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Kitabı oku: «Durch das Land der Skipetaren», sayfa 9

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Drittes Kapitel: Ein Hekim

Der Fuß, welchen ich mir im Kampfe mit den Aladschy verletzt hatte, begann mich zu schmerzen; es war notwendig, ihn zu untersuchen. Darum ließ ich die Pferde in Galopp setzen, um baldigst am Ziel anzukommen. Als wir uns kurz vor Radowitsch wieder dem Fluß näherten, sah ich ein winziges Häuschen, vor welchem ein alter Mann saß, der uns mit einer auffallenden Aufmerksamkeit betrachtete. Es lag eine Art von Zweifel in seinen Mienen.

Ohne eigentlich einen klaren Grund zu haben, hielt ich an und grüßte ihn. Er stand auf und dankte mir ehrerbietig, vermutlich wegen meines grünen Turbans.

»Kennst du uns etwa, Väterchen?« fragte ich ihn.

»O nein. Ich habe euch noch niemals gesehen,« antwortete er.

»Du schautest uns aber doch so seltsam an; hattest du einen Grund dazu?«

»Ich hielt euch für böse Skipetaren.«

»Sehen wir denn wie Skipetaren aus?«

»Gewiß nicht; aber dieses schwarze Pferd machte mich irre. Wenn der Reiter desselben von größerer Gestalt wäre, so würde ich, trotzdem ihr nicht so gekleidet seid, doch denken, ich hätte diese Skipetaren vor mir.«

»Welche meinst du denn?«

»Verzeihe, Herr! Ich soll ja nicht davon sprechen.«

»So, so! Nun, ich versichere dir, daß es keinem braven Menschen einen Schaden machen wird, wenn du es uns sagst.«

»Vielleicht doch. Wenn du es weiter erzählst, könnten die Skipetaren es erfahren und die braven Leute noch weiter verfolgen.«

»Ich sage es niemand. Halef, gib dem alten Vater ein Bakschisch!«

Der Hadschi zog den Beutel und warf ihm etwas in den Schoß. Der Alte rieb sich die eingefallene Wange und entschied sodann:

»Herr, du bist ein Nachkomme des Propheten; ich möchte dir gern zu Diensten sein, aber ich darf es nicht. Mein Gewissen verbietet es mir, denn ich habe versprochen, zu schweigen. Nimm dein Geld also wieder.«

»Du sollst es dennoch behalten, denn ich sehe, daß du arm bist. Du hast also, wie es scheint, Skipetaren erwartet, welche hier vorüberkommen werden?«

»So ist es, Herr.«

»Wie viele Skipetaren werden kommen?«

»Vier. Der eine von ihnen, der lange Stiefel an den Füßen und einen großen, dunklen Bart im Gesicht trägt, soll einen arabischen Rappen reiten. Ist dieser Hengst nicht vielleicht ein Araber?«

»Jawohl.«

»Das dachte ich mir und habe euch deshalb beinahe mit jenen Mördern verwechselt.«

»Wer hat dir denn gesagt, daß Skipetaren kommen wollen?«

»Hm! Das darf ich nicht verraten.«

»Du bist ein sehr verschwiegener Mann.«

»Ich würde vielleicht nicht so verschwiegen sein; aber ihr habt etwas bei euch, was mir verdächtig vorkommt.«

»So? Und was ist denn das?«

»Die beiden langen Stiefel, welche da hinter dem Sattel angeschnallt sind. Der Rappe ist da, die Stiefel sehe ich auch. Nun fehlt nur noch derjenige, der auf dem Rappen sitzen und die Stiefel an den Beinen haben soll. Wärest du nicht ein gesegneter Abkömmling des Propheten, den – — ah, dort kommt er ja wieder!«

Ein junger Mann kam über die Brache herüber, grad auf das Häuschen zu.

»Wer ist das?« fragte ich.

»Mein Sohn, welcher den Wegweiser – — o Allah, davon sollte ich ja nicht sprechen!«

Ich begann zu ahnen, um was es sich handelte. Jedenfalls hatte der Mübarek mit seinen drei Begleitern hier angehalten, um den jungen Mann als Wegweiser nach einem Ort mitzunehmen, zu welchem sie den Weg nicht genau kannten. Da sie annahmen, daß wir hier vorüberkommen und uns erkundigen würden, falls wir den Aladschy entwischten, so hatten sie dem Vater und dem Sohne irgend eine Lüge aufgebunden und wahrscheinlich uns für Skipetaren ausgegeben. Ich hoffte, daß der Sohn gesprächiger sein werde, als sein Vater.

Als er näher herbeigekommen war, sah ich, daß er ein sehr verdrießliches Gesicht machte. Er grüßte uns kaum und wollte in die Hütte treten. Der Alte aber ergriff ihn beim Gewand und fragte:

»Nun, warum sagst du nichts? Hast du nicht das schöne Bakschisch erhalten?«

»Ja, Bakschisch! Etwas ganz anderes habe ich bekommen, aber kein Bakschisch,« antwortete der Sohn, welcher sehr erzürnt zu sein schien. »Die Menschen werden immer schlechter. Sogar den Heiligen darf man nicht mehr trauen.«

»Du meinst wohl den alten Mübarek?« fragte ich ihn.

»Wie kommst du auf den? Bist du etwa ein guter Freund von ihm?«

»O, ich bin grad das Gegenteil. Wir sind die Skipetaren, vor denen er euch gewarnt hat.«

»Allah, Allah!« rief der Alte erschrocken. »Habe ich es doch geahnt! Herr, ich hoffe, daß du uns verschonen wirst. Wir sind blutarme Leute. Mein Sohn ist Korbflechter und flicht die Weiden, welche meine Enkel grad jetzt dort am Fluß schneiden. Ich aber bin zu gar nichts nütze; ich kann nicht einmal Ruten schälen, denn die Gicht hat mir die Finger krumm gezogen, wie du hier sehen kannst.«

Er streckte mir die Hände entgegen.

»Sei ruhig!« antwortete ich. »Hast du schon einmal einen Skipetaren gesehen, welcher das Turbantuch des Propheten trägt?«

»Nein, niemals.«

»Unter den Skipetaren gibt es keinen einzigen, welcher vom Propheten stammt; also kann ich doch kein Räuber sein.«

»Du hast aber doch soeben gesagt, daß ihr diejenigen Skipetaren seid, vor denen wir gewarnt worden sind.«

»Wir sind diejenigen, ja; aber daß wir Skipetaren seien, das ist eine Lüge.«

»Wo ist denn der Reiter, der auf den Rappen gehört?«

»Der bin ich. Wir haben die Pferde gewechselt, und ich legte eine andere Kleidung an, um von denjenigen Leuten, welche ich fangen will, nicht sogleich erkannt zu werden. – Du aber scheinst schlechte Erfahrungen mit dem Mübarek gemacht zu haben?«

Der Sohn, an welchen diese Frage gerichtet war, antwortete, aber zu seinem Vater gewendet:

»Jawohl, aber nicht bloß ich, sondern auch der Schwager. Hast du dir ihre Pferde angesehen?«

»Wie konnte ich? Ich befand mich doch noch auf dem Lager, und es war noch nicht vollständig Tag. Der Nebel lag noch dick um die Hütte. Was ist es mit dem Schwiegersohn?«

»Bestohlen haben sie ihn!«

»O Allah! Diesen armen Menschen, der noch dazu erst vor kurzem seine Frau, deine Schwester und meine Tochter, verloren hat. Was haben sie ihm genommen?«

»Das beste von seinen zwei Pferden.«

»O Himmel! Warum haben sie ihm das getan! Sie konnten sich ein anderes Pferd von einem reichen Mann stehlen, das wäre Allah wohlgefälliger gewesen. Und der Mübarek war dabei? Seit wann sind die heiligen Einsiedler Pferdediebe geworden?«

»Es gibt keine Heiligen mehr wie früher. Es ist alles List, Trug und Täuschung. Mir kann der frömmste Marabut oder der vornehmste Scherif kommen, ich traue ihm nicht mehr.«

Bei dem Wort Scherif warf er mir einen bezeichnenden, höchst mißtrauischen Blick zu. Ich wußte nun, was er erfahren hatte, und konnte mir auch denken, was gesprochen worden war. Darum sagte ich zu ihm:

»Du hast recht; es gibt viel Betrug und Hinterlist in dieser Welt. Ich aber will ehrlich und aufrichtig mit dir sein. Ich bin weder ein Skipetar noch ein Scherif, sondern ich bin ein Franke, der gar kein Recht hat, den grünen Turban zu tragen. Sieh‘ einmal her!«

Ich nahm den Turban ab und zeigte ihm mein volles Haar.

»Herr,« rief er erschrocken, »wie kühn bist du! Du wagst ja das Leben!«

»O, so sehr schlimm ist es nicht. In Mekka freilich wäre es gefährlicher als hier, wo es so viele Christen gibt.«

»Also bist du gar kein Moslem, sondern ein Christ?«

»Ich bin ein Christ.«

»Und trägst das Hamaïl am Hals, den in Mekka geschriebenen und nur dort zu erlangenden Kuran!«

»Ich habe ihn von dort.«

»Und bist dennoch ein Christ? Das kann ich nicht glauben!«

»Ich werde es dir gleich beweisen, indem ich dir erkläre, daß euer Mohammed tief unter Christus, dem Sohn Gottes, knieen muß, um ihn anzubeten. Würde ein Moslem diese Worte sagen?«

»Nein, niemals. Du sagst einen Frevel gegen unseren Glauben, aber du hast damit bewiesen, daß du ein Christ, ein Franke bist. Vielleicht bist du derjenige, welcher dem Mübarek in den Arm geschossen hat.«

»Wann soll das geschehen sein?«

»Gestern abend bei der Hütte des Mübarek.«

»Das bin ich allerdings gewesen. Also diesen Mann habe ich getroffen? Es war dunkel, so daß ich die Personen nicht erkennen konnte. Also du weißt auch davon?«

»Sie sprachen ja immerwährend davon. So seid ihr denn wohl die Fremden, welche den Mübarek und die andern Drei gefangen genommen hatten?«

»Ja, die sind wir.«

»Herr, so verzeihe, daß ich dich beleidigte. Freilich habe ich nur Böses über dich vernommen; aber das Böse, welches schlechte Menschen über Andere sagen, verwandelt sich in Gutes. Ihr seid die Feinde dieser Diebe und Betrüger, und darum seid ihr gute Menschen.«

»Also hast du nun Vertrauen zu uns?«

»Ja, Herr.«

»So erzähle uns, wie du mit diesen Menschen zusammengekommen bist.«

»Gern, Herr. Steige herab, und setze dich auf die Bank. Der Vater wird dir Platz machen, während ich erzähle.«

»Ich danke dir. Er mag ruhig sitzen bleiben. Sein Haar ist grau; ich aber bin noch jung. Auch habe ich einen kranken Fuß, so daß ich lieber im Sattel sitzen bleibe. Erzähle uns nun.«

»Es war heute in der Frühe; ich war eben aufgestanden, um mein Tagewerk zu beginnen. Der Nebel war noch so dick, daß man kaum einige Schritte weit sehen konnte. Da hörte ich Reiter kommen, welche vor meiner Hütte hielten und mich riefen.«

»Kannten sie dich denn?«

»Der Mübarek kannte mich. Als ich in das Freie trat, sah ich vier Reiter, welche ein Packpferd bei sich hatten. Der eine war der Mübarek; in dem einen andern erkannte ich erst später, als es heller geworden war und wir uns bereits unterwegs befanden, Manach el Barscha, den früheren Steuereinnehmer von Uskub. Sie wollten nach Taschköj reisen und fragten mich, ob ich den Weg dorthin genau kenne. Ich bejahte es, und nun baten sie mich, sie dorthin zu führen, und versprachen mir dafür ein Bakschisch, welches wenigstens dreißig Piaster betragen sollte. Herr, ich bin ein armer Mann, und dreißig Piaster verdiene ich mir sonst in einem ganzen Monat kaum. Auch kannte ich den alten Mübarek und hielt ihn für einen Heiligen. Darum war ich mit Freuden bereit, ihnen als Führer zu dienen.«

»Sagten sie, weshalb sie nach Taschköj wollten?«

»Nein, aber das sagten sie, daß sie von vier Skipetaren verfolgt würden, die ja nicht erfahren dürften, wohin ich sie habe führen müssen.«

»Das war eine Lüge.«

»Später habe ich das freilich eingesehen.«

»Wo liegt dieses Taschköj?«

Der Name bedeutet Felsen- oder Steindorf. Darum nahm ich an, daß der Ort wohl oben in den Bergen liegen müsse. Der Korbmacher antwortete:

»Es liegt fast grad im Norden von hier. Es führt nicht einmal von Radowitsch aus eine Straße dorthin, und man muß den Wald und die Berge genau kennen, um sich nicht zu verirren. Das Dorf ist klein und arm und liegt in der Richtung, in welcher man dann nach der Bregalnitza gegen Sbiganzy hin bergabwärts steigt.«

Sbiganzy! Das war ja der Ort, welchen ich von Radowitsch aus nordwärts aufsuchen sollte, um bei dem Fleischer Tschurak nach der Derekuliba zu fragen und dort das Nähere über den Schut zu hören. Wollte etwa der Mübarek auch dorthin reisen? Vielleicht fand man da die ganze saubere Gesellschaft beisammen?

»Und noch bevor ihr von hier aufbracht,« fragte ich weiter, »sagten sie dir, daß du nichts verraten solltest?«

»Ja. Der Mübarek erzählte mir, daß er unterwegs von vier Skipetaren überfallen worden, ihnen aber entronnen sei. Sie hätten eine Blutrache gegen ihn und seine Begleiter und würden ihm wahrscheinlich folgen. Er müsse nach Norden, wolle aber nicht über Radowitsch, weil er dort gesehen werde und die Skipetaren also Auskunft erhalten könnten, wohin er sich gewendet habe. Er beschrieb euch sehr genau, wie ich nun sehe, nur daß du jetzt andere Kleider trägst und nicht auf dem Rappen sitzest. Wenn ihr hier vorüberkommen und nach ihm fragen würdet, sollten wir euch keine Auskunft erteilen. Für diese Verschwiegenheit gab er uns seinen Segen. Dann brachen wir auf. Als es heller wurde, erkannte ich in dem Packpferd das Roß meines Schwagers, glaubte aber, mich zu irren; darum sagte ich nichts.«

»Sahen die Pferde dieser Leute nicht sehr angestrengt aus?«

»Allerdings! Hier vor dem Hause schwitzten sie, und der Schaum troff ihnen von den Mäulern.«

»Das läßt sich denken. Wenn sie so zeitig hier angekommen sind, müssen sie sehr schnell geritten sein, was bei Nacht und bei dieser Art von Weg eine ziemliche Anstrengung bedeutet. Erzähle weiter!«

»Sie ritten alle; ich aber war zu Fuß. Doch blieb ich ihnen immer voran. Da hörte ich denn manches von dem Gespräch, welches sie halblaut führten. Zuerst vernahm ich, daß sie erst nur vier Pferde gehabt hatten. Jeder hatte ein Stück Gepäck bei sich gehabt. Dann aber, als sie nahe an den Weiler kamen, weißt du, wo die Straße über die Brücke geht, waren sie auf zwei Reiter getroffen; diese hatten ihnen gesagt, daß mein Schwager zwei Pferde hinter seinem Hause habe, und unter dem Vordach hänge auch ein Packsattel.«

Ich begann zu ahnen, wer dieser Schwager sei, und sagte:

»Ich bin auch durch diesen Weiler gekommen und habe dort nur ein einziges Haus mit einem Vordach gesehen. Unter demselben hing ein Reitsattel, wenn ich mich recht erinnere. Es war ein Einkehrhaus und lag rechts von der Brücke.«

»Das ist‘s – das ist‘s!«

»Also dieser Wirt ist dein Schwager?«

»Ja, er ist der Mann meiner Schwester, welche vor kurzem gestorben ist.«

»Ich bin bei ihm eingekehrt.«

»So hast du ihn gesehen, mit ihm gesprochen?«

»Ja. Also diesen armen Mann haben sie bestohlen! Es befand sich, als ich dort war, ein Pferd hinter dem Hause.«

»Das ist das andere. Er hatte deren zwei. Auch zwei Sättel besaß er, einen zum Reiten und einen zum Gepäck.«

»Haben sie nichts von den beiden Reitern gesagt, mit welchen sie zusammengetroffen waren?«

»Ja, doch ich konnte nicht klug daraus werden. Sie sprachen immer von zwei Schecken; das sind aber doch nicht Menschen, sondern Pferde!«

»In diesem Falle sind beide gemeint, Menschen und Pferde.«

»Diese Schecken sollten jemanden überfallen und töten.«

»Nämlich uns.«

»Euch, Herr? – Warum?«

»Aus Rache. Diese Schecken sind nämlich zwei berüchtigte Skipetaren, die nur von Raub leben. Man hat ihnen diesen Beinamen gegeben, weil sie scheckige Pferde reiten.«

»So also ist‘s, so! Und diese Skipetaren haben euch nicht aufgelauert?«

»O doch!«

»Aber ihr befindet euch ja hier! – Ihr seid ihnen entkommen?«

»Durch eine List, nämlich dadurch, daß ich mich verkleidet habe. Ich traf sie bei deinem Bruder und war mehrere Stunden bei ihnen. Jetzt aber werden sie wissen, daß ich sie getäuscht habe, und nach uns suchen.«

»Vielleicht kommen sie auch hierher?«

»Das ist möglich.«

»Wenn sie sich nach euch erkundigen, soll ich ihnen Auskunft geben?«

»Ich will dich nicht zu einer Lüge verleiten. Sage ihnen immerhin, daß wir hier gewesen sind und dann nach Radowitsch ritten. Aber von dem, was wir jetzt sprechen, brauchst du ihnen nichts zu sagen.«

»Nein, Herr, sie erfahren kein Wort.«

»So erzähle weiter.«

»Ich hörte also, daß sie meinem Schwager das Pferd und den Sattel genommen und darauf ihr Gepäck geladen hatten. Ausführliches konnte ich freilich nicht erlauschen, denn sie redeten nicht laut, und sodann gab es doch auch längere Pausen, in denen ich nicht horchen konnte. Aber ich hörte doch so viel, daß ich daraus schließen konnte, der Mübarek müsse ein großer Dieb und Räuber gewesen sein. Das Beste von dem, was er sich zusammengeraubt hat, befand sich auf dem Packpferde. Das andere, was wertloser war und viel Platz wegnahm, hatte er mit seiner Hütte verbrannt. Am meisten freuten sich die Flüchtigen darüber, daß die Schecken so schön bei der Hand gewesen sind. Sie halten ihre Verfolger, also euch, wie ich nun weiß, für verloren.«

»Da irren sie sich glücklicherweise gewaltig. Sie werden uns nicht los, denn wir bleiben ihnen auf den Fersen.«

»O, wenn ich da mit euch könnte!«

»Warum?« fragte ich.

»Weil sie meinen Schwager bestohlen und mich um mein Bakschisch betrogen haben.«

»Ah, das ist stark! Du bist bis nach Taschköj mit ihnen gegangen?«

»Noch eine ganze Strecke weiter.«

»Wie weit ist es bis dorthin?«

»Wir haben fünf volle Stunden gebraucht.«

»Und wohin gingen sie dann?«

»Sie wollten hinab nach dem Tal der Bregalnitza. Weiter erfuhr ich nichts.«

»So kann ich mir denken, wohin sie wollten. Bist du denn nicht darauf bestanden, deinen Lohn zu erhalten?«

»Natürlich! Sie waren so klug gewesen, mich weiter als Taschköj mitzunehmen, denn dort hätte ich vielleicht Hilfe gefunden und sie zwingen lassen können, mich zu bezahlen. Mitten im Walde dann hielten sie an, um mir zu sagen, daß sie meiner nicht mehr bedürften. Ich bat sie um das Bakschisch; sie aber lachten mich aus.

Ich wurde nun zornig und verlangte das Pferd meines Schwagers zurück. Da sprangen sie von den Pferden. Zwei warfen mich nieder und hielten mich, und der dritte schlug mich mit der Peitsche. Ich mußte es dulden, denn ich war zu schwach gegen sie. Herr, es hat mich noch kein Mensch geschlagen. Nun bin ich zwölf Stunden angestrengt gelaufen. Mein Rücken ist wund von den Hieben. Ich habe einen Tag Arbeit versäumt, und meine Zunge ist heiß vor Hunger. Statt dreißig Piaster mit nach Hause zu bringen, besitze ich nun nicht die kleinste Münze. Was soll ich essen? Was soll ich dem Vater und den Kindern geben, wenn ich nichts habe? Wäre ich daheim geblieben, so hätte ich nach Radowitsch gehen können, um einige Körbe zu verkaufen. Dafür konnten wir satt werden.«

»Tröste dich!« bat sein Vater. »Ich habe von diesem Scherif, der leider kein Scherif ist, fünf Piaster geschenkt erhalten. Da kannst du nach Radowitsch gehen und Brot kaufen.«

»Herr, ich danke dir!« sagte der Korbmacher. »Ich habe dich für einen bösen Menschen gehalten, du aber bist gut gegen uns. Ich wünsche, ich könnte dir einen Dienst erweisen.«

Bevor ich antworten konnte, ergriff Halef das Wort. Er hatte sich im Sattel umgedreht und schnallte an meinen langen Stiefeln herum, welche so rund und glatt aussahen, als ob ich meine Beine drin stecken hätte.

Während unseres Gespräches waren die Kinder des Korbmachers herbeigekommen, mit Weidenruten beladen, welche sie geschnitten hatten.

»Habt ihr Hunger, ihr kleines Völkchen?« fragte er sie.

Die größeren nickten, die kleinste aber fing zu weinen an. Es ist in der Türkei ebenso, wie bei uns. Wenn man so ein Dirndl von zwei Jahren nach seinem Appetit fragt, so sind gleich Tränen zu sehen.

»Nun, da hole einmal einen Korb heraus!« befahl der kleine Hadschi dem Vater dieser hungrigen Schar. »Aber nicht zu klein darf er sein.«

»Wozu?« erkundigte sich der Mann.

»Ich will diese ewig langen Stiefel ausschütten.«

Der Korbmacher brachte ein Geflecht, welches schon etwas zu fassen vermochte, und hielt es empor. Nun schüttete der Hadschi aus beiden Stiefeln eine ganze Menge von Früchten, Fleisch- und Backwaren in diesen Korb, so daß derselbe ganz voll wurde.

»So!« sagte er. »Nun laß deine Kinder essen, und Allah möge es euch segnen!«

»Herr!« rief der Korbmacher, ihm die Hand küssend, »das alles soll unser sein?«

»Freilich!«

»Das können wir ja in einer ganzen Woche nicht aufessen!«

»Das hat euch auch niemand befohlen. Verfahrt also hübsch genügsam, und verzehrt den Korb nicht mit.«

»Herr, ich danke dir! Dein Herz ist der Güte voll, und dein Mund trieft von Munterkeit.«

»Das will ich nicht grad sagen. Allzu lustig bin ich nicht gestimmt, sondern das Herz blutet mir, wenn ich diese leeren Stiefel betrachte. In jedem derselben steckte auch ein gebratenes Huhn, so braun und knusperig, wie es nur im dritten Paradies gebacken wird. Meine ganze Seele hängt an solchen Hühnern. Daß ich von ihnen scheiden muß, erfüllt mein Gemüt mit Traurigkeit und mein Auge mit Tränen. Da diese Hennen aber nun einmal ihr Leben haben lassen müssen, um verspeist zu werden, so ist es schließlich ganz gleich, in wessen Magen sie begraben werden. Also verzehrt sie mit Bedacht und andächtigem Behagen und hebt mir die Knochen auf, bis ich wiederkomme!«

Er sprach das so ernst und würdevoll, daß wir alle lachen mußten.

»Aber, Halef, wie kommst du denn auf den sonderbaren Gedanken, dich mit einem solchen Proviant zu versehen und meine Stiefel als Magazin zu benutzen?«

»Ich selbst kam nicht auf diesen schönen Gedanken. Als ich den Wirt bezahlen wollte, wie du mich beauftragt hattest, so sagte er, daß er uns schuldig sei, nicht aber wir ihm. Für den Dienst nämlich, den wir seinem Bruder Ibarek erwiesen hätten. Hier ist wieder einmal zu sehen, daß Allah jede gute Tat doppelt lohnt, denn wir haben bei Ibarek auch nichts zu bezahlen brauchen.«

»Weiter doch!«

»Ja, weiter! Vorsichtigerweise hatte ich auch ein Wörtchen fallen lassen, daß Brathuhn meine Lieblingsspeise sei – —«

»Schlingel, du!«

»Verzeihe, Sihdi! Man hat den Mund nicht zum Schweigen, sondern zum Sprechen erhalten. Das Ohr des Wirts war offen gewesen, und sein Gedächtnis hatte das Brathuhn aufbewahrt. Als ich unsere Sachen zusammenpackte, brachte er mir die beiden Hühner und wünschte mir, daß ihr Genuß uns das Leben verlängern möge. Da erklärte ich ihm, daß der Mensch noch länger lebe, wenn er zu dem Huhn noch andere passende Sachen speise.«

»Halef, wenn das wahr wäre, verdientest du die Peitsche!«

»Ich verdiene deinen Dank, Sihdi, weiter nichts. Wenn du mir diesen widmest, bin ich ebenso zufrieden, wie ich es war, als der Wirt mir dann die Zuspeisen brachte, welche du hier in diesem Korb in holder Eintracht versammelt siehst.«

»Du hättest nichts nehmen sollen!«

»Verzeihe, Sihdi! Wenn ich nichts genommen hätte, so könnten wir jetzt auch nichts geben.«

»Wir könnten trotzdem geben!«

»Aber nichts, was den Hunger dieser kleinen Menschen augenblicklich stillen kann. Uebrigens habe ich mich geweigert, bis es mir endlich fast an das Leben ging. Ich sagte, daß ich dazu deiner Erlaubnis bedürfe und also nichts nehmen könne, weil du nicht anwesend seiest. Ich brachte alle Einwürfe vor, welche sich sämtliche Khalifen aussinnen könnten, aber der Wirt bestand auf seinem Willen. Er erklärte, daß er es nicht mir, sondern dir schenke. Das erweichte mein gutes Herz, ich gab nach. Um aber ganz sicher zu gehen, hielt ich mich fern davon. Die Gabe war für dich bestimmt, und da der Wirt sie dir nicht selbst überreichen konnte, so stellte ich ihm die Stiefel als deine Stellvertreter und Bevollmächtigte hin und ging von dannen. Als ich sie dann zu meiner Freude wiedersah, waren sie dick und fett geworden von den Erzeugnissen der lieben Tierwelt und des holden Pflanzenreiches. Ich aber übermittelte dem Wirt deinen Dank in einer wohlgesetzten Rede, stopfte die Stiefel oben zu und schnallte sie hinter dem Sattel fest. Habe ich da gesündigt, so bitte ich um eine gnädige Beurteilung meines Fehltrittes.«

Man konnte diesem lieben Menschen gar nicht gram sein. Ich war überzeugt, daß es ihm gar nicht eingefallen war, durch irgend ein Wort den Wirt zu dieser Gabe zu veranlassen. Halef hätte so etwas nie vermocht, denn er besaß ein außerordentlich empfindliches Ehrgefühl. Aber er häkelte gern ein wenig mit mir, und es machte ihm großes Vergnügen, wenn ich so tat, als ob ich mich von ihm herausfordern ließe.

»Ich werde dir später deine Strafe diktieren,« drohte ich ihm. »Wenigstens wirst du für lange Zeit auf dein Lieblingsgericht verzichten müssen. Deinetwegen soll nicht so bald wieder eine unschuldige Henne von ihren Küchlein scheiden müssen.«

»So nehme ich auch mit einem jungen Hähnchen fürlieb, Sihdi, und es soll mir so gut schmecken, wie diese Aepfel da den Kleinen munden.«

Die Kinder hatten sich um den Korb versammelt und zuerst nach den Aepfeln gegriffen. Es war eine Lust, zu sehen, wie eifrig die kleinen Mäuler arbeiteten. Dem Alten standen vor Freude die Tränen in den Augen. Sein Sohn hatte ihm ein Stück Fleisch in die Hand gedrückt, aber er aß nicht; er vergaß sich selbst aus Freude darüber, daß die Enkel nun befriedigt waren.

Der Korbmacher reichte einem jeden von uns die Hand und sagte zu mir:

»Herr, ich wiederhole es, daß es mir große Freude machen würde, wenn ich dir einen Dienst erweisen könnte. Ist das nicht vielleicht möglich?«

»Ja, es gibt einen Dienst, um den ich dich sogar bitten möchte.«

»Sage ihn mir!«

»Du sollst uns nach Taschköj führen.«

»Wie gern, wie gern! Wann denn, Herr?«

»Das weiß ich noch nicht. Komm morgen früh nach Radowitsch; da werde ich es dir sagen können.«

»Wo treffe ich dich?«

»Hm, auch das weiß ich noch nicht. Kannst du mir nicht einen Konak angeben, wo es sich gut wohnen läßt?«

»Am besten wohnst du in dem Gasthof zur Hohen Pforte. Ich kenne den Wirt und werde dich hinführen.«

»Das kann ich nicht zugeben; du bist ermüdet.«

»O, bis Radowitsch gehe ich leicht. Wir sind in einer Viertelstunde dort. Ich muß dich dem Wirt empfehlen; ich arbeite zuweilen dort, und er hält auf mich, obgleich ich nur ein armer Mann bin. Morgen früh werde ich dich dann besuchen, um zu erfahren, wann du nach Taschköj reisen willst.«

»Das wird von meinem Fuß abhängen, den ich mir verletzt habe. Gibt es in der Stadt einen guten Arzt, dem man sich anvertrauen kann?«

»Wenn du einen Chirurg meinst, so gibt es einen, der weit und breit berühmt ist und alle Schäden an Menschen und an Tieren heilt. Er kann sogar das Impfen der Pocken, was sonst keiner versteht.«

»Da ist er allerdings ein Wunder von einem Arzt! Aber wir müssen nun auch von dem Bakschisch sprechen, welches du dir ausbedingst.«

»Wofür denn, Herr?«

»Dafür, daß du uns nach Taschköj führst.«

»Herr, da nehme ich nichts!«

»Und ich mag es nicht umsonst.«

»Ihr habt uns bereits reich beschenkt.«

»Das war Geschenk; das Andere aber wirst du dir verdienen. Beides ist nicht zu verwechseln.«

»Aber ich kann doch kein Geld von dir verlangen; ich müßte mich ja schämen.«

»Nun gut, so mag es nicht Lohn, sondern nur Bakschisch sein. Ich werde es deinem Vater geben.«

Ich ließ mir von Halef meine Brieftasche und meinen Beutel reichen und winkte den Alten heran. Als er fünfzig Piaster in seinen gekrümmten Fingern sah, wollte er außer sich geraten vor Freude und mir das Geld größtenteils zurückgeben.

»Ich nehme keinen Piaster wieder,« sagte ich mit Entschiedenheit.

»So weiß ich nicht, wie ich dir danken soll,« erwiderte er. »Möge es dem Hekim gelingen, dir deinen Fuß recht bald wieder gesund zu machen!«

»Das wollen wir hoffen. Aber sage, Küfedschi, wie heißt denn dieser so berühmte Arzt?«

»Sein Name ist Tschefatasch.«

»O wehe! Wenn seine Kuren seinem Namen angemessen sind, so danke ich für seinen Beistand.«

Tschefatasch heißt nämlich auf deutsch »Marterstein«.

»Du brauchst keine Sorge zu haben,« tröstete mich der Korbmacher. »Er wird dir ja nicht seinen Namen, sondern ein Pflaster auf den Fuß legen. Und das versteht er auf das vortrefflichste.«

»So komm jetzt, wenn du mit uns gehen willst!«

Er steckte sich einen Imbiß ein, um ihn unterwegs zu verzehren, und dann brachen wir auf. Wir erreichten die Stadt nach einer Viertelstunde. Unser Führer brachte uns durch einen offenen Basar in eine Gasse und durch einen Torweg in einen sehr geräumigen und auch sauber gehaltenen Hof. Halef begab sich mit ihm zu dem Wirt. Ich selbst blieb noch im Sattel, um mir den Fuß nicht durch unnötiges Gehen anzustrengen.

Nach kurzer Zeit brachten beide den Wirt herbei, welcher mir unter vielen Höflichkeiten und Entschuldigungen erklärte, daß er leider nur ein winziges Stübchen habe, welches an den allgemeinen Gastraum stoße. Es sei hier gar nicht gebräuchlich, daß Einkehrende ein besonderes Zimmer verlangen; es sei in der ganzen Stadt kein solches vorhanden, und auch das seinige müsse für mich erst gereinigt und hergerichtet werden, weshalb ich zunächst mich nach der Gaststube bemühen möge.

Ich war ganz zufrieden damit und stieg ab. O weh! Der Fuß war angeschwollen. Ich konnte nur mit Schmerz auftreten und mußte mich fest auf Osko stützen.

Als wir in die Stube kamen, befand sich niemand darin. Ich setzte mich in die hinterste Ecke neben die Türe, welche in das für mich bestimmte Stübchen führte. Halef, Osko und Omar gingen in den Hof zurück, um zunächst für die Pferde zu sorgen.

Ich hatte unterwegs gar nicht daran gedacht, meine Verkleidung abzulegen. Inmitten einer fanatischen Bevölkerung wäre das höchst gefährlich gewesen; hier aber hatte es nicht so viel zu bedeuten.

Der Korbmacher erbot sich, mir den Arzt zu holen, und ich stimmte zu. Er war soeben hinaus, als ein Gast eintrat. Ich saß mit dem Rücken nach der Türe und drehte mich halb um, um den Mann anzusehen. Es war kein anderer als – der Bokadschi Toma, der Botenmann, welcher uns den beiden Scheckigen verraten hatte.

»Na, laß dich nur nicht vor dem Hadschi sehen!« dachte ich und drehte mich wieder um, da ich mit ihm nichts zu tun haben mochte. Er war aber nicht gleichen Sinnes. Vielleicht hatte er Lust, sich ein wenig zu unterhalten. Ich war der Einzige, den er hier fand, und so schritt er einige Male hin und her, blieb dann seitwärts vor mir stehen und fragte:

»Bist du hier fremd?«

Ich tat, ob als ich die Frage gar nicht gehört hätte.

»Bist du hier fremd?« wiederholte er mit erhobener Stimme.

»Ja,« antwortete ich jetzt.

»Schläfst du heute hier?«

»Ich weiß es noch nicht.«

»Wo bist du her?«

»Aus Stambul.«

»Ah, aus der Hauptstadt, dem Wangenglanz des Weltenantlitzes! Da bist du ein sehr glücklicher Mensch, in der Nähe des Padischah zu wohnen.«

»Seine Nähe beglückt nur die Guten.«

»Meinst du, daß es dort viele Böse gibt?«

»Wie überall.«

»Was bist du denn?«

»Ein Schreiber.«

»Also ein Gelehrter. Mit solchen Leuten spreche ich gern.«

»Aber ich nicht mit andern.«

»Allah! Bist du abstoßend! Schon wollte ich dich fragen, ob es mir nicht erlaubt sei, mich neben dich zu setzen.«

»Es ist erlaubt, wird dir aber keine Freude machen.«

»Warum nicht?«

»Mein Gesicht gefällt nicht einem jeden.«

»So will ich sehen, ob es mir gefällt.«

Er setzte sich an meinen Tisch auf die Bank gegenüber und schaute mich dann an.

Das Gesicht, welches er schnitt, ist gar nicht zu beschreiben. Ich hatte noch den Turban auf dem Kopf und die Brille auf der Nase; das machte ihn irre, obgleich mein Gesicht nicht im geringsten verändert worden war. Sein Mund tat sich auf, seine Brauen zogen sich in Form zweier spitzer Winkel empor, und seine Augen ruhten auf mir mit einem Ausdruck, daß ich mich anstrengen mußte, nicht laut aufzulachen.

»Herr – Effendi – wer – wer bist du?« fragte er.

»Ich sagte es dir bereits.«

»Hast du die Wahrheit gesagt?«

»Willst du es wagen, mich der Lüge zu zeihen?«

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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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