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Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi I», sayfa 6

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»Kennst du die Kutub [Bücher]el Kadirine, welche in vielen geschriebenen Heften durch alle Länder gehen, in denen es Anhänger eurer Verbrüderung giebt?«

»Ich kenne sie,« nickte er.

»Wer schreibt dieselben?«

»Jeder, der ein Schriftsteller ist, kann so ein Heft verfassen.«

»Nun wohl, ich bin ein Muallif und möchte ein solches Heft schreiben.«

»Du?« lachte er. »Du bist ja ein Giaur!«

»Sprich dieses Wort nicht wieder aus! Du hast erfahren, wie ich solch eine Beleidigung bestrafe. Wenn ich es schreibe, wird es gelesen werden; dafür laß mich sorgen! Der Titel wird lauten: Abd, el Barak, el Dschinni, Abd el Barak, das Gespenst, und jeder Leser wird erfahren, welch eine jämmerliche Rolle der berühmte Mokkadem der frommen Kadirine heute abend hier gespielt hat.«

»Wage es!« fuhr er mich zornig an.

Ich erkannte daraus, daß meine Berechnung richtig war. Aus einer Drohung mit der Obrigkeit machte er sich voraussichtlich weniger, als aus einer solchen Beschämung vor den Genossen seiner Verbrüderung. Nur auf diesem Wege ließen sich Zugeständnisse von ihm erlangen.

»Ich wage dabei gar nichts,« erklärte ich kaltblütigen Tones. »Ich mache dich vor allen deinen Genossen zu schanden und du wirst nicht die mindeste Macht besitzen, dich an mir zu rächen. Aber aus Rücksicht für die braven Mitglieder eurer Verbrüderung möchte ich es unterlassen, die Kadirine durch dich zu beschimpfen. Ich bin vielleicht bereit, auf mein Vorhaben zu verzichten, wenn du mir beweisest, daß du das Geschehene bereust und auf alle Rache gegen uns verzichtest.«

Bei der Erwähnung der Reue zuckte es grimmig über sein Gesicht; er überwand aber seinen Zorn und fragte in verhältnismäßig ruhigem Tone:

»Worin soll dieser Beweis bestehen?«

»Erstens darin, daß du allen Rechten auf diese Negerkinder entsagest.«

»Ich entsage,« antwortete er sofort mit einer wegwerfenden Bewegung seiner Hand. Meine Drohung hatte also einen solchen Eindruck gemacht, daß ihm diese Bedingung als etwas sehr geringes erschien.

»Damit ich ganz sicher bin, wirst du mir eine schriftliche Quittung darüber geben, daß ich dir das Geschwisterpaar abgekauft habe!«

»Du sollst sie haben.«

»Ferner fertigst du mir einen Empfehlungsbrief aus, des Inhalts, daß alle Mitglieder der Kadirine mir Schutz und Unterstützung zu erweisen haben.«

»Ich werde ihn schreiben.«

Das sagte er ebenso schnell wie seine vorherigen Antworten. Ich glaubte, viel verlangt zu haben. Durfte ich seiner so raschen Zusage Vertrauen schenken? Er sah mich in einer Weise, welche mich bedenklich machte, von der Seite an. Dieser versteckte Blick schien einen Hinterhalt zu bedeuten. Doch hatte ich keine Zeit zum Überlegen, was jetzt auch zu nichts führen konnte, und fuhr also fort: »Und endlich setzen wir eine kurze Schrift auf, welche die Erzählung dessen enthält, was heute hier geschehen ist. Diese Schrift hast du zu unterzeichnen.«

Da fuhr er ergrimmt auf:

»Beim Leben des Propheten, das thue ich nicht!«

»Schwöre nicht bei Muhammed, denn du wirst und kannst diesen Schwur nicht halten!«

»Ich halte ihn, Warum soll ich mich unterschreiben? Was willst du mit dieser Schrift machen?«

»Wenn du dich nicht feindlich zu uns verhältst, wird kein Mensch sie zu sehen bekommen; aber wenn du uns zu schaden trachtest, werden wir Gebrauch von derselben machen.«

»Was werdet ihr machen, wenn ich es nicht thue?«

»Es giebt hier in Kahira noch andere Verbrüderungen, deren Mokkadems ich sofort kommen lassen werde. Diese Männer sollen dich hier sehen und von uns erfahren, auf welche Weise du zu uns gekommen bist. Dann wird man bald allüberall erfahren, daß deine Frömmigkeit im Nachahmen der Gespenster besteht.«

Das war der letzte aber auch der höchste Trumpf, den ich auszugeben hatte, und die erwartete Wirkung blieb nicht aus. Er starrte eine Weile vor sich nieder, dann rief er aus:

»Ich muß mich erheben; ich kann jetzt nicht sitzen bleiben!«

Er sprang auf und schritt in großer Erregung im Zimmer hin und her. Dann blieb er vor mir stehen und fragte:

»Und wenn ich das alles thue, was ihr von mir fordert, werdet ihr uns beide dann ungehindert gehen lassen?«

»Ja.«

»Und die letzte Schrift erst dann vorzeigen, wenn ihr die Bemerkung gemacht habt, daß ich euch zu schaden trachte?«

»Ja.«

»Bei meiner Seele und bei den Seelen meiner Ahnen, du bist ein Mensch, vor dem man sich zu hüten hat.«

»Du zählst deine Ahnen bis hinauf zum Propheten, denn du trägst den grünen Turban, außer wenn du Gespenster machst. Du würdest, falls du dich weigertest, auf meine Forderungen einzugehen, den Gesandten Allahs beschimpfen. Hüte dich!«

»Der Tag deiner Geburt ist ein Unglückstag für mich. Ich werde mich fügen und deinen Wünschen nachkommen. Schreibe also, was du zu schreiben hast! Ich werde meinen Namen dazu setzen.«

Mit diesem Entschlusse ging seine Aufregung zu Ende; er setzte sich wieder nieder. Ich that dasselbe, und Murad Nassyr brachte mir Papier, Tinte und eine Rohrfeder. Es dauerte einige Zeit, bis ich Abd el Barak die drei Schriftstücke vorlegen konnte. Er unterschrieb sie, ohne sie durchzulesen, gab sie mir zurück und rief tief aufatmend, indem er sich von seinem Sitze erhob:

»So, jetzt sind wir fertig. Nun bindet diesen Mann hier los, und laßt uns fort!«

Wir befreiten das Gespenst Nummer Zwei von den Stricken und begleiteten die beiden bis hinaus an die Hausthüre, deren Riegel Selim zurückschob. Als Abd el Barak den Fuß auf die Gasse gesetzt hatte, drehte er sich zu uns um, machte mir eine Verbeugung und sagte in spottendem Tone:

»Gott behüte dich, Gott bewahre dich; hoffentlich sehe ich dich in kurzer Zeit wieder!«

Dann schritt er mit dem anderen »Gespenste« von dannen. Ich kehrte in mein Zimmer zurück, und Nassyr begab sich hinauf zu seiner Schwester, welche jedenfalls außerordentlich gespannt auf seine Erzählung war. Die Papiere steckte ich zu mir, denn es fiel mir gar nicht ein, sie dem Türken in Verwahrung zu geben. Ich traute ihm nicht die nötige Umsicht zu, und aus dem Verhalten Abd el Baraks, ganz besonders aber aus der Art seines ironischen Abschiedes war zu schließen, daß er allerlei Hintergedanken hegte, welche uns zur Vorsicht mahnten. Dann kam Selim, um sich zu erkundigen, ob ich ihn noch brauche oder er sich wieder niederlegen dürfe.

»Einige Fragen sollst du mir beantworten,« entgegnete ich ihm. »Hast du ein Schiff für mich gefunden, welches heute von Bulak nilaufwärts geht?«

»Ja; ich habe das beste und schnellste ausgesucht, Effendi, und für dich und die Neger Platz bestellt.«

»Das hast du gar nicht klug gemacht. Man braucht nicht schon jetzt zu wissen, ob ich allein komme oder nicht. Hast du gesagt, wer ich bin?«

»Ich mußte es sagen, da der Kapitän mich danach fragte.«

»Was ist‘s für ein Schiff?«

»Eine Dahabijeh, welche sehr schnell zu segeln scheint, da man ihr den Namen ›Semek‹ [Fisch]gegeben hat.«

»Und nun noch eins, die Hauptsache! Während du die Gefangenen bewachtest, hast du mit Abd el Barak gesprochen. Da hast du ihm erzählt, daß ich heute mit diesem ›Semek‹ die Stadt verlassen werde?«

»Nein, ich habe kein Wort gesagt.«

»Sei aufrichtig! Es hängt vielleicht sehr viel davon ab, daß du mir die Wahrheit sagst. Ich werde dir nicht zürnen, falls du geplaudert hast.«

Er legte beide Hände auf das Herz und versicherte im Tone der größten Aufrichtigkeit:

»Effendi, beleidige nicht meine fromme Seele, indem du glaubst, daß ich dich belüge! Du bist der Freund meines Herrn, und darum diene ich dir ebenso treu wie ihm. Warum hätte ich plaudern sollen? Ich bin als Sohn der Verschwiegenheit geboren, und aus meinem Munde gehen nur solche Reden, welche Allah und den heiligen Kalifen wohlgefällig sind. Ich schwöre dir zu, daß ich kein Wort gesagt habe!«

»Gut!« meinte ich, obgleich ich seine Wahrheitsliebe sehr bezweifelte. »Wann wird die Dahabijeh den Ankerplatz verlassen?«

»Um drei Uhr. Du weißt wohl, daß dies die Aufbruchszeit jedes gläubigen Moslem ist.«

»Und wo liegt sie? Giebt es ein Kaffeehaus in der Nähe, von welchem aus man sie sehen kann?«

»Gar nicht weit von der Stelle, an welcher sie angehängt ist, befindet sich ein Kaffeehaus, vor welchem man sitzen und ihr Deck leicht überblicken kann. Willst du vielleicht dorthin gehen? Ich werde es dir zeigen.«

»Nein, ich habe diese Absicht nicht. Ich bedarf deiner nicht mehr. Ich hoffe, daß du die Wahrheit gesagt hast, und gebe dir zu bedenken, daß man einem Lügner nur schwer wieder Vertrauen schenkt!«

»Richtig, sehr richtig!« stimmte er mir bei, indem er den Kopf so tief verneigte, daß der Außenrand seines Riesenturbans fast den Boden berührte; dann ließ er mich allein.

Nach einiger Zeit suchte mich Nassyr noch einmal auf. Er hatte das Bedürfnis, das Geschehene von neuem durchzusprechen, und dabei zeigte es sich, daß er geneigt war, Abd el Barak jetzt für unschädlich zu halten.

»Er hat gesehen, wie ernst es uns ist,« sagte er; »er hat sich unterschrieben und wird sich hüten, uns zu zwingen, von den Waffen, welche wir gegen ihn in den Händen haben, Gebrauch zu machen.«

»Das denke ich nicht. Zunächst wird er sich Mühe geben, sie uns wieder zu entwinden. Er ist zu allem fähig. Haben Sie nicht den Ton beachtet, in welchem er von uns Abschied nahm?«

»Das war Ärger.«

»Nein, sondern Hohn. Auch fällt mir die Leichtigkeit und Schnelligkeit auf, mit welcher er sich zur Unterschrift des Empfehlungsbriefes bereit erklärte. Jedenfalls hat er sich dabei in einen Hinterhalt gelegt, welchen wir vielleicht noch kennen lernen werden. Zudem bin ich überzeugt, daß Selim ihm mitgeteilt hat, daß ich heute Kahira verlassen werde. Es gilt die Dahabijeh zu beobachten, ob Abd el Barak sie vielleicht besucht.«

»Wer soll das übernehmen?«

»Ich nicht, da es sich ja um mich handelt. Selim ist nicht zuverlässig, und Ihren Neger können wir auch nicht damit betrauen.«

»So muß ich selbst gehen; das wird das beste sein.«

»Allerdings. Das Schiff heißt ›Semek‹ und kann von einem nahe liegenden Kaffeehause leicht überblickt werden. Die Aufgabe erfordert Wachsamkeit, und darum möchte ich Ihnen raten, jetzt wieder zur Ruhe zu gehen. Es giebt keine Gespenster mehr, und unser Schlaf wird nun wohl nicht wieder unterbrochen werden.«

Nassyr verabschiedete sich, und auch ich legte mich wieder nieder, nachdem ich meine beiden Pflegebefohlenen zur Ruhe gebettet hatte. Das Licht wurde diesmal ausgelöscht. Als ich erwachte, war der Vormittag schon fast vorüber. Selim brachte uns das Frühstück und benachrichtigte mich, daß sein Herr schon zeitig ausgegangen sei und verschiedene Gegenstände für mich nach Hause geschickt habe. Er brachte mir dieselben, und ich erkannte, daß der dicke Türke doch nicht ganz so selbstsüchtig war, wie ich vorher geglaubt hatte. Er hatte nicht nur Proviant, sondern auch noch anderes, um mir die Nilfahrt zu erleichtern, für mich eingekauft. Nun handelte es sich vor allen Dingen um das Passagegeld. Hatte ich dasselbe zu entrichten, so entstand dadurch ein Loch in meiner Kasse, welches sehr bedenklich war. Nassyr kam zur Mittagszeit nicht heim; er war pflichtgetreu und blieb so lange wie möglich auf seinem Posten. Erst um zwei Uhr ließ er sich sehen, und nun war es Zeit zum Aufbruche für mich. Durch die Einkäufe des Türken hatten sich meine wenigen Sachen so vermehrt, daß ich einen Packträger holen lassen mußte. Sogar einen hübschen Tschibuk und einen gestickten Tabaksbeutel fügte er hinzu. Kurz bevor wir gingen, wurde Siut als Haltepunkt für mich bestimmt. Ich durfte mich nicht zu weit entfernen, aber wegen Abd el Barak auch nicht zu nahe bei Kairo bleiben. Nassyr konnte bereits bestimmen, daß er genau nach einer Woche mit dem Sandal Tehr[Vogel] die Stadt verlassen werde. Nach dieser Angabe war leicht zu berechnen, zu welcher Zeit ich ihn in Siut erwarten konnte. Was die Beobachtung der Dahabijeh betrifft, so hatte Nassyr nichts Verdächtiges wahrgenommen. Er war sogar selbst an Bord gewesen, um die Passage für mich zu entrichten, was glücklicherweise nicht meinen Beutel, desto mehr aber mein Herz erleichterte, und hatte auch da nichts bemerkt, was ihm hätte auffallen können. Er behielt seine Ansicht bei, daß meine Vorsicht und Besorgnis ganz überflüssig sei. Ich aber hatte sehr oft erfahren, daß ein Südländer nicht leicht eine Beleidigung verzeiht, und in Beziehung auf Abd el Barak hatte es sich um weit mehr als um eine persönliche Kränkung gehandelt.

Die Sitte des Ostens verbot es mir, Letafa, der »Liebenswürdigen«, lebewohl sagen zu lassen; die haarspendende Fatma ließ ich sehr gern zurück. An der Hausthüre verabschiedete ich mich von Selim mit dem guten Rate:

»Sollte während meiner Abwesenheit der Geist wiederkommen, so wimmere nicht und schlage lieber tüchtig zu. Und halte nicht wieder drei Gespenster für acht! Zu einem ›größten Helden seines Stammes‹ gehört unbedingt, daß er nicht mehr Feinde erblickt, als wirklich vorhanden sind.«

»Richtig, sehr richtig!« antwortete er, indem er mir seine lebensgefährlichste Verbeugung machte und dabei meine Hand an seine Lippen zog. Ein arabischer Moslem, der die Hand eines Ungläubigen küßt, wie oft mag das wohl vorkommen! Der Mann schien mich trotz der kurzen Zeit doch schon ein wenig in sein Herz geschlossen zu haben, und ich nahm mir vor, in Zukunft zu seinen Eigentümlichkeiten ein Auge zuzudrücken. – —

Zweites kapitel: Der Reïs Effendina

Murad Nassyr begleitete mich und die Kinder. Der Packträger ging voran. Als wir das Schiff erreichten, war die Bemannung desselben gerade mit dem Nachmittagsgebete zu Ende und machte sich nun daran, das große Segel zu entrollen. Ich drückte Nassyr die Hand, sagte ihm Dank und sprang, gefolgt von den Schwarzen, an Bord. Der Packträger stand, nachdem er meine Sachen da niedergelegt hatte, schon wieder am Ufer. Nach kurzer Zeit legte sich der Wind ins Segel, und die Dahabijeh wendete ihren Bug der Mitte des Stromes zu. Einige Abschiedswinke von seiten meines dicken Türken, welche ich erwiderte, dann wendete ich mich dem Decke zu, um den Reïs [Kapitän]zu begrüßen. Er kam mir entgegen, verbeugte sich sehr höflich, hieß mich willkommen und reichte mir sogar die Hand. Dann führte er selbst mich, während der Steuermann dem Schiffe Richtung gab, in die für mich bestimmte Kabine. Sie lag im Hinterteile des Schiffes unter einem Bretterverschlage und wurde anstatt einer Thüre durch eine herabhängende Strohmatte von dem offenen Deck getrennt. Ich sah eine Art Matratze daliegen; Decken hatte Nassyr mir mitgegeben, also konnte ich es mir mit meinen kleinen, schwarzen Begleitern bequem machen. Raum dazu war genug, wenn auch nicht überflüssig vorhanden. Zu meiner Verwunderung waren längs der Bordwand zwei Dutzend Flaschen aufgestellt. Der Reïs sagte mir, daß sie von dem Türken geschickt worden seien. Es war Bira nimsawiji, österreichisches Bier. Meine Sympathie für den Dicken wuchs mehr und mehr.

Eben hatte der Reïs mich verlassen, und ich war an die kleine, winzige Kajütenluke getreten, um einen kurzen

Blick hinaus auf den segelbelebten Strom zu werfen, da hörte ich hinter mir eine Stimme:

»Effendi, erlaubst du mir, deine Sachen zu bringen, welche noch vorn liegen, wo der Hammal sie hingelegt hat?«

Ich drehte mich nach dem Sprecher um. Er stand unter dem Eingange meiner Koje in so höflicher, ja demütiger Haltung, daß man ihm wohl eine freundliche Antwort hätte gönnen mögen; aber ich brachte es nicht dazu. Sein Auge blickte so scharf und spitz unter den buschigen Brauen hervor; seine schmalen Lippen waren an den Mundwinkeln breit niedergezogen, als ob er im Begriffe stehe, ein Hohngelächter aufzuschlagen, und seine Nase – — ja diese Nase! Sie war dick angeschwollen und gelb, rot, grün und blau gefärbt. Was hatte der Mann nur gemacht, sich sein Gesicht in dieser Weise zu verschimpfieren! Ich mußte ganz unwillkürlich an den Geist Nummer Drei denken, mit dessen Nase meine Faust heute nacht in so kräftige Berührung gekommen war. Es stieg ein Verdacht in meiner jetzt sehr zum Mißtrauen gestimmten Seele auf. Als man vorhin das Segel löste, war dies unter dem singenden Rufe der Matrosen » Ah ia sidi Abd el Kader« geschehen. Dies ist der beliebte Ausruf aller zur Kadirine gehörigen Moslemin. Sollte der Reïs dieses Schiffes und mit ihm die Bemannung desselben Mitglieder dieser Verbrüderung sein? Sollte Abd el Barak, der jawohl von Selim den Namen der Dahabijeh erfahren hatte, dem Reïs den Befehl erteilt haben, meinen Geist Nummer Drei an Bord zu nehmen? Das war höchst bedenklich! Es galt, vorsichtig und klug zu sein. Ich verriet meine Gedanken durch keine Miene und überraschte den Mann durch die schnelle Frage:

»Wie ist dein Name?«

Er hatte auf seine Erkundigung von meiner Seite gewiß nichts anderes als ein zustimmendes Ja erwartet; er zögerte mit der Antwort. Warum? Hatte er Veranlassung, seinen Namen zu verschweigen?

»Nun, antworte!« drängte ich ihn in scharfem Tone.

»Ich heiße Ben Schorak,« meinte er jetzt.

Er hatte das in einer Weise gesagt, als ob er den ersten besten Namen, der ihm einfiel, über die Lippen gehen lasse. Und Ben Schorak, also Schoraks Sohn. Das genügte nicht. Dieser Mann war gegen fünfzig Jahre alt und mußte also einen eigenen Namen haben, hinter welchen dann allerdings Ben Schorak zu setzen war. Ich hielt mich aber nicht lange bei meinem Bedenken auf und erkundigte mich weiter:

»Warum meldest du dich zu dieser Arbeit?«

»Weil ich die Kajütenpassagiere zu bedienen habe.«

»Ah so! Bist du ein Araber?«

»Ja, vom Stamme der Maazeh.«

»Wie lange dienst du schon auf diesem Schiffe?«

»Seit über einem Jahre.«

»Gut! Hole die Sachen! Bin ich mit dir zufrieden, so wird dich mein Bakschisch erfreuen.«

Jjetzt galt es, diesem Manne keine Zeit zu lassen, die mir gegebenen Antworten draußen mitzuteilen. Ich ging also hinaus. Der Reïs stand hinten beim Steuermann; ich trat zu ihnen und zog einige unverfängliche Erkundigungen ein, welche sich auf meine Rechte und Pflichten als Passagier bezogen. Dann fragte ich, ob mir nicht ein Mann zu kleinen Dienstleistungen angewiesen werden könne. Der Reïs antwortete ahnungslos:

»Dieser Mann ist bereits bestimmt. Er hat schon deine Sachen in die Kajüte getragen und befindet sich noch in derselben.«

»Wie heißt er?«

»Barik.«

»Ein Beduine?«

»Nein. Er stammt aus Minieh.«

»Ist er treu und zuverlässig? Wie lange befindet er sich auf dieser Dahabijeh?«

»Schon seit vier Monaten.«

Ich wußte genug; ich war von diesem Gespenst Nummer Drei belogen worden. Er hatte noch nicht die Vorsicht gehabt, mit der Bemannung des Schiffes die notwendigen Personalien zu verabreden. Er befand sich meinetwegen hier. Mir fiel es auf, daß er sich noch immer in meiner Kajüte aufhielt. Was hatte er in derselben zu suchen? Ich näherte mich in einer Weise, daß er mich nicht bemerken konnte, und trat dann schnell ein. Da saßen die beiden Kinder und knabberten an einigen Datteln, mit denen er ihre Aufmerksamkeit gefangen genommen hatte; er aber hatte seine Hand in der Innentasche meines Haïks, natürlich um den Inhalt derselben zu untersuchen. Ich that, als ob ich das nicht bemerkte, und erteilte ihm irgend einen kleinen Auftrag, infolgedessen er sich zu entfernen hatte.

Wie wohlbegründet waren meine Befürchtungen gewesen! Nun fragte es sich, welchen Auftrag dieser Mann von Abd el Barak empfangen hatte. Mich zu ermorden? Wohl möglich, aber ganz so Schlimmes wollte ich doch nicht vermuten. Wahrscheinlicher war es, daß seine Aufgabe darin bestand, mir die Unterschriften zu entwenden. Vielleicht hatte er soeben in der Haïktasche nach ihnen gesucht. Aber sei dem, wie ihm wolle, ich befand mich in keiner angenehmen Lage und hätte lieber, wenn dies möglich gewesen wäre, die Dahabijeh sofort verlassen. Dies konnte später leicht geschehen, denn diese Schiffe legen des Abends fast regelmäßig am Ufer an, und es stand wohl nicht zu befürchten, daß es mir schon heute an den Kragen gehen solle. Ich gab zunächst alles Grübeln auf und machte mich an die Einrichtung meiner kleinen, schwimmenden Häuslichkeit. Man reist mit dem Nilboote sehr langsam, und ich hatte mich also auf eine Reihe von Tagen einzurichten. Da galt es vor allen Dingen, mein Eigentum, besonders die mitgenommenen Lebensmittel, vor den Ratten zu schützen, welche eine wahre Plage auf diesen Booten sind. Dabei kam mir auch ein Paket Rauchtabak in die Hände. Ich öffnete dasselbe und fand ein zusammengelegtes Papier obenauf liegen, auf welchem geschrieben stand: Ihr Reisegeld bis Siut. Das Papier war schwer; als ich es auseinandergeschlagen hatte, blinkten mir zwanzig Sovereigns entgegen. Das waren nach türkischer Ausdrucksweise zwanzig Inglis liraszy, über vierhundert Mark nach deutschem Gelde. Mein dicker Murad Nassyr war gar kein übler Türke. Leider hatten wir in Beziehung auf den Glauben sehr verschiedene Meinung; aber in Hinsicht auf Geldangelegenheiten schien zwischen uns die erfreulichste Harmonie zu bestehen. Nur fragte es sich, zu welcher Art von Diensten er mich dadurch verpflichten wollte. Es bestand noch immer eine leise Ahnung in mir, daß seine Geschäfte doch nicht ganz von derjenigen Gattung seien, zu welcher ich mich bedenkenlos verstehen durfte. Über sein sonst so ehrliches Gesicht war zuweilen ein Zug gegangen, wie man ihn nur bei Personen bemerkt, denen jeder Weg recht ist, falls er sie nur zum Ziele führt. Sein Verhalten zu mir war ganz gewiß auch mit die Folge eines gewissen Wohlwollens; das gab ich gerne zu; der eigentliche Grund desselben lag aber sicher in einer selbstsüchtigen Berechnung, die ich ihm freilich nicht übelnehmen konnte, da wir Menschen ja alle mehr oder weniger Egoisten sind, wie jeder Aufrichtige gestehen wird.

Ich baute, um die Ratten abzuhalten, von den Flaschen eine Unterlage, auf welche sämtliche Effekten und Vorräte zu liegen kamen. Dabei halfen mir meine beiden Neger, und es stellte sich bei dieser Gelegenheit heraus, daß sie recht geschickt waren und ein gutes Fassungsvermögen besaßen. Freilich hätte ich mir diese Arbeit ersparen können, aber ich ahnte nicht, daß mein Aufenthalt auf der Dahabijeh nicht einmal einen Tag währen werde.

Wie in dieser Jahreszeit fast immer, herrschte Nordwind, und das Segelboot machte eine ziemlich schnelle Fahrt, bis die Sonne im Westen verschwand und das Moghreb [Abendgebet]gebetet wurde. Dann aber ließ der Reïs halbe Luft nehmen; die Dahabijeh ging langsamer, und ich sah, daß das Steuer nach dem linken Ufer des Stromes gelegt wurde. Ich ging infolgedessen zum Reïs und fragte ihn nach der Ursache dieses Manövers.

»Wir legen in Giseh an,« antwortete er mir.

»Aber warum das? Unsere Fahrt hat ja eben erst begonnen. Aus welchem Grunde soll sie schon unterbrochen werden? Es ist ja noch nicht finster, und bald werden die Sterne

erscheinen, bei deren Licht wir recht gut noch bis Atar en Nebi und Der et Tin oder gar bis Menil Schiba und Der Ibn Sufgan segeln können!«

»Woher kennst du diese Orte?« fragte er verwundert. »Wer hat dir von ihnen erzählt?«

Es lag in meinem Interesse, ihn wissen zu lassen, daß ich nicht so unerfahren sei, wie er vielleicht denken mochte; darum antwortete ich ihm:

»Hast du mich für einen Neuling gehalten? Ich bin nicht zum erstenmale hier und habe schon die Katarakte befahren.«

»Dann wirst du wissen, daß jedes Schiff bei hereinbrechender Dunkelheit ans Ufer gelegt wird.«

»Bei wirklicher Dunkelheit, ja. Aber es ist noch nicht Nacht und wird heute überhaupt nicht dunkel werden, da wir den schönsten Sternenschein zu erwarten haben. Auch das Wasser leuchtet. Wir können recht wohl die ganze Nacht durch segeln.«

»Das thut kein erfahrener und vorsichtiger Reïs.«

»O doch! Ich habe es selbst erlebt. Wir sind sehr oft im Mondschein oder wenn die Sterne am Himmel standen, während der Nacht unter Segel gewesen. Wenn du schon in Giseh anlegen willst, war es ganz überflüssig, die Fahrt heute überhaupt zu beginnen. Ich möchte nicht, daß du anlegst, und du weißt, daß jeder verständige Reïs sich nach den Wünschen der Passagiere richtet.«

»Es giebt darüber keine Vorschrift. Ich bin der Gebieter dieser Dahabijeh und handle ganz nach meinem Wohlgefallen.«

»So mußt du gewärtig sein, daß ich deine Ungefälligkeit bekannt gebe und dann von den Franken, welche die besten Passagiere und Zahler sind, kein einziger wieder mit dir fährt.«

»Sie mögen es bleiben lassen. Ich brauche sie nicht!«

Er drehte sich um und ging fort. Damit war die Sache abgemacht. Das zeitige Anlegen in Giseh mußte einen besonderen Grund haben, die Folge einer ganz bestimmten Absicht sein, welche jedenfalls mit der Anwesenheit meines Gespenstes Nummer Drei zusammenhing. Es sollte etwas vor sich gehen, was man nicht aufschieben, sondern noch in der Nähe von Kairo geschehen lassen wollte. Was aber konnte das sein? Rache an mir nehmen? Die beiden Neger entführen? Mir die Unterschriften Abd el Baraks entreißen? Wahrscheinlich waren die drei Vermutungen sämtlich richtig, da diese Punkte in innigem Zusammenhange miteinander standen.

Was Giseh betrifft, so ist es der Landungsplatz aller Reisenden, welche von Kairo aus die Pyramiden besuchen, welche in einer Entfernung von acht Kilometern liegen. Zur Zeit der Überschwemmung, während welcher man auf den sich aus dem Wasser erhebenden Dämmen einen bedeutenden Umweg zu machen hat, beträgt diese Entfernung fast das Doppelte. Der Ort ist wegen seiner künstlichen Brutöfen bekannt, und es führt da eine eiserne Drehbrücke über den Nil. Gegenüber der Insel Roda liegt der Haremsgarten und der Park des Selamlik. Sonst giebt es nur verfallene Bazars und Ruinen alter Landhäuser der Mameluken, auch einige Cafés, welche aber der Fuß des Europäers nur ungern betritt. Giseh konnte mir also gar nichts bieten, und darum nahm ich mir vor, nicht am Lande zu übernachten, sondern an Bord zu bleiben. Aber ich hatte Grund, mich zu verstellen und so zu thun, als ob ich das Segelboot verlassen wollte. Darum warf ich, als die Dahabijeh ans Ufer befestigt worden war, meinen Haïk. über, nahm die beiden Neger bei den Händen und gab mir den Anschein, als ob ich aufzubrechen beabsichtige. Da kam der Reïs schnell herbei und fragte:

»Was hast du vor? Willst du etwa aussteigen, Effendi, um während der Nacht in Giseh zu schlafen?«

»Ja.«

»Du wirst kein Nachtlager finden!«

»Warum nicht? Man wird mich, da ich gut bezahle, gern in jedem Hause aufnehmen.«

»Aber wir werden sehr zeitig absegeln, und wenn du das verschläfst, so bleibst du hier sitzen!«

»Das ist unmöglich, denn ich werde dich benachrichtigen lassen, wo ich mich befinde, so daß du mich holen lassen kannst.«

»Holen lassen kann ich dich nicht. Ich muß mich nach dem Morgenwinde richten und sofort absegeln, wenn er zu wehen beginnt.«

»Mir vorher einen Boten zu senden, das würde doch nur eine Versäumnis von wenigen Minuten nach sich ziehen!«

»Selbst diese wenigen darf ich nicht versäumen.«

»Warum bist du plötzlich so eilig, während du hier angelegt hast, obgleich du weitersegeln konntest?«

»Ich bin Reïs und brauche dir meine Gründe nicht mitzuteilen. Wenn du gehen willst, so gehe; aber ich werde dich nicht rufen lassen. Wenn ich sehe, daß die Sterne hell genug scheinen, werde ich sogar noch vor Mitternacht abfahren. Dann magst du zusehen, ob du uns einzuholen vermagst.«

»So muß ich mich in deinen Willen fügen und hier bleiben. Allah vergelte dir die Freundlichkeit, mit welcher du deine Passagiere behandelst!,

Ich sagte das in unwilligem Tone und zeigte dabei absichtlich ein mißvergnügtes Gesicht. Über das seinige aber glitt eine sichtbare Genugthuung, welche zu bemerken ich mir jedoch nicht den Anschein gab. ich hatte meinen Zweck erreicht und wußte nun, woran ich war. Ich sollte nicht von Bord gehen; man beabsichtigte also das, was man gegen mich vorhatte, in dieser Nacht auszuführen. Das war mir lieb. Wenn gleich hier der Handel zu Ende ging, hatte ich nicht für längere Zeit in Ungewißheit zu schweben.

Die Matrosen bekamen die Freiheit gewährt, welche mir versagt wurde; sie durften an das Land gehen. Ich beobachtete ihre Entfernung; sie gingen alle, und nur drei Personen blieben zurück, nämlich der Reïs, der Steuermann und der famose Kajütendiener mit der Karfunkelnase. Ich konnte mir sehr wohl denken, weshalb es den Leuten erlaubt worden war, von Bord zu gehen. Man wollte sich aller unnötigen Zeugen entledigen.

Bald kam der Diener zu mir in die Kajüte, um mich zu fragen, ob ich irgend einen Wunsch habe. Ich verlangte Wasser und eine Lampe, um immer Feuer für die Pfeife zu haben. Er brachte mir beides, und bei dieser Gelegenheit bemerkte ich ihm so nebenbei, daß ich mich unwohl fühle und infolgedessen die Kajüte nicht verlassen werde. Dabei zog ich meine Brieftasche aus der Jacke, öffnete sie so beiläufig und ließ sehen, daß sie Papiere enthielt. Das that ich, um die Sache abzukürzen und die guten Leute auf den Leim gehen zu lassen. Daß ich das Richtige gedacht und getroffen hatte, erfuhr ich sofort, denn der Mann antwortete mir in freundlich besorgtem Tone:

»Das machest du recht, Effendi. Bleibe in der Kajüte. Die Nachtluft ist für den Fremden äußerst schädlich, und schon mancher hat sich eine unheilbare Augenentzündung geholt, weil er abends im Freien geblieben ist. Schone also das Licht deiner Augen! Wirst du heute meiner noch einmal bedürfen?«

»Nein. Ich speise jetzt einige Datteln, rauche noch zwei Pfeifen und lege mich dann zur Ruhe.«

»So will ich gehen, um dich nicht zu stören. Deine Nacht sei glücklich!«

Er machte mir eine Verbeugung, wenn auch keinen so halsbrecherischen Katzenbuckel wie der lange Haushofmeister meines dicken Türken, und entfernte sich, wobei er die Strohmatte herabließ, um meine Koje gegen das Deck hin zu verschließen. Kaum hatte er das gethan, so blies ich die Thonlampe aus, um den Raum zu verdunkeln, damit ich nicht gesehen werden könne, hob die Matte ein wenig empor und blickte ihm nach. Ich ahnte nämlich, daß er die anderen Biedermänner sofort von dem, was ich gesagt hatte, benachrichtigen werde.

Es brannte auf dem ganzen Deck kein Licht. Das Heer der Sterne war noch nicht erschienen; nur einzelne Vorboten desselben standen am Himmel und vermochten nicht, das gegenwärtige Dunkel zu lichten. Meine geübten Augen waren wohl schärfer als diejenigen der Araber. Ich sah den Diener nach der Mitte des Schiffes gehen, kroch unter der Matte hinaus und folgte ihm nach. Zwar konnte ich nicht so weit sehen, aber ich hatte bemerkt, daß dort mehrere große, in Bastmatten gehüllte Tabaksballen standen, welche wohl nach dem Süden bestimmt waren. Dorthin kroch ich auf den Händen und Knieen so rasch wie möglich. Meine Voraussetzung bewährte sich, denn als ich in die Nähe kam, hörte ich sprechen. Rechts an die Ballen gelehnt, saß ein Mann; ein anderer stand neben ihm. Ich schob mich also nach links hinüber und legte mich lang und eng an die andere Seite der Tabakskolli. Dabei hörte ich, daß der eine zu dem andern sagte:

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
630 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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