Kitabı oku: «Durch das Land der Skipetaren», sayfa 24
»Willst du ein Mörder sein?«
»Ein Mörder? Wo denkst du hin! Diese Halunken sind Raubtiere, und wie ich einen stinkenden Schakal oder eine Hyäne erschlage, ohne mir Vorwürfe darüber zu machen, so kann ich auch diese Schurken unschädlich machen, ohne daß es mein Gewissen beschwert.«
»Wir sind nicht ihre Richter!«
»Oho! Sie trachten uns nach dem Leben. Wir befinden uns ihnen gegenüber im Zustand der Notwehr.«
»Das ist freilich wahr; aber wir können doch ihre Anschläge zunichte machen, ohne sie zu töten.«
»So werden wir sie nicht los, und sie werden uns noch weiter verfolgen.«
»Wenn wir so gut aufpassen wie bisher, können sie uns nichts anhaben.«
»Wollen wir uns denn immer und immer mit dem Gedanken an diese Schurken plagen? Haben wir einen Genuß von unserer Reise? Kann unser Ritt uns zur Bereicherung unserer Kenntnisse dienen? Wir reiten durch dieses Land wie Ameisen, welche über den Weg laufen und im nächsten Augenblicke gewärtig sein müssen, zertreten zu werden. Ich danke für ein solches Vergnügen! Also schießen wir diese Schakale in Menschengestalt nieder, wo und wann wir können!«
»Ich weiß recht wohl,« erwiderte ich, »in welcher Lage wir uns befinden. Bringen wir sie vor einen Richter, so werden wir heimlich ausgelacht. Nehmen wir selbst das Recht der Vergeltung in die Hand, so handeln wir gegen die Gebote meines Glaubens und gegen die Satzungen der Menschlichkeit. Wir müssen also beides unterlassen und lieber versuchen uns dieser Feinde zu erwehren, ohne an ihnen ein Verbrechen zu begehen.«
»Es ist aber gar kein Verbrechen!«
»In meinen Augen doch. Wenn ich mich eines Feindes in anderer Weise zu erwehren vermag, so ist es strafbar, ihn zu töten. Mit List erreicht man oft so viel, wie mit Gewalt.«
»Wie willst du das anfangen?«
»Ich lasse sie auf den Turm steigen und sorge dafür, daß sie nicht wieder herab können.«
»Dieser Gedanke ist freilich gar nicht übel. Aber wenn sie hinaufsteigen können, so wird es ihnen nicht unmöglich sein, auf demselben Wege wieder herab zu kommen.«
»Auch wenn wir ihnen, sobald sie oben sind, die Leiter wegnehmen?«
»Hm! Dann kommen sie die Treppe herunter.«
»Wenn sie das täten, würden sie verraten, daß sie Arges gegen uns geplant haben. Und übrigens können wir ihnen diesen Weg ja verschließen. Wir brauchen nur einen Hammer und große Nägel, um den Deckel am Fußboden festzunageln.«
Janik erbot sich, das Gewünschte herbeizuschaffen, nebst einer großen eisernen Klammer.
»Das ist gut,« fuhr ich fort. »Diese Klammer wird unsern Zweck am sichersten erfüllen. Wir befestigen den Deckel über der obersten Treppe, so daß er nicht von außen emporgezogen werden kann. Dann können die Leute nicht zur Treppe herab, und da wir ihnen die Leiter wegnehmen, so müssen sie in dem Regenwetter oben stehen bleiben, bis der Tag anbricht. Das wird ihre Unternehmungslust wohl ein wenig abkühlen.«
»Sihdi,« meinte Halef, »dein Plan versöhnt mich mit deiner sonstigen Gutmütigkeit. Es ist doch ein recht hübscher Gedanke, diese Halunken da oben zu wissen, wo sie während der ganzen Nacht stehen müssen. Setzen können sie sich ja nicht, da es von allen Seiten hereinregnen kann; es schwimmt also sicherlich viel Wasser auf dem Boden. Dieser oberste Kat76 ist grad so gebaut wie eine Laterne, in welcher sich kein Glas befindet. Er hat nur zur Aussicht gedient, und der Regen findet also ungehinderten Eingang. Da nun die Türe, welche heraus auf den Söller geführt hat, zugemauert worden ist und auch der Deckel luftdicht schließt, so kann das Regenwasser vielleicht gar nicht ablaufen.«
»O doch,« fiel Janik ein. »Es ist ein kleines Loch vorhanden, welches durch die Mauer führt.«
»Können wir das nicht verstopfen?«
»Sehr leicht. Es ist genug Uestipü77 vorhanden.«
»Prächtig! So wird es fest verstopft. Ah, diese Mörder sollen oben im Wasser stehen und sich die Gicht, Rheumatismus, die Zipperlein und alle zehntausend Arten von Erkältungen holen. Ich wollte, sie müßten bis unter die Arme im Wasser stehen und – —«
Er sprang auf und schritt schnell hin und her. Er hatte einen Gedanken. Dann blieb er vor dem Diener stehen, legte demselben die Hand auf die Achsel und sagte:
»Janik, du bester und treuester der Freunde! Ich habe dich lieb, aber ich würde dich noch hundertmal mehr lieben, wenn du hättest, was ich brauche.«
»Nun, was bedarfst du denn?« fragte der Angeredete.
»Ich bedarf eines Gegenstandes, welcher hier bei euch jedenfalls nicht vorhanden ist. Denn nicht wahr, bei euch gibt es keine Tulumba78?«
»Eine große nicht, dafür aber eine Bostan fyschkyrmajü79, welche auf zwei Rädern läuft.«
»Mensch! Mann! Freund! Bruder! Was für ein prächtiger Kerl bist du! Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß ihr eine Spritze habt!«
»Der Herr hat sie im vorigen Jahre aus Uskub kommen lassen, weil ihm immer die Feime angezündet wurde. Sie steht stets zum Gebrauch bereit im Garten.«
»Wie viel Wasser faßt sie denn?«
»Etwas mehr als was in eine große Kurna80 geht.«
»Das ist gut; aber was nützt mir die herrliche Bostan fyschkyrmajü, wenn die Hauptsache dazu nicht vorhanden ist.«
»Was meinst du denn?«
»Einen Kyrba81, einen möglichst langen Kyrba. Aber ein solcher ist wohl nicht da?«
Der kleine Hadschi war ganz begeistert. Er sprach seine Fragen so angelegentlich aus, als ob es sich um das höchste Glück der Erde handle.
»O, einen Kyrba haben wir, nicht etwa zur Aufbewahrung des Wassers während der Reise, sondern einen Akar su getirdschi82, wie er beim Löschen eines Feuers gebraucht wird. Nur fragt es sich, wie lang er sein soll.«
»So lang, daß er bis auf die Zinne des Turmes reicht.«
»So lang ist er, wohl sogar noch ein wenig länger.«
»Mann, ich muß dich umarmen! Komm an mein Herz; du bist die Freude meines Daseins, die Wonne meines Lebens und das Glück meiner Tage! Also eine Spritze ist vorhanden und auch ein Schlauch. Das ist zum Entzücken! Einen Schlauch, so lang, wie ich ihn brauche! Wer hätte geglaubt diesen Gegenstand hier in Kilissely zu finden!«
»Dies ist leicht begreiflich. Ohne diesen Schlauch würde die Spritze uns nicht viel helfen, da wir das Wasser weit zu schleppen hätten.«
»Meinst du von dem Fischteich da draußen herein?«
»Nein; das wäre zu weit. Wir haben gleich hinter dem Turm, ganz an der Mauer desselben, ein großes Su deliki83, welches stets gefüllt ist. Dahin kommt die Spritze zu stehen, und den Schlauch führt man natürlich dorthin, wo es brennt.«
»Ein Su deliki, aus welchem man die Spritze füllen kann! Ist es tief? Ist es groß? Ist viel Wasser in demselben vorhanden?«
»Ich weiß nicht, wozu du das Wasser haben willst; aber ich glaube, daß es dir zu deinem Vorhaben nicht daran mangeln wird.«
»Glaubst du? Das ist wirklich herrlich! Deine Worte sind wie die Tropfen des Taues, welcher auf die verschmachtende Flur fällt. Deine Rede ist mehr als hundert Piaster wert, und wenn ich einst ein Bin kire bin Sahibi84 geworden bin, sollst du sogar tausend erhalten. Du weißt also nicht, wozu ich das Wasser brauche?«
»Nein.«
»Du ahnst es auch nicht?«
»Nein.«
»So schütze Allah dein Gehirn, welches einer ausgetrockneten Zisterne gleicht. Merke auf, mein Sihdi wird sofort erraten haben, was ich beabsichtige. Nicht wahr, Herr?«
Da diese Frage an mich gerichtet war, so nickte ich mit dem Kopf.
»Und was sagst du dazu?«
Seine Augen leuchteten vor innerer Lust. Der Gedanke erfüllte ihn mit Entzücken, unsern Feinden einen Streich spielen zu können. Darum war er auch ziemlich enttäuscht, als ich ihm ernsten Tones antwortete:
»Es ist ein Tschodschukluk85, weiter nichts.«
»Sihdi, das darfst du nicht sagen. Die Schurken besteigen den Turm, um uns zu töten. Du willst dafür sorgen, daß sie nicht herabkönnen und während der ganzen Nacht oben bleiben müssen. Nun gut, so will ich das Meinige hinzufügen, daß sie sich nicht etwa übermäßig wohl da oben fühlen sollen. Wir pumpen ihnen das ganze Turmgemach voll Wasser. Dieses Gemach ist zwar rundum offen; aber die Wand ist dennoch so hoch, daß sie einem Mann bis an die Brust reicht, und so hoch sollen sie im Wasser stehen. Oder fühlst du Mitleid mit ihnen? Rührt es dich, daß diese Mörder sich vielleicht erkälten und einen kleinen Disch aghryßy86 bekommen können?«
»Nein, das nicht. Es ist ihnen zu gönnen, daß sie die Nacht so unbequem wie möglich zubringen, aber ich möchte dein Vorhaben doch nicht billigen.«
»Aber Strafe muß doch sein!«
»Ganz recht. Doch kannst du dadurch dich und uns in Schaden bringen.«
»Nein, Sihdi. Wir treffen unsere Vorbereitungen so, daß kein Mensch etwas davon bemerken soll. Was sagt denn ihr dazu, Osko, Omar?«
Die beiden Genannten waren mit ihm einverstanden. Alle drei stürmten nun so lange mit Bitten auf mich ein, bis ich wohl oder übel Ja sagte.
Janik ging nun und kehrte nach einer Weile mit dem radförmig aufgewundenen Schlauch nebst einer Leine zurück. Die Andern stiegen mit ihm in den Turm hinauf, und bald hörte ich auch trotz des gegen die Läden prasselnden Regens laute Hammerschläge. Janik hatte den Hammer und die Klammer in der Tasche stecken gehabt, und nun, nachdem sie den Schlauch angebunden hatten, schlugen sie den Treppendeckel so fest, daß niemand aus dem oberen Raume des Turmes herab gelangen konnte.
Als sie zurückkehrten, meinte Halef im Tone größter Befriedigung:
»Das haben wir gut gemacht, Sihdi. Du selbst hättest es nicht besser machen können.«
»Nun, wie habt ihr denn den Schlauch befestigt?«
»So, daß er außen am Turme herabhängt und dann unten an die Spritze geschraubt werden kann.«
»Und wenn sie die Leiter anlegen, sehen sie ihn.«
»Janik sagt, daß sie die Leiter jedenfalls an der entgegengesetzten Seite anlegen werden, wo ihnen keine Bäume hinderlich sind. Das Mundstück des Schlauches führt nach dem Gemach, aber so, daß das Wasser innen an der Wand herabläuft, ohne Geräusch zu machen. Sie müßten in der Dunkelheit sehr suchen, um es zu finden. Auch in den anderen Stuben sind die Läden alle verriegelt, und ich wünsche nur, daß die Badegäste bald kommen.«
»Das wird noch längere Zeit währen, da Habulam davon sprach, daß er uns ein gutes Abendessen senden werde.«
»Soll ich gehen, um es zu holen?« fragte Janik.
»Ja, tue das. Je eher wir essen, desto weniger lang brauchen wir zu warten. Aber stelle dich so, als ob du wirklich von der Eierspeise gegessen hättest und Schmerzen fühltest. Siehe auch zu, daß du mit Anka zu reden kommst! Vielleicht hat sie dir etwas mitzuteilen.«
Er ging, und wir warteten still, da wir nichts Wesentliches mehr zu besprechen hatten, auf seine Rückkehr. Halef kauerte auf seiner Decke, rieb sich von Zeit zu Zeit mit leisem Lachen die Hände und stieß dabei unverständliche Rufe aus. Seine Gedanken waren ausschließlich mit der Einwässerung unserer Feinde beschäftigt.
Als Janik zurückkehrte, war er nicht allein. Er brachte unser Nachtmahl, und da er nicht alles zu tragen vermocht hatte, war er von Humun begleitet worden. Dieser trat aber nicht mit ein; er blieb draußen stehen, bis Janik ihm seine Last abgenommen hatte, und entfernte sich dann in höchster Eile.
Das Essen war ausgezeichnet. Wir hatten eine tüchtige Schüssel Balyk tschorbajü87, wie sie in Prag oder in Wien nicht besser auf den Tisch gebracht wird. Da es keine Löffel gab, erhielten wir Tassen, mit welchen wir die Suppe schöpften und zum Munde führten. Dann kam ein riesiger Iblig dolduri88 mit einem Teige von Mehl, Feigen und zerstoßenen Nüssen gefüllt. Nachher ein Oghlak kebabi89, der gar nicht so übel war, obgleich man oft einem begründeten Vorurteil gegen Ziegenfleisch begegnet. Dazu gab es fetten Pillaw mit Rosinen und weich gedämpften Mandelkernen. Den Nachtisch bildeten Früchte und Zuckerwaren, welche wir nicht berührten. Auch von dem Uebrigen blieb weit über die Hälfte übrig. Wir hätten nichts angerührt; aber Anka ließ uns sagen, daß wir ohne Sorge essen könnten, da sie die Speisen ganz allein zubereitet habe und während der betreffenden Zeit kein Mensch zu ihr in die Küche gekommen sei.
»Aber dein Herr ist in seiner Wohnung?« fragte ich Janik.
»Ja. Er sitzt und raucht und starrt vor sich hin. Er ließ mich kommen und fragte mich, was mir fehle. Ich machte nämlich ein entsetzliches Gesicht. Ich antwortete ihm, daß ich eine Aiwa90 gegessen hätte, welche wohl unreif gewesen sein müsse und mir ein großes Leibweh verursache.«
»Das war sehr klug von dir. Jetzt ist er vielleicht der Meinung, daß du von seiner Giftmischerei gar nichts ahnest, und wird es darum nicht für nötig halten, sich vor dir zu verstellen.«
»Das ist richtig. Verstellt hat er sich freilich nicht. Er zeigte mir ganz offen die Wut, welche er gegen euch hegt, und wollte alles wissen, was ihr tut und sagt. Ich erzählte ihm, daß du Schmerzen im Fuße habest und nicht gehen könntest. Eure Ermüdung sei so groß, daß ihr baldigst zur Ruhe zu gehen wünschtet. Darauf gebot er mir, euch gleich nach dem Essen das Lager zu bereiten. Dann solle ich sofort schlafen gehen. Je eher ihr euch niederlegt, desto zeitiger würdet ihr aufstehen, meinte er, und dann müsse ich ausgeschlafen haben, um zu eurer Bedienung da zu sein.«
»Sehr klug von ihm! Wo schläfst du gewöhnlich?«
»Mit Humun und den anderen Dienstleuten.«
»Das ist unangenehm! Da kannst du dich nicht unbemerkt entfernen, und wir brauchen dich doch.«
»O, was das betrifft, Effendi, so darfst du ohne Sorge sein. Keiner will von heute an mehr mit mir schlafen, und Humun hat mir auf Befehl des Herrn ein Lager unter dem Dach angewiesen. Aber wenn du es wünschest, so tue ich, als ob ich schlafen gehen wolle, werde aber in den Turm hierher kommen. Ihr habt dann verriegelt, und ich klopfe an.«
»Aber nicht wie gewöhnlich. Das könnte zufälligerweise auch ein Anderer tun. Klopfe an den Laden hier, welcher nach hinten führt, und zwar erst einmal, dann zwei- und nachher dreimal. So wissen wir, daß du es bist, und werden öffnen. Teile dieses Zeichen deiner Anka mit. Man weiß nicht, was während deiner Abwesenheit bei Habulam passieren kann. Sie mag aufpassen und uns nötigenfalls Botschaft bringen.«
Janik schaffte nun das Speisegeschirr fort und brachte uns dann noch einige Decken für das Lager. Nach seiner abermaligen Entfernung löschten wir das Licht aus. Die Läden und auch die Türe waren zwar verriegelt, aber sie hatten so viele Spalten, daß man von außen sehr leicht sehen konnte, daß wir kein Licht mehr hatten.
Wohl erst gegen zwei Stunden später kehrte Janik zurück. Er gab das verabredete Zeichen, und wir ließen ihn ein.
»Ich komme so spät,« flüsterte er uns zu, »weil mir der Gedanke kam, Habulam zu belauschen. Die Leute mußten alle schlafen gehen; dann schlich er sich mit Humun zu der Feime. Beide sind soeben hineingekrochen.«
»So wissen wir also, woran wir sind. Man wird meinen, daß wir schlafen, und wir können nun die Besteigung des Turmes baldigst erwarten.«
»Das müssen wir sehen,« sagte Halef und er stieg, von den Uebrigen gefolgt, rasch die Treppe hinauf.
Es regnete noch immer, ja, es draschte so laut hernieder, daß man die Schritte der draußen Gehenden gar nicht hören konnte.
Ich saß nun allein im unteren Gemach und wartete. Nach einiger Zeit kamen die vier Männer zu mir herab, und Halef meldete:
»Sihdi, sie sind oben. Soeben steigt der Letzte empor; es waren sieben Personen.«
»Neun waren in der Feime. Der Miridit ist fort. Der Mübarek wird zurückgeblieben sein, weil er verwundet ist.«
»So stimmt es. Nun werden wir sofort die Leiter entfernen und die Gartenspritze holen.«
»Nehmt Decken über, sonst werdet ihr naß bis auf die Haut.«
Sie taten das in aller Eile und schoben dann den Riegel von der Türe zurück, um hinaus zu gehen. Ich richtete mich an der Wand empor und öffnete den nach hinten gehenden Laden. Es war dunkel draußen; aber trotz der Finsternis und des dicken Regens bemerkte ich doch bald die vier Männer, welche sich da ganz in der Nähe des Ladens zu schaffen machten. Dann vernahm ich das taktmäßige Kreischen des Hebels der Spritze. Sie hatten den Schlauch angeschraubt und pumpten aus allen Kräften Wasser nach oben. Das Wasserloch befand sich vor meinem Fenster. Von Zeit zu Zeit ließ sich Halefs leise kommandierende Stimme hören. Der kleine Hadschi befand sich trotz des Regengusses ganz in seinem Element.
Oben aber blieb alles still. Daß das Pumpen von Erfolg war, ließ sich denken. Wahrscheinlich konnten sich die Schurken da oben nicht erklären, woher das Wasser kam, aber sie hüteten sich wohl, ihre Gegenwart zu verraten. Jedenfalls gaben sie sich große Mühe, den Deckel über der Treppe zu öffnen. Habulam hatte ja gesagt, daß er sich zu diesem Zwecke mit einem Bohrer versehen wolle. Möglich war es immerhin, daß sie die Klammer auswuchteten. In diesem Falle kamen sie herab, und ich machte mich bereit, sie mit dem Revolver zu empfangen. Aber so scharf ich nach der Treppe lauschte, es ließ sich nichts hören. Halef hatte also den Deckel gut befestigt.
So verging eine ziemlich lange Zeit, wohl über eine Stunde. Dann kehrten die Vier zu mir zurück.
»Wir sind fertig, Sihdi!« meldete der Hadschi mit größter Befriedigung. »Wir haben gepumpt aus Leibeskräften. Jetzt aber sind wir pudelnaß. Erlaubst du uns, die Lampe anzubrennen?«
»Ja; es ist besser, wir haben Licht.«
Er zündete die Lampe an und goß Oel zu. Dann stiegen sie nach oben, bis in den Raum, über welchem unsere Gegner im Wasser standen. Dort öffneten sie einen Laden, und dann hörte ich Halefs Stimme:
»Allah sallam wer, tschelebilerim – Allah grüße euch, meine Herren! Wollt ihr bei dieser drückenden Tageshitze ein wenig frische Luft schnappen? Wie gefällt euch die reizende Aussicht da oben? Unser Effendi läßt euch fragen, ob er euch sein Dürbün91 heraufschicken soll, damit ihr den Regen besser erkennen könnt.«
Ich lauschte, hörte aber keine Antwort. Die Verspotteten schienen sich ganz still zu verhalten.
»Warum badet ihr denn eigentlich des Nachts so hoch da oben?« fuhr Halef fort. »Ist es hierzulande so Sitte? Es sollte mich sehr schmerzen, wenn das Wasser nicht die gehörige Wärme hätte. Aber man soll niemand im Bad belauschen; darum werden wir uns höflich zurückziehen. Hoffentlich seid ihr bis Tagesanbruch fertig; dann werde ich, euer untertänigster Diener, mir erlauben, mich nach eurem hohen Befinden zu erkundigen.«
Er kam mit den Andern herab und lachte mir zu:
»Sihdi, sie sind prächtig in die Falle gegangen, und keiner wagt es, ein Wort zu sprechen. Es war mir, als ob ich ihre Zähne klappern hörte. Jetzt könnten wir nun eigentlich gemütlich schlafen, denn stören kann uns niemand.«
»Ja, schlaft ruhig,« sagte Janik. »Ihr seid vom Reiten ermüdet, ich aber bin noch munter. Ich werde wachen und euch sofort wecken, wenn es nötig ist. Aber wir haben nichts zu befürchten. Die Männer können nicht herab. Höchstens wäre es möglich, daß das Wasser durch die Decke dränge und zu uns herabkäme. Aber auch das wäre ganz außer Gefahr.«
Er hatte recht. Und da wir uns auf ihn verlassen konnten, so legten wir uns nieder.
Siebentes Kapitel: In Wassersnot
Es wollte, obgleich ich ermüdet war und der Ruhe bedurfte, kein Schlaf über meine Augen kommen. Ich hörte das öftere, leise Kichern meines Hadschi, welcher sich über das Gelingen seines Streiches freute und darum auch keine Ruhe fand; ich vernahm das monotone, unausgesetzte Geräusch des Regens, welches mich endlich doch einschläferte. Da aber wurde ich bald durch ein lautes Klopfen wieder aufgeweckt; man pochte an die Tür, und zwar so, wie ich es Janik vorgeschrieben hatte. Ich richtete mich auf; ich nahm an, daß es Anka sei, welche uns wohl eine Meldung zu machen hatte.
Janik öffnete, und meine Vermutung bestätigte sich: das Mädchen trat ein. Halef, Osko und Omar waren natürlich auch gleich munter.
»Verzeihung, daß ich euch störe, Effendim,« sagte unsere hübsche Verbündete. »Ich bringe eine Botschaft. Janik hat mir von eurem Vorhaben erzählt: ihr wolltet die Leute da oben ins Wasser stellen. Ist euch das gelungen?«
»Ja, und sie sind noch oben.«
»Und ich denke, daß sie fort sind.«
»Ah! Wie wäre es ihnen möglich gewesen, herabzukommen?«
»Das weiß ich nicht; aber ich habe allen Grund anzunehmen, daß sie sich jetzt vorn im Schlosse befinden.«
»Das wäre freilich überraschend. Erzähle!«
»Janik hatte mich aufgefordert, aufmerksam zu sein. Habulam schickte mich zeitig zur Ruhe, aber ich blieb wach und blickte durch das Fenster. Ich sah meinen Herrn mit Humun nach dem Garten schleichen. Damit ich ihn bei seiner Rückkehr hören könne, ging ich in das Erdgeschoß und legte mich hinter die Türe eines dortigen Gemaches, an welcher er vorüber mußte und die ich ein wenig offen ließ. Trotz der Mühe, welche ich mir gab, wach zu bleiben, schlief ich ein. Welch eine Zeit vergangen war, weiß ich nicht; ich wurde von einem Geräusch geweckt. Zwei Männer kamen aus dem Hof und gingen an meiner Türe vorüber. Der eine sprach, und ich erkannte Habulam an der Stimme. Er fluchte, wie ich es noch nie von ihm gehört habe. Ich hörte, daß in der Küche ein großes Feuer gemacht und daß Kleider von ihm herbeigeschafft werden sollten. Ich glaube, es ist Humun gewesen, mit dem er gesprochen hat. In der Küche gab es bald ein großes Geräusch. Ich hörte zornige Stimmen und das laute Knistern und Platzen des brennenden Holzes. Was man dort vornimmt, das weiß ich nicht; aber ich bin herbeigeeilt, um euch zu sagen, was ich beobachtet habe.«
»Das ist sehr brav von dir. Die Leute müssen auf irgend eine Weise entkommen sein. Halef, wohin habt ihr die Leiter geschafft?«
»Wir haben sie nicht fortgetragen, sondern zur Erde niedergelegt. Die Badegäste können doch nicht vom Turm herabgelangt haben, um die Leiter aufzurichten!«
»Das ist wahr, aber es können einige von ihnen an dem Schlauch herabgestiegen sein und die Leiter wieder angelehnt haben.«
»Hascha – Gott behüte! Sehen wir gleich einmal nach!«
Er eilte hinaus. Omar und Osko folgten ihm. Als sie nach wenigen Minuten zurückkehrten, machte Halef ein sehr verdrießliches Gesicht und sagte:
»Ja, Sihdi, sie sind fort. Ich bin hinaufgestiegen.«
»So lehnt die Leiter an dem Turm?«
»Leider! Auf der andern Seite liegt der Schlauch unten an der Erde.«
»Also ist es genau so, wie ich vermutete. Sie haben den Schlauch entdeckt. Einige ließen sich an demselben herab, worauf er losgebunden und herabgeworfen wurde. Dann legten sie die Leiter an. Die Anderen stiegen herab und haben sich nun in die Küche begeben, um sich zu erwärmen und ihre nassen Kleider zu trocknen.«
»Ich wollte, sie säßen in der Hölle, wo sie viel schneller trocken würden, als in der Küche!« zürnte Halef. »Was werden wir nun tun, Effendi?«
»Hm! Das muß überlegt werden. Ich denke, daß wir —«
Ich wurde unterbrochen. Wir hatten die Türe nicht verriegelt, und sie klaffte ein klein wenig, so daß der Schein des Lichtes nach außen fiel. Jetzt wurde sie weiter aufgestoßen, und die Stimme Habulams ließ sich hören:
»Anka, Scheïtan kyzi92! Wer hat dir erlaubt, hierher zu gehen?«
Das Mädchen zuckte erschrocken zusammen.
»Sofort kommst du heraus!« befahl der draußen Stehende. »Und Janik, du Hund, bist auch da drin! Was habt ihr euch in den Garten zu schleichen! Heraus mit euch! Die Peitsche wird euch lehren, was Gehorsam heißt.«
»Murad Habulam,« antwortete ich, »willst du nicht die Güte haben, herein zu kommen?«
»Ich danke! Ich mag mich nicht von deinem bösen Blick verderben lassen. Wenn ich gewußt hätte, welch ein Verführer der Dienstboten du bist, so wäre dir mein Haus verschlossen geblieben.«
»Darüber werden wir ausführlicher sprechen. Komm nur herein!«
»Fällt mir nicht ein! Schicke mir mein Gesinde heraus! Dieses hinterlistige Gezücht hat nichts bei dir zu schaffen!«
»Hole sie dir!«
Er antwortete nicht, aber ich hörte leise Stimmen. Er war also nicht allein.
»Wenn er nicht kommt, werde ich ihn holen,« sagte der Hadschi und trat an die halb offene Türe. Da hörte ich das Knacken eines Hahnes und eine Stimme gebot:
»Zurück, Hund, sonst erschieße ich dich!«
Halef warf die Türe zu.
»Hast du es gehört, Sihdi?« fragte er, weit mehr erstaunt als erschrocken.
»Sehr deutlich,« antwortete ich. »Das war Barud el Amasats Stimme.«
»Ich glaube auch. Es standen zwei Männer drüben an der Feime und schlugen die Gewehre auf mich an. Der meuchlerische Ueberfall ist ihnen nicht geglückt; nun versuchen sie es mit dem offenen Angriff.«
»Das möchte ich doch bezweifeln. Sie werden es nicht wagen, uns hier niederzuschießen; das würde ja offenbar werden. Wäre es ihr Ernst, so hätten sie nicht bloß gedroht, sondern ohne Warnung geschossen.«
»Meinst du? Aber warum stellen sich die Zwei dahin?«
»Das errate ich. Sie wollen sich aus dem Staub machen. Man hat die Abwesenheit von Janik und Anka bemerkt und Verdacht gefaßt. Man hat sie gesucht und bei uns gefunden. Jetzt wissen die Schurken, daß Flucht das Beste für sie ist, und damit wir sie nicht hindern sollen, halten uns diese Beiden hier in Schach, während die Andern sich zur schnellen Abreise vorbereiten.«
»Ich stimme dir vollständig bei, Effendi; aber wollen wir das so ruhig dulden?«
Ich nahm den Stutzen, stand auf und tastete mich an der Wand hin bis an den Laden neben der Türe. Omar mußte die Lampe auslöschen, so daß man mich von draußen nicht leicht sehen konnte. Ich zog den Laden leise auf und sah hinaus. Es hatte aufgehört zu regnen, und der Tag begann, zu grauen. Drüben, nur wenige Schritte vom Turm entfernt, lehnten zwei Gestalten. Der Eine hatte den Kolben seines Gewehres auf die Erde gestemmt; der Andere hielt seine Flinte im rechten Arme grad empor. Da er mir sein rechtes Profil zukehrte, stieg der Lauf der Waffe hart an seiner Wange auf. Beide schienen angelegentlich miteinander zu sprechen.
Ich konnte meinen Stutzen auf die untere Kante der Fensteröffnung legen und war trotz der noch herrschenden Dunkelheit meines Schusses sicher. Ich zielte auf den Lauf der Flinte und drückte ab. Fast zu gleicher Zeit mit dem Schuß erschallte ein Schmerzgeschrei. Meine Kugel hatte getroffen und dem Mann den Lauf an das Gesicht geschlagen, ja, ihm das Gewehr aus der Hand geprellt.
»Ej müssibet, ej hylekiat – o Unglück, o Hinterlist!« schrie er. Ich erkannte ihn an der Stimme – es war Barud el Amasat.
»Fort, fort!« rief Manach. »Dieser Schuß weckt alle Bewohner des Schlosses auf!«
Er hob das Gewehr des Andern auf, ergriff diesen am Arm und zog ihn mit sich fort. Im nächsten Augenblick waren sie verschwunden.
Aus den Worten Manachs war zu schließen, daß sie gar nicht beabsichtigt hatten, zu schießen. Es lag ihnen sehr daran, daß ihre Gegenwart nicht von den Leuten Habulams bemerkt würde.
Jetzt wandte ich mich zu meinen Gefährten:
»Nehmt eure Waffen, und eilt in den Stall! Es ist leicht zu denken, daß die Burschen unsere Pferde mitnehmen wollen.«
Alle rannten zur Türe hinaus. Ich setzte mich ihr gegenüber wieder nieder und behielt den Stutzen in der Hand, um auf alles vorbereitet zu sein.
Auch Anka hatte sich zugleich entfernt. Sie kehrte nach einiger Zeit mit Janik und Omar zurück, welcher mir meldete, daß Osko und Halef im Stalle geblieben seien, um die Pferde zu bewachen. Es schien, daß es niemand nach denselben gelüstet habe; überhaupt war ihnen kein Mensch zu Gesicht gekommen. Das beruhigte mich.
Jetzt galt es, vor allen Dingen zu erfahren, wo die Bäume zu suchen seien, unter denen die Pferde unserer Feinde untergebracht gewesen waren; aber weder Anka noch Janik wußte es.
»Ich bin überzeugt, daß Humun es weiß,« fügte der Bursche hinzu, »aber er wird es dir nicht sagen.«
»O, ich habe ein sehr gutes Mittel,« erwiderte ich, »eine Zange, mit deren Hilfe ich alles, was ich will, aus ihm herausziehen werde.«
»So kannst du weit mehr als Andre. Er wird seinen Herrn und dessen Verbündete niemals verraten.«
»Du sollst dabei sein, um dich zu überzeugen, wie offenherzig er gegen mich sein wird. Kennst du Afrit, den Schneider, genauer?«
»Nein. Zwar weiß ich, daß er eigentlich Suef heißt, aber eine eingehendere Auskunft kann ich leider nicht erteilen. Er ist sehr oft bei Murad Habulam, und ich habe ihn stark im Verdacht, daß er keine ehrlichen Dinge mit ihm verhandelt. Darum bin ich ihm stets aus dem Wege gegangen. Es ist besser, wenn man mit solchen Menschen gar nicht in Berührung kommt. Am liebsten möchte ich fort von hier, und ich würde mich freuen, wenn ich dich nach Weicza begleiten könnte. Wenn du bei oder in Karanorman-Khan zu tun hast, könnte ich dir vielleicht nützlich sein.«
»Ich suche dort einen großen Verbrecher, welcher wahrscheinlich ein Freund und Verbündeter Habulams ist.«
»Wie? Mit solchen Leuten hegt mein Herr Freundschaft?«
»Ja. Die Männer, welche heute bei ihm waren, sind gleichfalls Räuber und Mörder, welche uns nach dem Leben trachten. Und was dein Herr ist, kannst du ja daraus ersehen, daß er uns vergiften wollte.«
»Das ist wahr. Effendi, ich bleibe nicht da. Ich gehe aus diesem Hause, und wenn ich noch so lange Zeit ohne Lohn und Verdienst bleiben sollte. Die Zeit unseres Glückes wird zwar dadurch hinausgeschoben, aber wir wollen lieber warten, als daß wir einem solchen Herrn dienen.«
»Nun, was das betrifft, so hast du ja von mir deinen Lohn zu fordern, und Anka ebenso. Ihr beide habt uns das Leben gerettet. Wäret ihr nicht gewesen, so lebten wir nicht mehr. Also habt ihr einen Lohn von uns zu fordern, der eurer Tat und unserm Vermögen angemessen ist.«
»Das ist wahr,« rief es von der Türe her. »Wir werden uns nicht nachsagen lassen, daß wir undankbar seien, Sihdi.«
Halef war es, welcher sprach. Er war aus dem Stall herbeigekommen und hatte den letzten Teil unseres Gespräches gehört. Er fuhr fort:
»Wir sind leider nicht reich, aber es ist uns doch vielleicht möglich, etwas zu eurem Glück beizutragen. Wenn ihr eure jetzige Stellung um unsertwillen aufgebt, so müssen wir dafür sorgen, daß ihr gar nicht wieder in einen Dienst zu gehen braucht. Ich frage dich also, Janik, mit der ganzen Würde meiner Seele, ob du diese Anka hier zum Weibe wünschest.«
»Natürlich!« lachte Janik vergnügt.
»Und wann?«
»Möglichst bald.«
»Und du, Blume von Kilissely und Retterin unseres Lebens, soll dieser Diener Janik dein Mann werden, dem du stets zu gehorchen hast, so lange er nämlich verständig ist und keine Albernheiten von dir fordert?«
»Ja, er soll mein Mann sein,« sagte das Mädchen errötend.
»Nun, so soll unser Segen auf euch niederträufeln aus diesem Beutel des Glückes und der Dankbarkeit. Ich bin der glorreiche Kassierer unserer Gesellschaft. Es war ein Geld des Unglückes, aber wir nahmen uns vor, es in eine Münze des Glückes zu verwandeln, und jetzt haben wir die Gelegenheit dazu.«