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Kitabı oku: «Durch das Land der Skipetaren», sayfa 21

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Sechstes Kapitel: Im Turme der alten Mutter

Wir ritten durch das Tor. Nach der Beschreibung, welche uns der Schneider gemacht hatte und nach dem Eindruck des Gebäudes von der Ferne aus hatte ich ein schloßähnliches Bauwerk erwartet. Aber wie sah es aus!

Es war allerdings lang und hoch, aber halb verfallen. Die Fensterlücken starrten uns leer entgegen. Das Dach war an vielen Stellen offen. Der Bewurf der Mauer war verschwunden, und längs der Fronte lag das Mehl der Ziegelsteine, welche unter dem Einfluß der Witterung sich auflösten.

Wir ritten bis vor das hohe, breite Tor, wo uns ein Kerl empfing, dessen langgezogenes Galgengesicht keineswegs vertrauenerweckend war.

»Das ist Humun, der Diener des Herrn,« erklärte der Schneider.

Ah, da hatten wir den Mann also ja gleich, vor welchem wir uns hüten sollten! Er machte mir eine tiefe, ehrerbietige Verneigung, deutete auf zwei kräftige Burschen, welche hinter ihm standen, und sagte:

»Effendim, mein Herr hat mit Trauer vernommen, daß du nicht gehen kannst. Darum gab er den Befehl, daß diese Leute dich zu ihm tragen sollen. Sie sind so kräftig, daß du dich ihnen anvertrauen kannst.«

Ich stieg ab. Die beiden Bezeichneten schlangen je einen Arm ineinander und faßten sich dann mit den beiden andern Händen. Auf die Hände setzte und an die Arme lehnte ich mich, und so war eine Art Tragstuhl gebildet, mittels dessen ich in den Flur und durch zwei Stuben in das Empfangszimmer getragen wurde. Meine Gefährten folgten mir.

Dieses Zimmer war leidlich ausgestattet. Um die Wände liefen Diwans. Auf einer erhöhten Stelle, dem Eingang gegenüber, saß der Schloßherr. Neben sich hatte er eine ähnliche Erhöhung, welche wohl für mich bestimmt war, und vor seinem Platz lagen einige Polster für meine Gefährten.

Meine beiden Träger blieben mit mir unter der Türe stehen. Der Herr verbeugte sich, ohne sich zu erheben, und sagte:

»Sei mir willkommen, hoher Effendi. Allah segne deinen Eingang in mein Haus und gebe dir lange Tage bei mir! Verzeihe, daß ich mich nicht erhebe, denn die Nikris41 plagt meine Beine, so daß ich sie nicht bewegen kann. Laß dich zu mir tragen, um neben mir zu meiner Rechten Platz zu nehmen. Deine Gefährten aber mögen hier vor uns Ruhe ihrer Glieder finden.«

Man setzte mich neben ihm nieder, während die Drei uns gegenüber Platz nahmen. Ich sagte natürlich einige höfliche Worte des Dankes und der Entschuldigung, welche er mir aber mit der Versicherung abschnitt, daß nicht ich, sondern er zu Dank verpflichtet sei.

Die Träger hatten sich entfernt, und der Diener brachte Pfeifen und Kaffee. Im Orient ist man gewöhnt, den Reichtum des Mannes nach der Beschaffenheit seiner Pfeifen zu taxieren. Mit diesem Maßstabe gemessen, war Murad Habulam ein sehr reicher Mann.

Seine Pfeife, und diejenige, welche ich bekam, hatten Rohre von echtem Rosenholz, welches mit Goldfäden umstrickt und mit Perlen und Edelsteinen verziert war. Die Spitzen waren Kabinettstücke. Der Bernstein war von jener halb durchsichtigen, rauchigen Art, welche im Orient weit höher geschätzt wird, als der durchsichtige. Die kleinen Fingans42 standen in goldenen Schalen von köstlich durchbrochener Arbeit, und als ich kostete, mußte ich mir gestehen, daß ich nur in Kairo einmal einen besseren Kaffee getrunken hatte. Er wurde nämlich nach orientalischer Art samt dem feingestoßenen Satz genossen. Ein Täßchen enthielt ungefähr den Inhalt von vier Fingerhüten.

Auch der Tabak war fein. Schade, daß die Pfeifenköpfe so klein waren! Wenn man ungefähr fünfzehn Züge getan hatte, mußten sie wieder gestopft werden, was Humun, der Liebling seines Herrn, besorgte.

Da es die gute Sitte erfordert, daß man den Gast nicht gleich nach seinen Verhältnissen fragt, so wurden nur allgemeine Redensarten gewechselt. Dann rückte mir der Herr etwas näher, indem er fragte:

»Hast du heute eine gute Reise gehabt, Effendim?«

»Allah hat mich gut geleitet,« antwortete ich.

»Afrit, der Schneider, sagte mir, du kämst von Sbiganzy?«

»Ich war seit gestern dort.«

»Und vorher?«

»In Radowitsch und Ostromdscha.«

»So bist du täglich unterwegs gewesen?«

»Ja, denn wir kommen von Edreneh und Stambul.«

»Von Stambul! Allah hat es sehr gut mit dir gemeint, daß er dich in der Stadt des Padischah hat geboren werden lassen!«

»Ich bin nicht dort geboren. Ich kam von Damask über Falesthin43 dahin.«

»So bist du also gar ein Damaski?«

»Auch nicht. Ich bin ein Franke, ein Germani und reiste von meinem Vaterland aus nach der großen Sahar44, um von da nach Gypt45 und Belad el arab46 zu gehen.«

»Allah ist groß! So weit hat deine Reise dich geführt? Hast du da gute Geschäfte gemacht?«

»Ich reise nicht, um Geschäfte zu machen. Ich will die Länder sehen, die Völker, welche dieselben bewohnen, ihre Sprachen und Sitten kennen lernen. Deshalb habe ich für eine so lange Zeit meine Heimat verlassen.«

Er sah mich mit ungläubigem Blick an.

»Deshalb? Allah! Was bringt es dir für Nutzen, wenn du die Berge und die Täler anschaust, die Menschen und die Tiere, die Wüsten und die Wälder? Was hast du davon, wenn du siehst, wie man sich kleidet, und hörst, wie man spricht?«

Das war die alte Ansicht, welcher ich so oft begegnet war. Diese Leute können es durchaus nicht begreifen, daß man aus rein sachlichem Interesse fremde Völker und Länder besucht. Eine Geschäftsreise, eine Wallfahrt nach Mekka, weiter hinaus geht ihr Verständnis nicht.

»Liebst du die Dschografia47?« fragte ich ihn.

»Sehr. Ich lese gern solche Bücher.«

»Wer hat dieselben geschrieben?«

»Gelehrte Männer, welche in den betreffenden Ländern gewesen sind.«

»Und diesen Männern weißt du es wohl Dank, daß sie dich mit ihren Büchern unterhalten und unterrichten?«

»Natürlich!«

»Nun, auch in meiner Heimat gibt es Leute, welche solche Bücher wünschen. Viele, viele Tausende sind es, welche dieselben lesen. Es muß auch Männer geben, welche dieselben schreiben und also in entfernte Länder reisen, um dieselben kennen zu lernen. Zu diesen gehöre ich.«

»So bist du also ein Ehli Dschografia. Aber ich frage dich dennoch: was hast du davon? Du verlässest dein Haus und dein Harem; du gibst die Freuden des Daseins auf, um in der Ferne Unbequemlichkeiten, Hunger und Durst zu leiden und vielleicht gar mit Gefahren zu kämpfen.«

»Das ist freilich der Fall.«

»Dann setzest du dich hin und schreibst dir deine Augen krank, damit die Neugierigen erfahren sollen, was du gesehen hast. Was frommt das aber dir?«

»Ist das Reisen kein Genuß?«

»Nein, sondern es ist eine große Beschwerde.«

»So würdest du wohl zum Beispiel keinen hohen Berg mühsam besteigen, um die Sonne aufgehen zu sehen?«

»Nein, denn mein Gehirn ist gesund. Was soll ich hier meinen bequemen Diwan verlassen, wo ich rauchen und Kaffee trinken kann? Wozu soll ich steigen und klettern, um nachher wieder herabzulaufen? Es ist doch unnütz. Die Sonne geht auf und geht unter, auch wenn ich nicht da oben auf dem Berg sitze. Allah hat alles weislich eingerichtet, und ich kann durch mein Klettern nicht das mindeste zu seinem Ratschluß beitragen.«

Ja, so sind die Ansichten dieser Leute! Allah il Allah, allüberall Allah! Das ist ihr Wahrspruch und die Entschuldigung ihres geistigen und körperlichen Phlegmas.

»So wirst du allerdings auch nicht die Beschwerden und Gefahren weiter Reisen auf dich nehmen, nur um die Fremde kennen zu lernen?« fragte ich.

»Nein, das werde ich nicht.«

»Aber einen Nutzen habe ich doch. Ich lebe davon.«

»Wieso? Kannst du die Berge verspeisen und dazu die Flüsse austrinken, welche du siehst?«

»Nein; aber wenn ich ein solches Buch geschrieben habe, so bekomme ich Geld dafür, und das ist mein Einkommen.«

Jetzt hatte ich endlich etwas vorgebracht, was nicht ganz verrückt war.

»Ah,« sagte er, »jetzt verstehe ich dich. Du bist kein Geograph, sondern ein Kitabdschi48

»Nein, sondern der Kitabdschi bezahlt mich für das, was ich schreibe, druckt es dann zu einem Buch und verkauft es an die Leser. So machen wir beide ein Geschäft.«

Er legte den Finger an die Nase, sann eine Weile nach und sagte dann:

»Jetzt weiß ich es. Du bist es, der den Kaffee aus Arabien holt, und der Kitabdschi ist es, der ihn einzeln an die Leute verkauft?«

»Ja, ungefähr so ist es.«

»Schreibst du alles nieder, was du siehst?«

»Nicht alles, sondern nur, was interessant ist.«

»Was aber ist interessant?«

»Was mein Denken und meine Gefühle mehr als gewöhnlich beschäftigt.«

»Zum Beispiel, wenn du einen recht guten Menschen kennen lernst?«

»Ja, der kommt in mein Buch.«

»Oder einen recht bösen?«

»Auch über diesen schreibe ich, damit die Leser ihn kennen und verabscheuen lernen.«

Er schnitt ein ernstes Gesicht und fuhr sich mit der Pfeifenspitze unter den Turban. Die Sache gefiel ihm gar nicht; sie war ihm bedenklich.

»Hm!« brummte er. »So werden also Beide, die Guten und die Bösen, durch dich in deinem Lande bekannt?«

»So ist es.«

»Schreibst du auch ihren Namen auf?«

»Gewiß.«

»Wer und was sie sind und den Ort und das Haus, in welchem sie wohnen?«

»Sehr genau sogar.«

»Was sie getan haben und was du mit ihnen gesprochen und über sie erfahren hast?«

»Alles das!«

»Allah, Allah! Du bist ein großer Verräter! Man muß dich ja fürchten!«

»Die Guten brauchen mich nicht zu fürchten, sondern man wird sie in allen Ländern rühmen, da diese Bücher auch in andere Sprachen übersetzt werden. Den Bösen aber geschieht ganz recht, wenn sie bekannt werden und Abscheu und Verachtung erregen.«

»Wirst du auch über Sbiganzy schreiben?«

»Sehr viel sogar, denn ich habe dort sehr viel erlebt.«

»Vielleicht auch dann über Kilissely?«

»Jedenfalls, denn Kilissely ist ein schöner Ort, den ich nicht übergehen darf.«

»Was wirst du über ihn schreiben?«

»Das weiß ich noch nicht. Ich muß erst warten, was ich hier sehe, höre, erlebe und erfahre. Aber daß du prächtige Pfeifen und einen herrlichen Kaffee hast, das werde ich rühmend erwähnen.«

Er blickte still vor sich hin, und es verging eine Weile des Schweigens. Ich hatte ihn gleich von meinem Eintritt an scharf betrachtet. Er kam mir so bekannt vor. Wo hatte ich nur sein Gesicht gesehen!

Er machte keineswegs den Eindruck eines reichen Mannes. Sein Turbantuch war alt und schmutzig, und sein Kaftan gleichfalls. Von seinen Beinen sah ich nur, daß sie wegen des Podagra dick umwickelt waren. Trotzdem waren die Füße nackt und steckten nur in alten, dünnen, abgeschlurften Pantoffeln.

Er war allerdings sehr lang und sehr hager. Sein Gesicht lag in frühzeitigen Falten. Die scharfen Züge, die kleinen, stechenden, harten Augen, das stark entwickelte Kinn, der breite, an den Spitzen nach unten gezogene Mund ließen sein Gesicht nichts weniger als angenehm erscheinen. So, genau so war das Gesicht eines Geizhalses zu denken, der nur auf Erwerb sinnt, der nur zusammenscharrt, ohne zu fragen, auf welche Weise er zu Gewinn kommt.

»Ich hoffe,« sagte er endlich, »daß es dir bei mir gefallen wird, und daß du nur Gutes von mir schreibst.«

»Das bin ich überzeugt. Du hast mich so gastfreundlich aufgenommen, daß ich dir nur dankbar sein kann.«

»Ich hätte dich noch ganz anders aufgenommen und würde dich noch viel besser verpflegen, aber die Herrin meines Hauses ist verreist, und ich kann mich nicht bewegen. Die Nikris plagt mich an den Füßen. Ich habe sie mir im Krieg geholt.«

»So warst du Soldat? Wohl gar Offizier?«

»Ich war etwas noch weit Besseres und Höheres. Ich war Asker zachredschiji49 und habe den Helden des Sultans Kleidung und Nahrung gegeben.«

Ah, ein Kriegslieferant! Ich dachte an die armen, halb nackten und ausgehungerten Soldaten und an die Geldsäcke, welche diese Herren Lieferanten sich während des Krieges gefüllt hatten.

»Da hast du allerdings ein hochwichtiges Amt verwaltet und das größte Vertrauen des Großherrn besessen,« erwiderte ich.

»Ja, so ist es,« sagte er stolz. »Der Lieferant gewinnt die Schlachten; der Lieferant führt die Krieger zum Sieg. Ohne ihn gibt es keinen Mut, keine Tapferkeit, sondern nur Hunger, Elend und Krankheit. Das Vaterland hat mir viel, sehr viel zu verdanken.«

»Soll ich das in meinem Buch erwähnen?«

»Ja, erwähne es; ich bitte dich darum. Hast du über das Reich und über die Untertanen des Padischah viel Gutes zu schreiben?«

»Sehr viel,« antwortete ich kurz, denn ich bemerkte, daß er jetzt auf das Thema übergehen wollte, welches für ihn das wichtigste war.

»Wohl auch manches Böse?«

»Auch das; es gibt ja überall gute und böse Menschen.«

»Hast du von den letzteren viele bei uns getroffen?«

»Besonders in der letzten Zeit, und zwar hier in dieser Gegend.«

Er rückte hin und her. Auf dieses Thema hatte er kommen wollen.

»Da werden die Leser des Buches ja alles erfahren. Wenn ich doch ein solches Buch haben könnte!«

»Du würdest es nicht lesen können, da es nicht in deiner Sprache gedruckt werden wird.«

»So könntest du mir wenigstens jetzt etwas von dem Inhalt erzählen.«

»Vielleicht später, wenn ich mich ausgeruht habe.«

»So werde ich dir deine Wohnung anweisen lassen. Vorher aber könntest du mir wenigstens einiges erzählen.«

»Ich bin wirklich sehr müde; aber damit du siehst, daß ich den Wunsch meines Gastfreundes achte, soll dir mein Gefährte Halef Omar eine kurze Uebersicht dessen geben, was wir in der letzten Zeit erlebt haben.«

»So mag er beginnen; ich höre.«

Daß Halef erzählen sollte, war diesem sehr lieb. Aber daß der Mann ihn in so kurzer, halb befehlender Weise dazu mahnte, das ärgerte ihn. Ich wußte, was da gleich kommen würde.

»Erlaube mir zunächst,« begann er, »dir zu sagen, wer derjenige ist, welcher die Güte hat, dir seine Worte zu widmen. Ich bin Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah. Mein berühmter Stamm reitet die besten Hassi-Ferdschahnstuten der Wüste, und die Krieger meiner Ferkah töten den Löwen mit der Lanze. Der Urahne meines Urgroßvaters ritt mit dem Propheten in die Schlacht, und der Aberurahne dieses Helden hat mit Abram, dem Vater Isaaks, Wassermelonen verspeist. Ist die Reihe deiner Vorfahren auch eine so vollkommene?«

»Die Reihe meiner Ahnen reicht hoch hinauf,« antwortete Murad Habulam ein wenig verlegen.

»Das ist gut, denn man darf den Mann nicht nach seinen Pfeifen und Tassen, sondern nach der bekannten Zahl seiner Väter schätzen. Im Paradies harren Tausende meines Kommens, deren geliebter Nachkomme ich bin. Ich würdige nicht einen jeden meiner Rede, aber da mein Freund und Herr, der Hadschi Effendi Kara Ben Nemsi Emir es gewünscht hat, daß ich erzählen soll, so verlange ich, daß du mir deine Aufmerksamkeit widmest.«

Das kam alles so ruhig heraus, als sei er selbst dabei gewesen, als dieser Aberurgroßahne mit Abraham Wassermelonen aß! Er tat ganz so, als ob es eine Gnade für unsern Wirt sei, daß er ihn seiner Rede würdigte.

Nun lieferte er in wohlüberlegten Worten einen Umriß der letzten Ereignisse. Kein Jurist hätte es besser machen können, als der kleine Hadschi. Er sagte keine einzige Silbe, welche den früheren Lieferanten auf den Gedanken hätte bringen können, daß wir wußten, woran wir mit ihm waren.

Ich hatte meine stille Freude über ihn und nickte ihm anerkennend zu, als er geendet hatte und mir nun einen fragenden Blick zuwarf, wie er seine Sache gemacht habe.

Murad Habulam tat, als ob er ganz außer sich vor Erstaunen sei. Er legte seine Pfeife weg, was bei einem Muselmann sehr viel bedeutet, faltete die Hände und rief:

»O Allah, Allah, sende doch deine Boten der Rache herunter auf die Erde, daß sie mit Feuer verzehren die Missetäter, deren Verbrechen zum Himmel schreien! Soll ich glauben, was ich vernommen habe? Ich vermag es nicht, nein, ich vermag es nicht!«

Er fiel in Schweigen, nahm seinen Rosenkranz her und ließ die Perlen durch die hageren Finger gleiten, als ob er bete. Dann hob er plötzlich den Kopf empor, sah mich forschend an und fragte:

»Effendim, bestätigest du die Wahrheit der Worte dieses Hadschi?«

»Wort für Wort.«

»Man hat euch also fast an jedem der letzten Tage töten wollen?«

»Es ist so.«

»Und ihr seid den Mördern so glücklich entgangen? Ihr müßt große Lieblinge Allahs sein!«

»So wären also die Mörder, wenn ihnen ihre Absichten gelungen wären, Allahs Lieblinge?«

»Nein, aber euer Tod wäre im Buche des Lebens verzeichnet gewesen, und was da verzeichnet steht, kann selbst Allah nicht ändern. Es ist Kismet.«

»Nun, so will ich hoffen, es sei das Kismet dieser Halunken, daß sie schon hier auf Erden von ihrer Strafe ereilt werden.«

»Das hat an dir gelegen, denn du hast sie verschont.«

»Ich wollte nicht ihr Richter sein.«

»Erzählst du das alles in deinem Buch? Von dem Schut, von den Aladschy, von Manach el Barscha, Barud el Amasat und von dem alten Mübarek?«

»Alle erwähne ich.«

»Das ist eine entsetzliche Strafe für sie. Und glaubst du, daß du nochmals mit ihnen zusammentreffen wirst?«

»Ganz gewiß, denn sie verfolgen mich. Hier in deinem Hause bin ich freilich sicher; das danke ich dir und dem guten Schneider Afrit. Aber morgen, wenn ich weiterreite, werden die Missetäter wieder über mir sein.«

»Du wirst meinem Hause nicht die Schande antun, daß du nur eine Nacht unter meinem Dach verweilst.«

»Ich werde es mir überlegen. Uebrigens ist es ja nach deiner eignen Ansicht bereits seit Ewigkeit im Buch des Lebens verzeichnet, wie lange ich bei dir bleibe. Keiner von uns beiden kann hieran etwas ändern. Ja, selbst Allah kann es nun nicht anders machen.«

»So ist es. Aber ich hoffe, daß ich noch lange das Licht deiner Augen über mir leuchten sehe. Ich wohne einsam in meinem Hause, und du wirst mir mein Dasein verschönern und die Leiden meiner Füße verkürzen, wenn du recht lange verweilst.«

»Auch mir wäre es lieb, wenn ich deine Gegenwart recht lange genießen könnte. Du sollst sehr große Reisen gemacht haben?«

»Wer sagte das?«

»Der Schneider.«

Ich sah es seinem Gesicht an, daß der Schneider die Unwahrheit gesagt hatte. Dennoch antwortete er:

»Ja, meine Füße haben, als sie noch gesund waren, die Städte und Dörfer vieler Länder betreten.«

»Und vorhin sagtest du, daß du nicht einmal einen Berg besteigen würdest, um den Aufgang der Sonne zu sehen!«

»Jetzt, da meine Füße krank sind,« verteidigte er sich.

»Warum umwickelst du die Beine und lässest dennoch die Füße entblößt?«

Ich sah ihn dabei scharf an. Er wurde verlegen. Sollte er aus irgend einem Grund das Podagra nur heucheln?

»Weil ich die Krankheit in den Schenkeln, nicht aber in den Füßen habe,« antwortete er.

»So hast du also keinen Schmerz in der großen Zehe?«

»Nein.«

»Und sie ist auch nicht geschwollen?«

»Sie ist gesund.«

»Wie steht es abends mit dem Fieber?«

»Ich habe noch nie ein Fieber gehabt.«

Der Mann verriet sich, denn wenn dies alles nicht der Fall war, so hatte er auch das Podagra nicht. Er war ganz unwissend in Beziehung auf die Erscheinungen, von denen das Podagra begleitet ist. Ich wußte nun, woran ich war. Um auch noch seine angebliche Bibliothek zu erwähnen, sagte ich zu ihm:

»In deinen Leiden und in deiner Einsamkeit wirst du Linderung und Unterhaltung finden durch die vielen Bücher, welche sich in deinem Besitz befinden.«

»Bücher?« fragte er erstaunt.

»Ja, du bist ein hochgelehrter Mann und besitzest eine Menge von Schriften, um welche du zu beneiden bist.«

»Wer sagte das?«

»Auch der Schneider.«

Offenbar hatte der Zwerg diese Lüge ersonnen, um mich in die Falle zu locken. Habulam erkannte dies, darum sagte er:

»Herr, meine Bibliothek ist gar nicht so viel wert, wie du wohl denkst. Für mich reicht sie freilich aus, aber für einen solchen Mann, wie du bist, ist sie zu unbedeutend.«

»Dennoch hoffe ich, daß du mir einmal erlaubst, sie zu betrachten.«

»Ja, aber jetzt nicht. Du bist ermüdet, und ich werde euch in eure Wohnungen führen lassen.«

»Wo befinden sich dieselben?«

»Nicht hier im Hause, denn da würdet ihr zu sehr gestört sein. Ich habe deshalb für euch die Kulle jaschly Anaja in stand setzen lassen; da seid ihr unter euch.«

»Ganz, wie es dir beliebt. Warum aber heißt dieses Gebäude der Turm der alten Mutter?«

»Das weiß ich selbst nicht. Man sagt, eine alte Frau sei nach ihrem Tod oft wieder gekommen und habe des Abends im weißen Sterbegewand oben auf dem Söller des Turmes gestanden, um von da herab ihre Kinder zu segnen. Glaubst du an Gespenster?«

»Nein.«

»So wirst du dich wohl auch nicht vor der Alten fürchten?«

»Fällt mir nicht ein! Kommt sie auch jetzt noch zuweilen wieder?«

»Die Leute sagen es und gehen darum des Nachts nicht in den Turm.«

Warum sagte er mir das? Wenn es in dem Gebäude umging, so war dies doch wohl eher ein Grund für mich, das Uebernachten darin abzuweisen. Vielleicht sollte irgend jemand im Gewand jenes Gespenstes einen Streich gegen uns ausführen und dann die Verantwortung auf die alte Frau geschoben werden – ein sehr kindischer Gedanke, der nur dem Gehirn solcher Leute entspringen konnte.

»Wir würden uns freuen,« erwiderte ich, »einmal ein Gespenst zu sehen, um es zu fragen, wie es im Lande der Toten aussieht.«

»Hättest du den Mut dazu?«

»Sicher.«

»Aber es könnte dir schlimm ergehen. Man soll mit keinem Geist sprechen, weil dies das Leben kosten kann.«

»Das glaube ich nicht. Allah wird keinem Verdammten erlauben, die Qualen der Hölle zu verlassen, um auf Erden zu lustwandeln. Und gute Geister braucht man doch nicht zu fürchten; maskierten Gespenstern aber gehen wir ohne weiteres zu Leibe. Und nun bitte ich dich, uns nach dem Turm bringen zu lassen.«

»Ihr werdet durch einen Teil des Gartens gehen müssen, und ich denke, daß du dich über denselben freuen wirst. Er kostet mich viel Geld und ist so prächtig wie der Park der Glückseligen hinter dem Eingangstor des ersten Paradieses.«

»So tut es mir leid, daß ich ihn nicht genießen kann; denn es ist mir unmöglich, durch seine Gänge zu wandeln.«

»Wenn du willst, so kannst du ihn dennoch genießen. Du brauchst nicht zu gehen, sondern kannst fahren. Meine Frau kann auch nicht gut gehen. Darum habe ich ihr einen Räderstuhl machen lassen, auf welchem sie sich fahren läßt. Jetzt ist sie nicht daheim, und du kannst ihn also benutzen.«

»Das ist eine sehr große Wohltat für mich.«

»Ich werde den Stuhl gleich holen lassen. Humun wird dich fahren und euch überhaupt bedienen.«

Dieser Bursche sollte uns jedenfalls beobachten, so daß wir nichts unternehmen konnten, ohne daß er es bemerkte. Ich erwiderte also:

»Ich darf dich deines Leibdieners nicht berauben und bin gewöhnt, mich von meinen Gefährten unterstützen zu lassen.«

»Das kann ich nicht dulden,« entgegnete er. »Sie sind ebenso meine Gäste wie du, und es wäre eine Unhöflichkeit von mir, sie als untergeordnete Personen zu behandeln. Rede mir also nichts darein. Humun ist beauftragt, eure Befehle auszuführen und immer bei euch zu sein.«

Immer bei uns zu sein! Das heißt, wir waren unter seine Aufsicht gestellt. Wie konnte ich ihn nur los werden?

Er brachte den Stuhl, ich setzte mich hinein und verabschiedete mich von unserem Wirt. Der Diener schob mich hinaus, und die Andern folgten.

Wir kamen durch den weiten Flur des Hauptgebäudes zunächst in einen Hof, welcher als allgemeine Düngerstätte benutzt zu werden schien. An zwei Seiten standen niedrige, schuppenähnliche Gebäude, welche mit Stroh gefüllt waren. Die vierte Seite des Hofes enthielt Stallungen und hatte in der Mitte einen Durchgang, durch welchen wir in den Garten gelangten.

Dies war ein Rasenplatz, auf welchem zahlreiche Heuschober standen. Dann kamen wir an einige Beete mit Küchengewächsen, zwischen denen einige Blumen blühten. Sollte dies der berühmte »Garten der Glückseligen« sein? Nun, in diesem Fall hatte der Prophet von dem Geschmack der Moslemin gar keine sonderliche Vorstellung gehabt.

Als wir an diesen Beeten vorüber waren, erreichten wir abermals einen Rasenplatz, welcher größer als der vorige war. Auch hier standen mehrere große Feime, aus Heu und verschiedenen Getreidearten errichtet. Und da ragte nun der »Turm der alten Mutter« auf.

Es war ein rundes, sehr altes Bauwerk mit vier Fenstern übereinander, also von ziemlicher Höhe. Fenster aus Glas aber waren, wie gewöhnlich, nicht da. Der Eingang stand offen.

Das Erdgeschoß bestand aus einem einzigen Raum, aus welchem eine ziemlich gebrechliche Treppe nach oben führte. Ich sah, daß Matten an der Wand hingelegt waren, auf denen einige Kissen lagen. In der Mitte des Raumes stand auf niedrigen Füßen ein viereckiges Brett, welches uns wahrscheinlich als Tisch dienen sollte. Weiter gab es nichts.

»Dies ist eure Wohnung, Herr,« erklärte Humun, nachdem er mich hineingeschoben hatte.

»Wohnen öfters Gäste hier?«

»Nein. Dieses Zimmer ist das beste, welches wir haben, und der Gebieter will dich dadurch auszeichnen, daß er es euch anweist.«

»Was für Räume sind über uns?«

»Noch zwei eben solche, wie dieser hier, und dann kommt das Gemach des schönen Blickes in die Ferne; aber sie sind nicht möbliert, weil niemals jemand darin wohnt.«

Die Wand, welche uns umgab, sah fast so aus, als ob hier öfters ein kleines Erdbeben die Mauersteine aus ihrer Fassung zu bringen pflege. Einen Bewurf der Mauer, ein Kamin gab es nicht. Es war ein kahles Loch.

Uebrigens war mir unterwegs ein Gedanke gekommen, wie ich den Diener los werden könnte. Wir waren einem Arbeiter begegnet, welcher böse, triefende Augen hatte, und ich war dadurch unwillkürlich an den Umstand erinnert worden, daß die Orientalen alle den Aberglauben hegen, es gebe einen »bösen Blick«. Die Italiener nennen das bekanntlich Jettatura.

Sieht Einer, welcher mit dem bösen Blick behaftet ist, den Andern nur scharf an, so hat dieser alles mögliche Schlimme zu erwarten. Ein Mensch, welcher ganz zufälligerweise einen scharfen, stechenden Blick besitzt, kommt leicht in den Verdacht, ein Jettatore zu sein, und wird sodann von jedermann gemieden.

Um Kinder gegen den bösen Blick zu schützen, bindet man ihnen rote Bänder um den Hals oder hängt ihnen ein Stückchen Koralle um denselben, welches die Form einer Hand besitzt.

Erwachsene kennen nur ein einziges Mittel, sich vor den Folgen des bösen Blickes zu schützen. Dasselbe besteht darin, daß man die ausgespreizten Finger der erhobenen Hand dem Betreffenden entgegen hält. Wer das tut und sich dann schnell entfernt, bleibt vor den schlimmen Folgen der Jettatura bewahrt.

»Ich bin sehr zufrieden mit dieser Wohnung,« sagte ich. »Hoffentlich wirst du uns für den Abend eine Lampe bringen?«

»Ich bringe sie dann mit, wenn ich euch die Mahlzeit vorsetze. Hast du sonst noch einen Wunsch, Herr?«

»Wasser, das ist alles, was wir für jetzt brauchen.«

»Ich eile, es zu holen, und hoffe, daß ihr mit meiner Aufmerksamkeit und Schnelligkeit zufrieden sein werdet. Solche Herren, wie ihr seid, muß man schleunigst bedienen. Ich habe gehört, was ihr dem Gebieter erzähltet. Ihr besitzet meine Achtung und Ergebenheit. Das Herz hat mir gebebt, als ich von den Gefahren vernahm, in welchen ihr euch befunden habt. Allah ist euer Schutz gewesen, sonst wäret ihr längst zugrunde gegangen.«

»Ja, Allah hat uns stets errettet. Er hat mir ein Geschenk verliehen, welches mich in jeder Gefahr beschützt, so daß kein Feind mir etwas anhaben kann.«

Seine Neugierde war sofort erregt.

»Was ist das, Herr?« fragte er lauernd.

»Mein Auge.«

»Dein Auge? – Wie so?«

»Sieh‘ mir einmal grad, offen und voll in die Augen!«

Er tat es.

»Nun, bemerkst du nichts?«

»Nein, Effendi.«

»Haben meine Augen nicht etwas, was dir auffällt?«

»Gar nichts.«

»Das ist eben das Gute für mich, daß man mir gar nichts ansieht. Ich aber brauche meine Feinde nur anzublicken, so sind sie verloren.«

»Wie so denn, Herr?«

»Weil ihnen niemals wieder im Leben etwas gelingen wird. Wen ich anschaue, der wird von da an nur noch Unglück haben, nämlich wenn ich will. Der Blick meines Auges bleibt bei ihm immerdar. Seine Seele gehört mir hinfort an, und ich brauche nur an ihn zu denken und ihm etwas Böses zu wünschen, so widerfährt es ihm auch.«

»Herr, ist das wahr?« fragte er hastig und erschrocken. »Hast du etwa den Kem bakysch50 in deinen Augen?«

»Ja, ich habe den bösen Blick, wende ihn aber nur gegen Uebelwollende an.«

»So beschütze mich Allah! Ich mag nichts mehr mit dir zu tun haben. Allah w‘ Allah!«

Er streckte mir alle zehn Finger entgegen, drehte sich dann um und rannte in höchster Eile fort. Meine Gefährten brachen in ein lautes Gelächter aus.

»Das hast du gut gemacht, Sihdi,« meinte Halef. »Der kommt nicht wieder, er hat ein böses Gewissen. Wir werden einen andern Diener bekommen.«

»Ja, und zwar wahrscheinlich denjenigen, welchen ich mir wünsche, nämlich Janik, den Bräutigam der jungen Christin.«

»Warum meinst du dies?«

»Weil Humun ihm feindlich gesinnt ist wegen Anka. Er wünscht ihm also Böses und wird es so einzurichten wissen, daß sein verhaßter Nebenbuhler von Habulam mit unserer Bedienung beauftragt wird. Jetzt aber helft mir auf das Polster, und dann geht ihr einmal rekognoszieren. Ich muß wissen, wie es in diesem Turm aussieht.«

Als ich meinen Sitz eingenommen hatte, stiegen die drei Anderen in den Turm hinauf, kehrten aber bald zurück. Halef meldete:

»Ich glaube nicht, daß hier irgend eine Gefahr auf uns lauern kann. Die beiden Stuben des ersten und zweiten Stockes gleichen genau diesem Raum hier.«

»Sind Läden an den Fenstern, so wie hier?«

»Ja, und sie können durch starke hölzerne Riegel versperrt werden.«

»So können wir also dafür sorgen, daß des Nachts niemand einsteigen kann, ohne ein Geräusch zu machen. Und wie ist es ganz oben?«

»Es gibt da ein rundum offenes Gemach mit vier steinernen Säulen, welche das Dach tragen. Ringsum läuft eine steinerne Balustrade.«

»Die habe ich von außen gesehen. Jedenfalls ist da die »alte Frau« hinausgetreten, um ihre Kinder zu segnen.«

»Jetzt aber könnte sie nicht mehr hinaus, weil die frühere Oeffnung zugemauert ist,« bemerkte Halef.

»Das muß irgend einen Grund haben. Wie aber gelangt man hinauf in dieses offene Gemach der schönen Aussicht? Da es offen ist, so kann es hineinregnen, und das Wasser würde über die Treppe herab in die niederen Räume laufen. Dem muß doch wohl vorgebeugt sein?«

»Ja, die Treppenöffnung ist mit einem Deckel verschlossen, den man abheben kann. Er ist am Rand, wie auch die Oeffnung mit Gomelastic51 versehen, so daß er wasserdicht schließt. Der Boden senkt sich ein wenig von der Mitte aus, und in der Mauer ist ein kleines Loch, durch welches das Wasser ablaufen kann.«

»Hm! Dieses offene Gemach kann uns bedenklich werden. Man kann da einsteigen.«

41.Podagra.
42.Tassen.
43.Palästina.
44.Sahara.
45.Aegypten.
46.Arabien.
47.Geographie.
48.Buchhändler.
49.Armeelieferant.
50.Böser Blick.
51.Gummi.
Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
560 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
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