Kitabı oku: «Im Lande des Mahdi III», sayfa 4
»Ich denke auch, daß wir nicht mehr brauchen. Die Waffen, welcher du bedarfst, kannst du von jedem zurückbleibenden Askari erhalten. Laß dir sie geben!«
»Ich mag keine. Ich hole mir die meinigen. Nähme ich jetzt andere mit, so müßte ich sie zurücktragen.«
»Aber wenn es zum Kampfe kommt und du bist unbewaffnet, so kann es dir leicht schlimm ergehen!«
»Schlimm? Pah! Ich fürchte nichts.«
»So will ich mit dem Häuptling wegen des Bootes sprechen.«
Der Anführer der Bor war nicht nur bereit, uns eines seiner Boote zu leihen, sondern er bat uns, ihn mitzunehmen, was ihm auch gern gestattet wurde. Ich stieg mit dem Emir und Ben Nil in das kleine Boot, welches wir am Nachmittag gehabt hatten, um voranzurudern, während die Asaker in den beiden größeren Fahrzeugen folgen sollten.
Noch war der Mond nicht aufgegangen, als unsere Fahrt begann, doch leuchteten die Sterne hell genug, um uns in das Wasser ragende Wurzeln und andere derartige Hindernisse vermeiden zu lassen. Wir folgten genau dem Ufer, welches an dieser Seite einige größere Buchten hatte. Dadurch wurde unsere Fahrt verlangsamt, was mir aber gar nicht unlieb war, da ich, um dann später nicht zu irren, auf den Mond zu warten hatte.
Als er aufging, sahen wir ihn tief am Horizonte stehen, denn es gab da drüben keine Bäume, die ihn verdeckten. Daran erkannte ich, daß wir uns schon parallel mit der baumlosen Prairie befanden, an deren anderm Rande die Seribah lag.
Jetzt legten wir uns kräftiger in die Ruder als bisher. Der Mond stieg langsam höher, verschwand aber doch nach einiger Zeit hinter einer dunkeln Wand, welche ihn uns unsichtbar machte. Das war der Wald, welcher drüben wieder begann. Wir waren also an der Savanne vorüber, ruderten noch eine kleine Strecke weiter und hielten dann quer über den Maijeh hinüber.
Am jenseitigen Ufer angekommen, stiegen wir aus und banden die Boote fest. Es galt zunächst zu erfahren, ob unsere Annäherung bemerkt worden sei. Wir verhielten uns zu diesem Zwecke vollständig laut- und bewegungslos, um zu lauschen, aber es war nichts zu hören. Dann suchte ich, während die anderen noch immer still halten blieben, die Umgebung ab. Die Bäume standen nicht dicht, und der Mond schien zwischen den Kronen hindurch, sodaß ich ganz leidlich sehen konnte. Es war kein Mensch in der Nähe. Also konnte nun der kurze Marsch beginnen. Wir befanden uns nicht mehr als sechshundert Schritte hinter der Seribah.
Ich ging voran, vielleicht zwanzig Schritte von den andern entfernt, welche hinter mir eine lange Einzelreihe zu bilden hatten. Noch hatte ich den Rand des Waldes nicht erreicht, als ich den Schein eines Feuers vor mir sah und laute Stimmen hörte. Ich ließ meine Asaker halten und schlich allein weiter, um genau zu rekognoszieren. Was ich sah, gab mir die Gewißheit, daß wir die Feinde überwältigen würden, ohne daß wir einen Tropfen Blutes zu vergießen brauchten.
Wie bereits früher gesagt, standen die Tokuls der jungen Seribah am Waldesrande unter den ersten Bäumen. Zwischen zweien von ihnen hatte man das Feuer angebrannt, jedenfalls um die Stechfliegen zu vertreiben. An demselben saß der Mokkadem mit seinen Asakern, von denen kein einziger fehlte. Man hatte es also nicht für nötig gefunden, eine Wache auszustellen; man hielt sich für vollständig sicher. Das ging für mich auch daraus hervor, daß ich kein Gewehr sah. Man hatte die Flinten in den Tokuls liegen lassen. Das freute mich um unsert- und auch um der Gegner willen, denn wenn auch der Mokkadem nicht zu retten war, so hoffte ich doch, daß, falls kein Blut vergossen wurde, der Reis Effendina die andern begnadigen würde.
Ich kehrte zurück und holte unsere Leute herbei. Sie konnten die Feinde deutlich sehen, denn das Feuer brannte so, daß der Schatten einer Hütte die Stelle, an welcher wir hielten, verdunkelte. Ich wollte dem Reis Effendina meine Ansicht über das, was nun zu geschehen habe, mitteilen, da nahm er mich beim Arme und sagte:
»Komm‘ hier zur Seite, sonst wirst du getroffen!«
Er zog mich bei diesen Worten fort. Ich folgte ihm ahnungslos und fragte:
»Getroffen? Die Kerle können doch gar nicht zum Schusse kommen. Wir fallen plötzlich über sie her und – «
»Effendi,« unterbrach mich Ben Nil, welcher uns nachgehuscht war, »ich muß dir sagen, daß die Feinde erschossen werden sollen, außer dem Mokkadem. Als du vorhin vorangingst, hat der Reis Effendina befohlen, daß – —«
»Schweig‘!« fiel ihm dieser zornig in die Rede. Dann deutete er nach dem Feuer hin und rief, ehe ich es zu verhindern vermochte, seinen Leuten laut zu: »Jetzt gebt Feuer! Schnell!«
Zwanzig Gewehre erhoben sich, und zwanzig Schüsse krachten. Alle, die noch soeben ahnungslos am Feuer saßen, brachen zusammen, nur einen ausgenommen, nämlich den Mokkadem, welcher aufsprang und entsetzt nach uns herüberstarrte.
Ich ahnte, was nun folgen werde, und sprang nicht etwa auf das Feuer zu, um ihn zu ergreifen, sondern links dem Ufer zu, welches, soweit die Savanne reichte, mit Büschen eingefaßt war.
»Was fällt dir ein!« rief mir der Emir nach. »Dort am Feuer steht doch der Kerl. Drauf!«
Er rannte, gefolgt von allen seinen Leuten, auf das Feuer zu. Das gab dem Mokkadem seine Geistesgegenwart zurück. Er wendete sich, um zu fliehen. Wohin? In den Wald, aus dem er die Feinde kommen sah, konnte er natürlich nicht. Hinaus in die Prairie, wo der Mond so hell schien? Das war auch gefährlich. Also gab es nur den einen Weg, zum Wasser hin; nur im Schutze des Ufergesträuches war Rettung zu finden; er sprang dorthin. Das war es, was ich vorhergesehen hatte, weshalb diese Richtung von mir eingeschlagen worden war. Ich war ihm, ohne daß er es beachtet hatte, zuvorgekommen. Eben als er sich zur Flucht wendete, hatte ich schon das Gebüsch erreicht und mich niedergeduckt. Jetzt kam er gerade auf mich zugerannt. Ich richtete mich auf. Er sah mich, prallte zurück und rief:
»O Allah! Der Effendi! Die Hölle verschlinge ihn!«
Er war so erschrocken, daß er gar nicht auf den Gedanken kam, sich einer Waffe zu bedienen; er sah sein Heil auch jetzt nur in der Flucht und machte eine neue Wendung, um in die Savanne hinauszueilen; da faßte ich ihn hüben und drüben bei den Oberarmen und warf ihn den Asakern zu, welche hinter ihm hergeeilt kamen und ihn niederrissen. Was sie dann noch mit ihm thaten, war mir gleichgültig; ich eilte an das Feuer, um nach den dort Liegenden zu sehen. Neun waren tot, einige von ihnen von mehr als einer Kugel getroffen, die übrigen schwer verwundet. Das hatte ich nicht gewollt!
Der Reis Effendina stand fern und beobachtete mich. Ich ging auf ihn zu und fragte ihn in so zornigem Tone, daß ich fast sagen möchte, ich fuhr ihn an:
»War dies notwendig? Warum hast du mir es nicht vorher gesagt? Mußten sie denn ermordet werden?«
»Ermordet? Ich verzeihe dir diese Frage, weil du dich in Aufregung befindest. Konnte ich diese Menschen laufen lassen und ihnen Gelegenheit geben, ihr Handwerk fortzutreiben?«
»Das hätte ich nicht von dir verlangt. Du konntest sie begnadigen und in deinen Dienst nehmen. Du hast ganz dasselbe schon mit ihren Kameraden gethan, welche wir in der Seribah Aliab gefangen nahmen!«
»Ich that das nur auf deine Bitte hin. Wollte ich mich stets und so weiter nach deinen Wünschen richten, so müßte ich alle Sklavenjäger des Sudans zu meinen Asakern machen, und die Folge davon wäre, daß sie mich schließlich zwängen, selbst auch Sklavenjäger zu werden.«
»Davon ist keine Rede. Es handelt sich nur um die zwölf Männer hier.«
»Nur um die Zwölf?! Nur? Nimm die dazu, welche ich in der Seribah Aliab begnadigte, so sind ihrer, denen ich nie trauen könnte, genug, mir meine bisher so zuverlässigen Soldaten nach und nach zu verführen und vollständig zu verderben. Nein. Wehe dem, der wehe thut! Diese Hunde haben den Tod verdient, und ich kenne meine Pflicht. Du hast sie gesehen. Leben noch welche?«
»Noch drei, die so schwer verwundet sind, daß sie unmöglich aufkommen können.«
»Man wird sie erlösen. Komm‘ zu dem Mokkadem! Er wird ganz entzückt darüber sein, dich sobald wiedergesehen zu haben.«
Während ich dieser Aufforderung folgte, winkte er drei seiner Leute zu sich und erteilte ihnen einen Befehl, den ich nicht verstehen konnte. Sie gingen nach dem Feuer. Ich sah nicht hin; aber drei rasch hintereinander fallende Schüsse sagten mir, daß sie den Auftrag erhalten hatten, die drei Verwundeten zu erschießen.
Der Mokkadem war an Händen und Füßen gebunden und an das Feuer geschafft. Dann nahm der Reis Effendina einen Feuerbrand und forderte mich auf, mit ihm das Innere der Tokuls zu untersuchen.
Wir fanden in der ersten Hütte einige Fettlampen, welche wir anzündeten, da der brennende Ast gefährlich war, denn es stand zu erwarten, daß ein Vorrat von Pulver vorhanden sei. Die Hütte gehörte, wie wir später von ihm selbst erfuhren, dem Mokkadem. Da lagen meine, Ben Nils und Selims Waffen. Es fanden sich auch alle andern Gegenstände vor, welche uns abgenommen worden waren. Wir erhielten natürlich alles zurück.
Es versteht sich ganz von Selbst, daß wir alles, was wir außerdem in diesem Tokul und den andern Hütten fanden, für gute Beute erklärten, und zwar sollte dieselbe unter die Bor verteilt werden. Als das der Häuptling derselben hörte, geriet er vor Freude beinahe außer sich und floß von Versicherungen seiner Treue und Ergebenheit geradezu über.
Unser Zweck war erreicht, und wir beschlossen, nun zurückzukehren. Einige Asaker wurden dagelassen, um die Hütten während der Nacht zu bewachen. Am Morgen sollten die Bot die Beute abholen und die Tokuls in Brand stecken.
Die Heimkehr geschah in gerader Fahrt quer über den Maijeh hinüber, so daß wir in kurzer Zeit das Lager erreichten. Dort wurde der Mokkadem so niedergelegt, daß er die noch an dem Baume hängende Leiche seines Sündengenossen nicht sehen konnte. Sein vom Feuer beleuchtetes Gesicht hatte einen sehr ruhigen Ausdruck. Entweder besaß er Beherrschung genug, seine Angst zu verbergen, oder er hatte gar keine Sorge, sondern gab sich der Ueberzeugung hin, daß selbst unter den gegenwärtigen Verhältnissen einem Manne von seiner Stellung nichts Schlimmes geschehen könne. Diese Meinung wurde dadurch bestätigt, daß er, als man sich eine Zeit lang scheinbar nicht um ihn zu kümmern schien, mir in fast befehlendem Tone zurief:
»Soll ich etwa so liegen bleiben? Ich will losgebunden sein!«
Da trat der Emir zu ihm und antwortete:
»Du scheinst mißmutig zu sein? Wohl weil du Langeweile hast! Gut, du sollst Unterhaltung haben. Willst du vielleicht die Gnade haben, mir deine Wünsche mitzuteilen?«
»Spotte nicht, sondern bedenke, wer und was ich bin!« fuhr der Gefangene auf. »Gieb mich frei!«
»Was wirst du dann thun, wenn ich diesem deinem Befehle Gehorsam leiste?«
»In diesem Falle bin ich bereit, euch die Mißhandlung, welche ich erduldet habe, zu verzeihen.«
»Wenn ich dir aber den Willen nicht thue?«
»So erinnere ich dich daran, daß ich Mokkadem der heiligen Kadirine bin und es mich nur ein Wort kostet, dich und euch alle zu verderben.«
»So! Laß uns dieses große Wort doch einmal hören!«
»Effendina, verhöhne nicht den Mann, der so hoch über dir steht! Hunderttausende, die zur Kadirine gehören, sind mir unterthan!«
»Aber ich gehöre nicht zu ihr!«
»Dennoch besitze ich die Macht, dir zu beweisen, wie tief du dich unter mir befindest!«
»Du brauchst dich nicht zu bemühen, o großer Mokkadem, denn ich besitze ganz dieselbe Macht und bin gern bereit, zu zeigen, daß du recht hast. In wenigen Augenblicken werden wir alle tief unter dir stehen, und du wirst über uns erhaben sein. Du sollst schon jetzt den Vorgeschmack davon haben. Sieh einmal da hinauf!«
Er deutete nach dem Baume und gab dem Mokkadem eine andere Lage, sodaß derselbe hinaufsehen konnte. Als der Gefangene den Gehenkten erblickte, war er für eine ganze Minute still, doch schienen seine Augen aus ihren Höhlen treten zu wollen. Dann schrie er im Tone des Entsetzens auf:
»Wer ist das? Täuschen mich meine Augen? O Allah, Allah, Allah! Das ist ja – – – das ist der Muza‘bir!«
»Ja, der Muza‘bir,« nickte der Reis Effendina. »Er dünkte sich so erhaben über uns, daß wir ihn so hoch erhoben, um uns in Demut vor ihm neigen zu können. Da wir wissen, daß du noch über ihm stehst, werden wir dir einen noch höheren Platz anweisen.«
»Mir? Wollt ihr – mich – mich etwa – —?«
Er brachte die Frage nur stammelnd heraus, das letzte Wort blieb ihm gar im Munde stecken.
»Aufhängen?« ergänzte der Emir. »Ja, aufgehängt wirst du werden. Was soll sonst mit dir geschehen?«
»Un – un – unmöglich!«
»Wir werden das Unmögliche möglich machen müssen, denn ich habe dem Muza‘bir, deinem Freunde, versprochen, daß du, noch ehe der Morgen graut, mit ihm an demselben Baume hängen werdest.«
»Welch ein Mord! Welch ein Verbrechen! Was hat euch der Muza‘bir gethan? Sein Tod wird gerochen werden. Ich selbst werde zum Khedive gehen, und wehe, dreifach wehe dann den Mördern! Ich werde von jetzt an weder ruhen noch rasten, bis ich euch vernichtet habe. Ihr habt eure verruchten Hände erhoben, um – —«
»Schweig‘, du Hundesohn!« donnerte ihn da der Emir an, welcher bis jetzt in ruhigem Tone gesprochen hatte. »Wie darfst du von Verruchtheit sprechen! Du selbst bist ja der Verruchteste unter den Verruchten! Meinst du, deine verrückten Worte und Drohungen seien für mich Haschisch, der mich betrunken macht? Du weißt, daß wir alle deine Missethaten kennen, und wagst es dennoch, mir zu drohen? Wenn du von so hoch oben herab mit mir reden willst, werde ich dir gleich den geeignetsten Platz dazu anweisen. Hinauf mit ihm, hinauf, und zwar um zwei Aeste höher als der Muza‘bir! Dann mag ihn seine heilige Kadirine, mit welcher er uns droht, vom Baume schneiden. Allah ist gerecht, und auch ich sage: Wehe dem, der wehe thut!«
Zweites Kapitel: Gerechte Vergeltung
Am sechsten Tage nach diesem der gnadenlosen Vergeltung gewidmeten Abende wand sich unser Zug wie eine endlos erscheinende Schlange durch einen Wald, dessen Riesenbäume ein Laubdach bildeten, durch welches selbst die Sonne des Sudan nicht einen Strahl zu senden vermochte. Wir befanden uns in immerwährender Dämmerung. Diese wäre uns sehr willkommen gewesen, denn sie schützte uns vor der glühenden Hitze, welche draußen auf dem offenen, wasserlosen Gelände alles Leben vernichtete; aber sie war wenigstens ebenso gefährlich wie dieser Sonnenbrand, denn unter den dichten Blätterhallen lag ein Boden, welcher unmöglich als Erde bezeichnet werden konnte. Sumpf, bodenlos tiefer Sumpf war es, in welchen die Giganten der Baumwelt ihre Wurzeln schlugen, ohne, was mir völlig unerklärlich schien, in demselben zu versinken.
Ich hatte in den Vereinigten Staaten den Dismal-, Alligator-, Catfish-, Green- und Gum-Swamp kennen gelernt und seit jener Zeit geglaubt, daß kein Sumpf der Erde sich mit diesen Swamps zu messen vermöge, mußte aber jetzt einsehen, daß dieselben, verglichen mit der Region des oberen Niles, welche wir jetzt durchzogen, den Namen Sumpf gar nicht verdienen.
Der Waldboden, auf welchem wir uns bewegten, war ein mit Wassermoos und anderen Sumpfpflanzen bedeckter, dicker Brei, welcher bei jedem Schritte den Reiter und sein Tier zu verschlingen drohte. Das schwappte und schnappte, klitschte und klatschte, schob sich nach vorn und schlickerte wieder zurück; ich kam aus der Sorge, in diesen Schlamm hinabgezogen zu werden, gar nicht heraus; ich glaubte jeden Augenblick, meinen Vordermann in dem klebrigen Teige verschwinden zu sehen, und doch verschwand er nicht und ich nicht und keiner von uns allen. Wie war das zu erklären? Ich konnte wohl diese Frage aufwerfen, aber nicht die Antwort darauf finden.
Wir alle ritten, und zwar auf den schon erwähnten Ochsen. Voran kam eine Abteilung der Borkrieger, dann ein Trupp Asaker; dann folgten Lastochsen, dann wieder Soldaten und Lasttiere, worauf die andere Hälfte Bor den Zug beschlossen. Es war ein Glück für uns, daß die Schwarzen sich mit uns verbündet hatten, denn ohne sie hätten wir niemals unser Ziel erreicht, sondern wären in diesem unendlichen Sumpfe umgekommen. Sie aber kannten denselben, als ob er ihre Heimat sei. Ihre geübten Augen unterschieden mit Leichtigkeit die Stellen, denen man sich anvertrauen konnte; nur durften dies nicht zwei zugleich wagen, und darum ritten wir im Gänsemarsche, immer einer hinter dem andern. Ich bewunderte den Scharfblick und die Umsicht dieser Leute mehr und mehr und lernte hier auch – – Ochsen achten, denn ohne ihre Tiere hätten auch die Bor nicht fortkommen können. Diese Ochsen versanken fast bei jedem Schritte bis an das halbe Bein und zeigten doch niemals Ermüdung. Sie schienen sich hier ganz in ihrem Elemente zu befinden. Keiner wich zur Rechten oder Linken. Jeder wußte, daß er dem Vorgänger genau zu folgen habe. Das geschah nicht etwa in schnurgerader Richtung, sondern der Häuptling der Bor, welcher den Zug leitete, mußte sich nach der Tragfähigkeit des Bodens richten, und so kam es, daß wir zuweilen Windungen beschrieben, durch welche die letzten im Zuge den ersten ganz nahe kamen, während die in der Mitte Reitenden sich fern von Kopf und Schwanz befanden.
So war es nun schon drei Tage lang gegangen, und wir hatten es redlich satt. Die Stechmücken machten uns entsetzlich zu schaffen; es gab kein festes Nachtlager; das Wasser ging aus, und das, was wir einatmeten, war nicht Luft, sondern geradezu Fieber zu nennen.
Da ertönte vorn, wo der Häuptling ritt, in höchster Tonlage ein langgezogener Schrei, welcher augenblicklich von allen Bor wiederholt wurde. Agadi, der Dolmetscher, ritt zwischen dem Emir und mir in der Mitte des Zuges. Ich fragte ihn, was dieser Schrei zu bedeuten habe, und erhielt zur Antwort, daß er das Zeichen eines freudigen Ereignisses sei. Welches Ereignis gemeint war, erkannte ich schon nach wenigen Minuten, als ich einen Sonnenstrahl durch die lichter werdenden Wipfel fallen sah und die Luft, wie Nektar in der Kehle, mir leichter und belebend in die Lunge drang. Der Boden wurde fester; er begann zwischen den riesigen Stämmen zierliche Sträucher zu tragen. Meine Vorderleute ritten zu zweien, dreien und vieren neben einander. Alles deutete an, daß der Sumpf zu Ende sei, und hinter dem Emir ertönte Selims schnarrende Stimme:
»Hamdulillah! Der große Brei ist überwunden. Er sperrte seinen Rachen auf, uns zu verschlingen; aber wir sind über ihn hinweggegangen wie die Helden, die sich vor keinem Drachen fürchten. Nun klappt er hinter uns sein großes Maul zusammen und verschwindet vor Aerger und Scham darüber, daß es ihm nicht gelungen ist, zu fressen Selim, den tapfern Ueberwinder aller Sümpfe und Moräste des Weltenalls!«
Der alte Maulheld konnte eben keine Gelegenheit, sich in Wichs zu werfen, vorübergehen lassen; aber Ueberwinder aller Moräste des Weltalls, das übertraf alles, was ich bisher aus seinem Munde gehört hatte.
Der Häuptling war halten geblieben, um uns an sich herankommen zu lassen, und sagte uns durch den Mund des Dolmetschers:
»Der Sumpf ist hinter uns, und nun beginnt guter Weg. Bald werden wir Wasser trinken und Felder sehen, welche den Gohk gehören. Gegen Abend ziehen wir in Wagunda ein.«
Es läßt sich denken, daß uns diese Botschaft hoch erfreute. Die bisher so stillen, mißmutigen Menschen wurden lebhaft und gesprächig, doch auch die Tiere schienen zu wissen, daß das Ziel nahe sei; sie ließen ihre Stimmen hören und drängten nach vorwärts, so daß unsere bisherige Ordnung nicht mehr einzuhalten war. Nach einiger Zeit drang uns ganz plötzlich der hellste, vollste Sonnenschein entgegen. Nach der bisherigen langen Dämmerung war es, als ob uns ein förmliches Lichtmeer entgegenflute. Es war Mittag; aber wir fühlten die hier herrschende Glut nur als Wärme, welche unsere Körper wohlthuend durchdrang und alle unsere Sinne neu belebte.
Der Urwald hörte auf. Er stieß an einen Fluß, an dessen anderem Ufer nur Schilf, untermischt mit Büschen, stand. Der Fluß war zwar breit, aber nicht tief. Sein Wasser hatte eine dunkle Farbe, und unsere Ochsen zeigten keine Lust, davon zu trinken. Er wurde jedenfalls von dem Sumpfe gespeist, durch welchen wir gekommen waren. Die Bor fanden nach kurzem Suchen eine Stelle, an welcher wir ihn durchreiten konnten. Dann ging es in der bisherigen Richtung weiter, immer nach Westen zu. Das Schilf, welches ich erwähnte, verschwand, die Büsche aber blieben. Sie bildeten Inseln in einem grünen Meere von Gras, welches an Saftigkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Ich bat den Häuptling, hier wenigstens eine kurze Zeit halten zu lassen, damit unsere Ochsen fressen könnten. Er ließ mir aber antworten, daß wir bald einen Ort erreichen würden, welcher noch viel geeigneter zum Halten sei.
Bald darauf begann das Terrain sanft anzusteigen, und wir gewahrten in der Ferne Höhen, welche mit Wald gekrönt waren. Dort entspringt, wie wir vom Häuptling erfuhren, ein Nebenfluß des Djau, an welchem die größeren Dörfer der Gohk liegen. Indem wir dieses Gelände emporritten, gelangten wir in ein muldenförmiges Thal, auf dessen Grunde eine Art Weiher lag, der durch ein Wasser, welches ich fast Bach nennen möchte, Abfluß fand. Im Nu sprangen die Schwarzen von ihren Reittieren, und ebenso rasch nahmen sie den andern Ochsen die Lasten ab, damit dieselben nicht beschädigt werden sollten, denn die Tiere waren nicht zu halten; sie rannten nach dem Weiher und liefen so weit wie möglich hinein, um nach langer Wanderung durch den Sumpf, dessen Wasser nicht zu genießen gewesen war, sich satt zu trinken. Die Menschen hatten vollauf zu thun, den Bach für sich frei zu halten.
Den Bach? Das klingt so heimatlich! Freilich mache ich, indem ich dieses Wort anwende, mich einer Unrichtigkeit schuldig. Was wir Weiher und Bäche nennen, giebt es in jenen Gegenden nicht. Und die Höhen, von denen ich sprach, waren noch lange keine Berge. Aber nach einer dreitägigen Wanderung durch fieberstinkenden Sumpf kommt man leicht in die Gefahr, eine Bodenanschwellung als Höhe und ein Wasser, welches nicht ganz still steht und leidlich durchsichtig ist, als Bach zu bezeichnen.
Nach ungefähr einer Stunde wurde wieder aufgebrochen. Wir folgten dem Wasser abwärts, wo es sehr bald in einen schmalen Fluß lief, dessen Ufer unser Führer wurde. Er brachte uns an hohe Felder von Zuckerrohr und Durrha, aus denen wir die runden Dächer einzelner Hütten ragen sahen. Wir näherten uns einem kleinen Dorfe der Gohk und blieben halten, um einen Boten voranzuschicken, damit die Bewohner desselben nicht bei unserem Anblicke erschrecken und fliehen möchten.
Als er zurückkehrte, kam hinter ihm alles, was im Dorfe »leibte und lebte«, dreingelaufen, Väterlein und Mütterlein, Männlein und Weiblein, Bürschlein und Mägdelein, jeder und jede im besten Staate und Schmucke, welcher in dieser Schnelligkeit zu haben gewesen war.
Ein alter, grauköpfiger Mann, welcher uns als Dorfgebieter bezeichnet wurde, trug nur den Lendenschurz, hatte aber auf seinem Haupte ein walzenförmiges Flechtwerk sitzen, welches wohl drei Fuß hoch und mit bunten Federn besteckt war. Eine junge Dorfschöne hatte ihr Haar in Löckchen gedreht und dieselben mit Fett und Ocker so steif gemacht, daß es aussah, als ob ihr ein halbes Gros roter Korkzieher von innen heraus durch den Schädel gebohrt worden seien. Ein Bursche, jedenfalls der Flaneur des Dorfes, hatte sein Haupt mit einer abgerissenen Hutkrämpe geschmückt. Wie mochte sie hierher ins tiefe Afrika gekommen sein! Sein rechter Fuß steckte in einem sohlenlosen Lederschuh, während an dem linken eine Sandale befestigt war. Sein bester Schmuck aber, vielleicht die größte Kostbarkeit des ganzen Dorfes, bestand aus einem gläserlosen, verbogenen uralten Brillen- gestell [Brillengestell] aus Messing, welches er mit Hilfe eines dünnen Riemens um den Hals befestigt hatte.
Gern hätte ich diese Studien fortgesetzt, aber der erwähnte Alte nahm den jungen Inhaber der Brillenstellage bei der Hand, zog ihn zu dem Reis Effendina, welcher ihm als unser Anführer bezeichnet worden war, hin und hielt unter lebhaften Gestikulationen eine Rede, von welcher ich zwar kein Wort verstand, deren Inhalt ich aber dennoch erriet. Der Alte deutete nämlich wiederholt auf die Brille und dann gegen Westen, welche Pantomime ich mir folgendermaßen ins Deutsche übersetzte:
»Ihr seid fremde, sehr hohe Herren und wollt nach Wagunda. Dieser junge Adonis ist der Besitzer dieser Brilleneinfassung und also allein würdig, euch den Weg zu zeigen.«
Es stellte sich heraus, daß ich ganz richtig geraten hatte. Der Dolmetscher übersetzte uns die Rede. Wir beschenkten den Alten mit einigen kleinen, für uns unbrauchbaren, für ihn aber höchst wertvollen Gegenständen und ritten dann weiter. Der famose Besitzer der mangelnden Brillengläser schritt als unser Führer stolz voran.
Man glaube aber ja nicht, daß er der einzige war, der uns voranging. Der Dorfälteste hatte nach Empfang unseres Boten und ehe er dann zu uns kam, eine Person nach Wagunda gesandt, um dort die baldige Ankunft so vieler Fremden pflichtschuldigst zu melden. Den Erfolg davon bemerkten wir später.
Unser Führer war ein sehr guter Läufer, trotzdem seine Füße so ungleich ausgerüstet waren. Er hielt mit unseren Ochsen, welche sehr behend liefen, gleichen Schritt. Es ging immer abwärts an dem erwähnten Flusse hin, dann in einer Furt quer durch denselben und eine Stunde lang über sonndurchglühtes, ödes Land. Hierauf sahen wir in der Ferne einen langgestreckten Belut-Wald liegen, welcher auf die Nähe von Wasser schließen ließ.
Während wir auf denselben zuritten, sprach der Führer unausgesetzt auf uns ein. Wir erfuhren von Agadi, daß er uns eine Beschreibung von Wagunda lieferte, die ich freilich lieber in einer andern mir geläufigen Sprache gehört hätte. Um zu erfahren, ob er wisse, was für ein Ding er eigentlich um seinen Hals hängen habe, winkte ich ihn zu mir und gab ihm zu verstehen, daß er mir das Brillengestell einmal geben möge. Er erschrak außerordentlich und weigerte sich durch Pantomimen ganz entschieden, meinem ebenso unkultivierten wie räuberischen Verlangen Folge zu leisten. Der Dolmetscher machte ihm sanfte Vorstellungen und wurde dann, als dies nichts fruchtete, grob, wie ich aus seinem Tone hörte. Das wirkte, denn der mißtrauische Gentleman band seinen unbezahlbaren Schatz los und gab ihn mir in die Hand, verwendete aber sein Auge nicht von demselben, bis er ihn wieder hatte. Ich setzte die Brille auf, nachdem ich ihre Knillen und Kniffe gerade gebogen hatte, zog mein Notizbuch aus der Tasche und machte die Gebärde des Lesens und des Schreibens. Er hatte keine Ahnung von dem, was ich meinte. Aber als ich verschiedene Male erst ohne und dann durch die Brille nach dem vor uns liegenden Walde sah und ihm durch die Veränderungen meines Gesichtsausdruckes zu erkennen gab, daß es etwas ganz anderes sei, ob man einen Gegenstand durch diese Stellage ansehe oder nicht, schien er mich zu begreifen. Als ich ihm nun die Brille zurückgab, setzte er sie sogleich auf und sah hindurch. Sein Gesicht strahlte vor Vergnügen. Er schien die Gegend tausendmal schöner als vorher zu finden. Von jetzt an verzichtete er auf jede fernere Beschreibung von Wagunda und schaute unausgesetzt durch die Stellage. Meine Unterweisung, daß das Gestell nicht am Halse, sondern auf der Nase zu tragen sei, hatte mir sein ganzes Herz gewonnen, wofür er mir später die überzeugendsten Beweise lieferte.
Wir erreichten den Wald und ritten quer hindurch, um an das Ufer eines langgestreckten, seeartigen Wasserbeckens zu kommen. Ein Blick belehrte uns, daß wir uns in der Nähe des Zieles befanden. Die Ufer des Sees waren von Fruchtfeldern umgeben, von denen aus sich Weideplätze bis hin zum Horizonte zogen. Am Rande des Wassers hingen Kähne.
Rechts von uns gab es einen Berg, ja wirklich, eine Anhöhe, welche im Verhältnisse zu der sonst ganz platten Gegend recht gut als ein Berg bezeichnet werden konnte. Er führte ziemlich steil empor, und seine Kuppe war von einer hohen, dichten Dornenhecke umgeben, hinter welche wir nicht sehen konnten.
Diese Hecke hatte jetzt eine schmale Oeffnung, aus welcher zahlreiche Menschen strömten, die paarweise hintereinander herniederstiegen und uns entgegenkamen. Nun erst erfuhren wir mit Hilfe des Dolmetschers, daß die Einwohner von Wagunda von unserer Annäherung durch einen Boten unterrichtet worden seien. Auch hatte derselbe erzählt, aus welchem Grunde wir unsern Ritt überhaupt unternommen hatten. Aus Freude darüber kam man jetzt, uns feierlichst willkommen zu heißen.
Der Häuptling der Bor, welcher die Sitten des Landes kannte, gab uns an, wie unser Zug sich zu ordnen hatte. Wir hatten uns in zwei Treffen aufzustellen, nämlich im ersten die Reiter und im zweiten die Lasttiere mit ihren Treibern. Vor die Front hatten die Anführer zu kommen, also der Reis. Effendina, der Häuptling und – – ich. In dieser Ordnung sollten wir stetig vorrücken und soviel schießen und Lärm machen wie nur irgend möglich. Das übrige hatten wir den Gohk zu überlassen.
Glücklicherweise war das Terrain einer solchen Aufstellung günstig, denn gerade zwischen uns und dem Berge lag ein freier Plan, welcher, wie wir später hörten, nach Art unserer Vogelwiesen der Belustigungsort der Bevölkerung von Wagunda war. Wir fanden Zeit, uns da in der beschriebenen Weise aufzustellen, voran der Reis Effendina, links von ihm der Häuptling und rechts ich. Neben dem Reis hielt der Dolmetscher Agadi, um nötigenfalls sofort bei der Hand zu sein. Ich bekam auch einen Adjutanten, denn der Brillenjüngling trieb seinen Ochsen an die Seite des meinigen und nickte mir so verheißungsvoll zu, daß ich überzeugt war, er habe eines für mich sehr wichtigen und vorteilhaften Amtes zu walten. Er war eigentlich unberitten, hatte sich aber eines ledigen Packochsen bemächtigt, um seiner heutigen Würde gemäß zu erscheinen.
Als die Gohk den erwähnten Plan erreichten, stellten sie sich auch in zwei Treffen auf und kamen dann, ihren Häuptling voran, waffenschwingend und schreiend auf uns zugerannt. Sie waren natürlich zu Fuße. Ihre Waffen bestanden in Spießen, Säbeln, Messern, Keulen, Bogen und Pfeilen. Einige von ihnen, selbstverständlich auch der Häuptling, hatten Flinten. Sobald sie sich gegen uns in Bewegung setzten, thaten wir dasselbe gegen sie. Die nun folgenden Evolutionen bestanden darin, daß sie zwischen unsern Gliedern durchrannten und wir zwischen den ihrigen hindurchritten. Hauptsache dabei war natürlich der Lärm. Wer ein Gewehr hatte, schoß es möglichst oft ab; die andern schwangen unter entsetzlichen Gebärden ihre Waffen, alle aber schrieen, riefen und heulten, als ob sie verrückt geworden seien. Ich trug zu diesem schönen Konzerte meinen Teil in so ehrlicher Weise bei, daß ich dann einige Tage lang an einer rauhen Kehle laborierte. Wer so reist wie ich, der muß mit den Nachtigallen singen und mit den Wölfen heulen können, sonst erregt er Anstoß allerorten.