen. Ein gebildeter Mensch, der Charakter hat, der soll ooch welchen haben!«
»Das ist sehr richtig! Und weil du nicht nur überhaupt Charakter, sondern sogar einen sehr guten hast, so denke ich, daß du nicht lange mehr dort hinten sitzen bleiben wirst.«
Durch dieses Lob geschmeichelt, rückte der Kleine schon ein wenig näher und sagte, viel freundlicher als vorher:
»Is das Ihre successive Überzeugung wirklich, verehrtester Herr Shatterhand? Sollte mich freuen, wirklich freuen, wenn es so wäre. Ich sage Ihnen, es würde nicht nur für die andern, sondern ooch für Sie sehr gut sein, wenn Sie erkennen und einsehen lernten, daß ich nich so ganz ohne bin.«
»Das sehe ich nicht nur ein, sondern ich weiß es schon seit langer Zeit!«
»So?« flötete der Kleine, indem er wieder näherrückte. »Am Ende is es doch vielleicht nur een anonymer Irrtum, wenn ich denke, daß ich ooch von Ihnen verkannt werde. Da will ich es doch noch eenmal versuchen, ob in Ihrem Verhalten die von mir gewünschte Besserung zu schpüren is!«
Er rückte abermals näher, so daß er nur noch einen Schritt von Old Shatterhand zu sitzen kam, und fuhr dann eifrig und ganz freundlich fort:
»Also, was meinen Vorschlag betrifft, wie soll es da werden? Sind Sie geneigt, ihn mir in der gewünschten Kongestion zu erfüllen?«
»Ja, lieber Frank.«
Da gab sich der vollständig versöhnte Hobble einen solchen Ruck, daß er eng an Old Shatterhand zu sitzen kam, und rief, indem sein Gesicht vor Freude und Genugthuung strahlte, aus:
»So is es recht; so wollte ich es haben! Es is doch keen Bär een solcher Tolpatsch, daß er nich wenigstens eenmal etwas Gescheites thut! Ich kann Ihnen jetzt das Zeugnisduplikat geben, daß Ihre Ehre vollschtändig wiederhergeschtellt is. Also es bleibt bei dem, was ich vorgeschlagen habe?«
»Wahrscheinlich. Natürlich kommt es dabei mit darauf an, wie er sich gegen uns verhält!«
»Ganz richtig! Und weil ich weeß, daß sein Verhalten nich mehr als alles zu wünschen übrig lassen wird, so wollen wir diesen ärgerlichen Vierwaldschtättersee in der tiefsten Tiefe unsrer Herzen begraben und off die Zahnradbahnen unsre gegenseitige Verzeihung und Versöhnung schütten. Es soll nischt mehr geben, was unsre Geister und Gemüter trennt, und wenn Ihre Worte ja eenmal von eenem unverschtändigen Menschen angezweifelt oder gar verlacht werden sollten, wie es vorhin in diesem Wagen geschehen is, so wenden Sie sich nur getrost an mich! Ich bin der Mann, der es verschteht, Ihnen diejenige Achtung zu verschaffen, off welche Sie als mein treuer Freund und Gefährte Anschpruch und Konterdampf erheben können!«
Es war bei der Urkomik seines Verhaltens und seiner Worte beinahe rührend, zu beobachten, welche Mühe sich die andern gaben, den Ernst zu behaupten, welcher unbedingt nötig war, wenn ein Rückfall in seinen Zorn verhütet werden sollte. Sie brachten es auch glücklich fertig, und so verlief die weitere Fahrt, ohne daß er wieder Veranlassung fand, sich über die Fehler und geistigen Gebrechen der Menschheit insgesamt und im einzelnen auszusprechen. Rocky-ground wurde in bester Stimmung erreicht, und wenn es irgend eine Schwierigkeit gab, war es nur die, die beiden Indianerpferde unverletzt aus dem Wagen zu schaffen. Sie waren diese Art des Transportes nicht gewöhnt, und es hatte in Firwood-Camp einen großen Aufwand von Mühe gemacht, sie hineinzubringen.
Die Leute, welche man hier zurückgelassen hatte, waren dabei behilflich, ohne zunächst eine Meldung zu machen, und erst als die Pferde glücklich auf dem Erdboden gelandet waren und der Engineer nun die Frage aussprach, ob sich etwas Ungewöhnliches ereignet habe, antwortete einer, indem er sich verlegen in den Haaren kraute:
» Well! Da Ihr danach fragt, Sir, so muß ich nun wohl heraus damit: Es ist ein Pferd gestohlen worden.«
»Welches?« wurde da sofort von sechs Personen fast unisono gefragt.
Es versteht sich ganz von selbst, daß seine Meldung Schreck hervorbrachte. Da die Eisenbahner keine Pferde besessen hatten, konnte das betreffende nur eines der sechs Jäger sein. Wie schlimm, wenn es einer der beiden Rapphengste war, welche Winnetou und Old Shatterhand gehörten! Es gab einen Augenblick der größten Spannung, bis er antwortete:
»Es war ein Schimmel, Mesch‘schurs.«
Man konnte jetzt einen mehrfachen Hauch der Erleichterung hören, und Frank erkundigte sich, natürlich in englischer Sprache:
»Meint Ihr den Schimmel, der den schwarzen Flecken rechts am Halse hat?«
» Yes, Sir «
»Gott sei Dank!« rief er aus, jetzt nun in deutscher Sprache. »Vetter Droll, das is dein Stolperfritze, dem du die Insel Ischia zu verdanken hattest. Der mag immerhin geschtohlen sein. Du hast ja een hundertmal besseres dafür!«
»Nur langsam mit dem Urteil, Frank!« mahnte da Old Shatterhand. »Es handelt sich hier weniger um das Pferd als um den Dieb. Ich möchte ahnen, wer er ist. War es etwa der gefangene Mischling, den wir in den Brunnen hineingesteckt haben?«
»Ja, Sir,« antwortete der Mann verlegen, an den diese Frage gerichtet war.
»Wie kommt der aus dem Brunnen heraus? Das kann nur die Folge einer ungeheuren Nachlässigkeit von Euch sein!«
»Die ich streng bestrafen werde!« fügte der Engineer hinzu. »Ich hatte doch einen Wächter an den Brunnen gestellt! Wo ist dieser? Er steht nicht mehr dort, und ich sehe ihn auch sonst nirgends.«
»Er hat sich aus Angst einstweilen aus dem Staub gemacht, bis, wie er sagte, die erste Hitze bei Euch vorüber sei, Mister Engineer.«
»Da kann er lange warten. Ich lasse ihn, wenn er wiederkommt, prügeln, daß er daran denken wird! Nun ist der Scout über alle Berge und wir haben das Nachsehen! Hoffentlich ist er noch nicht sehr weit, und wir können ihn noch einholen. Macht Euch schnell fertig, und – —«
»Gemach, Sir, gemach!« unterbrach ihn Old Shatterhand. »Überstürzung kann hier zu gar nichts führen. Wenn meine Ahnung mich nicht trügt, so ist er jetzt schon so weit fort, daß alle Verfolgung Eurerseits vergeblich ist. Ich denke, er ist von hier nach dem Firwood-Camp geritten.«
»Uns grad in die Hände? Unmöglich! Er müßte nicht bei Sinnen gewesen sein!«
» Pshaw! Er wußte die Komantschen in Gefahr und ritt hin, sie heimlich zu warnen, ist aber glücklicherweise zu spät gekommen. Er war es jedenfalls, der von oben herunterblickte und nach dem Winnetou geschossen hat, ohne ihn zu treffen.«
»So ist‘s,« stimmte der Häuptling der Apatschen bei. »Es war nur ein Moment, daß ich ihn erblickte; ich hob zwar schnell das Gewehr, aber er sah ebenso rasch, daß ich es auf ihn richtete, und grad als ich abdrückte, zog er den Kopf zurück, sonst hätte ich ihn getroffen.«
»Ja, deine Kugel ist sicher und verfehlt nie ihr Ziel; aber ein einziger Augenblick ist eine gar zu kurze Zeit für einen Schuß, der treffen soll. Ich denke übrigens, daß dieser Bursche uns schon wieder vor die Läufe kommen wird. Lassen wir ihn einstweilen fort sein! Er wird beobachtet haben, daß seine Komantschen freigelassen werden, und ihnen nachreiten, um sich mit ihnen zu vereinigen. Wenn mir daran läge, ihn zu fangen, wollte ich ihn sehr bald haben; aber wir hatten uns ja doch vorgenommen, ihm die Freiheit zu geben, und so mag er sie auch ohne vorherige Prügel genießen.«
»Aber es thut doch meinem Herzen wehe,« bemerkte Frank, »daß wir ihn nicht einweichen und dann ausklopfen konnten!«
»Er wird später zu dieser Klopferei zu finden sein; tröste also dein betrübtes Herz, lieber Frank! jetzt verlangt es mich vor allen Dingen, wie es ihm möglich gewesen ist, aus dem Brunnen zu entkommen und dann gar auch das Pferd zu stehlen. Hoffentlich seid Ihr im stande, es uns zu erzählen, Mann!«
Der Eisenbahner fuhr unter dem scharfen, strengen Blicke Old Shatterhands zusammen, als ob er sich in sich selbst verbergen wolle, doch antwortete er:
»Ich bin nicht schuld daran, Sir; das könnt Ihr mir getrost glauben. Der Clifton war‘s, der den Brunnen bewachen sollte und sich von den Chinesen übertölpeln ließ.«
»Chinesen? Sind Chinesen dagewesen?«
» Yes, Mister Shatterhand, zwei Stück waren es, zwei ganze Stück.«
»Ah, das sind höchst wahrscheinlich unsre Gewehrdiebe gewesen. Hatten sie ihre Zöpfe hinten herunterhängen?«
»Habe keinen Zopf zu sehen bekommen; dafür aber hatten sie Geld, schöne Dollars, Halb— und Vierteldollars. Damit gingen sie in den Room zum Keeper [ Restaurateur ] und ließen sich geben, was ihr Herz begehrte oder was vorhanden war.«
»Und Ihr seid natürlich so freundlich und so vorsichtig gewesen, tüchtig mit ihnen zu zechen, nicht?«
»Ich nicht, aber der Clifton, Sir. Ihr müßt nämlich wissen, daß er sie gut kannte, denn er hat in Firwood-Camp gearbeitet, ehe er hier von Mister Swan engagiert wurde. Es wird am besten sein, wenn ich Euch alles so der Reihe nach erzähle, wie es geschehen ist.«
»Ja, thut das! Ich bin sehr gespannt darauf, ob Ihr etwas zur Entschuldigung dafür vorbringen könnt, daß Ihr nicht besser an Eure Pflichten gedacht habt. Also sagt der Wahrheit gemäß, wie es gekommen ist!«
»Ich kann es nicht anders erzählen, als wie es geschehen ist, Sir. Es war gegen Abend und wollte grad dunkel werden. Wir hatten unsre Arbeit gethan und machten Feierabend, da kamen die Chinesen, die der Teufel reiten möge, daß sie uns diesen Streich gespielt haben. Clifton saß als Wächter am Brunnen und hatte das Ende des Strickes, an welchem der Mischling unten angebunden war, um den nächsten Baum geschlungen. Sie sahen ihn, und weil sie ihn von Firwood-Camp her gut kannten, gingen sie zu ihm hin, um ihn zu begrüßen. Wir andern folgten ihnen, denn wir waren doch neugierig, was die Chinesen hier bei uns in Rocky-ground wollten. Wir erfuhren, daß sie des geringen Lohnes und der schlechten Behandlung wegen ihre Stellung in Firwood-Camp aufgegeben hätten und sich nun eine neue suchen wollten.«
»Und das habt Ihr geglaubt?« fragte Old Shatterhand.
»Wir hatten keinen Grund, anzunehmen, daß es eine Lüge sei.«
»Ihr hattet Grund! Sie waren doch die Vormänner der chinesischen Arbeiter; das habt Ihr gewußt!«
»Ja.«
»Nun, als Vormänner standen sie sich natürlich besser als die andern und hatten also gar keine Veranlassung, so plötzlich aus der Arbeit zu gehen, zumal des geringen Lohnes wegen. Und sodann hättet Ihr Euch sagen müssen, daß, wenn sie wirklich ihre Entlassung selbst genommen hätten, die andern Chinesen, welche jedenfalls nicht soviel verdienten und unter der schlechten Behandlung gewiß noch mehr als ihre Vormänner zu leiden gehabt hätten, jedenfalls nicht geblieben, sondern mit ihnen aus der Arbeit gelaufen wären.«
»Das ist richtig, Sir; aber es hat keiner von uns daran gedacht.«
»Damit stellt ihr euch kein gutes Zeugnis aus!«
»Mag sein! Wir sind einfache Werkleute und haben nicht studiert. Von uns kann man nicht verlangen, daß wir uns jeden Kniff und Pfiff so schnell zurechtlegen, daß wir augenblicklich hinter die Gründe kommen. Clifton sagte ihnen, daß sie wahrscheinlich hier bei uns Stellung bekommen könnten; aber sie wollten nicht hier bleiben, sondern mit dem nächsten zurückfahrenden Bauzuge ein gutes Stück weiter nach dem Osten hinein.«
»Das glaube ich sehr gern, Sie haben ihre Zöpfe verloren, sind also geschändet und müssen sich nach einer Gegend wenden, wo keine Chinesen sind. Weiter!«
»Sie blieben natürlich da, um den Bauzug zu erwarten, und gingen nach dem Trinkraum, wo sie sich beim Keeper zwei Schlafstellen ausmachten. Sie hatten, wie ich schon sagte, Geld mit und ließen sich nicht lumpen. Wir mußten mit ihnen trinken; da kamen wir ins Sprechen und erzählten ihnen, daß ihr hier gewesen und dann fortgefahren wäret, um Firwood-Camp gegen die Komantschen zu schützen. Sie horchten nicht wenig auf; aber, Sir, von Euch und Winnetou schienen sie nichts wissen zu wollen; das hörten wir aus verschiedenen Äußerungen, die sie thaten.«
»Das glaube ich wohl. Sie haben uns bestohlen und ihre Strafe dafür bekommen; deshalb sind sie ja fort vom Camp. Ich durchschaue sie. Sie haben gehört, daß wir beide es waren, die den Mestizen gefangen nahmen; da ist ihnen der Gedanke gekommen, sich dadurch an uns zu rächen, daß sie ihn befreien.«
»Möglich, daß sie diesen Streich nicht uns, sondern euch haben spielen wollen. Vielleicht ist es noch dazu auch aus einer Art von Freundschaft geschehen, denn sie schienen in Firwood-Camp mit ihm auf gutem Fuße gestanden zu haben. Kurz und gut, sie trugen auch Clifton Schnaps hinaus, eine tüchtige Flasche voll und dann noch eine. Später suchten sie ihn noch einmal auf, und es dauerte eine geraume Weile, ehe sie wieder hereinkamen. Da setzten sie sich, was uns später aufgefallen ist, nicht wieder auf ihre früheren Plätze, sondern so, daß wir, um Raum zu gewinnen, die Thür zumachen mußten und nicht mehr hinaussehen konnten, wo die Pferde standen. Nach einiger Zeit hörten wir ein auffälliges Wiehern, Schnauben und Stampfen. Es mußte mit den Pferden etwas los sein und wir gingen hinaus, obgleich die Chinesen uns davon abhalten wollten. Da waren die beiden schwarzen Hengste losgebunden, und es fehlte der Schimmel mit dem schwarzen Fleck am Halse. Losgerissen hatte er sich nicht, das sahen wir; er war also nicht selbst entwischt, sondern fortgeführt worden. Aber von wem? Wir waren ja alle beisammen, außer Clifton, welcher beim Brunnen wachte. Wir gingen zu ihm, ohne auf die Chinesen zu achten; da lag er total betrunken und fast besinnungslos am Boden und bei ihm der Strick, an dem der Mestize gehangen hatte; wir sahen auch die Riemen da liegen, mit denen ihm die Hände und die Füße zusammengebunden gewesen waren. Natürlich erschraken wir gewaltig und suchten von Clifton zu erfahren, was geschehen war; aber wir konnten nichts aus ihm herausbringen, da er nur unverständliches Zeug lallte. Um ganz sicher zu gehen und uns zu überzeugen, wurde ich an dem Stricke in den Brunnen hinabgelassen, und da fand ich es freilich ganz so, wie ich es befürchtet hatte: der Mestize war fort.«
»Dachte es mir!« sagte Old Shatterhand. »Die Chinesen haben ihn, als Clifton vollständig betrunken war, herausgezogen und von den Fesseln befreit. Dann sind sie wieder in den Trinkraum gegangen und haben schlauer Weise dafür gesorgt, daß die Thür zugemacht werden mußte, damit der Mestize sich eins von den Pferden stehlen könne. Gab es dort Licht?«
»Ja, es brannte eine Laterne bei den Tieren.«
»Da hat er natürlich sehen können, welche Pferde die besten waren und sich, wie sein Großvater, an unsre Rappen gemacht, ist aber dabei auch nicht glücklicher gewesen als dieser; sie haben sich zwar losbinden lassen, sich aber dann gewehrt, und dadurch ist ein Lärm entstanden, der ihn zur höchsten Eile getrieben hat, wenn er sich nicht wollte erwischen lassen. Er hat also dann dasjenige Pferd genommen, welches ihm am bequemsten stand, und das ist der Schimmel gewesen.«
»Das ist richtig, Sir; denn dieses Pferd stand der Thür am nächsten.«
»So hat er gerade das schlechteste erwischt; aber er ist jedenfalls ein guter Reiter und kennt die Gegend zwischen hier und Firwood-Camp genau, sonst hätte er sich ja nicht als Scout engagieren lassen können. Dadurch ist es ihm möglich geworden, trotz der Dunkelheit nach dem Birch-hole zu kommen, freilich viel zu spät für die Absichten, welche er dabei verfolgte. Was sagten denn nachher die Chinesen zu seiner Flucht?«