Kitabı oku: «Old Surehand II», sayfa 24
Also er fordert uns auf, uns zu ergeben, wir aber lachen und schießen unter seinen Kugeln vorüber. Er wendet, um uns nachzukommen und uns den Sporen in das Holz zu rennen; ich werfe das Steuer herum und weiche ihm aus; er wendet abermals; ich halte von ihm ab; so geht es unter Wenden und Ausweichen fort, bis er in die Hitze kommt und die Klugheit vergißt. Seine Kugeln haben uns nichts gethan; sie gehen über uns hinweg; er aber ist uns unbesonnen bis in die Nähe der Küste gefolgt und läuft dort auf eine Sandbank, an der wir vorüberschlüpfen, weil wir nicht so tief in Wasser gehen.«
»Bravo, hallo; die »Swallow« soll leben!«
»Ja, sie soll leben, Jungens, trinkt!«
Nachdem er selbst einen unvergleichlichen Zug gethan hatte, der den Boden des Kruges zum Vorschein brachte, fuhr er fort:
»Jetzt gehen wir an seinen Stern, und während seine Mannen sich alle im Raume unter dem Wasserspiegel befinden, schießen wir ihm das Steuer weg, so daß er vollständig verloren ist. Der »l‘Horrible« kommt auch herbei; die »Florida« kann sich nicht verteidigen; sie scheuert sich im Sande wund; das Wasser dringt ein; wir helfen nach – dann streicht sie die Flagge. Sie muß sich ergeben; wir nehmen ihre Leute an Bord, und kaum ist dies geschehen, so legt sie sich auf die Seite: die Wogen haben sie gefressen.«
»Holla, so ist‘s recht. Dreimal hoch die »Swallow««
»Danke euch, Jungens, aber vergeßt auch den »l‘‘Horrible« nicht; er hat das Seinige auch gethan.«
»Schön. Ein Hoch dem »l‘Horrible«. Stoßt an!«
Die Krüge klirrten zusammen. Da ertönten draußen einige Salutschüsse, ein Zeichen, daß ein Schiff in den Hafen laufe, und gleich darauf vernahm man ein vieltöniges Stimmengewirr und ein Rennen durch die Straße, als ob ein außerordentliches Ereignis bevorstehe. Peter Polter erhob sich, trat an das Fenster und öffnete dasselbe.
»Holla, Mann, was giebt‘s hier zu laufen?« fragte er, indem er einen Vorübereilenden beim Arme erfaßte.
»Eine frohe Botschaft, Master: Die »Swallow« läuft soeben in den Hafen, welche das famose Rencontre mit der »Florida« gehabt hat. Alle Schiffe haben augenblicklich gewimpelt und geflaggt, um den tapfern Kapitän zu ehren, und jedermann eilt, die Landung zu betrachten.«
»Danke, Master!«
Er schlug das Fenster zu und bemerkte im Umdrehen, daß sämtliche Gäste auf die erhaltene Auskunft hin sofort ihre Plätze verlassen hatten und sogar das Freibier vergaßen, um der Landung des berühmten Schuners beizuwohnen.
»Immer lauft,« lachte er; »werdet nicht gar viel zu sehen bekommen. Der Kapt‘n ist schon am Lande, und die vom Bord gehen, das sind keine echten Seegasten, obgleich sie mitgemacht haben, daß es gewettert hat. Ich bleib bei meiner Mutter Thick, wo ich den Mr. Parker erwarten muß.«
Es verging doch eine geraume Zeit, ehe der Genannte kam, und noch hatte er die Thür nicht verschlossen, so nahte sich ein lärmendes Rufen und jauchzen dem Hause. Eine Menge Volkes kam vom Hafen her, voran diejenigen Männer, welche von der »Swallow« an das Land gegangen waren. Sie traten gleich hinter Parker in die Stube, und das Volk drängte hinter den Helden des verwegenen Seegefechtes her, daß der Raum die Gäste gar nicht zu fassen vermochte. Die resolute Wirtin, welche unterdessen mit ihren Vorbereitungen zu Ende gekommen war, wußte sich schnell zu helfen. Sie öffnete das Ehrenzimmer, schob sich mit den Erwarteten hinein und verschloß dann die Thür, die Bedienung der andern ihrem Personale überlassend.
»Welcome, Sir!« lautete ihre freudige Anrede zu Parker, der ihr als alter Bekannter freundlich die Hand reichte.
Auch die andern wurden mit einem herzlichen Handschlag begrüßt. Sie mußten Platz nehmen und brauchten bloß zuzugreifen, so umsichtig war in der kurzen Zeit für alles Wünschenswerte gesorgt worden.
»Mutter Thick, du bist doch die trefflichste Brigantine, der ich jemals in die Arme gesegelt bin!« rief der Steuermann. »In dieser armseligen Prairie gab‘s nichts als Fleisch, Pulver und Rothäute; auf der See ging es auch knapp her, da wir zu viel hungrige Magen geladen hatten, bei dir aber ißt und trinkt sich‘s wie beim großen Mogul oder wie der Kerl heißen mag, und wenn ich nur eine Woche hier vor Anker liege, so lasse ich mich hängen, wenn ich nicht einen Schmeerbauch habe, wie da dieser fette Master Hammerdull.«
»Ob fett oder nicht, das bleibt sich gleich,« meinte dieser, wacker zulangend, »wenn man nur einen guten Bissen zwischen die Zähne bekommt. Ich hab‘s nötiger wie ihr andern alle, denn seit ich meine alte, gute Stute in Francisco lassen mußte, bin ich vor Sehnsucht nach dem lieben Viehzeug ganz vom Fleisch gefallen. Ist‘s nicht wahr, Pitt Holbers, altes Coon?«
»Wenn du denkst, Dick, daß dich die Stute dauert, so habe ich nichts dagegen. Es geht mir ja mit meinem Tier ganz ebenso. Wie ist‘s bei dir, Bill Potter?«
»Bei mir? Wo mein Pferd steckt, ist mir sehr gleichgültig, hihihihi; die Hauptsache ist, daß mir‘s bei Mutter Thick gefällt.«
»So ist‘s recht,« stimmte die Wirtin bei; »greift zu, so viel und lang es euch beliebt. Aber vergiß dabei auch dein Versprechen nicht, Peter!«
»Welches?«
»Daß du erzählen wolltest.«
»Ach so! Na, wenn du tüchtig einschenkst, so soll es mir auf einige Worte mehr nicht ankommen, die ich zu reden habe.«
Während er kauend von den erlebten Abenteuern berichtete, saß Winnetou an seinem Platze und sprach den ihm ungewohnten Speisen der Bleichgesichter mit höchster Mäßigkeit zu. Den Wein rührte er gar nicht an. Er wußte, daß das »Feuerwasser« der schlimmste Feind seines Volkes gewesen war; darum haßte und verschmähte er es. Seine Aufmerksamkeit war auf die lebhafte Unterhaltung gerichtet, welche die andern in jenem halblauten Tone führten, der stets ein Zeichen von der Wichtigkeit des Gegenstandes ist.
»Wie war es auf der Admiralität?« fragte Sam Fire-gun den Lieutenant.
»Ganz nach Erwartung,« antwortete dieser, der den einen Arm in der Binde trug, wie auch die andern verschiedene Zeichen der Verwundung aufzuweisen hatten. »Ernennung zum Kapitän und Beurlaubung bis nach vollendeter Genesung.«
»Was wird mit der »Swallow«?«
»Sie hat gelitten und geht zur Reparatur in die Trockendocks.«
»Und unsre Gefangenen?«
»Auch wie ich dachte.«
»Das heißt?«
»Sie werden gehängt, wie es Korsaren nicht anders zu erwarten haben.«
»Korsaren? Sanders behauptet doch, den »l‘Horrible« nur deshalb genommen zu haben, um für die Südstaaten Kaperei zu treiben. Kommt er damit nicht durch?«
»Nein, denn er hat keinen Kaperbrief. Und wenn er einen hätte, so ist er eben der schwarze Kapitän, welcher wegen seines früheren Sklavenhandels und der dabei betriebenen Piraterie aufgehangen wird.«
»Und die »Miß Admiral«?«
»Wird auch gehängt. Auch alle Gefangenen, welche Sanders behilflich waren, den »l‘Horrible« zu nehmen, und dann, als wir ihn enterten, nicht getötet wurden, sondern mit dem Leben davon kamen, werden höchst wahrscheinlich denselben Tod erleiden, denn sie sind als Seeräuber zu betrachten. Sie werden mit ihrem Schicksale wohl nicht so zufrieden sein wie ihr mit der Nachricht, welche ich euch von der Admiralität bringe.«
»Also eine gute?«
»Eine sehr gute. Erstens wird die große Summe, die wir bei der »Miß Admiral« fanden und mit der sie fliehen wollte, als unsre Prise betrachtet, die uns gehört. Zweitens soll eine sehr hohe Belohnung dafür ausgesetzt werden, daß wir den »l‘Horrible« dem schwarzen Kapitän wieder abgenommen haben. Und drittens haben wir ganz bedeutende Prisengelder für unsern Sieg über die »Florida«. Sie liegt zwar jetzt auf dem Grunde, wird aber später gehoben werden. Dieses Geld teilen wir unter uns, und es wird dabei auf jede Person so viel kommen, daß —«
»Auf mich nicht,« unterbrach ihn Sam Fire-gun.
»Warum nicht?«
»Weil ich natürlich kein Geld nehme, was mir nicht gehört.«
»Ihr habt es aber verdient!«
»Nein. Ich bin nur Gast auf Euerm Schiffe gewesen; die Prisengelder gehören der Bemannung.«
»Ihr waret nicht Gast, sondern Kombattant, und habt also Teil daran.«
»Mag sein; aber ich nehme nichts. Ich habe Sanders die Anweisungen wieder abgenommen, die er mir im Hide-spot stahl. Die eine hatte er zwar schon verkauft, aber nur wenig davon ausgegeben; ich bin also vollständig zufriedengestellt. Winnetou nimmt erst recht nichts, und was meine braven Trapper betrifft, so wird es ihnen auch nicht einfallen, Eure Seegasten um ihre Prisengelder zu bringen. Wir haben es im Gegenteile nur Euch und ihnen zu verdanken, daß wir wieder zu unserm Gelde gekommen sind. Sag einmal, Dick Hammerdull, willst du das Geld haben?«
»Ob ich es haben will oder nicht, das bleibt sich gleich, das ist sogar ganz egal; aber ich nehme es nicht,« antwortete der Dicke. »Was sagst denn du dazu, Pitt Holbers, altes Coon?«
Der Lange erwiderte gleichmütig:
»Wenn du denkst, daß ich es nicht nehme, Dick, so habe ich nichts dagegen. Es wird‘s überhaupt keiner von uns nehmen. Und wenn man es uns etwa mit Gewalt aufnötigen will, so bekommt Peter Polter meinen Anteil, und wenn es auch nur wäre, um ihm Lust zu machen, wieder einmal zu uns nach dem Westen zu kommen. Ich sehe ihn gar zu gern zu Pferde sitzen.«
»Laßt mich in Ruhe mit euern Pferden!« rief da der Steuermann. »Lieber laß ich mich zerstampfen und Schiffszwieback aus mir machen, als daß ich mich noch einmal auf so eine Bestie setze, wie der Traber war, auf welchem ich dieses letzte Mal zu euch gesäuselt kam. Weiter will ich euch nichts sagen, denn was ich noch sagen könnte, mag lieber unausgesprochen bleiben, so übel ist mir dabei zu Mute gewesen!«
»Hast‘s auch nicht nötig, wieder den Westmann zu imitieren,« sagte Parker. »Ich habe auf der Admiralität erwähnt, was wir dir verdanken und wie brav du dich gehalten hast. Man wird bei der nächsten Vakanz an dich denken und dir einen Posten anvertrauen, auf den du stolz sein kannst.«
»Ist‘s wahr? Wirklich? Ihr habt bei den hohen Gentlemen an mich gedacht?«
»Ja.«
»Und man will mir einen solchen Posten geben?«
»Es wurde mir ganz bestimmt versprochen.«
»Ich danke, Sir, ich danke Euch! Ich werde also Karriere machen! Heisa hurra, hurra! Der Peter Polter – — —«
»Was hast du denn so gewaltig zu schreien, alter Seelöwe?« unterbrach ihn die Wirtin, welche soeben zur Thür hereintrat.
»Das fragst du noch?« antwortete er. »Wenn ich ein Seelöwe bin, muß ich doch brüllen! Und ich habe auch allen Grund dazu. Weißt du, alte Mutter Thick, ich soll nämlich für meine großen Verdienste Admiral werden!«
»Admiral?« lachte sie, »das glaube ich wohl, denn du hast das Zeug dazu, und ich gönne es dir. Wie steht es denn aber mit deinem neuen Berufe, auf den du so stolz bist und an dem du von ganzer Seele hängst?«
»Neuer Beruf? Welcher denn?«
»Westmann, Waldläufer, Biberjäger – — —«
»Schweig! Kein Wort weiter, wenn du es nicht ganz und gar mit mir verderben willst! Wenn ich mich auf ein Pferd setze, weiß ich nie, wohin es laufen wird. Stehe ich aber auf den Planken eines guten Schiffes, so kenne ich den Kurs genau und kann nicht aus dem Sattel fallen. Also Westmann hin, Westmann her; ich habe ein Haar drin gefunden und bleibe der alte Seebär, der ich stets gewesen bin!«
Viertes Kapitel: Die verkehrten Toasts
Als Treskow seinen Bericht beendet hatte, gab es von seiten seiner Zuhörer eine ganze Menge von Fragen, die er ihnen beantworten sollte. Die Geschichte, besonders das Ende derselben, war ihnen nicht ausführlich genug, und jeder wollte etwas wissen, was er vermißte. Am sonderbarsten kam es ihnen vor, daß Winnetou eine Seereise mitgemacht hatte. Ein Roter und noch dazu dieser Indianer, und eine Reise zur See, das war ihnen unbegreiflich, mir aber nicht, denn ich kannte diese Geschichte längst und wußte auch, daß er nicht nur dieses eine Mal zur See gewesen war.
Während sie noch hin und her sprachen, kamen neue Gäste. Es waren sechs Personen, welche lärmend eintraten und etwas mehr Spiritus genossen zu haben schienen, als ihnen zuträglich war. Sie sahen sich nach Plätzen um, und obgleich genug andre leer waren, zogen sie es vor, sich an meinen Tisch zu setzen.
Am liebsten wäre ich aufgestanden, was sie aber gewiß als eine Beleidigung betrachtet hätten, und da ich keine Veranlassung zu rohen Streitigkeiten geben wollte, so blieb ich sitzen. Sie verlangten Brandy und bekamen welchen, doch wurden sie von Mutter Thick in einer Weise bedient, welche erkennen ließ, daß sie diese Leute lieber gehen als kommen sah.
Bewohner der Stadt konnten sie nicht sein, denn sie hatten außer ihren Messern und Revolvern auch Gewehre mit. Wie echte Rowdies aussehend, stanken sie förmlich nach Schnaps, und es kostete mich wirklich Ueberwindung, mit ihnen an demselben Tische auszuhalten. Sie führten das große Wort und sprachen so laut und so unausgesetzt, daß von der Unterhaltung der andern Gäste fast nichts zu hören war. Die Ruhe und Gemütlichkeit, welche vorher geherrscht hatten, waren verschwunden.
Der lauteste von ihnen war ein stark und ungeschickt gebauter Kerl mit einem wahren Bullenbeißergesicht. Es war, als ob seine Glieder und seine Gesichtszüge aus Holz roh zugehackt worden seien. Er spielte sich als den Anführer der andern auf, und es war allerdings zu bemerken, daß sie ihn nach ihrer Weise mit einer Art Respekt behandelten.
Sie sprachen von Heldenthaten, die sie begangen hatten und wieder begehen wollten, von Vermögen, welche sie besessen und verjubelt hatten und jedenfalls bald wieder erwerben würden; sie gossen ein Glas nach dem andern hinunter, und als Mutter Thick sie Mahnte, langsamer zu trinken, wurden sie grob und drohten, vom Büffett Besitz zu nehmen und sich selbst zu bedienen.
»Das würde ich mir verbitten,« antwortete die mutige Wirtin. »Da liegt der Revolver; der erste, der sich an meinem Eigentum vergriffe, würde eine Kugel bekommen!«
»Von dir etwa?« lachte der Bullenbeißer.
»Ja, von mir!«
»Mach dich nicht lächerlich! In solche Hände gehört eine Nähnadel, aber kein Revolver. Glaubst du wirklich, uns zum Fürchten zu bringen?«
»Was ich glaube oder nicht, das geht Euch nichts an. Jedenfalls bin ich es nicht, die sich fürchtet, und wenn es an einer Hilfe fehlen sollte, so sind Gentlemen genug da, welche sich einer wehrlosen Witfrau annehmen würden!«
»Gentlemen genug?« wiederholte er ihre Worte höhnisch lachend, indem er von seinem Stuhle aufstand und seinen Blick herausfordernd rundum laufen ließ. »Sie mögen herkommen und probieren, wer den Kürzeren zieht, sie oder ich!«
Es antwortete ihm kein Mensch, ich natürlich auch nicht. Auf einen Widerstand meinerseits schien er überhaupt gar nicht gerechnet zu haben, denn er hatte sie alle angesehen, mich aber nicht. Vielleicht kam ihm mein ruhiges Gesicht so zahm vor, daß er es nicht der Mühe wert hielt, mich überhaupt zu addieren. Ich gehöre nämlich zu denjenigen Menschen, deren Züge grad dann einen recht bescheidenen Ausdruck annehmen können, wenn es in ihrem Innern arbeitet. Einer, der sich für einen großen Psychologen hielt, erklärte mir das einmal mit den Worten: Wenn der Geist sich nach innen zieht, muß außen das Gesicht dumm aussehen; das ist doch selbstverständlich.
Als der Bulldogge sah, daß niemand seiner Aufforderung folgte, wurde er noch kühner als vorher.
»Dachte es mir; es wagt sich keiner her!« lachte er. »Möchte auch den sehen, der es wagte, einen Gang mit Toby Spencer zu machen! Ich drehte dem Kerl das Gesicht auf den Rücken! Toby Spencer ist nämlich mein Name, und wer wissen will, was für ein Kerl dieser Toby ist, der mag kommen!«
Er streckte die geballten Fäuste aus und ließ den Blick noch einmal herausfordernd um die Runde schweifen. War es wirklich Furcht vor ihm oder nur der Ekel vor einem solchen Menschen, es rührte sich auch jetzt niemand. Da lachte er noch lauter als vorher und rief:
»Seht ihr es, Boys, wie ihnen die Herzen in die Schuhe und Stiefel fallen, wenn Toby Spencer nur ein Wort von sich hören läßt. Es ist wirklich keiner, aber auch kein einziger unter ihnen, der es wagt, nur einen Mucks zu thun. Und das wollen Gentlemen sein!«
Da stand doch einer auf, nämlich derjenige, der die erste Geschichte erzählt und sich für Tim Kroner, den Colorado-Mann ausgegeben hatte. Es war jedenfalls nicht eigentlicher Mut, sondern nur die Absicht, sich als einen tüchtigen Kerl aufzuspielen, was ihn veranlaßte, das Wort zu ergreifen. Er kam einige Schritte näher und sagte:
»Ihr irrt Euch sehr, Toby Spencer, wenn Ihr glaubt, es gebe niemand, der sich an Euch wagt. Das mag bei allen Anwesenden stimmen, aber nicht bei mir.«
»Bei Euch also nicht? So, so!« antwortete der Rowdy in verächtlichem Tone. »Warum bleibt Ihr denn stehen, wenn Ihr solchen Mut habt? Warum kommt Ihr nicht näher?«
»Ich komme ja schon!« sprach der andre, indem er noch einige langsame, zögernde Schritte machte und dann wieder halten blieb. Seine Stimme klang aber gar nicht so zuversichtlich wie vorhin, als er an meinen Tisch gekommen war, um mit mir anzubinden. Da Toby Spencer auch etwas vorgetreten war, standen sie nun in ganz geringer Entfernung von einander.
»Well! Also Ihr seid der Mann, der sich nicht fürchtet?« fragte der letztere. »So ein Kerlchen, welches ich mit einem einzigen Finger aus der Balance hebe! Da möchte ich wahrhaftig, ehe ich Euch auffresse, wissen, wie Ihr heißt!«
»Das könnt Ihr erfahren. Ich heiße Tim Kroner.«
»Tim Kroner? Da habt Ihr Euch ja einen recht berühmten Namen zugelegt!«
»Zugelegt? Es ist der meinige!«
»Das mögt Ihr andern weiß machen, aber nur nicht mir!«
»Es ist mein Name, sage ich Euch!«
»Hm! Vielleicht ist‘s möglich, daß Ihr so heißt, aber Ihr wollt doch nicht etwa behaupten, der Colorado-Mann zu sein?«
»Grad das behaupte ich!«
»Alle Wetter, wie kommt denn so ein Karnickel, wie Ihr seid, dazu, sich mit dem Namen eines Löwen zu schmücken! ich sage Euch, daß dieser Name Euch nicht gehört, daß Ihr ein Betrüger seid!«
»Oho! Ein Betrüger? Wahrt Eure Zunge, Sir! Man weiß, daß der Colorado-Mann nicht in dieser Weise mit sich sprechen läßt! Soll ich Euch das beweisen?«
»Knirps, beweise es!«
Bei dieser Aufforderung trat Spencer drohend zwei Schritte auf ihn zu; er wich vorsichtig ebenso weit zurück und antwortete:
»Das habe ich gar nicht nötig. Was alle Welt weiß, das brauche ich nicht zu beweisen!«
»Eigentlich richtig, denn der wirkliche Tim Kroner ist ein Kerl, der Haare auf den Zähnen hat; da du aber dieser echte nicht bist, hast du zu zeigen, ob dein Mut wirklich bis her zu mir reicht. Also, go on!«
Er machte wieder zwei Schritte vorwärts.
»Ja, come on!« rief der andre, indem er aber zwei Schritte rückwärts machte.
»So bleib doch stehn, du großer Held mit dem Maule! Warum retirierst du denn? Giebt sich dieser Mensch für den Colorado-Mann aus, den ich so gut kenne wie mich selbst! Diesem Uebermute muß ein Dämpfer aufgesetzt werden. Also halte stand, und faß an, sonst nagele ich dich an die Wand, daß du daran kleben bleibst.«
Er ging abermals vorwärts; der falsche Tim Kroner wich auch jetzt wieder zurück, indem er sich auf die Verteidigung durch das Mundwerk legte:
»Ich bin der echte Colorado-Mann! Wenn ein andrer sich für mich ausgiebt, ist er ein Lügner!«
»Pshaw! Möchte den vernünftigen Mann sehen, dem es einfallen könnte, sich für dich auszugeben! Wenn du geglaubt hast, es bedürfe nur dieses Namens, mich zurückzuschrecken, so hast du dich nicht nur geirrt, sondern dich so verrechnet, daß das ganz entgegengesetzte Resultat herauskommt: Ich werde dich ein wenig höher hängen, damit die Leute sehen, was für ein berühmter und mutiger Colorado-Tim du bist. Komm also her, mein Bürschchen, nur her zu mir!«
Er gab ihm zwei blitzschnelle, gewaltige Hiebe auf die Achseln, nahm ihn dann bei den Oberarmen, drückte sie ihm an den Leib, schob ihn an die Wand und hob ihn so empor, daß er mit dem Kragen an einem Kleiderhaken hängen blieb. Das war kein ganz gewöhnliches Kraftstück, und er führte es aus, ohne daß man ihm dabei eine Anstrengung anmerkte. Der andre begann, als er an der Wand hing, zu schreien und zu zappeln, was bei seiner langen, dürren Gestalt sehr wunderlich aussah, bis der Kragen seines Büffellederrockes zerriß und er zu Boden fiel. Spencer lachte aus vollem Halse; seine Gefährten stimmten ein, und auch die andern konnten nicht ganz ernst dabei bleiben, obgleich der Rowdy gar nicht ihren Beifall hatte. Dieser schickte dem still auf seinen Platz zurückkehrenden »Colorado-Mann« sein Gelächter nach und schien dadurch in friedliche Stimmung zu geraten, denn er sah von einer weiteren Herausforderung ab und setzte sich wieder nieder, um mit seinen Kameraden die lärmende Unterhaltung fortzusetzen. Dabei hatte ich das große Glück, daß er mich nun endlich seiner Aufmerksamkeit würdigte. Er fixierte mich mit neugierigem Blicke und richtete dann die etwas sonderbare Frage an mich:
»Seid wohl auch so ein Colorado-Mann wie der da drüben, he?«
»Glaube nicht, Sir,« antwortete ich ruhig.
Man war an allen Tischen still, um zu hören, was nun kommen werde. Vielleicht gab es wieder etwas zum Lachen.
»Also nicht?« fuhr er fort. »Ihr scheint mir aber auch kein Held zu sein!«
»Gebe ich mich etwa für einen aus? Ich schmücke mich nicht mit falschen Federn.«
»Das ist Euer Glück, sonst würde ich Euch auch an den Nagel hängen!«
Da ich hierauf schwieg, fuhr er mich an:
»Glaubt ihr es etwa nicht?«.
»Hm! Ich glaube es ganz gern.«
»Im Ernste? Toby Spencer ist nämlich nicht der Mann, mit dem man Späße treibt!«
Es war klar, daß er nun mit mir Streit suchte. Ich sah den besorgten Blick, den Mutter Thick auf mich warf, und that ihr den Gefallen, sehr höflich zu antworten:
»Davon bin ich überzeugt, Sir. Wer die Körperstärke besitzt, einen so langen Menschen wie den da drüben an den Nagel zu hängen, der hat es gar nicht nötig, sich von andern Leuten foppen zu lassen.«
Sein boshaft auf mich gerichteter Blick wurde milder, und sein Gesicht nahm einen fast freundlichen Ausdruck an, als er jetzt in befriedigtem Tone sagte:
»Habt recht, Sir. Ihr scheint kein ganz unrechter Kerl zu sein. Wollt Ihr mir sagen, was für eine Art von Metier Ihr habt?«
»Hm! Eigentlich keins.«
»Wie meint Ihr das?«
»Weil ich grad jetzt gar nichts betreibe.«
»So habt Ihr wohl Ferien?«
»Yes.«
»Und viel Zeit übrig?«
»Sehr viel.«
»Was thut Ihr denn aber, wenn Ihr keine Ferien habt? Ihr müßt doch irgend etwas sein oder irgend etwas machen. Oder nicht?«
»Freilich wohl.«
»Nun, was?«
»Ich habe mich schon in verschiedenen Branchen versucht.«
»Es aber zu nichts gebracht?«
»Leider!«
»Was waret Ihr zuletzt?«
»Zuletzt bin ich in der Prairie gewesen.«
»In der Prairie? Also Jäger?«
»So ähnlich.«
»Könnt Ihr denn schießen?«
»So leidlich.«
»Und reiten?«
»So, daß ich nicht grad herunterfalle.«
»Ihr scheint mir aber von etwas ängstlicher Natur zu sein!«
»Wirklich?«
»Ja.«
»Hm! Es kommt auf die Verhältnisse an. Mut soll man nur zeigen, wenn es nötig ist, sonst ist es Prahlerei.«
»Das ist sehr richtig! Hört, Ihr beginnt, mir zu gefallen. Ihr seid ein bescheidener Boy, der zu brauchen ist. Ein großer Westmann seid Ihr freilich nicht; das sieht man Euch mit jedem Blicke an; aber wenn ich wüßte, daß Ihr nicht grad ein ausgemachtes Greenhorn wäret, so – — —«
»So – — —?« fragte ich, weil er den Satz nicht ganz aussprach.
»So würde ich fragen, ob Ihr Lust habt, mit uns zu gehen.«
»Wohin?«
»Nach dem Westen.«
»Der ist groß. Es wäre mir lieber, eine bestimmte Gegend zu hören.«
»Die kann ich Euch sagen. Also Ihr habt Zeit, und es hält Euch nichts hier zurück?«
»Gar nichts.«
»So sagt, ob Ihr mit wollt!«
»Ehe ich das sagen kann, muß ich doch erst wissen, wohin Ihr gehen und was Ihr dort treiben wollt.«
»Well, auch das ist richtig und vernünftig. Wir wollen ein wenig ins Colorado hinauf, nach dem Parke von San Louis so ungefähr. Seid Ihr vielleicht schon einmal da oben gewesen?«
»Ja.«
»Was? So weit? Das hätte ich Euch nicht zugetraut! Ist Euch die Gegend der foam-cascade25, bekannt?«
»Nein.«
»So! Dahin wollen wir. Dort oben in den Parks wird in neuerer Zeit wieder eine solche Menge von Gold gefunden, daß man die Gelegenheit nicht versäumen darf.«
»Ihr wollt graben?«
»Hm – — – jaaa – aaa!« dehnte er.
»Und wenn Ihr nichts findet?«
»So finden andre etwas,« antwortete er mit einem bezeichnenden Achselzucken. »Man braucht nicht grad Digger zu sein, um in den Diggins etwas zu verdienen.«
Es konnte ihm nicht einfallen, sich deutlich auszudrücken; ich wußte trotzdem, was er meinte. Er wollte ernten, wo er nicht gesäet hatte.
»Daß wir nichts finden, darüber braucht Ihr Euch nicht zu sorgen,« fuhr er fort, um mir Lust zu machen.
Es war ihm Ernst damit, mich mitzunehmen, denn je zahlreicher seine Gesellschaft war, desto bessere Geschäfte mußte sie machen, und mich hielt er für einen Mann, den man ausnutzen und dann fortjagen, wenn nicht noch schlimmeres, konnte. »Wir sind alle überzeugt, daß wir gute Ausbeute machen werden, denn wir haben einen Mann bei uns, der sich darauf versteht.«
»Einen Geologen?«
»Er ist noch mehr als Geolog; er besitzt alle Kenntnisse und Erfahrungen, die in den Diggins nötig sind. Ihr werdet nicht daran zweifeln, wenn ich Euch sage, daß er ein Offizier von höchstem Range ist, nämlich General.«
»General?« fragte ich, indem mir ein Gedanke kam. »Wie heißt der Gentleman?«
»Douglas. Er hat eine Menge Schlachten mitgemacht und dann in den Bergen sehr eingehende wissenschaftliche Forschungen angestellt, deren Ergebnis die Ueberzeugung ist, daß wir Gold, sehr viel Gold finden werden. Nun, habt Ihr Lust?«
Wenn es wirklich seine Absicht gewesen wäre, nach Gold zu graben, so hätte er sich sehr gehütet, hier, vor so vielen Zeugen, davon zu sprechen; er hatte also etwas ganz andres vor, und daß dies nichts Gutes war, erhellte daraus, daß der Quasi-General zu der Gesellschaft gehörte. Daß dieser sich noch Douglas nannte und keinen andern Namen angenommen hatte, war von ihm eine Unvorsichtigkeit, die ich kaum begreifen konnte.
»Nein, Sir, ich habe keine Lust,« antwortete ich.
»Warum nicht?«
»Sehr einfach, weil mir die Sache nicht gefällt.«
»Und warum gefällt sie Euch nicht?«
Seine vorher freundlichen Züge verfinsterten sich mehr und mehr und wurden schließlich drohend.
»Weil sie nicht nach meinem Geschmacke ist.«
»Und was für eine Art von Geschmack habt Ihr, Sir?«
»Die Art, welche es mit der Ehrlichkeit hält.«
Dann sprang er auf und schrie mich an:
»Alle Teufel! Wollt Ihr etwa sagen, daß ich nicht ehrlich bin?«
Auch einige von den andern Gästen standen auf. Sie wollten die Scene genau sehen, welche jetzt unbedingt erfolgen mußte.
»Ich habe mich um Eure Ehrlichkeit ebensowenig zu bekümmern wie Ihr Euch um meinen Geschmack,« antwortete ich, indem ich ruhig sitzen blieb, ihn aber scharf im Auge behielt. »Wir gehen einander nichts an und werden uns in Ruhe lassen!«
»In Ruhe lassen? Das bildet Euch nur ja nicht ein! Ihr habt mich beleidigt, und zwar in einer Weise, daß ich Euch zeigen muß, wer Toby Spencer eigentlich ist.«
»Das braucht Ihr mir nicht erst zu zeigen.«
»So? Ihr wißt es wohl schon?«
»Ja.«
»Nun, was bin ich denn?«
»Grad das, was ich auch bin, nämlich Gast bei Mutter Thick, und als Gast hat man sich anständig zu betragen, wenn man anständig behandelt sein will.«
»Ah! Und wie wollt Ihr mich denn behandeln?«
»So, wie Ihr es verdient. Ich habe Euch nicht aufgefordert, Euch zu mir zu setzen; es waren genug andre Plätze da. Ich habe auch nicht von Euch verlangt, mit mir zu sprechen. Und nachdem ich von Euch ins Gespräch gezogen worden bin, habe ich höflich und sachgemäß geantwortet. Eure Pläne und Absichten sind mir vollständig gleichgültig; da Ihr mich aber fragtet, ob ich mit Euch nach Colorado wolle, habe ich Euch ruhig gesagt, daß ich keine Lust habe. Wie Euch das in Zorn versetzen kann, begreife ich nicht!«
»Ihr habt von Ehrlichkeit gesprochen, Boy! Das dulde ich nicht!«
»Nicht? Hm! Ich denke, ein ehrlicher Mann kann ruhig von Ehrlichkeit sprechen hören, ohne darüber in solchen Grimm zu geraten.«
»Mann, nehmt Euch in acht! Das ist wieder eine Beleidigung, die ich mir sehr stark – — —«
Er wurde von der Wirtin unterbrochen, welche ihn aufforderte, Ruhe zu halten; er hob den Arm gegen sie.
»Begebt Euch nicht in Gefahr, Mutter Thick!« bat ich sie. »Ich bin gewöhnt, für mich selbst zu sorgen, und pflege stets mein eigner Schutz zu sein.«
Das brachte den Rowdy in noch größere Wut. Er schrie mich an:
»Dein eigner Schutz? Nun, so schütze dich! Hier, das ist für die Beleidigung!«
Er holte mit der Faust zum Schlage aus; darauf war ich gefaßt. Ich hatte im Nu das Bierglas ergriffen und parierte mit ihm den Hieb. Anstatt daß dieser mich traf, wurde er von dem Glase aufgefangen, welches sogleich in Stücke ging. Zugleich sprang ich auf und stieß dem Kerl die Faust mit solcher Gewalt von unten herauf unter das Kinn, daß seine Gestalt, so stark und schwer sie war, hintenüberflog und, einen Tisch und mehrere Stühle umreißend, zur Erde stürzte.
Der war besorgt, und ich hatte zunächst meine Augen auf seine Genossen zu richten, denn daß diese seinen Fall rächen würden, das war sicher. Sie drangen auch sofort mit wildem Geschrei auf mich ein. Zwei Fausthiebe von mir, und zwei von ihnen flogen, der eine nach rechts und der andre nach links auseinander; dem dritten fuhr ich mit beiden Fäusten gegen die Magengrube, daß er mit einem überschnappenden Schrei zusammenknickte; die beiden letzten wichen bestürzt zurück.
Jetzt aber hatte sich Spencer wieder aufgerafft; seine Hand blutete vom Glase, und noch mehr Blut floß ihm aus dem Munde; er hatte sich bei meinem Fausthiebe unter das Kinn in die Zunge gebissen. Mir das Blut entgegenspuckend, brüllte er:
»Hund, das ist dein Tod! So ein Kerl, der nicht einmal weiß, was für ein Metier er hat, wagt es, sich an Toby Spencer zu vergreifen! Ich werde – — —«
»Halt! Augenblicklich die Hand vom Gürtel!« unterbrach ich ihn, denn er griff nach dem Revolver; zugleich zog ich den meinigen und richtete den Lauf auf ihn.
»Nein, sondern die Hand in den Gürtel!« schäumte er. »Meine Kugel soll dich – — —«
»Noch einmal, fort mit der Waffe, sonst schieße ich!« fiel ich ihm wieder in die Rede.
Er zog sie dennoch. Ich zielte auf seine Hand; er stieß einen Schrei aus, ließ sie sinken, und der Revolver fiel zu Boden.
»Hände hoch! Augenblicklich ihr alle, Hände hoch! Wer nicht gehorcht, bekommt die Kugel!« befahl ich nun.
»Hände hoch!« ist im Westen ein gefährliches Wort. Wer zuerst die Waffe in der Hand hat, der befindet sich im Vorteile. Um sich selbst zu retten, darf er den Gegner nicht schonen. Wenn er »Hände hoch!« gebietet und es wird nicht augenblicklich gehorcht, so schießt er unbedingt; das weiß jedermann. Auch diese sechs Personen wußten es; ich hatte zu dem ersten schnell noch einen zweiten Revolver gespannt, und sie mußten überzeugt sein, daß ich meine Drohung wahr machen würde. Ich befand mich in Notwehr und konnte sie nach allem Rechte erschießen; darum fuhren, als ich den Befehl kaum ausgesprochen hatte, zehn Arme in die Höhe, diejenigen von Toby Spencer auch. Sie vor den Läufen der Revolver behaltend, warnte ich sie: