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Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi I», sayfa 10

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Drittes kapitel: In Siut

Eine Segelfahrt auf dem Nile, welche inhaltsreichen Worte! Man hat el Kahira, die Pforte des Orientes hinter sich und strebt dem Süden zu. Dem Süden! Man glaube nicht, daß das Wort Sudan gleichbedeutend mit unserm deutschen »Süden« ist. Sudan (gesprochen Sudahn) ist der gebrochene Plural von aswad, schwarz; Beled heißt Land, und Beled es Sudan bedeutet also das Land der Schwarzen. Der Süden heißt sowohl im Türkischen als auch im Arabischen Kyble oder Dschenub.

Nach dem Süden! Das ist so viel wie eine Fahrt ins Unbekannte, ins Geheimnisvolle. Und wer diese Fahrt schon zehn- oder zwanzigmal gemacht hat, dem bleibt der Süden doch immer noch die Gegend des Dunkels, in welcher täglich neue Entdeckungen zu machen sind.

jetzt kann man mit der Bahn von Kairo nach Siut fahren; aber eine pfeifende Lokomotive am Nil, eine dunkle, häßliche Rauchwolke in der herrlichen Luft des heiligen Stromes, das will wie eine Entweihung erscheinen. Und wie fährt man auf der ägyptischen Bahn! Es ist vor einigen Jahren in Ungarn vorgekommen, daß der Zug an einer kleinen Station zwei Minuten zu halten hatte; die Beamten stiegen aus, um Wein zu trinken; der Maschinist that natürlich dasselbe. Da kam den Passagieren der Gedanke, auf einer nahen Kegelbahn ein Spielchen zu machen. Als die erste Partie zu Ende war, wurde noch eine zweite geschoben; dann stieg man gemächlich ein, und der Zug trollte sich mit Beamten und Passagieren von dannen. Wenn das an der schönen, blauen Donau geschieht, was kann man dann am Nile erwarten?

Ich ziehe das Deck eines Schiffes dem engen Bahncoupée vor. Da sitzt man auf seiner Matte oder auf seinem Polster, die Pfeife in der Hand und den duftenden Kaffee vor sich. Der über zweitausend Fuß breite Strom dehnt sich wie ein See vor dem Blicke aus, scheinbar grenzenlos. Das erregt die Phantasie, welche vorauseilt, dem Süden entgegen, um sich denselben mit riesigen Pflanzen und Tierbildern zu bevölkern. Der Nordwind liegt in den Segeln; die Matrosen hocken allerorts und vertreiben sich die Zeit, indem sie schlafen, gedankenlos vor sich hinstarren oder sich mit kindlichen Spielen beschäftigen. Die Augen des Reisenden werden müde; sie schließen sich nicht, und doch beginnt er zu träumen, und er träumt, bis der Ruf erschallt: »Auf zum Gebete, ihr Gläubigen!« Dann knieen alle nieder, verneigen sich nach der Kibblah und rufen: »Ich bezeuge, daß es keinen Gott giebt außer Gott; ich bezeuge, daß Muhammed der Gesandte Gottes ist!« Dann schläft oder spielt man wieder, bis der Reïs ein Kommando erschallen läßt oder ein begegnendes Schiff oder Floß die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Flöße sind dem Fremden deshalb interessant, weil sie nicht aus Bäumen, Stämmen oder sonstigen Hölzern, sonder aus – — Wasserkrügen bestehen. Der Ägypter trinkt nur das Wasser des Niles. Die Krüge, in denen man es schöpft, sind porös. – Die Unreinigkeit schlägt sich nieder; durch die Poren dringt die Feuchtigkeit, und indem dieselbe verdunstet, wird das im Gefäße befindliche Wasser kühler, als es im Flusse ist. Es hat einen äußerst angenehmen Geschmack, und wer sich einmal daran gewöhnt hat, der zieht es selbst dem Quellwasser der Oasen vor. Diese Wasserkrüge werden in Ballas, einem Orte am linken Nilufer, fabriziert und darum Ballasi genannt. Man flicht aus Stricken lange, rechteckige Netze, deren Zwischenräume vom Durchmesser der Krüge sind, welche in die Maschen dieses Netzes gehängt werden. Da die Gefäße leer sind, so schwimmen sie auf dem Wasser. Man stellt eine zweite Schicht darauf; dann ist das Floß fertig und kann stromabwärts gehen.

Die Fruchtbarkeit des Landes beruht nur auf den Überschwemmungen des Niles, welcher zu gewissen Zeiten steigt und ebenso regelmäßig wieder fällt. Je höher die Überschwemmung, auf eine desto reichere Ernte ist zu rechnen. Um das Wasser so weit wie möglich zu leiten, sind Kanäle gezogen. Auf den Dämmen dieser Kanäle wie auf den hohen Flußufern sind Sakkias angebracht, Schöpfwerke, mit deren Hilfe die Besitzer das Wasser heben, um es auf ihre Felder zu leiten. Sie bestehen meist aus Rädern, an denen Gefäße hängen, welche das Wasser unten fassen und oben in einen Graben gießen, welcher es weiter leitet. Sie werden durch Kamele, Esel, selbst auch durch Rinder oder gar von Menschenhand bewegt, und ihr monotones Knarren ist weithin zu hören. Oft auch sieht man einen Armen am Kanale stehen, welcher das Wasser für sein winziges Feld mit eigenen Händen schöpft. Er besitzt nicht so viel, um sich eine Sakkia anzuschaffen und sie zu versteuern. Denn in Ägypten muß alles versteuert werden, selbst der Baum, wenn er nur einige Früchte trägt. Es ist vorgekommen, daß ganze Ortschaften ihre Palmwälder vernichteten, um der Steuer zu entgehen. Wer wohlhabend ist, der hütet sich sehr, dies zu zeigen, und der Arme braucht sich nicht zu verstellen. Darum macht die menschliche Staffage der Nillandschaft den Eindruck einer Dürftigkeit, welche zwar nicht zu den sozialen Verhältnissen des Landes, aber desto mehr zu seiner Fruchtbarkeit in grassem Widerspruche steht. —

Wir näherten uns Siut, meinem einstweiligen Ziele. Zwei volle Tage hatte »Esch Schahin« noch am Ufer von Giseh gelegen, bevor wir die Anker lichten konnten. So lange war der Emir durch seine Pflichten dort aufgehalten worden. Seine Nachforschungen nach dem Muza‘bir waren in Kairo natürlich vergeblich gewesen, und als er bei seiner Rückkehr von mir erfuhr, daß derselbe auf dem Sandal »Abu‘l adschal« flußaufwärts entkommen sei, wurde sein Ärger darüber nur durch die Hoffnung gemildert, daß wir bei der Schnelligkeit unseres »Falken« dieses Fahrzeug bald einholen würden.

Wir hatten in allen Häfen angelegt oder wenigstens das Boot entsendet, um uns nach dem Sandal zu erkundigen, vergebens; er hatte die Ufer vermieden. Nun hofften wir, ihn in Siut zu sehen und dann Näheres über den Muza‘bir zu erfahren. Lange, bevor wir den Hafen erreichten, sahen wir die Stadt vor uns liegen. Sie heißt koptisch Saûd und ist das

Lykonpolis (Wolfsstadt) der Alten. Sie steht wenig entfernt vom Ufer in einer sehr fruchtbaren und ungemein reizenden Gegend. Bei einer Einwohnerzahl von über dreißigtausend Köpfen ist sie der Sitz eines Paschas und eines koptischen Bischofes; in neuerer Zeit giebt es einen deutschen Konsularagenten hier. Ihr Handel erstreckt sich bis in das Innere von Afrika, denn sie ist die Hauptstation der nubischen und ostsudanesischen Karawanen. Die Stadt war schon im Altertume von Bedeutung, doch besitzt sie keine Monumente, wenn man nicht die alte Nekropole und die in den westlichen libyschen Bergen gelegenen Mumiengräber des früher hier verehrten Wolfes dazu rechnen will. Unweit des nicht sehr entfernten Dorfes Maabdah befindet sich eine leider wenig besuchte Höhle mit Krokodilsmumien.

Wir ließen am Dorfe EI Hamra, welches den Hafen von Siut bildet, den Anker fallen. Der Emir hatte als Reïs Effendina keine hafenpolizeilichen Obliegenheiten zu erfüllen und konnte also mit mir sofort ans Land gehen. Wir suchten nach dem Sandal; er war nicht da. Von dem Hafenkapitän erfuhren wir, daß dieses Schiff zwar gesehen worden, aber ohne anzulegen vorübergesegelt sei. Wir mußten also annehmen, daß der Muza‘bir sich nicht in Siut befinde. Achmed Abd el Insaf, der darauf brannte, den Menschen in seine Hand zu bekommen, beschloß, sofort wieder abzusegeln, um den Sandal einzuholen. Er hätte ohnedies nicht lange vor Siut liegen bleiben können, da seine Pflicht ihn nach Chartum rief. Er hatte noch am letzten Tage in Kairo durch einen seiner Agenten, deren er in jeder Nilstadt einen besaß, erfahren, daß sich da oben etwas vorbereite, wobei ein guter Fang zu machen sei. Was das war, konnte ich trotz seiner sonstigen Offenheit und des Vertrauens, welches er mir schenkte, nicht erfahren. Ich hatte bemerkt, daß er meine Eigenheiten studierte, und mich besonders über seine Wißbegierde gefreut. Tausend und noch mehr Fragen mußte ich ihm beantworten; er war ein sowohl körperlich wie auch geistig reich begabter Mensch und begriff sehr leicht. Am leichtesten aber hatte er eingesehen, daß seine Kenntnisse sehr mangelhaft seien, natürlich dem Wissen eines Europäers gegenüber. Bei dieser Armut an realem Wissen war es freilich kein Wunder, daß ich jede seiner Fragen zu beantworten vermochte, und so kam es, daß er mich, was ich leider nicht verdiente, für einen Ausbund von Klugheit und Gelehrsamkeit hielt. Bei all dieser Hochachtung und den freundschaftlichen Gefühlen, welche er sichtlich für mich hegte, bewahrte er jene Zurückhaltung, welche dem Orientalen eigen ist, und die er seinem Range schuldig zu sein glaubte. Ich erkannte, daß es seine Ansicht sei, er stehe als Reïs Effendina über mir, der ich keinen militärischen oder sonstigen Rang bekleidete. Er hatte auch gar nicht unrecht, und ich bemerkte mit Vergnügen die Genugthuung, mit welcher er die höfliche Bescheidenheit, deren ich mich befleißigte, beobachtete. Er vergalt dieselbe mit einer Zu- und Vertraulichkeit, welche nur dann sich in das Gegenteil verwandelte, wenn ich auf Chartum und seine dort zu verfolgenden Pläne zu sprechen kam. Doch konnte ich, da es sich hierbei um Amts- oder Dienstgeheimnisse handelte, ihm das nicht übel nehmen. Dennoch schien es mir, als ob diese seine Verschwiegenheit ihm weniger durch seine Pflicht als vielmehr aus persönlichen Gründen geboten erscheine, und das war es, was mich zu verstimmen vermochte, wenn ich es mir auch nicht merken ließ.

Da ich Murad Nassyr, meinem dicken Türken, das ihm gegebene Wort, ihn in Siut zu erwarten, halten wollte, so mußte ich mich hier von dem Emir trennen. Die Dinkakinder behielt er auf dem »Falken« in seiner Obhut, da es ihm leichter war als mir, sie in ihre Heimat zurückzubringen. Für mich wäre das vielleicht, ja sehr wahrscheinlich, unmöglich gewesen. Als ich mich von ihnen verabschiedete, hingen sie sich an mich und wollten nicht an Bord bleiben. Ich konnte ihre Thränen nur mit dem Versprechen stillen, daß ich ihnen bald nachkommen wolle. Dann mußten zwei Matrosen meine wenigen Effekten nehmen, und der Emir führte mich nach der Stadt. Als ich ihn fragte, wo er mich da unterbringen wollte, antwortete er mir:

»Wo anders als beim Pascha? Ein Mann wie du darf nur beim vornehmsten Herrn wohnen.«

»Und du meinst, daß ich ihm willkommen sein werde?«

»Natürlich! Zumal wenn ich dich bringe und dich ihm empfehle. Er wird dich wie einen Freund und Bekannten aufnehmen.«

Das beruhigte mich. Dennoch hätte ich lieber in einem gewöhnlichen Hause, wo ich sie bezahlen konnte, um Unterkunft gebeten.

Der Weg führte vom Hafen auf einem Damme nach der Stadt. Zu beiden Seiten desselben breitete sich saftiges Grün aus, und goldenes Sonnenlicht flutete darüber hin. Der Damm war belebt von Menschen, welche, wie wir, vom Hafen kamen oder dorthin gingen. Wir gelangten durch eine saracenische Pforte, welche zugleich den Haupteingang der Stadt bildete, in einen Hof, welcher zu dem Palaste des Paschas gehörte. Die Wände ringsum waren weiß getüncht und die wenigen Fensteröffnungen mit dunklen Blenden versehen. An den Mauern zogen sich niedrige Bänke hin, auf denen, rauchend und kaffeeschlürfend, langbärtige Gestalten saßen, welche ich Lust hatte, für Angehörige der Schloßwache zu halten. Keiner dieser Männer bekümmerte sich um uns.

Man sah, daß der Emir sich nicht zum erstenmale hier befand. Er schritt auf eine Thüre zu, gebot den Matrosen, hier zu warten, und trat mit mir ein. Im Innern stand eine Wache, welche er nach dem Haushofmeister fragte. Der Soldat lehnte sein Gewehr an die Wand und entfernte sich. Nach einiger Zeit kehrte er zurück, hielt dem Emir die hohle Hand hin und sagte:

»Ich soll euch führen, wenn du mir ein Bakschisch giebst.«

Der Reïs Effendina verabreichte ihm eine derbe Ohrfeige und antwortete:

»Hier dein Bakschisch, und nun beeile dich, wenn du nicht die Bastonnade haben willst!«

Der Gezüchtigte betrachtete nun erst den Emir genauer. Er sah ein, daß er es mit keinem gewöhnlichen Manne zu thun hatte; die Ohrfeige war ja der beste Beweis dafür, und schritt, sich eifrig die Wange reibend, uns voran.

Wir gelangten in einen Innenhof, in welchem es rundum Thüren gab. Unter einer derselben stand ein in seidene Gewänder gehüllter dicker, unförmlicher Schwarzer, welcher uns mit finsteren Blicken entgegensah. Sobald aber sein Auge auf den Emir fiel, veränderte sich der Ausdruck seines Gesichtes; er krümmte den breiten Rücken, kreuzte die Arme auf der Brust und rief:

»Verzeihe, daß du mich hier stehen siehst! Hätte ich deine hohe Gegenwart vermutet, so wäre ich dir entgegen gekommen.«

Grobheit erregt Respekt; das schien der Reïs Effendina zu wissen, denn er antwortete in barschem Tone:

»Dessen bedarf es nicht. Aber wie kannst du dem Wächter befehlen, von mir ein Bakschisch zu verlangen?«

»Hat er das gethan?« fragte der Schwarze erschrocken. »Herr, ich habe es ihm nicht geheißen. Allah ist mein Zeuge!«

»Schweig‘! Ich weiß, daß du diesen Leuten gebietest, Trinkgelder zu verlangen, die du dann mit ihnen teilst.«

»Man hat dich falsch berichtet. Zum Beweise, daß ich dir die Wahrheit sage, werde ich dem FrevIer die Bastonnade geben lassen!«

»Dessen bedarf es nicht, denn ich habe ihn schon selbst gezüchtigt. Und wenn du mit ihm teilen willst, so laß dir von ihm das geben, was er von mir erhalten hat. Melde mich dem Pascha, deinem Herrn!«

»Verzeihe, daß ich das nicht thun kann, da der hohe Gebieter mit viel Gefolge nach der Oase Dachel gereist ist.«

»Wann kehrt er zurück?«

»Es kann über eine Woche vergehen, ehe die Augen seiner Diener das Glück haben werden, sein Angesicht wiederzusehen.«

Ich hielt diesen unförmlichen Schwarzen für einen Diener, und zwar, weil er in Seide gekleidet war, für einen bevorzugten, vielleicht einen Haremsdiener, mußte aber meinen Irrtum erkennen, als der Ernir jetzt zu ihm sagte:

»So will ich dir die Befehle geben, welche er dir als seinem Haushofmeister erteilen würde. Dieser Herr hier ist ein sehr gelehrter und vornehmer Effendi aus Germanistan und will einige Tage in Siut bleiben. Ich hatte die Absicht, ihn dem Pascha als Gast zu empfehlen, da dieser aber nicht anwesend ist, so beauftrage ich dich, ihn so aufzunehmen und so für ihn zu sorgen, als ob er ein Verwandter deines Herrn sei.«

Der Neger bekleidete also die nicht geringe Stelle eines Haushofmeisters! Er musterte mich mit nicht eben den freundlichsten Blicken und antwortete dann dem Emir:

»Dein Wille soll geschehen, Herr! Ich werde dem Fremden ein Zimmer anweisen, welches seinem Range angemessen ist. Tretet näher, und erlaubt, daß ich euch mit Pfeifen und Kaffee erquicke!«

»Ich habe nicht Zeit, mich niederzusetzen, da ich schleunigst absegeln muß; ich werde nur solange bleiben, als nötig ist, zu sehen, daß der Effendi eine würdige Wohnung bekommt. Du wirst uns also in dieselbe führen. Beeile dich!«

Es war mir gar nicht lieb, daß der Emir den Mann in dieser Weise behandelte, denn es stand zu erwarten, daß ich später die Folgen zu tragen haben würde. Der Schwarze runzelte die Stirn, verbeugte sich aber höflich und forderte uns auf, ihm zu folgen. Er führte uns in ein großes Gemach, dessen blaue Wände mit goldenen Kuransprüchen geschmückt waren, und bedeutete uns, daß dasselbe meine Wohnung sein werde. Der Emir zeigte sich zufrieden und sagte, daß er sich genau nach meiner Zufriedenheit erkundigen werde, und daß der Haushofmeister jetzt meine Sachen bringen lassen solle. Der letztere entfernte sich. Nach kurzer Zeit kam ein anderer Schwarzer, welcher den Matrosen die Effekten abgenommen hatte. Diesem folgte ein zweiter Neger, welcher mir einen Tschibuk nebst Kaffee brachte und sich, um mich zu bedienen, vor mir niedersetzte. In jedem besseren Hause des Orientes ist heißes Wasser für den Kaffee zu jeder Zeit zu haben. Diese schnelle Bedienung schien dem Emir Bürgschaft genug zu sein, daß man seiner Empfehlung vollständig nachkommen werde. Er gab mir eine Adresse, durch welche ich in Chartum über ihn Auskunft erlangen könne, reichte mir dann die Hand und meinte:

»Und nun zum Abschiede. Du bist hier gut aufgehoben und kannst gehen und kommen, wie es dir beliebt. Sollte man aber deine Wünsche nicht erfüllen, so berufe dich auf mich und werde grob. Allah segne dich und geleite dich glücklich zu mir!«

Er ging. Ich gestehe, daß ich mich gar nicht sehr behaglich fühlte. Es war mir, als ob ich recht bald Veranlassung haben würde, die mir empfohlene Grobheit in Anwendung zu bringen; doch konnte es mir nicht einfallen, diesem Rate zu folgen. Ich mußte mich als einen unwillkommenen Eindringling betrachten. Die Art und Weise, mit welcher der Emir mich eingeführt hatte, war nicht geeignet, mir die Sympathie des schwarzen Haushofmeisters zu erwecken. Ich nahm mir vor, den Palast, falls man mich unfreundlich behandeln sollte, sofort zu verlassen und mir eine andere Wohnung zu suchen.

Wohl eine Stunde lang hatte ich rauchend auf meinem Polster gesessen. Ich glaubte, man werde kommen, um sich nach meinen Wünschen zu erkundigen. Der Emir hatte den Hafen gewiß schon verlassen. Ja, man kam, doch nicht, um auf meine Wünsche zu lauschen. Der Haushofmeister trat ein, und der Diener, welcher so lange Zeit wortlos vor mir gekauert hatte, entfernte sich mit ehrerbietiger Schnelligkeit. Der Schwarze setzte sich nicht etwa, wie die Höflichkeit es erfordert hätte, zu mir nieder, sondern er stellte sich vor mich hin, ließ einen gehässigen Blick über mich gleiten und sagte:

»Also der Reïs Effendina ist dein Freund. Wer ihn hört, sollte glauben, er sei der Vizekönig. Seit wann kennst du ihn?«

»Seit kurzem,« antwortete ich bereitwillig und der Wahrheit gemäß.

»Und da bringt er dich hierher, in den Palast des Pascha? Du stammst aus Germanistan. Bist du ein Moslem?«

»Nein. Ich bin ein Christ.«

»Allah, Allah! Ein Christ bist du, und ich habe dir das Zimmer gegeben, an dessen Wänden die goldenen Sprüche des Kuran prangen! Welch eine Sünde habe ich begangen! Du wirst diesen Raum sofort verlassen und mir nach einem andern folgen, wo deine Gegenwart nicht die Heiligkeit unsers Glaubens beleidigen kann.«

»Ja, ich werde dieses Zimmer verlassen, aber nicht, um von dir ein anderes angewiesen zu bekommen. Du selbst bist es, der den Islam schändet, denn dieser gebietet, den Gast zu ehren, und du handelst gegen diesen Befehl. Ich werde einen Diener senden, um meine Sachen hier abzuholen. Für den Kaffee und den Tabak, welchen ich bei dir genossen habe, magst du dieses Bakschisch nehmen.«

Ich legte die Pfeife weg, stand auf, gab ihm ein nach dortigen Verhältnissen sehr reichliches Trinkgeld und verließ, ohne daß er mich daran zu hindern suchte, die Stube. Als ich auf den Hof trat, hörte ich jammernde Töne. Es wurde links eine Thüre geöffnet, aus welcher zwei Diener einen jungen Mann getragen brachten, welcher aus einer Stirnwunde blutete. Einige andere Personen folgten, unter ihnen eine verschleierte Frau, welche rief, daß man schnell einen Hekim, einen Arzt, holen solle. Als die Gruppe an mir vorüber wollte, fragte ich, was mit dem Verwundeten geschehen sei. Ein vielleicht sechzig Jahre alter Mann, welcher sehr gut gekleidet war, antwortete mir:

»Das Pferd hat ihn gegen die Mauer geworfen. Nun flieht ihm das Leben aus der Stirn. Lauft, lauft, und holt einen Haggahm [Wundarzt]herbei! Vielleicht ist noch Rettung möglich.«

Aber in der Verwirrung kam es keinem bei, diesem Gebote Folge zu leisten. Der Mann wollte den Trägern nach, welche weiter geschritten waren. Ich ergriff seinen Arm und sagte:

»Vielleicht ist es nicht nötig, einen Wundarzt zu holen. Ich will den Verwundeten untersuchen.«

Da ergriff der Alte meine beiden Hände und fragte schnell:

»So bist du selbst ein Wundarzt? Komm‘, komm‘, beeile dich! Wenn du meinen Sohn rettest, werde ich dir zehnmal mehr zahlen, als du verlangst.«

Er zog mich mit sich fort, nach rechts, wo die Träger inzwischen in einer anderen Thüre verschwunden waren. Er war der Vater des Verunglückten. Die Thüre führte in ein Gemach, welches jedenfalls als Besuchszimmer benutzt wurde. Von hier aus führte mich der Mann in eine Nebenstube, in welcher man den Verletzten auf einen Diwan gelegt hatte. Die Frau kniete jammernd vor ihm. Der Vater zog sie empor und teilte ihr mit:

»Hier ist ein Wundarzt. Sei still, Weib, und laß ihn zu unserem Sohne! Vielleicht ist Allah gnädig und giebt der Freude und Stütze unseres Alters das schon entflohene Leben zurück.«

Die Frau war also die Mutter des Verunglückten.

»Vielleicht giebt‘s Allah zurück,« wiederholten die Träger, indem sie die Hände zusammenschlugen.

Ich kniete zu dem jungen Manne nieder und untersuchte seine Wunde. Sie war nicht gefährlich, und wenn keine andere Verletzung vorlag, so war die Sache gar nicht des Jammerns wert. Er war besinnungslos. Ich hatte ein Fläschchen mit Salmiakgeist bei mir, das gewöhnliche Mittel gegen Insektenstiche, denen man im Süden stets ausgesetzt ist; ich öffnete es und hielt es ihm an die Nase. Die Wirkung ließ sich bald sehen und auch hören; er bewegte sich, nieste und öffnete die Augen. Sofort hatte seine Mutter ihn beim Kopfe; sie weinte laut auf vor Entzücken. Sein Vater aber faltete die Hände und rief:

»Allah sei Dank! Der Tod ist entflohen, und das Leben kehrt zurück.«

»Es kehrt zurück. Allah l‘ Allah!« wiederholten die andern.

Ich bat den Alten, sein Weib wegzunehmen, da sie mich hinderte, und untersuchte nun den Körper des Sohnes. Er hatte nichts gebrochen; aber der Kopf brummte ihm noch gewaltig. Ich forderte Stoff zum Verbinden, welcher schnell gebracht wurde. Die kleine Schmarre wurde gewaschen, die Stirne mit einem Tache umwunden, und dann erklärte ich, daß der Kranke nichts als der Ruhe bedürfe und morgen vollständig wohl sein werde. Die Freude der Eltern war groß; sie hatten die Verletzung für gefährlich, ja die Ohnmacht wohl gar für Tod gehalten.

»Wie soll ich es dir vergelten, Effendi!« rief der Alte. »Ohne dich hätte die Seele meines Kindes den Weg in den Körper nicht wieder zurückgefunden.«

»Du irrst. Dein Sohn wäre fünf Minuten später erwacht; das ist alles.«

»Nein, nein! Ich kenne dich nicht; ich habe dich noch nie gesehen. Du kannst noch nicht lange hier wohnen. Sage mir das Haus, in welchem wir dich zu suchen haben, wenn der Zustand meines Sohnes sich vielleicht verschlimmern sollte!«

»Ich bin erst heute hier angekommen und weiß noch nicht, wo ich wohnen werde. Auch beabsichtige ich, nur wenige Tage hier zu bleiben.«

»So bleibe bei uns, Effendi! Sei unser Gast! Wir haben Raum genug für dich.«

»Dieses Anerbieten darf ich nicht annehmen. Ihr wißt nicht, wer und was ich bin. Ich bin nämlich ein Christ.«

»Ein Christ, ein Christ!« meinte der Alte, indem er mich mit ehrfuchtsvoller Neugierde betrachtete.

»Ein Christ!« wiederholten die andern.

»Ja, ein Christ,« bekräftigte ich. »Nun wird es dir wohl nicht einfallen, deine Einladung zu wiederholen.«

»Warum nicht ? Bist du nicht der Retter meines Sohnes!«

»Nein, der bin ich nicht. Er hätte sich auch ohne mich schnell wieder erholt.«

»Gewißlich nicht! Ich habe gehört, daß die Ärzte der Christen große Zauberer sind, vor denen der Tod oft fliehen muß.«

»Sie sind nicht Zauberer, sondern nur gelehrter und klüger als die eurigen.«

»Das sagst du nur, um es nicht eingestehen zu müssen. Das Fläschchen des Lebens in deiner Hand hat meinen Sohn gerettet. Du verstehst es, das Leben in ein Glas zu bannen, aus welchem du es den Toten mitzuteilen vermagst. Nein, nein, sage nichts dagegen! Ich weiß doch, woran ich bin. Aber meine Einladung werde ich allerdings nicht wiederholen.«

»Das wußte ich. Ein Christ würde dir nicht willkommen sein.«

»Effendi, denke das nicht. Ich verachte den Christen nicht, denn er glaubt auch an Gott und ist also kein Heide; ich würde ihn jederzeit bei mir aufnehmen. Und du bist gar noch der Retter meines Sohnes. Aber wir sind zu gering, als daß ich meine Bitte wiederholen dürfte. Wenn du noch keine Wohnung hast, so erlaube, daß ich dir eine empfehle. Ich werde mit dem Haushofmeister sprechen, welcher dir, da der Pascha nicht da ist, das schönste Zimmer des Palastes anweisen wird. Er ist auch krank, und wenn du ihn heilst, wird er dir unendlich dankbar sein.«

»An welcher Krankheit leidet er?«

»An verdorbenem Magen. Er ißt so viel wie fünf oder sechs andere Menschen; darum ist sein Magen immer krank.«

»So bedarf er meines Rates und meiner Hilfe nicht. Er braucht, um gesund zu werden, nur mäßiger als bisher zu sein. Übrigens liegt ihm gar nichts daran, mich zu sehen und durch mich gesund zu werden. Er hat mich soeben aus dem Hause geworfen.«

»Dich? Unmöglich!«

»Es ist nicht nur möglich, sondern sogar wirklich. Er hat mir die mir gebührende Gastfreundschaft verweigert, obgleich ich ihm von dem Reïs Effendina Achmed Abd el Insaf empfohlen worden bin.«

»Von diesem! O, den haßt der Haushofmeister, weil er von ihm stets grob behandelt wird. Käme die Empfehlung von einem anderen, so hätte der Haushofmeister sich nicht so schlimm an dir vergangen. Nun, da er dich so sehr beleidigt hat, darf ich freilich nicht zu ihm gehen. Ich bin dir so großen Dank schuldig und möchte dich nicht weitergehen lassen. Verzeihe mir, wenn ich zu kühn bin; aber ich bitte dich, dir meine Wohnung anzusehen, und wenn sie dir gefällt, so wird es mir zur größten Freude und Ehre gereichen, dich als meinen Gast bei mir zu sehen.«

Er sagte das in einem solchen Tone, daß ich fühlte, es sei eine Beleidigung für ihn, ihn mit seiner Bitte abzuweisen. Seine Frau hob die zusammengelegten Hände bittend gegen mich empor, und sein Sohn meinte:

»Herr, bleib‘ da! Mein Kopf schmerzt so gar sehr, und du kannst mir dann gleich helfen, wenn es schlimmer wird.«

»Nun gut, ich bleibe,« antwortete ich. »Der Haushofmeister wird euch meine Sachen, welche noch bei ihm liegen, ausliefern. Doch erwarte ich, daß es euch nicht schwer fällt, einen Gast bei euch zu haben.«

»Schwer? O nein!« beruhigte mich der Mann. »Ich bin nicht arm; ich bin der Emir achor [Stallmeister]des Pascha und kann dir ganz dasselbe bieten, was du von dem Haushofmeister erhalten hättest. Erlaube, daß ich dir deine Wohnung zeige, und ihr eilt jetzt zum Haushofmeister und holt die Gegenstände, welche dem Effendi gehören!«

Dieser Befehl wurde den Trägern erteilt, welche sich entfernten, um denselben auszuführen. Der Stallmeister geleitete mich durch mehrere Thüren in ein großes, schönes Eckzimmer, dessen eine Thüre in den Hof führte, durch welchen ich gekommen war. Er freute sich herzlich darüber, daß mir dieser Raum gefiel, und bat mich um Verzeihung, daß er sich für einige Augenblicke entfernen müsse, um für seinen Sohn zu sorgen.

So hatte ich also doch im Palaste ein Unterkommen gefunden, und zwar bei einem Manne, welcher mir hundertmal sympathischer als der unförmliche Haushofmeister war. Hätte ich diesen letzteren nur kurze Zeit früher oder später verlassen, so wäre ich nicht dem vom Pferde Gestürzten begegnet und hätte mir in der Stadt eine Wohnung suchen müssen.

Mein Wirt kehrte sehr bald zurück. Er brachte, um mich zu ehren, mir die Pfeife und brannte sie mir auch selbst an. Dann kamen die Träger und brachten mir meine beiden Gewehre und mein anderes Eigentum. Der eine von ihnen berichtete mir:

»Effendi, wir mußten dem Haushofmeister sagen, wo du dich befindest. Als er hörte, daß du ein berühmter Arzt bist, der eine Flasche des Lebens hat, bereute er, unaufmerksam gegen dich gewesen zu sein, und läßt dich ersuchen, ihn bei dir zu empfangen. Er ist sehr krank; unsere Ärzte haben ihm gesagt, daß er zerplatzen werde, und so meinte er, Allah habe dich gesandt als den einzigen, der ihm Hilfe bringen kann.«

»Gut, sagt ihm, daß er kommen darf.«

Es fiel mir nicht ein, dem dicken Schwarzen sein Verhalten nachzutragen und ihn jetzt abzuweisen; ich sagte mir vielmehr, daß seine entsetzliche Krankheit den Stoff zu einer keineswegs tragischen Unterhaltung liefern werde. Er ließ nicht lange auf sich warten. Fast fühlte ich Mitleid, als ich die zerknirschte Miene sah, mit welcher er sich mir näherte.

»Effendi, verzeihe!« bat er. »Hätte ich geahnt, daß du ein so–«

»Sprich nicht weiter!« unterbrach ich ihn. »Ich habe dir nichts zu verzeihen. Der Reïs Effendina ließ es an der schuldigen Höflichkeit mangeln; er war es, der den Fehler begangen hat.«

»Du bist sehr gütig. Darf ich mich zu dir setzen?«

»Ich bitte dich sogar, es zu thun.«

Er nahm mir und dem Stallmeister gegenüber Platz. In dieser sitzenden Stellung sah man weit deutlicher als vorher, welch einen ungeheuern Umfang sein Körper hatte. Er war noch viel, viel beleibter als Murad Nassyr, mein dicker, türkischer Freund. Sein Atem ging beinahe röchelnd; seine Wangen glichen gefüllten Backentaschen, und sein Gesicht war – das sah man trotz der schwarzen Hautfarbe – so blutreich, daß anzunehmen war, ein Schlagfluß müsse seinem Leben ein Ende machen, wenn er nicht noch vorher an einer Verdauungsstörung sterben werde. Als er bemerkte, daß ich ihn so aufmerksam betrachtete, sagte er seufzend:

»Du irrst dich, Effendi. Ich bin nicht so gesund, wie du denkst. Man hält leider die Fetten stets für gesund.«

»Ich nicht. Die Ärzte in Germanistan wissen recht wohl, daß der Mensch dem Tode desto näher steht, je fetter er ist.«

»Allah schütze mich! Sage mir schnell, wie lange ich noch zu leben habe!«

»Wann hast du zum letztenmal gegessen?«

»Heute früh.«

»Und wann wirst du wieder essen?«

»Heute mittag, also in einer halben Stunde.«

»Und was hast du heute früh genossen?«

»Sehr wenig, nur ein Huhn und einen halben Hammelrücken.«

»Was wirst du zum Mittag essen?«

»Auch sehr wenig, nämlich die andere Hälfte des Hammelrückens, abermals ein gebratenes Huhn mit einem Häuflein Reis, nicht größer als ein Turban ist; dazu nur noch einen Fisch, vier Hände lang, und einen Teller mit Negerhirsen, in Milch gekocht.«

»So befürchte ich, daß du den heutigen Abend nicht erleben wirst!«

»O Himmel, o Erde! Ist das dein Ernst?«

»Ja, es ist mein vollständiger Ernst. Wenn ich nur den vierten Teil dessen, was du jetzt genannt hast, essen wollte, so würde ich fürchten, auseinander zu platzen.«

»Ja, du! Dein Leib und mein Leib! In den meinigen geht ja sechsmal mehr als in den deinigen!«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
630 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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