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Kitabı oku: «Scepter und Hammer», sayfa 12

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Zehntes Kapitel: Vor Jahren

Früher stieg der dichte Wald viel weiter von den Bergen herab als jetzt, und erstreckte einen seiner Ausläufer sogar bis auf einige Meilen von der Hauptstadt hernieder. Eine weit in diese Forstzunge eindringende Umfriedung schloß ein Wildgehege ab, in welches einzudringen Jedermann außer dem Forstpersonale verboten war. Dennoch befanden sich eines Tages zählten.

Zwischen zwei hohen Eichen, die wohl an die tausend Jahre zählen mochten und ihre stammesdicken Äste weit in die Luft hinausstreckten, stand ein altersschwacher vierrädriger Karren. Der Gaul, welcher ihn gezogen haben mochte, weidete im hohen Grase, dessen saftige Stengel zwischen Moos und allerlei Grün hervorragten. Am Stamme des einen Baumes loderte ein helles Feuer, an welchem, ausdrückte.

Der Knabe war nur halb bekleidet, und ebenso mangelhaft oder defekt zeigte sich die Umhüllung der andern Personen, welche in mancherlei Stellungen um das Feuer saßen oder lagen, um der Zubereitung des leckern Bratens zuzuschauen. Sie alle zeigten jene unverkennbaren Züge, welche der Physiognomie des Zigeuners eigenthümlich sind, schienen jedoch trotz ihres mehr als anspruchslosen Äußeren nicht jenen nomadisirenden Horden anzugehören, welche Raub und Diebstahl als ihr eigentliches und einträglichstes Gewerbe betreiben.

Auf dem Wagen saß auf einigen alten Betten – gewiß ein sehr ungewöhnlicher Luxus bei einer fahrenden Zigeunerbande – eine uralt scheinende Frau, jedenfalls die Vajdzina, und war beschäftigt, aus einigen verschlossenen und farblosen Fetzen irgend ein Kleidungsstück herzustellen, dessen Art und Zweck jedoch nicht zu erkennen war. Auf der Deichselgabel ruhte der Vajdzina, bald einen Blick auf die Alte werfend, bald die immer dunkler werdende Farbe des Rehrückens musternd und dabei aus einem kurzen Pfeifenstummel den Rauch eines Krautes ziehend, dessen Geruch eine Verwandtschaft mit der Kartoffel als sehr wahrscheinlich erscheinen ließ. Auch die Zigeunermutter rauchte, aber der Geruch ihres Tabaks war ein anderer. Es wäre vielleicht möglich gewesen, daß der feinste Kenner das Aroma dieser Sorte bewundert hätte.

Bei der Stille, welche ringsum herrschte, waren ferne Laute zu vernehmen, welche als gedämpfter Schall eines Gespräches durch die Büsche drangen und von zwei Personen herrührten, die sich von der Gesellschaft zurückgezogen hatten und einige hundert Schritte vom Wagen entfernt einander sich gegenüber befanden.

Die eine von ihnen war ein Mädchen.

Sie mochte kaum siebzehn Jahre zählen, aber ihre Formen waren beinahe diejenigen eines vollendeten Weibes, schwellend und üppig und doch dabei so fein und zart, als hätte eine einzige Stunde einem kindlichen Körper die Vollkommenheiten der entwickelten Jungfrau verliehen. Ihr kleines Köpfchen vermochte kaum die Fülle des reichen Haares zu tragen, welches ihr in einem langen, dichten, blauschwarz schimmernden Strome über den Nacken herniederfloß; die ideale Stirn, etwas egyptisch vorstehend, das feine, kleine Näschen mit den leicht beweglichen, trotz der dunklen Gesichtsfarbe rosa angehauchten Nasenflügeln, der schwellende, kleine Mund, zwischen dessen Lippen zuweilen zwei Reihen blendender schmaler Zähnchen zu bemerken waren, das mit einem liebenswürdigen Grübchen versehene Kinn, alle diese Einzelheiten gaben ihrem Antlitze einen Ausdruck, welcher den Kenner weiblicher Schönheit entzücken mußte. Vor Allem aber war das Auge bewundernswerth. Aus der orientalisch-mandelförmig geschlitzten Öffnung desselben strahlte unter den langen Lidern und seidenen Wimpern der tiefschwarze Stern eine Gluth hervor, welche aus geheimnißvollen, unbewußten Tiefen zu kommen schien, eingehüllt vom Schleier jungfräulicher Ahnungslosigkeit, und doch zuweilen auf einen Augenblick so mächtig und unwiderstehlich hervorbrechend, daß sie sicher Jeden traf, der sein Herz diesem Blicke unbewacht entgegenstellte. Sie saß in halb nachlässiger, halb stolzer Haltung im Moose. Ihre Kleidung war bei weitem besser und vollständiger, als die der Anderen, und es ließ sich leicht bemerken, daß auf dieselbe diejenige Sorgfalt verwendet wurde, welche auch unter den mißlichsten Umständen jedes weibliche Wesen für ihr Äußeres besitzt.

Die andere Person war ein Jüngling.

Er hatte sich mit dem Rücken an einen nahen Baum gelehnt und die Arme über der Brust in einander geschlungen. Leute, welche gern oder auch unbewußt eine solche Stellung einzunehmen pflegen, besitzen gewöhnlich eine bedeutende Entwicklung derjenigen Eigenthümlichkeiten, deren Gesammtheit man mit dem Worte Charakter bezeichnet. Ein aufmerksamer Beobachter hätte sich vielleicht über die Farbe seiner Haut verwundert. Sie war weder weiß, wie dies bei dem Kaukasier zu sein pflegt, noch hatte sie diejenige Bräune, welche den Zigeuner kennzeichnet; eher hätte man sie grau nennen können, grau, vermischt mit demjenigen Braun, welches von Wind und Wetter und den Einwirkungen der Sonne herrührt. Er trug ein Paar kurze, weite Hosen, welche sicher für andere Körperverhältnisse gefertigt worden waren; zwischen ihnen und der Jacke, welche vielfach zerrissen war und für einen weit jüngeren Menschen gefertigt zu sein schien, blickte ein schmutziges Hemd hervor; den Kopf bedeckte eine Mütze, welche ihr Schild verloren hatte; die Füße waren nackt und durch die Ärmel der Jacke blickte stellenweise ebenso nackt der muskulöse Arm. Durch eines dieser Löcher blickte in tiefem Schwarzroth eine wunderbare Zeichnung, welche gleich einer Tätowierung der eigenthümlich gefärbten Haut eingeprägt hat.

Trotz dieser äußeren Ruhe schien er sich in einer innern geistigen Erregung zu befinden. Seine Züge glänzten, sein Auge leuchtete ekstatisch, und der Blick desselben schien in weite, weite Fernen gerichtet und Gestalten zu schauen, deren Anblick dem gewöhnlichen Sterblichen versagt ist. Das Gesicht des Mädchens nahm den Ausdruck der Bewunderung an, als sie in anerkennendem Tone ausrief:

»Katombo, Dir ist ein Geist gegeben, der größer und mächtiger ist, als die Gabe der Weissagung. Soll ich Dir noch eine Aufgabe ertheilen?«

»Thue es , Zarba!« antwortete er.

»Weißt Du, wo Bhowannie, die Göttin der Gitani, wohnt?«

»Auf Nossindambo, welches vom Volke der Christen Madagaskar genannt wird.«

»Richtig! Hoch droben im Ambohitsmenegebirge steht ihr Thron, und tief unter den Bergen von Befour schläft sie des Tages, um erst beim Beginn des Abends zu erscheinen. Kannst Du Dir denken, wie sie aussieht? An stillen Abenden glänzt ihr Haupt in den Sternen, und mit lieblichem Lächeln badet sie die schimmernden Füße in den wogenden Fluthen des Meeres, bis der Tag erscheint, vor dessen Kusse sie nach Westen flieht. Kannst Du das beschreiben in der Sprache, welche die Dichter reden?«

Er nickte selbstbewußt.

»Ich kann es.«

»So thue es!«

»Nun denn, wenn Du meinem Kusse nicht entfliehst, wie sie der Umarmung des Tages!«

»Du darfst mich küssen, Katombo, denn Du bist mein Bruder.«

»Dein Bruder? Ich will den Kuß der Liebe, aber nicht den Kuß einer Schwester!«

Sie zögerte einen Augenblick mit der Antwort, dann meinte sie:

»Du sollst ihn haben. Jetzt aber beginne!«

Er blickte träumerisch vor sich hin; dann erhoben sich seine Arme zur Gestikulation, und ohne Pause oder Unterbrechung strömten ihm die Verse von den Lippen:

»Wenn um die Berge von Befour Des Abends erste Schatten wallen, Dann tritt die Mutter der Natur Hervor aus unterird‘schen Hallen, Und ihres Diadems Azur Erglänzt von funkelnden Kristallen.

In ihren dunklen Locken blühn Der Erde düftereiche Lieder; Aus ungemess‘nen Fernen glühn Des Kreuzes Funken auf sie nieder, Und traumbewegte Wogen sprühn Der Sterne goldne Opfer wieder.

Doch bricht der junge Tag heran, Die Tausendäugige zu finden, Läßt sie ihr leuchtendes Gespann Sich durch purpurne Thore winden, Sein Angesicht zu schaun, und dann Im fernen Westen zu verschwinden.«

Das Mädchen war seinen Worten mit der Miene einer Kunstkennerin gefolgt. Sie neigte jetzt langsam den Kopf und meinte:

»Die Christen haben viele Dichter, aber Keiner von ihnen allen besitzt den schnellen, glänzenden Geist, der in Dir wohnt, Katombo.« matt.

»Mein Volk rühmt und preist mich als seinen besten Dichter, Zarba, aber ich gebe allen Ruhm und allen Preis hin für einen freundlichen Blick und für ein gutes Wort von Dir. Ich nehme mir jetzt meinen Kuß!«

Er that einen Schritt auf sie zu, sie aber wehrte ihn mit einer schnellen Bewegung ihres Armes ab.

»Warte noch, denn Du bist nicht zu Ende!«

»Ich bin fertig!«

»Nein, denn Du hast Bhowannie geschildert blos wie sie erscheint an stillen, milden Abenden. Aber wenn sie ihrem Volke grollt, dann erblickst Du sie ganz anders. Der Himmel bedeckt sich mit Wolken; die Wogen stürzen sich mit —«

»Halt!« gebot er ihr. »Ich will nur Deinen Kuß, nicht aber Deine Unterweisung. Höre mich weiter, dann aber bin ich zu Ende und nehme mir meinen Lohn. Es ist dieselbe Göttin, darum sollen meine Worte auch dasselbe Gewand und denselben Vers besitzen.«

Er besann sich kaum einige Sekunden lang, ehe er begann:

»Wenn um die Berge von Befour Des Abends dunkle Schatten wallen, Dann tritt die Mutter der Natur Hervor aus unterird‘schen Hallen Und läßt auf die versengte Flur Des Thaues stille Perlen fallen.

Des Himmels Seraph flieht, verhüllt Von Wolken, die sich rastlos jagen; Die Erde läßt, von Schmerz erfüllt, Den Blumen bitt‘re Thränen tragen, Und um verborg‘ne Klippen brüllt Die Brandung ihre wilden Klagen.

Da bricht des Morgens glühend Herz, Er läßt den jungen Tag erscheinen; Der küßt den diamant‘nen Schmerz Von tropfenden Karfunkelsteinen Und trägt ihn liebend himmelwärts, Im Äther dort sich auszuweinen.«

Er hatte geendet und ließ nun sein Auge forschend auf dem Antlitze des Mädchens ruhen. Sie blickte vor sich nieder, und die langen Wimpern verhüllten den Ausdruck dessen, was sie jetzt empfinden und denken mochte.

»Zarba!«

»Katombo!«

»Meinen Kuß!«

»Schenke ihn mir!«

»Sie erhob die Lider, und ihr Blick suchte halb kalt halb mitleidig den seinigen.

»Warum?«

»Was nützt er Dir?«

»Was er mir nützt? Was nützt dem Auge das Licht, dem Munde die Speise, dem Herzen das Blut? Soll das Auge erblinden, der Mund verstummen und das Herz brechen und sterben, weil sie nicht haben dürfen, was ihnen Leben gibt?«

»Stirbst Du ohne meinen Kuß?«

Seine Gestalt richtete sich höher auf und sein Auge flammte.

»Zarba, Du hast mich geliebt, mich allein. Wir sind Verlobte, und bald bist Du mein Weib. Du selbst hast es so gewollt, und die Vajdzina hat unsre Hände in einander gelegt. Wie oft hast Du gesagt, daß Du sterben müßtest ohne mich! Dein Herz hat an dem meinen geschlagen, Deine Lippe auf der meinigen geruht; wir haben zusammen gehungert und zusammen geschwelgt; ich habe Leben und Glück aus Deinem Auge getrunken – ja, ich würde sterben, wenn der Tod Dich mir entriß!«

»Ich sterbe nicht.«

»Ich war noch nicht zu Ende. Ich würde freudig mit Dir sterben; aber wenn ich Dich anders verlieren sollte, als durch den Tod, so – so – so —«

»Nun, so – ?«

»So – so würde ich leben bleiben, denn ich hätte die Aufgabe zu erfüllen, welcher jeder Boinjaare kennt, dem ein Anderer sein Weib oder seine Braut entreißt!«

»Und die ist?«

»Rache!«

Sie blickte beinahe erstaunt zu ihm empor. Dann flog ein ungläubiges Lächeln über ihre Züge.

»Rache? Katombo und Rache? Hat der weiche Katombo jemals einen Wurm zertreten? Hat er ein einziges Mal für die Gitano?«

»Was gibt mehr Recht, ein Gitano zu sein: die kurze Stunde der Geburt oder die langen Jahre des Lebens? Der Vajda hat mich im Walde gefunden, und Niemand kennt meine Eltern; aber ich bin bei Euch gewesen allezeit, die Vajdzina nennt mich ihren Sohn, und daher darf ich sagen, daß ich ein Gitano bin. Gieb mir meinen Kuß!«

»So nimm ihn Dir!«

Sie sprach diese Worte kalt und gleichgiltig, ohne jede einladende Miene oder Bewegung. Seine Stirn verfinsterte sich; er rang mit dem aufwallenden Zorne, und seine Stimme zitterte leise, als er antwortete:

»Behalte ihn; aber vergiß niemals, daß Deine Lippen mir gehören, sonst müßte ich Dir beweisen, daß ich trotz meiner weißen Haut ein ächter Boinjaare bin!«

Seine Worte klangen wie eine Drohung, doch sein Auge glänzte feucht. Sie sah es, sprang empor und schlug die Arme um seinen Hals.

»Vergib mir!« bat sie, ihn küssend. »Ich habe Dich lieb, Katombo, aber —«

Sie stockte. Er legte den Arm um sie, drückte sie innig an sich und frug:

»Aber —? Sprich weiter, Zarba!«

»Ich kann nicht!« antwortete sie.

»Warum nicht?«

Sie sah mit einem Blicke zu ihm empor, in welchem es halb wie Scheu und halb wie Bitte um Vergebung glänzte.

»Du wirst es noch erfahren, Katombo; aber selbst dann noch mußt Du glauben, daß ich Dich immer lieb gehabt habe.«

»Ich weiß es; aber seit einigen Tagen ist Dein Herz stumm, Dein Angesicht kalt, und dennoch leuchtet zuweilen Dein Auge wie ein Stern, dem eine Sonne neuen Glanz verliehen hat. Zarba, bleibe mein, damit ich nicht mich selbst mit Dir verliere!

Es lag wie eine große Angst in seinen schönen, ehrlichen Zügen, als er sie jetzt so fest an sich nahm, daß er ihr beinahe wehe that. In diesem Augenblick raschelte es in einem nahen Busche, und eine laute Stimme gebot:

»Faß, Tiger!«

Ein riesiger Fanghund schoß hinter dem Strauche hervor und warf sich von hinten auf Katombo.

»Nieder!« erscholl ein zweites Kommando.

Der Hund erfaßte den Zigeuner im Genick und riß diesen zu Boden, ehe er nur an Gegenwehr zu denken vermochte.

»Festhalten!«

Mit diesem Worte trat der Herr des Thieres jetzt herbei. Es war ein junger Mann von nicht viel über dem Alter des Zigeuners; er trug eine Jagdkleidung mit Uniformschnitt und ließ auch ohne dies in seiner ganzen Haltung und Erscheinung den Offizier erkennen.

Zarba war von dem Vorgange tief erschrocken, und dennoch ging eine tiefglühende Röthe über ihr braunes Angesicht. Der Fremde trat zu ihr und faßte ihre Hand.

»Wer ist der Mensch, der es wagt, Dich zu umarmen?« frug er.

»Katombo.«

»Katombo —? Das ist sein Name, und mir nicht genug!«

»Er ist – mein – — Bruder,« antwortete sie stockend.

»Dein Bruder? Nichts weiter?« frug er, den am Boden Liegenden mit finsterem Auge musternd.

»Nichts weiter!«

»Ah! Umarmt und küßt man einen Bruder in dieser Weise?«

Sie schwieg, sichtlich in tiefer Verlegenheit. Er legte den Arm um sie und zog sie trotz ihres Widerstrebens an sich.

»Wenn er wirklich nur Dein Bruder ist, so mag er auch sehen, was ich thue.«

Er näherte seine Lippen ihrem Munde, kam aber nicht zum Kusse, denn ein lauter Schrei des Hundes ließ ihn hin nach diesem blicken. Trotz der Gefährlichkeit eines solchen Vorhabens hatte Katombo dem über ihm stehenden Thiere mit einer blitzschnellen Bewegung beide Hände um den Hals geschlagen und ihm die Kehle so zusammengedrückt, daß es machtlos zu Boden sank.

»Mensch, was wagst Du!« rief der Jäger, nach seiner Büchse fassend. »Laß ab vom Hunde, oder ich schieße Dich nieder!«

Katombo lag noch immer am Boden. Er lächelte ruhig.

»Vom Hunde lassen, daß er mich dann zerreißt?« frug er. »Mensch, Du bist außerordentlich klug!«

Rippen.

»So stirb!« schnaubte der Jäger, das Gewehr zum Schusse erhebend.

Er drückte auch wirklich ab. Der Zigeuner warf sich gedankenschnell zur Seite; die Kugel bohrte sich hart neben seinem Kopf in den Boden. Im Nu sprang er jetzt auf, stürzte sich auf den Gegner, riß diesen nieder und schwang sein Messer über ihm.

»Stirb Du jetzt!«

»Der Stoß wäre unbedingt tödtlich gewesen, wenn nicht Zarba den hoch erhobenen Arm gefaßt und mit Aufbietung aller Kraft gehalten hätte.

»Thue ihm nichts, Katombo, es ist der Herzog!«

»Und wenn er der König wäre! Warum hast Du vorher nicht auch ihm gesagt, daß er mir Nichts thun soll?«

Er versuchte, seinen Arm aus ihren Händen zu befreien, während er mit dem andern den sich bäumenden Gegner fest am Boden hielt. Es gelang ihm, und sicher hätte er seine Drohung wahr gemacht, wenn nicht ein zweites und viel nachhaltigeres Hinderniß eingetreten wäre.

»Halt!« erscholl es laut und gebieterisch von der Seite her, nach welcher hin sich das Lager der Zigeuner befand.

Es war die Vajdzina, welche den Schuß gehört hatte und mit den Ihrigen herbeigeeilt war. Sie schlug bei dem Anblicke des zu Boden Gerissenen vor Schreck die Hände zusammen.

»Der Herzog! Der hohe, gute, schöne, blanke Herr, der uns erlaubt hat, hier im Gehege zu lagern und so viel Wild zu verspeisen, wie wir wollen! Bist Du wahnsinnig, Katombo? Laß ihn los!«

Der Zigeuner gehorchte und erhob sich, doch ohne das Messer wegzuthun. Auch der Jäger stand auf; sein Angesicht glühte vor Grimm und Beschämung. Die Zigeunermutter ließ sich vor ihm auf das Knie nieder und zog den Saum seines Rockes an die Lippen.

»Verzeiht ihm, großmächtigster Herr! Er ist sanft und gut, und Ihr müßt ihn sehr gereizt haben, daß er es gewagt hat, sich an Euch zu vergreifen.«

Raumburg?«

»Er wollte Zarba küssen und schoß auf mich!« entschuldigte sich Katombo.

»Er erstach meinen besten Hund!« knirschte der Herzog. »Hund um Hund, Blut um Blut!«

Er griff nach der Büchse, die ihm entfallen war. Ihr zweiter Lauf war noch geladen. Er erhob sie, um gegen Katombo loszudrücken. Da aber trat Einer aus der Zahl der Zigeuner hervor und stellte sich vor die Mündung des Gewehres.

»Legt die Waffe weg, Herr! Mein Name ist Karavey; Katombo ist mein Bruder, und wenn Ihr nicht von ihm laßt, so ist es sehr leicht möglich, daß es Euch wie Eurem Hunde geht!«

»Oho! Wollt Ihr Beide des Todes sein? Ich pflege nicht zu spassen, am allerwenigsten aber mit Gesindel von Eurer Sorte!«

Die Vajdzina trat nochmals zwischen die Streitenden.

»Seid gnädig, Herr General! Der Zorn spricht oft Worte, von denen das Herz Nichts wissen mag. Der Gitano kennt keinen andern Richter als seinen Vajda und seine Vajdzina; jedem andern weiß er sich zu entziehen; das gebietet ihm sein Gesetz. Wenn Katombo Euch beleidigt hat, so klagt ihn an, und ich werde ihn zu strafen wissen.«

Der Grimm des Herzogs schien einer entgegengesetzten Gesinnung Platz zu machen; er lächelte satyrisch und meinte:

»Ihr wollt die Richterin sein? Nun wohl; ich werde mich Eurem Gebrauche fügen. Dieser Mensch hat meinen Hund getödtet und mir nach dem Leben getrachtet; womit werdet Ihr ihn bestrafen?«

»Welche Strafe verlangt Ihr?«

»Ich verlange sein Leben, fünfzig Hiebe für Denjenigen, der sich seinen Bruder nannte, und dann die Räumung des Geheges. Ich habe Euch aus Gnade und Barmherzigkeit die Erlaubniß ertheilt, hier sein zu dürfen, und es kann nicht meine Absicht sein, dafür in Lebensgefahr zu schweben.«

»Hoher Herr, Eure Güte war groß, aber die Dankbarkeit der Vajdzina war auch so, wie Ihr sie verlangtet,« antwortete die Alte mit einem unwillkürlichen Seitenblick auf Zarba. »Ihr hetztet den Hund auf Katombo, daher wurde er von diesem getödtet; Ihr Strafe!«

»Nun wohl, Alte, ich will mich auch jetzt noch gnädig finden lassen. Ich hetzte den Hund auf diesen Burschen, der sich von Zarba küssen ließ, und er tödtete ihn, weil dann ich sie küssen wollte. Wenn jetzt Zarba vor allen Euren Augen mich dreimal küßt, soll Alles vergeben sein.«

Das Mädchen erglühte und Niemand antwortete,

»Nun?« frug der Offizier. »Es steht in Eurer Wahl, meine Gnade zu haben oder vor einem andern und strengen Gerichte zu stehen!«

Die Vajdzina erhob die Hand gegen Zarba:

»Gehe hin und küsse ihn!«

»Halt!« rief Katombo. »Zarba ist meine Braut; ihr Kuß darf keinem Andern gehören, als nur mir allein!«

Der Offizier lächelte verächtlich.

»Ich gebe Euch nur eine Minute Zeit; dann ist es zu spät, und ich lasse die beiden Burschen arretiren.«

»Küsse ihn!« gebot die Mutter zum zweiten Male.

Obgleich tief verlegen und mit verschämtem, glühendem Angesichte, that Zarba doch einen Schritt nach dem Herzog hin.

»Bleib, Zarba,« rief ihr Bruder Karavey. »Eine Gitana küßt nur den Zingaritto!«

»Und mich wirst Du verlieren, wenn Du ihn küssest,« fügte Katombo hinzu.

»So seid Ihr Alle verloren,« entschied der Herzog. »Räumt sofort das Gehege! Wer in einer Viertelstunde in demselben noch betroffen wird, wird als Wilddieb behandelt. Und für die beiden stolzen Gitani werde ich noch extra Sorge tragen.«

»Küsse ihn!« befahl die Mutter zum dritten Male.

»Ich muß, denn die Vajdzina gebietet es!« klang die Entschuldigung Zarba‘s.

Sie trat schnell auf den Herzog zu, legte die Arme um seinen Nacken und drückte drei flüchtige Küsse auf seine Lippen. Katombo stieß einen Schrei des Schreckens und der Wuth aus und wollte sie zurückreißen; der Vajda aber ergriff ihn am Arme.

»Halt, Katombo! Die Vajdzina hat es geboten, und was sie befiehlt, das wird ohne Widerrede befolgt. Können wir nun bleiben, hoher Herr?«

»Bleibt!« antwortete der Befragte. »Doch hütet Euch in Zukunft sehr, etwas gegen meinen Willen zu unternehmen. Habt Ihr einen Wunsch, so soll ihn mir Niemand sagen, als nur Zarba allein. Merkt Euch das!«

Er wandte sich und ging, ohne Jemand noch eines Blickes zu würdigen. Am Ausgange des Geheges traf er auf einen Wildhüter, welcher mit der Miene tiefster Unterthänigkeit militärisch grüßte.

»Wer hat heut Dienst, Stephan?«

»Alle, Excellenz, da keiner Urlaub nahm.«

»Kennst Du sämmtliche Zigeuner?«

»Ja.«

Seine Miene ließ errathen, daß die Anwesenheit der Genannten nichts weniger als seine Billigung hatte.

»Auch den, welchen sie Katombo nennen?«

»Auch den. Er ist noch das beste Mitglied der ganzen Sippschaft.«

»Warte, bis ich ein solches Urtheil von Dir verlange! Übrigens sollt Ihr die Leute baldigst loswerden; sie haben sich gröblich gegen mich vergangen und werden ihre Strafe erhalten, doch wünsche ich nicht, daß hiervon gesprochen wird. Kannst Du schweigen?«

»Excellenz kennen mich wohl!«

»Allerdings. Getraust Du Dich, diesen Katombo gefangen zu nehmen?«

»Ich werde jedem Befehle Eurer Excellenz gehorchen.«

»Es soll jedes Aufsehen dabei vermieden werden!«

»Sehr wohl!«

»Besonders soll Niemand wissen, wer den Befehl gegeben hat und wohin der Gefangene kommt.«

»Werde es so einzurichten wissen.«

»Ich komme heut Abend in den Forst. Katombo wird sich dann gefesselt im Blößenhause befinden.«

»Wie viel Uhr?«

»Elf.«

»Werde pünktlich sein, Excellenz. Doch wenn er sich wehrt oder zu laut wird, welche Mittel darf ich in Anwendung bringen?«

»Jedes beliebige, welches dazu dient, ihn zum Schweigen zu bringen.«

»Und wenn dann dieses Schweigen etwas länger dauern sollte, als man vorher annehmen konnte?«

»So wird Dir nicht der geringste Schaden daraus erwachsen. gemeldet?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Weil ich mich der Protektion des Oberförsters nicht zu erfreuen scheine und weil ich auch noch nicht eine solche Dauer mich im Dienste befinde, daß ich auf Berücksichtigung rechnen könnte.«

»Melde Dich!«

»Wenn Durchlaucht befehlen, werde ich es thun!«

»Du wirst die Stelle haben und Deine weitere Zukunft steht ebenso in meiner Hand, wie Du wohl wissen wirst. Nur merke Dir, daß ich strikte Erfüllung meiner Befehle und die strengste Verschwiegenheit liebe.«

Er ging.

Stephan trat zum Thore des Geheges zurück, welches er zuvor offen gelassen hatte, und verschloß es.

Es war früher stets streng verwahrt gewesen, damit das Wild nicht aus dem Gehege zu entfliehen vermochte. Vor einigen Wochen jedoch hatte der Herzog den Befehl ertheilt, eine Zigeunerbande in das Letztere aufzunehmen, ihr den nöthigen Aus- und Eingang zu gestatten und es nicht zu bemerken, wenn diese Leute zuweilen ein Wildpret für ihren eigenen Bedarf verwenden sollten. Diese sonderbare Ordre hatte böses Blut unter dem sämmtlichen Aufsichtspersonale hervorgerufen. Zigeuner im Wildgehege, welches sonst auch dem höchsten Staatsbeamten, dessen Ressort sich nicht auf die Forstwirthschaft erstreckte, verschlossen blieb! Hierzu mußte es eine sehr dringende und vielleicht auch eigenthümliche Veranlassung geben. Man forschte nach ihr und fand sie auch sehr bald.

Unter der Bande befand sich ein Mädchen von so seltener, wunderbarer Schönheit, daß sie Jeden entzückte, der sie zu Gesichte bekam. Auch der Herzog hatte sie gesehen und kam nun täglich in das Gehege, um mit ihr zusammenzutreffen; dies geschah theils in Gegenwart der Zigeuner, theils aber auch heimlich, wie die Forstleute beobachteten, und nun war das Räthsel gelöst. Die Bande durfte ihren Aufenthalt im Wildgarten nehmen und sich sogar an den gehegten Thieren vergreifen, damit der Herzog Gelegenheit finde, mit der schönen Zarba zu verkehren. Das Mädchen schien in ihrer Unerfahrenheit von einem Rausche ergriffen zu sein. Man hatte sie oft an der Seite, ja in den Armen des Herzogs gesehen, und daher kam es dem Forstwart Stephan ganz unerwartet, daß so gewaltthätige Maßregeln gegen ein Mitglied ihrer Familie ergriffen werden sollten, und ebenso war er über die unverhoffte Mittheilung erstaunt, welche sich auf die Entfernung der Zigeuner bezog.

Allerdings frug er sich nicht nach den näheren Gründen des ihm gewordenen Auftrages; der Herzog war sein höchster Vorgesetzter, von dessen Wohlwollen seine ganze Zukunft abhing, und da er ein keineswegs empfindsames Gemüthe besaß, so konnte es bei ihm nichts anderes als den blindesten Gehorsam geben. Den Eingang hatte er verschlossen, um der Gegenwart Katombo‘s sicher zu sein; jetzt schritt er der Richtung zu, in welcher sich das Zigeunerlager befand.

In der Nähe desselben vernahm er eine zornige Stimme und erkannte, vorsichtig näher tretend und hinter dem Stamme eines Baumes Posto fassend, Katombo, welcher mit zorniger Miene vor Zarba stand.

»Sagte ich Dir nicht, daß ich Dir verloren sei, wenn Du ihn küßtest? Und dennoch hast Du es gethan!« warf er ihr vor.

»Ich habe es gethan, doch nur um Deinet- und um Karaveys willen,« antwortete sie.

»Das glaube ich nicht! Warum verweigertest Du mir den Kuß, als wir noch alleine waren? Warum schickt die Vajdzina mich stets zur Stadt, wenn dieser Herzog in das Gehege kommt? Sollst vielleicht Du das Fleisch, welches wir genießen, bezahlen und die Erlaubniß, hier im Walde bleiben zu dürfen?«

»Bist Du eifersüchtig?« frug sie mit einem Lächeln, in welchem sich doch ein gewisser Grad von Verlegenheit zeigte, welchen er bemerken mochte.

»Eifersüchtig? Ein verständiger Mann kann nie eifersüchtig sein, und ich glaube sehr, daß ich meinen Verstand habe. Der Mann eines treuen Weibes und der Verlobte eines braven Mädchens, Beide haben keine Veranlassung zur Eifersucht; welches Weib aber diese Veranlassung gibt, die ist nicht mehr werth, daß sich das Herz des Mannes mit ihr beschäftigt.«

»Ich mußte thun, was mir die Vajdzina gebot!«

»Du mußtest thun, was ich Dir gebot, denn Deine Lippen waren mein Eigenthum seit dem Tage, an welchem Du mir sagtest, daß Du mich liebtest und meine Braut wurdest. Du hast mir dies Eigenthum zurückgeraubt und an einen Andern verschenkt, der nur sein!«

Ihr Auge flammte auf.

»So verachtest Du mich?«

»Nein, sondern ich bemitleide Dich und werde den Raub, den Du an mir begingst, zu rächen wissen, zwar nicht an Dir, sondern an ihm, denn Deine Strafe erhältst Du ganz von selbst, gerechter, größer und schwerer, als ich sie Dir bestimmen könnte.«

»So wagst Du, mit Deiner einstigen Vajdzina zu sprechen! Du sagst, daß Du mich nicht zum Weibe magst – weißt Du denn, o ich Dich noch zum Manne begehre? Welche Strafe könntest Du mir geben, welche Strafe könnte mich außerdem noch treffen? Katombo, der Geist des Irrsinns ist über Dich gekommen; bete zu Bhowannie, daß sie Dich vom Wahnsinne errette! Und wenn Deine Seele wieder licht und klar geworden ist, dann wirst Du erkennen, daß Zarba nicht nöthig hat, bei Dir um Vergebung und Liebe zu betteln. Vergebung braucht sie nicht, denn sie hat nicht gegen Dich gesündigt, und Liebe findet sie überall, mehr als manche feine blanke Dame, die ihr Auge vergebens zu Fürsten und Herzogen erhebt.«

Er blickte ihr mit unendlichem Mitleide in das glühende Angesicht.

»Zarba, nicht mich umfängt der Wahn, sondern Dich; nicht ich werde erwachen, sondern Du wirst es, und dann wirst Du Dich nach Vergebung sehnen, wie der Blinde nach dem Lichte der Sonne!«

»Was habe ich gethan, daß Du es mir vergeben müßtest? Ist ein Kuß, in Deiner Gegenwart gegeben, ein Verbrechen?«

»In meiner Abwesenheit ein Diebstahl, in meiner Gegenwart aber noch mehr, ein gewaltsamer Raub, in beiden Fällen aber eine Untreue.«

»Ich war nicht untreu!« behauptete sie fest.

»Was ist die Untreue? Eine Gesinnung, die im Charakter wohnt, im Herzen arbeitet und ihre Früchte durch das Auge, die Hand und den Mund nach Außen treibt. Seien diese Früchte gereift oder nicht, seien ihre Thaten vollendet oder begonnen, spreche sie durch den Blick, das Wort oder die That, die Gesinnung, die Untreue wohnt tief unten und ist ganz dieselbe. Ich kann einem Weibe verzeihen, von der ein Mann Alles nahm, was mir gehörte, wenn ihr Herz nur mein verblieb, und ich kann ein Weib für immer von mir stoßen, obgleich nur ein einziger ihrer Blicke mit Wünschen an einem Andern hing, denn ihr Herz war mir entflohen. Die Vajdzina schickte mich fort, wenn der Herzog kam; ich habe Dich also nicht beobachten und belauschen können; aber ich habe die Röthe Deiner Wangen gesehen, als er uns vorhin überraschte; ich habe die Sprache Deines Auges verstanden, als er den Kuß von Dir nehmen wollte, da ich unter dem Hunde lag; ich habe den entsetzten Schlag Deines Pulses gefühlt, als ich das Messer über ihm zuckte. Dein Herz ist nicht mehr mein; es gehört ihm. Und wenn es wieder zurückkehren wollte, ich möchte es nicht haben, denn nur der unvernünftige hilflose Säugling genießt den Bissen, den ein anderer Mund ihm vorkaut.«

Er mußte sie mit jedem Gedanken seiner Seele lieb gehabt haben, das war aus dem knirrschenden Grimme zu hören, mit welchem er seine letzten Worte sprach. Der Schweiß stand in Tropfen auf seiner Stirn; seine Zähne waren zusammengepreßt, und sogar die aufgetragene Farbe vermochte nicht, das tödtliche Bleich seiner Wangen vollständig zu verdecken. Das Mädchen bemerkte von dem Allem nichts; der Zorn hatte sie jetzt so vollständig übermannt, daß ihre Stimme beinahe heiser klang, als sie höhnisch antwortete:

»Nun wohl, hältst Du mich für die Geliebte eines Herzogs, so mußt Du wissen, daß Du ein armseliger Wicht bist gegen einen solchen Mann. Es wird niemals einer Amme in den Sinn kommen, Dir meine Liebe vorzukauen. Ich verlache Dich und alle Deine Drohungen!«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
680 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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