Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi I», sayfa 14
Viertes kapitel: Unter der Erde
Krokodile einbalsamiert? Jawohl! Die alten Ägypter balsamierten nicht nur menschliche Leichen, sondern auch diejenigen von Krokodilen, Stieren, Katzen, Wölfen, Ibissen, Sperbern, Fledermäusen und verschiedenen Fischarten ein. Sie glaubten an deren Fortdauer nach dem Tode und waren daher bestrebt, den Leib zu erhalten, damit die abgeschiedene Seele denselben bei ihrer Rückkehr vorfinden möge. Um die Leichen zu konservieren, wurde die Bauch-, Brust- und Kopfhöhle derselben mit einer Masse angefüllt, welche vorzugsweise aus einer Art Asphalt bestand, welche den Namen Mumiya führte. Aus diesem Grunde werden diese Dauerleichen Mumien genannt.
Man streckte die Leichen lang aus und legte ihnen die Hände an die Seiten oder kreuzte sie über der Schoßgegend. Jedes einzelne Glied wurde besonders in Leinwand gehüllt und dann auch der ganze Körper mit einer Menge von Binden umwunden. Dann legte man sie, je nach dem Stande, welchem sie angehört hatten, entweder in hölzerne Särge, die manchmal zwei- oder dreifach waren, oder in steinerne Sarkophage. Die Armen wurden uneingesargt begraben oder im Sande verscharrt.
Es giebt mehrere Arten von Mumien. Die ältesten hat man in Memphis gefunden; sie sind schwarz und so ausgetrocknet, daß sie sehr leicht zerbrechen. Die Mumien von Theben haben eine gelbe, matt glänzende Farbe, und die Nägel sind mit Hennah gefärbt, ein Gebrauch, welcher bei den orientalischen Frauen noch heute sehr beliebt ist. Die älteste von uns gefundene Mumie ist diejenige des Königs Merenre, welcher vor weit über viertausend Jahren lebte. Viele der Mumien tragen Ringe und anderes Geschmeide, auch findet man Proben von Früchten und Getreide bei ihnen.
Leider ist schon seit Jahrhunderten mit den altägyptischen Totenstädten in einer Weise verfahren und in ihnen gehaust worden, die man tief beklagen muß. Noch in neuerer Zeit haben die plündernden Araber in den »Familienverhältnissen« der einbalsamierten Könige und Fürsten, indem sie dieselben aus den Särgen nahmen und unter einander warfen, eine ganz heillose Verwirrung angerichtet. Man handelte bereits im Mittelalter mit Mumien. Es hatte ein jeder das Recht, die Gräber zu öffnen und die Toten davonzutragen. Erst Mehemed Ali that diesem Treiben Einhalt, indem er den Mumienhandel als Monopol erklärte; doch hat der frühere Schacher nicht ganz aufgehört; er wird heimlich betrieben und ist zum Schmuggel geworden. Die Beduinen und Fellatah erbrechen die Mumienhallen und zerschlagen die Schädel der Leichen, weiche, wie bekannt, ein Stückchen Goldblech enthalten – das Überfahrtsgeld auf dem Totenflusse.
Für unsere jetzige Zeit ist es kaum glaublich, daß sich sogar die Medizin der Mumien bernächtigte. Zunächst waren es die Alchymisten, welche den Stein der Weisen suchten, die ganze Schiffsladungen von Mumien bezogen. Diesen folgten die Elixierfabrikanten, welche sich mit der Herstellung eines Lebenssaftes beschäftigten. Man schrieb den Mumien und zerstückelten Leichenresten geheimnisvolle Kräfte zu. Gab es doch Gelehrte, welche behaupteten, daß man mit Stierblut, Menschenasche, Euphorbiensaft und Mumienstaub den Menschen auf künstliche Weise »herzustellen« vermöge!
Die deutschen und österreichischen Droguengeschäfte bezogen die Mumien über Livorno und Triest. Im Anfange der siebenziger Jahre kostete der Wiener Zentner Mumien fünfzig Gulden. Da der Schmuggel jetzt sogar mit Lebensgefahr verbunden ist, hat der Preis sich auf vier- bis fünfhundert Gulden erhöht, für Vornehme. Dieser hohe Preis ist wohl der Grund, daß es gewisse Geschäfte giebt, welche falsche Mumien aus Erde fertigen. Glücklicherweise hat man den arzneilichen Unwert des Mumienstoffes mehr und mehr eingesehen, so daß der Verbrauch sich jetzt nur noch auf einige Alpengegenden beschränkt, wo das »Mum« von den Landleuten als Heilmittel gegen Tierkrankheiten gebraucht wird.
Am nächsten Morgen war ich schon zeitig zu dem Ausfluge bereit. Der Stallmeister wollte mich begleiten, und Selim ging auch mit. Der dicke Haushofmeister hätte sich der Partie wohl angeschlossen, besaß aber infolge der unglückverheißenden Mondfinsternis kein rechtes Vertrauen in das Gelingen derselben. Er hatte es ja gestern erfahren, was es für Folgen bringt, wenn man die Warnung einer Mondverfinsterung verachtet. Daher blieb er daheim, wo er sich im Schutze seines Amulettes leidlich sicher fühlte.
Zwei Reitknechte, welche uns rudern und bedienen sollten, brachten uns an den Fluß, wo ein kleines Boot für uns vor Anker lag. Es enthielt neben mehreren Kissen und anderen Bequemlichkeiten eine hinreichende Anzahl der notwendigen Wachsfackeln. Mit Zündhölzern hatten wir uns reichlich versehen. Auch Stricke und Schnüre waren für den Bedarfsfall mitgenommen worden.
Es war ein wunderbar schöner Morgen, ein Morgen, wie er nur am Nil geboren werden kann. Der Nebel hatte sich gehoben, und auf dem Flusse lag ein leiser Duft, den die über die arabische Wüste herüberflutenden Sonnenstrahlen in einen durchsichtigen, goldflimmernden Schleierverwandelten, welchen die Nilfee um ihre Glieder schlang.
Wir stießen vom Lande und steuerten hinüber in die Mitte des Stromes. Abwärts ging es, an Mankabat vorüber; dann lag am linken Ufer Monsalud, am rechten aber Maabdah, wo wir anlegten. Von der letzten Nilüberschwemmung her stand das Ufer noch ziemlich unter Wasser, doch gab es einen aus demselben ragenden Damm, auf welchem wir in das Dorf gelangten. Dieses liegt ungefähr eine halbe Wegsstunde von dem Dschebel Abu Fehdah entfernt, dem Gebirgszuge, in welchem sich die Höhlen befinden, die den alten Ägyptern als Begräbniskammern für ihre heiligen Krokodile dienten.
In dem Dorfe fragten wir nach einem Führer, denn ohne Führer ist es ganz unmöglich, sich in den verworrenen Höhlengängen zurecht zu finden. Ein Fremder, welcher sich da auf seine eigene Findigkeit verlassen wollte, würde Gefahr laufen, sich zu verirren und auf elende Weise zu ersticken oder zu verschmachten. Man brachte uns sehr bald einen Mann, welcher sich bereit erklärte, uns die Höhle, deren eingehende Besichtigung höchstens zwei Stunden in Anspruch nimmt, zu zeigen. Als ich ihn fragte, was er dafür verlange, antwortete er:
»Fünf Personen, für die Person vierzig Piaster, macht zweihundert Piaster.«
Für zwei Stunden! So eine Forderung war mir denn doch noch nicht vorgekommen, obgleich man hier zu Lande jede Forderung wenigstens auf die Hälfte derselben reduzieren muß.
»Schön!« antwortete ich. »Jetzt habe ich gehört, wie viel du forderst; nun sollst du vernehmen, wie viel ich geben werde. Es werden nur drei von uns in die Höhle gehen. Ich zahle für die Person zehn Piaster, zusammen also dreißig. Bin ich am Schlusse mit dir zufrieden, so bekommst du noch ein Bakschisch von zehn Piastern.«
Das waren in Summa acht Mark, für einen ägyptischen Tagedieb und die Zeit von zwei Stunden, gewiß eine hinreichende Bezahlung. Er aber that beleidigt und rief aus:
»Herr, wie kannst du mir das bieten! Die Höhle ist ungesund; ich opfere den Fremden mein Leben, und wenn ich nicht mit euch gehe, so werdet ihr das Licht des Tages nicht wieder erblicken.«
»Wir werden es wiedersehen, obgleich wir auf deine Begleitung verzichten, denn wir werden einen andern Führer bekommen.«
»Ihr bekommt keinen, denn ich bin der einzige.«
»Lüge nicht. Jeder Einwohner dieses Dorfes ist in der Höhle gewesen und kann uns als Führer dienen. Ich werde es dir gleich beweisen.«
Ich gebot den beiden Reitknechten, andere Leute zu holen, welche keine solche Ansprüche machten. Sie entfernten sich. Kaum aber waren sie eine kleine Strecke fort, so rief ihnen der Mann zu, zurückzukommen, und fragte mich, ob ich hundert und fünfzig, dann hundert, achtzig u. s. w. zahlen wollte, aber ich antwortete:
»Ich bleibe bei meinem Worte. Ich gebe dreißig und dann als Bakschisch noch zehn, aber auch nur dann, wenn wir mit dir zufrieden sind.«
»So muß ich mich fügen. Aber Allah mag es dir verzeihen, daß du die Sorge eines Armen vermehrst! Ich an deiner Stelle hätte dreihundert, also zehnmal mehr, gegeben.«
»Da du nicht an meiner Stelle bist, so wirst du mich wohl selber zahlen lassen. Doch habe ich ganz und gar nichts dagegen, wenn du die Güte haben willst, dies für mich zu thun.«
»Herr, dein Herz ist hart, und deine Rede klingt wie zwei Steine, welche man gegen einander schlägt. Kommt, ich werde euch führen!«
Er schritt voran, und wir folgten ihm. Wir gingen durch das nicht große Dorf und gelangten bald an den Fuß der steilen Höhe, jenseits welcher sich die Wüste bis zum roten Meere erstreckt. Dort lag ein Begräbnisplatz mit dem kuppelförmigen Grabmale eines Fakir. Vor demselben kniete auf dem Gebetsteppiche ein Mann. Als er bei unserer Annäherung uns das Gesicht zuwendete, erblickte ich so wahrhaft ehrwürdige Züge, wie ich sie noch selten gesehen hatte. Dieses Gesicht wurde von einem schneeweißen Barte eingerahmt, welcher bis zum Gürtel niederfiel.
Unser Führer blieb stehen, um sich vor diesem Patriarchen tief zu verneigen und, die Hände über die Brust gekreuzt, ihm zu sagen:
»Allah segne dich und sende dir Gnade und Leben, o Mukaddas [Heiliger]. Dein Weg möge zum Paradiese führen!«
Der Alte erhob sich, trat uns langsam näher, warf einen forschenden Blick auf uns und antwortete dem Grüßenden:
»Ich danke dir, mein Sohn! Auch dein Weg führe zur ewigen Wohnung des Propheten! Du willst nach der Höhle?«
»Ja. Ich soll sie diesen Fremden zeigen.«
»Thue es, damit sie erkennen, wie nichtig alles Irdische ist. Mag man dem Leibe eine Dauer von Jahrtausenden geben, er muß doch zerfallen, damit Erde zur Erde, Staub zum Staube komme. Nur Allah allein ist ewig und hat nur dem Geiste der Sterblichen erlaubt, an der Unendlichkeit teilzunehmen.«
Er wendete sich ab, drehte sich aber, wie von einem plötzlichen Einfall getrieben, wieder um, nahm mich scharf in die Augen, trat nahe zu mir heran und sagte:
»Was ist das für ein Gesicht! Was sind das für Züge, für Augen! Welche Gedanken wohnen hinter dieser Stirne! Ich möchte sie ergründen und dann in deine Zukunft blicken, denn mir ist die Gabe der Weissagung verliehen. Oder glaubst du nicht, daß Allah einem Sterblichen gestattet, in die Ferne zu blicken?«
Diese Frage war an mich gerichtet; ich antwortete:
»Gott allein weiß, was geschehen wird.«
»Er weiß es, aber er teilt es zuweilen einem seiner Gläubigen mit. Ich werde es dir beweisen. Ich kann deinem Gesichte nicht widerstehen; es zieht mich an, wie die Sonne den Halm gen Himmel richtet. Reiche mir deine Hand! Ich will sehen, ob ich in den Linien derselben das bestätigt finde, was ich in deinen Zügen lese.«
Also Chiromantie! Wer glaubt noch an solchen Humbug! Und doch sah dieser ehrwürdige Patriarch ganz und gar nicht einem Schwindler, einem Hokuspokusmacher ähnlich. Was sollte ich machen? Ihn durch eine Zurückweisung kränken oder gar beleidigen? Er kam meinem Entschlusse zuvor, indem er meine Hand ergriff und die innere Fläche derselben seinem Auge näherte. Nachdem er die Linien eine kurze Weile studiert hatte, gab er mir die Hand frei und sagte:
»Diese Hand bestätigt alles, was dein Gesicht mir sagte. Deine Zukunft liegt eröffnet vor mir wie ein Haus, in dessen Thüre ich trete, um mich in den Gemächern umzuschauen. Zweifelst du noch immer?«
»Ja.«
»So will ich dir Vergangenes und Gegenwärtiges sagen, damit du dann nicht an dem Kommenden zweifelst. Du trägst die Kleider eines Gläubigen und sprichst die Sprache der Moslemin; aber du bist nicht ein Anhänger des Propheten, sondern ein Christ.«
Da er mich dabei fragend anblickte, so nickte ich bejahend. Er fuhr fort:
»Es giebt viele Länder der Christen; ich sehe jetzt nur zwei. Jedes derselben wird von einem mächtigen Herrscher regiert, das eine von einem Könige und das andere von einem Kaiser. Beide bekriegen sich. Ich höre tausend Kanonen brüllen und sehe mächtige Reiterscharen gegen einander rasseln. Der König siegt und führt den Kaiser gefangen mit sich fort. Dann erblicke ich auf dem Haupte des Königs eine Kaiserkrone und vernehme den Jubel seines Volkes. Auch du jubelst, denn du bist ein Sohn dieses siegreichen Volkes.«
Wieder sah er mich an, als ob er eine Antwort erwarte, und wieder nickte ich, ohne ein Wort zu sagen, mit dem Kopfe. Er sprach weiter:
»Ich sehe ein Schiff mit vielen Segeln. Der Reïs desselben ist ein Schwert der Gerechtigkeit, und du bist sein Freund. Ihr werdet viele Menschen glücklich machen und Ruhm und Ehre ernten! Ist dir ein solcher Reïs bekannt?«
»Ja,« antwortete ich, indem ich natürlicherweise an den Reïs Effendina dachte.
»Ich habe dir die Wahrheit gesagt und könnte dir nun auch die Zukunft zeigen. Aber da du gezweifelt hast, so werde ich schweigen und dir nur einiges mitteilen, weil es dich vor großem Unheile, vielleicht gar vor dem Tode bewahrt. Das Auge meiner Seele erblickt einen Sohn der Rachsucht, welcher dir nach dem Leben trachtet. Er war dir öfters nahe, aber Allah beschützte dich. Wenn du ihm entgehen willst, so reise jetzt nicht weiter. Es ist Vollmond; bleibe bis zur Zeit des nächsten Viertels da, wo du dich jetzt befindest! Das ist es, was ich dir mitteilen wollte. Glaube mir, oder glaube mir nicht; mich erfreut oder betrübt es nicht; dir aber wird es, je nachdem du handelst, Segen oder Unglück bringen. Allah geleite dich!«
Er drehte sich um, kehrte zu seinem Teppich zurück und kniete auf demselben nieder, um sich wieder ins Gebet zu versenken. Er hatte keine Belohnung gefordert; sein Verhalten ließ vielmehr erwarten, daß er jede Gabe zurückweisen werde. Darum störte ich ihn nicht und folgte mit den andern dem Führer, welcher jetzt wieder vorwärts schritt.
Eine seltsame Begegnung. Er hatte gewußt, daß ich ein Christ war; er hatte mir, wenn auch nicht in direkter Weise, erklärt, daß ich ein Deutscher sei. Seine Hindeutung auf den Emir stimmte ebenso. Und dann die Warnung vor dem »Sohne der Rachsucht«, welche Bezeichnung ich auf den Muza‘bir beziehen mußte. Das stimmte alles, alles, und ich konnte auch nicht annehmen, daß ich ihm bekannt sei. Mir ist jeder Aberglaube fern und fremd, aber dieser alte Mann hatte doch einen nicht ganz gewöhnlichen Eindruck gemacht. Ich fragte im Weiterschreiten den Führer nach dem Greis; er antwortete:
»Er ist ein heiliger Fakir, welcher wirklich in die Zukunft zu blicken vermag. Er wandert von Ort zu Ort; die Predigt ist seine Arbeit und das Gebet seine Nahrung; sein Leib wohnt auf der Erde, sein Geist aber befindet sich schon jenseits dieser Grenzen.«
Das klang nicht so, als ob ich es mit einem Betrüger zu thun gehabt hätte, und der Alte hatte auch nicht den Eindruck eines solchen auf mich gemacht. Aber was sollte ich denn sonst denken? Ich beschloß, diese Angelegenheit einstweilen ad Acta zu legen und sie dann bei passender Gelegenheit oder geeigneter Stimmung wieder hervor zu suchen, denn jetzt hatte ich der Krokodilshöhle und dem Wege nach derselben meine Aufmerksamkeit zu schenken.
Dieser Weg war keineswegs ein bequemer. Er führte steil empor zum Plateau, welches weithin mit glitzernden, durchsichtigen Krystall-Rhomboiden bedeckt war, die, ähnlich dem isländischen Spate, eine mehrfache Strahlenbrechung zeigten. Dabei gab es riesige schwarze Feuersteinkugeln, neben und über einander liegend, welche der Gegend den Anschein gaben, als ob hier zwei mit riesigen Kanonen bewaffnete Gigantenheere einander eine Schlacht geliefert hätten.
Auf diesem Plateau erhob sich ein Hügel, in welchem wir eine sehr große Öffnung bemerkten. Dürre Mumienreste, Zeugfetzen, Knochen lagen da umher und ließen vermuten, daß dieses Loch der Eingang der berühmten Höhle sei. Der Führer bestätigte es; wir befanden uns an Ort und Stelle. Der Stallmeister hatte für drei Anzüge gesorgt, welche hier erforderlich waren; sie bestanden nur aus einer leinenen Hose und Jacke. Die Kleidungsstücke, welche wir jetzt trugen, konnten wir nicht anbehalten, da sie in der Höhle vollständig zerfetzt worden wären.
Nun stieg der Führer in das Loch, welches über zwei Meter senkrecht niederführte. Dann half er mir, dem Stallmeister und Selim hinab. Die Knechte, welche draußen blieben, schickten uns an einer Schnur die Leinenanzüge und alles andere Notwendige nach. Wir befanden uns in einem Dreivierteldunkel und wechselten nun die Kleider.
Selim, der »größte Held aller Stämme«, war beim Anblick des engen Einganges merklich kleinlaut geworden. Unterwegs hatte er sich laut und eifrig mit den Reitknechten unterhalten und ihnen erzählt, daß er schon weit über hundert Totenhöhlen besucht habe. Dann war seine Sprachseligkeit verstummt, und als er jetzt neben mir stand, meinte ich, ihn seufzen zu hören.
Jetzt brannten wir die Fackeln an, von denen jeder eine brennende und zwei in Reserve erhielt, und sahen nun, wo wir uns befanden. Die Höhlung war hier unten weiter als oben und zeigte ein nach Norden gelegenes, enges Loch, in welches, wie der Führer uns bedeutete, wir zu kriechen hatten. Er kroch voran; Selim forderte mich auf, zu folgen, damit er den letzten mache. Ich aber traute dem langen Urian nicht. Wie leicht konnte die Furcht ihn bewegen, zurückzubleiben! Wenn er dann den Rückweg nicht fand, konnte er in schlimme Gefahr geraten. Er mußte also vor mir in das Loch, und ich kroch hinter ihm her.
Sobald ich mich, auf den Händen und Knien kriechend, in diesem engen Gange befand, war ich von einer heißen, stinkigen Luft umgeben, welche höchst abschreckend auf die Nase und die Lungen wirkte; ich fühlte eine ängstliche Beklemmung, deren ich nur mit Anstrengung Herr werden konnte. Und je weiter wir vorrückten, desto dicker und unausstehlicher wurde diese Luft.
»Allah il Allah!« hörte ich den Stallmeister hinter mir seufzen. »Gestern haben wir das Loch im Tell es Sirr für den Eingang zur Hölle gehalten; was für ein Eingang könnte dann dieser Stollen sein? Derjenige zur tausendfachen, zur tiefuntersten Hölle der Höllen. Warum kriecht man hier herein, während man draußen den hellen Tag und eine Luft der Erquickung hat?«
Schon nach kurzer Zeit wurde der Gang noch niedriger. Wir konnten uns nicht mehr auf den Knieen und Händen fortbewegen, sondern wir mußten uns auf den Bauch legen und uns so fortschieben. Da erklang vor mir die stöhnende Stimme Selims:
»Das ist fürchterlich, das treibt mir die Haare zu Berge; ich kann es nicht mehr aushalten!«
Der Führer rief ihm etwas zu, was ich wegen der großen Enge des Ganges nicht verstehen konnte, da es zu dumpf klang; darauf antwortete Selim in zornigem Tone:
»Was hast du mir zu befehlen! Du wirst bezahlt und hast zu schweigen und zu gehorchen! Ich fürchte mich nicht; ich nehme es sogar mit dem Teufel auf; aber dieser Gestank tötet mir die sanften Gefühle meiner Nase, und wenn diese engen, schwarzen Wände vollends zusammenknicken, so werde ich zerquetscht wie ein Fisch im Rachen eines Krokodiles. Ich gehe nicht weiter mit; ich kehre um. Das Leben ist mir lieber als der Tod und der Duft eines Tschibuk köstlicher als dieser Geruch der Hölle. Ich will zurück. Laßt mich vorüber!«
Er rief das in einem Tone, als ob er schon nahe am Erstikken sei. Ich versuchte, ihn zu beruhigen, doch vergebens; er brüllte förmlich vor Wut und Angst, und es blieb uns nichts anderes übrig, als uns seinem Willen zu fügen. Da aber der Gang so eng war, daß er unmöglich an uns vorüber konnte, so war ich mit dem Stallmeister gezwungen, bis in die Vorhöhle zurückzukriechen. Dem Führer wurde bedeutet, da, wo er sich befand, auf uns zu warten. Da wir uns rückwärts bewegen mußten, wurde uns der Weg doppelt beschwerlich; als wir vorn ankamen und Selim sich aufrichten und eine bessere, wenn auch nicht ganz reine Luft atmen konnte, rief er unter einem tiefen Seufzer aus:
»Allah sei Dank! Noch einige Minuten, und ich wäre erstickt und dann später als Mumie eines Krokodiles gefunden worden. Nein, nein, keine Macht hätte mich einen Schritt weiter gebracht!«
»Ist das der Mut, von welchem du vorhin sprachst?« bemerkte ich.
»Rede nicht von Mut, Effendi!« fuhr er mich an. »Stelle mich vor einen wirklichen Feind, und ich werde Wunder der Tapferkeit thun, aber mute mir nicht zu, mich um die Obliegenheiten meines duftliebenden Geruches zu bringen. Hat der Mensch etwa die empfängliche Innigkeit der Nase erhalten, um sich hier dieselbe rauben zu lassen? Sage, was du willst, ich bleibe hier!«
»Er hat recht,« stimmte der Stallmeister bei. »Ich fühle meinen Kopf, als ob ich fünf oder sechs Köpfe hätte; meine Augen schmerzen mich von dem Qualme der Fackeln, und meine Lunge ist wie zugebunden. Was gehen mich die Krokodile der Toten an! Wenn du erlaubst, so warte ich mit Selim hier, bis du wiederkommst.«
»Also auch du willst mich verlassen?«
»Nicht verlassen; wir bleiben ja in der Höhle; aber nachdem ich diese kleine Strecke genossen habe, fühle ich mich befriedigt und habe nicht Lust, tiefer in ihre Geheimnisse einzudringen.«
»So bleibt hier! Ich werde ausführen, was ich mir vorgenommen habe.«
Ich fand den Führer an derselben Stelle, an welcher wir ihn verlassen hatten. Als er erfuhr, daß er es nun nur noch mit mir zu thun habe, nahm er das mit großer Befriedigung auf, denn einer verursachte ihm weniger Sorge und Mühe als drei, und von der ihm versprochenen Summe büßte er ja nichts ein.
Wir krochen weiter. Der Gang wurde noch enger und war am Boden mit scharfen Quarzkrystallen bedeckt, welche in die Hände und Kleidung schnitten. Dann ging es durch eine Spalte, welche so schmal war, daß wir uns kaum hindurchzwängen konnten. Hinter derselben lag ein weiter, gewölbter Raum, welcher mit Felsblöcken angefüllt war, zwischen denen es Risse und Spalten gab, die senkrecht in die Tiefe fielen. Wer hier einen Fehltritt that, der war verloren. An der Decke und den Felsen hingen Fledermäuse, eine dicht neben der andern. Durch unsere Fackeln erschreckt, flogen sie auf und mit bewundernswerter Geschicklichkeit und ohne uns zu berühren, um unsere Köpfe. Es waren ihrer so viele, daß ihr Flug wie das Brausen eines strömenden Wassers klang, welches das Ohr förmlich betäubte.
Nun ging es über die gähnenden Spalten hinweg, wieder in einen engen Gang, welcher leider auch voller Fledermäuse hing. Die Exkremente derselben bedeckten den Boden, über welchen wir mit den Händen krochen, und der Gestank wurde hier so abscheulich, so durchdringend, daß ich nahe daran war, dem Führer zu sagen, daß auch ich umkehren wolle. Die Massen dieser Tiere wurden immer dichter, und der Gang verengte sich mehr und mehr. Die Flughäuter hatten nicht Platz, um auszuweichen; sie flogen uns an die Köpfe, in die Gesichter, in die Flammen der Fackeln, so daß diese verlöschten. Da galt es, wieder anzuzünden; aber kaum sprühte ein Zündhölzchen auf, so wurde es durch eine dagegenfliegende Fledermaus wieder ausgelöscht. Dennoch drangen wir weiter und weiter vor, bis wir in eine Art Gemach gelangten, welches so hoch war, daß wir uns aufrichten und etwas freier atmen konnten. Aber auch hier gab es tiefe Risse, Sprünge und Höhlenlöcher, welche nach verschiedenen Seiten von hier aus abzweigten. In diesem Raume sah ich, während wir bisher nur den Staub und kleinere Bruchstücke von Mumien bemerkt hatten, die erste ganze, vollständig erhaltene Dauerleiche. Es war diejenige eines Krokodiles, welches eine Länge von gegen acht Ellen hatte.
Wir stiegen über dasselbe weg und krochen in ein weiteres Loch, die Mündung eines Ganges, welcher uns in eine hallenartige Erweiterung führte. Da lag denn, was ich suchte, aber doch nicht vollkommen fand. Es waren keine erhaltenen Mumien, sondern lauter Bruchstücke derselben, viele Wagenladungen voll. Es gab da ganze Leiber, doch ohne Arm und Bein, halbe Rümpfe, ganze und zerbrochene Glieder, nicht nur von Krokodilen, sondern auch von anderen Tieren und sogar von Menschen. Hier war, wie es schien, ein förmlicher Jahrmarkt gehalten worden.
Ich suchte in den Resten, fand aber nichts Wertvolles, hatte auch gar nicht die Absicht, einen Ankauf zu machen. Was sollte ich mit einer Mumie! Da ich weiter nach Süden wollte, wäre sie mir höchstens unbequem geworden. Das Wühlen in dem wirren Chaos war übrigens nichts Angenehmes, und zwar wegen dem dabei aufsteigenden Mumienstaube, der entsetzlichen Hitze und dem kaum mehr auszuhaltenden Geruche.
Die Halle war, wie alle Räume und Gänge, durch welche wir jetzt gekommen waren, mit einem schwarzen, klebrigen Überzug bedeckt, welcher sich durch Abkratzen entfernen ließ, worauf dann das glitzernde Quarzgestein zum Vorschein kam. Dieser Überzug besteht aus Mumienpech, welches infolge der großen Hitze nicht erstarren kann und so jenen penetranten Geruch verursacht.
Während ich in den Trümmern herumsuchte, beobachtete mich der Führer von der Seite her. Ich fragte ihn, ob dies alles sei, was die Höhle bietet. Er gab eine bejahende Antwort.
»Das ist unmöglich!« entgegnete ich. »Es muß noch viel, viel mehr da sein in Kammern und Höhlen, die du mir nicht zeigest. Obgleich diese Höhle noch heute nicht vollständig erforscht ist, hat man vor noch nicht sehr langer Zeit die Zahl der Mumien, die sich in den bekannt gewordenen Räumen befanden, auf mehrere Hunderttausende geschätzt.«
»Man hat dich falsch berichtet.«
»O nein. Es sind Männer hier gewesen, deren Berichten man Glauben schenken muß. Die menschlichen Mumien waren höchst regelmäßig nach Totenbetten geordnet, wobei wechselweise eine kreuzweise über der andern lag. Was die Krokodile betrifft, so hat es zehn Meter lange Mumien gegeben. Die kleinsten, welche nur einen halben Meter und weniger lang waren, lagen je zwanzig oder fünfzehn in Ballen, um welche Zweige und Wedel von Palmen gebunden waren. Solche Ballen gab es auch von Krokodileiern, von Schlangen aller Größen, von Fröschen, Eidechsen und Schwalben und andern Vögeln. Es muß hier große Säle geben, welche von oben bis unten mit Mumien vollgepfropft waren, so daß man kaum durch die engen Zwischenräume kriechen konnte. Wo befinden sich die Säle, und wo sind die ungeheueren Mengen der Leichen hin?«
Da trat er an mich heran, legte mir seine Hand an den Arm und antwortete: »Willst du Mumien kaufen?«
»Nein.«
»Warum kommst du dann in diese Höhle?«
»Aus menschlicher Teilnahme.«
»Und doch stellst du mir solche Fragen! Du hast mir dreißig Piaster geboten. Verlangst du dafür die Enthüllung solcher Geheimnisse? Was geht dich unsere Höhle an, und was kümmern dich die Mumien, welche sich deiner Ansicht nach in derselben noch befinden sollen! Du bist ein Franke und hast keinen Grund, mich zu verraten; darum will ich dir nicht zürnen wegen deiner Sparsamkeit, und dir etwas anvertrauen: Ich brauche deine dreißig Piaster nicht, denn ich bin reicher, als du denkst. Der heilige Fakir hat freundlich zu dir gesprochen und dich, was er niemals that, in die Zukunft blicken lassen. Du mußt also ein Mann sein, den Allah liebt, und darum sollst du ein Andenken an diese Höhle haben. Warte eine kurze Zeit! Ich kehre bald zurück.«
Er kroch mit seiner Fackel durch ein Loch und ließ mich allein. Die meinige war niedergebrannt, und ich zündete mir an dem Stummel derselben eine neue an. Dann setzte ich mich auf den Körper einer Mumie, dem der Kopf und die Beine fehlten. Welche Gedanken durchfuhren mich in diesem Augenblicke der Einsamkeit! Der einzig Lebende mitten unter Leichentrümmern, tief im Innern der Erde! Wer war der Mann gewesen, auf dessen Leib ich hier saß? Er hatte gelebt, geliebt, gehofft und – gelitten. Vielleicht stand er an der Seite eines Pharao, und nun, nach vier Jahrtausenden, diente er einem Deutschen zum Schemel!
Die Zeit verging; eine Minute nach der andern verstrich, und der Führer kehrte nicht zurück. Hatte er mich durch seine Freundlichkeit getäuscht? Wollte er sich etwa für meine Sparsamkeit dadurch rächen, daß er mich hier sitzen ließ, damit ich, der ich den Weg nicht kannte, elend umkommen solle? Ein anderer wäre in diesem Falle verloren gewesen; ich aber besaß noch eine ganze Fackel und traute mir zu, in den Exkrementen der Fledermäuse meine Spur und durch dieselbe den Weg ins Freie zu finden. Das beruhigte mich. Aber mein Mißtrauen war unbegründet gewesen. Das Loch, in welchem der Mann verschwunden war, wurde hell; er kehrte zurück, in der einen Hand die Fackel und in der andern ein kleines Paket, in feinstes Mumiengewebe gewickelt. Er legte mir dasselbe in die Hand, indem er sagte- »Dies ist das Andenken, welches ich dir geholt habe. Es ist nur ein kleiner Teil einer Mumie, aber er erinnert dich ebensogut an mich, als wenn ich dich mit einer ganzen Leiche belästigte.«
»Das soll ich nicht kaufen, nicht bezahlen, sondern du schenkst es mir?« fragte ich.
»Ja, ich schenke es dir.«
»Darf ich den Grund erfahren? Es kann doch nicht allein deswegen sein, daß der heilige Fakir freundlich mit mir gesprochen hat!«
»Nein. Der Grund ist der, daß du mir gefallen hast. Ich hörte unterwegs die beiden Reitknechte, welche hinter mir gingen, von dir sprechen. Was ich da vernahm, stimmte ganz dazu, daß du mir nicht wie ein Unwissender gabst, was ich verlangte. Nimm getrost diese kleine Erinnerung mit nach Hause; ich thue mir, indem ich sie dir schenke, keinen Schaden. Damit du wissest, was es ist, habe ich einen Zettel beigelegt, welcher die Wahrheit enthält, da die auf diese Mumie bezüglichen Hieroglyphen entziffert worden sind.«
»Ich nehme es an, ohne nachzusehen, was das Paket enthält, und danke dir. Ich gehe nach Chartum und hoffe, dich auf dem Rückwege aufsuchen zu können. Vielleicht ist es mir dann besser möglich als jetzt, dir einen Beweis meiner Dankbarkeit zu liefern.«
»Dessen bedarf es nicht; aber du wirst mir willkommen sein. Nun aber wollen wir zurückkehren. Du hast nun so ungefähr gesehen, wie diese Höhle beschaffen ist; weiter brauchst du nichts zu wissen. Nur in Beziehung auf die Frage, welche du vorhin an mich richtetest, will ich dir das eine sagen, daß es in dieser Gegend Mumienschätze giebt, von denen die Regierung, welche den Handel und das Ausgraben verbietet, keine Ahnung hat. Komm, folge mir! Der Rückweg wird kürzer als der Herweg sein.«
Jetzt erfuhr ich so recht, wie verschlungen die verschiedenen Gänge der Höhle waren, denn wir erreichten den Eingang im dritten Teile der Zeit, welche wir gebraucht hatten, in die letzte Halle zu gelangen. Der Mann hatte uns jedenfalls so geführt, daß wir diejenigen Gemächer, welche kein Uneingeweihter sehen darf, nicht berührten. Der Stallmeister saß mit Selim in dem Eingangsloche. Sie waren nicht in das Freie gestiegen, aus welchem Grunde, das erfuhr ich, als sie mich baten, darüber zu schweigen, daß sie die Höhle nicht mit in Augenschein genommen hatten. Die Reitknechte sollten nicht erfahren, daß den beiden der Mut gefehlt hatte, in das Innere derselben einzudringen.