Kitabı oku: «Von Bagdad nach Stambul», sayfa 18
Zunächst richtete Halef für mich ein Lager her, über welches er zur Abhaltung der Sonnenstrahlen ein leichtes Dach baute; dann nahm ich ein Bad und streckte mich nachher auf das Blätterpolster nieder, welches mir als Krankenbett dienen sollte. Meine Zunge war dunkelrot und in der Mitte schwarz und rissig geworden; das Fieber schüttelte mich bald heiß und bald kalt; ich sah die Bewegungen des kleinen Hadschi wie durch einen dichten Nebel und hörte seine Stimme wie im Traume und mit der Klangfarbe, welche die Stimme eines Bauchredners hat. Dabei entwickelten sich die Petechien und die Geschwülste immer mehr, so daß ich gegen Abend in einem fieberfreien Augenblick Halef bat, einen kräftigen Einschnitt in den Karfunkel zu machen. Das war nicht ohne Gefahr, aber es gelang. Um nun über Nacht nicht in eine noch viel gefährlichere Schlafsucht zu fallen, gab ich die Weisung, mich munter zu rütteln und mit Wasser zu begießen, falls sich die gefürchtete Starrheit meiner bemächtigen sollte. So verging die Nacht, und der Morgen brach an. Ich fühlte mich etwas leichter, und Halef ging, um ein Wild zu schießen.
Er brachte schon nach kurzer Zeit einiges Geflügel, welches er am Spieße briet. Mir war es unmöglich, nur einen Bissen zu genießen, und auch er saß still und trüb dabei, ohne zu essen. Der Hund allein hielt seine Mahlzeit. Wie traurig war diese Lage am Phrat, dem »Flusse des Paradieses«! Todkrank, ohne andere Hilfe, als die wir uns selbst zu leisten vermochten, umweht vom Hauche der Pest, inmitten unzivilisierter, fanatischer Toren, gegen die wir keine andere wirklich hinlängliche Waffe hatten, als eben diese – Pest. Nach Hilla oder einem anderen Orte durften wir nicht; man hätte uns sofort umgebracht. Was wäre ich hier gewesen ohne den Beistand des wackeren Halef, der alles wagte, um mir seine Liebe und Treue zu beweisen!
Es war heut der vierte Tag der Krankheit, und ich hatte gehört, daß dieser Tag der entscheidende sei. Ich blieb dabei, Rettung vom Wasser und von der freien Luft zu erwarten, und obgleich mein Körper unter den Anstrengungen der letzten Zeit sehr gelitten hatte, glaubte ich, daß ich dem Reste meiner Kräfte mehr Vertrauen schenken dürfe, als irgend einer Arznei, über deren Anwendung und Wirkung ich nicht einmal im Klaren war.
Gegen Abend ließ das Fieber nach, und auch in dem Abszeß verminderte sich die Heftigkeit des Schmerzes. Ich schlief des Nachts einige Zeit recht erquicklich, und als ich am nächsten Morgen Halef die Zunge zeigte, welche wieder feucht zu werden begann, erklärte er, daß die schwarze Färbung derselben fast verschwunden sei. Jetzt begann ich auf Genesung zu hoffen, erschrak aber am Nachmittag nicht wenig, als der treue Diener nun selbst über Kopfweh, Schwindel und Frost zu klagen begann. Schon während der Nacht hatte ich die Gewißheit, daß ihn die Ansteckung ergriffen hatte. Ich sah ihn nach dem Wasser gehen, um mir einen Trunk zu holen; er taumelte.
»Halef, du fällst!« rief ich erschrocken.
»O, Sihdi, es dreht sich alles mit mir herum!«
»Du bist krank! Es ist die Pest!«
»Ich weiß es.«
»Ach, ich habe dich angesteckt!«
»Allah hat es gewollt; es stand im Buche verzeichnet. Ich werde sterben; du aber wirst zu Hanneh gehen und sie trösten.«
»Nein, du wirst nicht sterben; ich werde dich pflegen.«
»Du?« fragte er kopfschüttelnd. »Du ringst ja selbst noch mit dem Tode, der dich nicht freigeben will!«
»Ich bin bereits auf dem Wege der Besserung; ich werde nicht weniger an dir tun, als was du an mir getan hast.«
»O, Sihdi, was bin ich gegen dich! Laß mich hier liegen und sterben!«
Also so sehr hatte ihn die der Pest charakteristische Niedergeschlagenheit bereits ergriffen! Er hatte sich gewiß genug gewehrt, um mich so lange wie möglich über seinen Zustand in Unkenntnis zu erhalten. Jetzt gelang ihm dies nicht mehr, und einige Stunden später sprach er irre. Vielleicht hatte er schon mit mir den Stoff der Krankheit eingesogen, als wir in Bagdad das Nahen der Todeskarawane beobachteten, und nun entwickelte sich bei ihm die schwerste, die biliöse Form der Pest, in welcher alle Zufälle mit vermehrter Heftigkeit auftreten.
Ich konnte mich selbst nur mit äußerster Anstrengung auf kurze Zeit emporraffen, um ihm die Pflege zuteil werden zu lassen, deren ich selbst noch so sehr bedurfte. Es war eine Zeit, an welche ich mit Schauder zurückdenke, obgleich ich sie hier am besten übergehe.
Auch Halef wurde gerettet, doch befand er sich noch am zehnten Tage seiner Krankheit so schwach, daß ich ihn von Stelle zu Stelle heben mußte, und ich selbst konnte mit der schweren Büchse noch keinen sichern Schuß aus freier Hand tun. Es war bei alldem ein Glück, daß unser Schmerzenslager unentdeckt blieb. Als ich mich zum ersten Male im Wasser spiegelte, erschrak ich über den dicht bebarteten Totenkopf, welcher mir da entgegengrinste. Es war kein Wunder, daß Geier über uns ihre Kreise zogen und die Hyänen und Schakale, welche aus den Ruinen zur Tränke kamen, durch das Schilf schauten, um zu sehen, ob wir nicht bald zu verspeisen seien. Sie mußten stets in höchster Eile abziehen, denn Dojan der Windhund, war nicht sehr gastfreundlich gegen sie gesinnt.
Meinen ersten Ausgang unternahm ich zum Grabe der Perser, welches sich noch im unversehrten Zustande befand. Ich war zu Fuße herbeigekommen und saß wohl eine Stunde lang am Turme, und die lebensvollen Bilder der Abgeschiedenen standen vor meinem geistigen Auge. Da gab der Hund, den ich bei mir hatte, Laut. Ich wandte mich um und erblickte einen Trupp von acht Reitern mit einigen Falken und einer Koppel Hunde. Sie hatten mich schon bemerkt, und kamen nahe zu mir heran.
»Wer bist du?« fragte der Mann, welcher der Anführer zu sein schien.
»Ein Fremder.«
»Was tust du hier?«
»Ich trauere um die Toten, die ich hier begraben habe.«
Dabei deutete ich nach dem Grabe.
»Welcher Krankheit sind sie erlegen?«
»Sie wurden ermordet.«
»Von wem?«
»Von persischen Männern.«
»Ah! Von Persern und Zobeïde-Arabern! Wir haben davon gehört. Sie haben auch mehrere Männer getötet, welche sich am Kanale befanden.«
Ich erschrak, denn hier konnte nur Lindsay mit seinen Leuten gemeint sein.
»Weißt du dies gewiß?«
»Ja. Wir gehören zum Stamme der Schat und geleiteten Pilger nach Kerbela. Da haben wir es gehört.«
Das war jedenfalls eine Lüge. Die Schat wohnen weit im Süden und dürfen sich hier nur mit Gefahr erblicken lassen. Uebrigens sagte mir der Umstand, daß sie sich auf der Falkenjagd befanden, sehr deutlich, daß ihre Heimat in der Nähe sein müsse. Ich faßte also Mißtrauen und gab mir nur Mühe, dies nicht merken zu lassen.
Da trieb der Mann sein Pferd ganz zu mir heran und sagte:
»Was hast du für ein sonderbares Gewehr? Zeige es einmal her!«
Er streckte die Hand nach dem Stutzen aus, ich aber trat zurück und antwortete:
»Dieses Gewehr ist gefährlich für den, der es nicht anzufassen versteht!«
»So wirst du mir zeigen, wie es anzufassen ist!«
»Gern, wenn du absteigst und eine Strecke weiter mit mir gehst. Kein Mann gibt seine Flinte aus der Hand, wenn er nicht sicher ist, daß es ohne Gefahr geschehen kann.«
»Her damit! Sie ist mein!«
Er streckte seine Hand abermals aus und nahm zu gleicher Zeit sein Pferd empor, um mich niederzureiten. Da aber tat Dojan einen Satz, faßte den Mann am Arme und riß ihn aus den Bügeln auf die Erde herab. Der Araber, welcher die Koppel hielt, stieß einen Schrei aus und ließ seine Hunde los, welche sich sofort auf Dojan stürzten.
»Ruft die Hunde zurück,« gebot ich, das Gewehr erhebend.
Man folgte meinem Rufe nicht, und so drückte ich ab, drei, vier Male hintereinander. Jeder Schuß tötete einen Hund; dabei aber gab ich zu wenig acht auf den Anführer, dieser erhob sich, faßte mich und riß mich von hinten zu Boden. Ich war viel zu schwach zu einer nachhaltigen Gegenwehr; er übermannte mich trotz seines zerbissenen Armes und hielt mich fest, bis die Andern ihm beistanden, mich vollends unschädlich zu machen. Das Gewehr wurde mir entrissen, das Messer auch; dann band man mich und lehnte mich gegen einen Backsteinhaufen.
Unterdessen biß sich Dojan mit den drei unverletzt gebliebenen Hunden herum. Sein Fell war zerbissen; er blutete aus mehreren Wunden, aber er hielt wacker stand, seinen Gegnern nie die Kehle bietend. Da nahm einer der Araber seine alte Flinte empor, zielte und drückte los; die Kugel traf den wackeren Hund zwischen die Rippen; er brach tot zusammen und wurde von seinen halbwilden Feinden wörtlich in Stücke gerissen.
Ich hatte das Gefühl, als ob der teuerste Freund mir an der Seite erschossen worden sei. O, diese Schwäche! Wäre ich bei meiner früheren Kraft gewesen, was hätte ich mir aus diesem alten Strick gemacht, der meine Arme zusammenhielt!
»Bist du allein hier?« fragte jetzt der Anführer.
»Nein. Ich habe nur noch einen Gefährten,« antwortete ich.
»Wo?«
»In der Nähe.«
»Was tut ihr da?«
»Wir wurden unterwegs von der Pest überfallen und sind da liegen geblieben.«
In dieser aufrichtigen Antwort bot sich mir die einzige Möglichkeit, diesen Leuten zu entkommen. Kaum hatte ich das letzte Wort gesprochen, so wichen sie mit lauten Schreckensrufen von mir zurück. Nur der Anführer blieb und meinte mit zornigem Lachen:
»Du bist ein schlauer Mann, mich aber betrügst du nicht! Wer mitten im Wege an der Pest liegen bleibt, der wird nie wieder gesund.«
»Blicke mich an!« sagte ich einfach.
»Dein Anblick ist wie das Angesicht des Todes, aber du hast nicht die Pest, sondern das Fieber. Wo befindet sich dein Gefährte?«
»Er liegt am – — – — horch, da kommt er!«
Ich hörte nämlich von weitem eine Stimme, welche stark sein wollte, aber nur in schrillen, sich überschnappenden Fisteltönen immer nur das Wort »Rih, Rih, Rih!« vernehmen ließ. Darauf ertönte der rasende Galopp eines Pferdes, und einen Augenblick später sah ich meinen Hengst über Schutt, Geröll und Trümmern heranstürmen. Auf ihm aber lag Halef, den linken Arm um den Hals des Pferdes geschlungen, und die rechte Hand zwischen den Ohren des Pferdes, wobei sie eine seiner Doppelpistolen hielt, während die Flinte ihm an der Schulter hing.
Die Araber alle wandten sich dem Schauspiele zu. Wie war der todesmatte Hadschi auf das Pferd gekommen! Er hatte nicht die Kraft, es zum Stehen zu bringen, und sauste vorüber.
»Dur kawi, Rih – halt, Rih!« rief ich, so laut ich vermochte.
Sofort lenkte das kluge Pferd zurück.
»Die Hand weg von den Ohren, Halef!«
Er tat es, und nun blieb das Tier grad vor mir halten. Halef fiel zu Boden. Er konnte sich kaum zum Sitzen aufrichten, sagte aber doch mit zorniger Stimme:
»Ich hörte schießen. Sihdi, wen soll ich töten?«
Der Anblick dieses Kranken mußte den Arabern sofort beweisen, daß ich vorhin die Wahrheit gesagt hatte.
»Es ist die Pest! Allah schütze uns!« riefen sie.
»Ja, es ist die Pest!« rief auch der Anführer, indem er den Stutzen und das Messer von sich warf und auf sein Pferd sprang. »Flieht, ihr Männer! Ihr aber, ihr Hunde, die ihr uns angesteckt habt, fahrt zur Hölle!«
Er zielte auf mich, und ein anderer auf Halef. Beide drückten ab; aber die Hand des ersten lähmte der Biß des Hundes, und die des anderen bebte aus Furcht vor der Pest; die Kugeln trafen nicht. Auch Halef schoß sein Pistol ab, aber seine Hand zitterte wie ein Zweig im Winde; auch er traf nicht, und als er die Flinte erheben wollte, war er zu schwach dazu, und die Araber ritten bereits in sicherer Entfernung von dannen.
»Dort entkommen sie! Der Scheïtan hole sie ein!« rief er; aber es war kein Ruf, sondern mehr ein hastiges Murmeln, was er hervorbrachte. »Was taten sie dir, Sihdi?«
Ich erzählte es ihm und bat ihn dann, den Strick zu durchschneiden. Der Arme hatte kaum die Kraft, es zu tun.
»Aber, Halef, wie bist du auf das Pferd gekommen?« fragte ich.
»Sehr leicht, Sihdi,« antwortete er. »Es lag am Boden, und ich legte mich auf seinen Rücken, nachdem ich den Riemen gelöst hatte. Ich wußte, wo du warst, und als ich Schüsse hörte, mußte ich dir zu Hilfe kommen. Der Knall deines Stutzens dringt sehr weit. Du hast mir das Geheimnis deines Pferdes offenbart, und darum hat es mich so rasch zu dir getragen.«
»Dein bloßes Erscheinen genügte, mich zu befreien. Die Furcht vor der Pest ist stärker als alle Waffen. Diese Männer werden von dem Zusammentreffen erzählen, und darum glaube ich, daß wir nun vor weiteren Begegnungen sicher sind, so lange wir uns noch hier befinden.«
»Und Dojan? Das dort sind die Stücke seines Körpers?«
»Ja.«
»O jazik – o wehe! Herr, das ist genau so, als ob mir die Hälfte von dir selbst entrissen wäre! Ist er tapfer gefallen?«
»Ja. Er wäre Sieger geblieben, wenn man ihn nicht erschossen hätte. Aber wir haben einen noch viel schmerzlicheren Verlust zu beklagen. Der Engländer ist mit seinen Leuten ermordet worden.«
»Der Engländer? Allah ‚l Allah! Wer sagte es?«
»Der Anführer dieser Araber. Er behauptete, davon gehört zu haben; aber vielleicht ist er selbst mit dabei gewesen.«
»So müssen wir ihre Leichen finden. Wir werden suchen, sobald ich wieder gehen kann, um sie zu begraben. Dieser Engländer war ein Ungläubiger; aber er hatte dich lieb, und ich darum auch ihn. Herr, mache eine Grube für den Hund! Er soll hier in der Nähe der Perser ruhen; er hat ja auch zu ihrem Schutze gelebt. Es darf ihn kein Geier und kein Schakal fressen. Dann aber führe mich fort. Ich bin so matt, als ob auch mich eine Kugel getroffen hätte!«
Ich tat nach seinem Willen. Der treue Dojan kam vor das Grab zu liegen, als ob er selbst noch im Tode die Sicherheit der Abgeschiedenen verteidigen solle. Dann lud ich Halef auf das Pferd und kehrte mit ihm, nachdem ich auch die Waffen an mich genommen, langsam an den Bach zurück, nicht ahnend, daß die Erzählung von dem Tode des Engländers glücklicherweise nur die Folge eines Irrtums sei. Es drängte mich, so bald wie möglich die Gegend zu verlassen, wo im Angesichte dieses Trümmerreiches auch so vieles von uns zu den Toten gebettet worden war. An die einst beabsichtigte Reise nach dem Hadhramaut war nun nicht mehr zu denken.
Sechstes Kapitel: In Damaskus
»Sei mir gegrüßt, Damask, du Blumenreiche, du Königin der Düfte, du Augenlicht des Weltantlitzes, du Jungfrau der Feigen, du Spenderin aller Freuden und du Feindin alles Kummers!« So begrüßt der Wanderer Damaskus, wenn er droben am Kubbet en Nassr steht, deren Moschee sich wie eine weit in das Land hinaus schauende Warte auf dem Dschebel Es Salehiëh erhebt.
Diese Kuppe Es Salehiëh bietet unbestreitbar einen der herrlichsten Aussichtspunkte der Erde. Im Rücken liegen die malerischen Berge des Antilibanon, deren Mauern sich hoch gen Himmel erheben, und vor dem Blicke breitet sich die von der Natur zum Paradies geschaffene und von dem Moslem hochgepriesene Ebene von Damaskus aus. Zunächst dem Gebirge liegt El Ghuta, die meilenweite, mit Fruchtbäumen und den herrlichsten Blumen dicht besetzte Ebene, bewässert und erquickt durch acht Flüßchen und Bäche, von denen sieben Zweige des Flusses Barrada sind. Und hinter diesem Gartenringe erglänzt die Stadt, von den Arabern »Schamm« genannt, wie eine Wahrheit gewordene Fata Morgana des sich nach Labung und Erquickung sehnenden Wüstenpilgers.
Hier steht der Wanderer auf einem geschichtlich hochwichtigen Boden, auf welchem auch die Sage ihre silberschimmernden Blüten getrieben hat. Gegen Norden liegt der Dschebel Kassium, auf welchem nach der morgenländischen Erzählung einst Kaïn seinen Bruder Abel erschlug. In El Ghuta stand nach der arabischen Legende der Baum des Erkenntnisses, unter welchem die erste Sünde geschah, und in Damask selbst erhebt sich die berühmte Moschee der Omajjaden, auf deren Minareh sich Christus am Tage des Gerichtes niederlassen wird, um zu richten die Lebendigen und die Toten. So also wird die Geschichte von Damaskus wie die keiner andern Stadt vom Anfange der Erde bis zu dem Ende derselben reichen, wie der stolze und fanatische Bewohner der »Stadt am Barrada« behauptet.
Allerdings ist Damaskus eine der ältesten Städte der Erde, aber die Zeit ihrer Gründung ist nicht genau zu bestimmen, da die moslemitische Geschichtsschreibung die Fäden der Tradition eher verwirrt als entwickelt hat. Die heilige Schrift erwähnt Damask zum öfteren. Zu jener Zeit wurde es auch Aram Damasek genannt. David eroberte es und zählte es zu den glänzendsten Perlen seiner Krone. Nachher herrschten hier Assyrer, Babylonier, Perser, die Seleuciden, Römer und Araber. Als Saulus zum Paulus wurde, stand sie unter dem Zepter der Araber. »Stehe auf, und gehe in die Gasse, welche die gerade heißt, und frage in dem Hause des Judas nach Einem Namens Saulus aus Tarsus; denn siehe, er betet!« So sprach der Herr im Gesichte zu Ananias83. Und noch heut steht jene Gasse. Sie geht vom Bab esch Scherki im Osten nach dem Bab el Yahya im Westen, bildet die große Verkehrsader der Stadt und wird noch immer Suk ed Dschamak, die gerade Straße, genannt.
Eine Viertelstunde von der Stadt entfernt sieht man in der Nähe des christlichen Friedhofes eine Felsenplatte an der Stelle, wo Saul von der Klarheit des Himmels umleuchtet wurde und eine Stimme ihm zurief: »Ich bin Jesus, den du verfolgest; hart wird es dir, wider den Stachel zu löcken!«84
An der Porta orientalis, einem schönen, altrömischen Tore mit drei Eingängen, steht das Haus des Ananias, durch den Paulus wieder sehend ward. Auch zeigt man neben einem vermauerten Tore das Fenster, aus welchem der Apostel in einem Korbe85 hinuntergelassen wurde.
Oft, sehr oft wurde Damaskus erobert und in Trümmer gelegt, aber immer erhob es sich wieder mit neuer Lebensfähigkeit. Am meisten litt es unter Tamarlan, welcher im Jahre 1400 seine wilden Scharen zehn Tage lang in den Straßen morden ließ; als darauf die Stille des Todes herrschte, hielt der Brand die Nachlese. Unter osmanischer Herrschaft hat die Stadt nach und nach immer mehr ihre Bedeutung verloren. Aus der ehemaligen Weltstadt wurde eine Provinzialstadt, der Sitz eines Gouverneur-Pascha, und jedermann weiß ja, daß diese Art von Administratoren nur geeignet ist, das reichste Land der Erde arm und durch endlosen Steuerdruck den ergiebigsten Volkswohlstand bankerott zu machen.
Heute spricht man von 200 000 Einwohnern, welche Damaskus besitzen soll; die Zahl 150 000 wird aber der Wahrheit näher liegen. Darunter sind etwas über 30 000 Christen und 3000 bis 5000 Juden. Kein Moslem, selbst der Mekkaner nicht, ist so fanatisch wie der Damaskese. Die Zeit ist noch nicht lange vorüber, in welcher ein Christ kein Kamel und kein Pferd besteigen durfte; er mußte zu Fuß gehen, wenn er nicht auf einem Esel reiten wollte. Dieser Fanatismus, welcher so leicht zu blutigen Ausschreitungen führt, ist selbst heute noch ganz derselbe wie im Jahre 1860, in welchem Tausende von Christen niedergemetzelt wurden.
Die fürchterlichen Vorspiele dazu begannen zu Hasbeya am Westabhange des Hermon, zu Deïr el Kamr, südlich von Beirut, und in der Küstenstadt Saïda. In Damaskus hatte am 9¨ Juli des genannten Jahres der Mueddin um die Mittagsstunde eben zum Gebete gerufen, als sich der bewaffnete Pöbel, von Baschi-Bozuks angeführt, auf das Christenviertel stürzte. Jeder Mann und Knabe wurde erschlagen; mit den Frauen und Mädchen geschah teils Schlimmeres, teils wurden sie nach dem Sklavenmarkte geführt. Der Gouverneur Achmet Pascha sah ruhig zu; aber ein Anderer nahm sich der Christen an, einer, welcher sein Leben lang gegen dieselben gekämpft hatte. Es war Abd el Kader, der algierische Beduinenheld, welcher sein Vaterland verlassen hatte, um in Damaskus Vergessenheit zu suchen. Er öffnete den Christen, welche bei ihm Schutz suchten, sein Haus und streifte mit seinen Algierern durch die Stadt, um die Flüchtenden in der alten Zitadelle unterzubringen. Als er ungefähr zehntausend Christen dorthin gerettet hatte, wollten die Mordbanden mit Gewalt eindringen; er aber sprengte in Helm und Küraß mitten unter sie hinein und gebot den Seinen, beim geringsten Zeichen eines Angriffes auf die Zitadelle ganz Damaskus an allen Ecken anzubrennen. Das half. Diesen Edelmut zeigte ein Mann, welcher nach dem Frieden von Kerbens volle fünf Jahre lang von den Franzosen widerrechtlicherweise gefangen gehalten worden war.
Von Damaskus aus geht die große Karawanenstraße nach Mekka, welches man in 45 Tagen erreicht. Nach Bagdad gelangen Karawanen in 30 bis 40 Tagen, der Postkurier aber reitet per Dromedar nur 12 Tage. Doch ist die Benützung dieser Verbindung etwas teuer, denn man hat von Bagdad per Kurier nach Stambul für einen Brief 28 Mark, für ein rekommandiertes Schreiben aber sogar 50 Mark bezahlen müssen.
Auch ich war von Bagdad nach Damaskus gekommen, hatte aber nicht die Straße eingeschlagen, auf welcher der Kurier reitet. Und das hatte seine guten Gründe.
Nach den zuletzt erzählten Ereignissen hatten wir noch sechs Tage an dem Bache liegen müssen, bis Halef so weit gekräftigt war, daß wir nach Bagdad zurückkehren konnten. Vorher aber hatten wir nochmals mit allem Fleiße und der größten Sorgfalt am Kanal Anana nach Lindsay oder Spuren von ihm gesucht, ohne das mindeste gefunden zu haben. Nach Bagdad gekommen, erfuhren wir von unserm Wirte, daß er weder den Engländer gesehen noch etwas von ihm gehört habe, und so sah ich mich veranlaßt, bei der Vertretung Englands Anzeige zu erstatten. Es wurden mir die schleunigsten Recherchen versprochen, welche aber ohne alles Resultat zu bleiben schienen, so daß ich endlich aufzubrechen beschloß.
Pekuniäre Schwierigkeiten stellten sich diesem Entschlusse nicht entgegen, denn ich hatte in den Ruinen des Belusturmes – — ein sehr reichliches Reisegeld gefunden, allerdings nicht etwa durch Nachgrabungen in dem Trümmerschutte, sondern auf eine andere Weise und an einem Orte, wo ich mir nichts weniger als den bösen und doch so notwendigen Mammon anwesend gedacht hatte.
Als nämlich eines Tages mein Halef am Bache im tiefen Schlafe der Entkräftung lag und ich mir die Schwierigkeit unserer Lage recht eingehend überdachte, fielen mir die Worte Marah Durimehs ein, welche sie gesprochen hatte, als sie mir beim Abschiede das Amulett übergab: »Es hilft nichts, so lange es geschlossen ist; aber wenn du einmal eines Retters bedarfst, so öffne es; der Ruh ‚i Kulyan wird dir dann beistehen, auch wenn er nicht an deiner Seite ist.« Ich dachte natürlich gar nicht daran, von dem Amulette etwas Hilfespendendes zu erwarten; es hatte so lange Zeit an meinem Halse gehangen, ohne daß es weiter von mir beachtet worden war; jetzt aber verspürte ich aus Langeweile einige Neugierde, seinen Inhalt kennen zu lernen. Ich knüpfte es ab, zerschnitt seine äußere Hülle und kam nun an ein zusammengelegtes Pergament, welches – — zwei Noten der englischen Bank enthielt. Ich gestehe gern, daß mein Gesicht in diesem Augenblick einigermaßen einen fremdartigen, keineswegs aber unangenehmen Ausdruck angenommen haben mag. Bei einem solchen Inhalte hatte die alte Marah Durimeh allerdings recht gehabt: »Es hilft nicht, so lange es geschlossen ist.« Wie aber war sie, die reiche Königstochter, zu englischem Gelde gekommen? Na, darüber wollte ich mir den Kopf nicht unnötig anstrengen; Pfundnoten jeder Höhe sind an allen Orten der Erde zu haben. Aber entweder war die Spenderin wirklich sehr reich, oder sie hatte eine ganz ungewöhnliche Teilnahme für mich empfunden. Ich hätte nach Lizan zurückreiten mögen, um ihr zu danken. Mit dem Verluste des Engländers hatte ich auch einen in Kassenbeziehungen hoch anständigen Gefährten eingebüßt; sein öfteres: »Zahle gut, well!« hatte viel für mich armen Teufel zu bedeuten gehabt; jetzt nun war dieser Ausfall für einige Zeit gedeckt, ein Umstand, welcher mich von einer nicht ganz geringen Sorge befreite.
Auch Halef war sehr erfreut, als ich ihn von der Bedeutung meines Fundes benachrichtigte, und ich beschloß, diese Freude durch die Mitteilung zu erhöhen, daß ich mit ihm zu den Haddedihn reiten werde, einmal um seiner selbst willen und dann auch wegen der beiden Diener des Engländers, die sich vielleicht noch immer dort befanden. Ich fühlte mich moralisch verpflichtet, dieses Erbteil des Engländers anzutreten.
Nachdem wir uns in Bagdad gehörig erholt und mit dem Nötigen versehen hatten, reisten wir ab und ließen nur für etwaige Anfragen die Nachricht zurück, wo wir zu finden seien. Wir ritten über Samara nach Tekrit und bogen dann nach West zum Thathar ab, um den Stämmen zu entgehen, mit denen wir früher im Tale der Stufen feindlich zusammengekommen waren, und trafen eine Tagreise vor den berühmten Ruinen von El Hather zwei Männer, welche uns sagten, daß die Schammar sich von ihren gewöhnlichen Weideplätzen nach Südwest gegen El Deïr am Euphrat gezogen hätten, um den fortgesetzten Feindseligkeiten des Gouverneurs von Mossul auszuweichen. Dort langten wir, ohne irgend eine Unterbrechung unserer Reise erlitten zu haben, glücklich an.
Unsere Ankunft erregte Trauer und Freude zugleich. Amad el Ghandur war nicht angekommen. Der ganze Stamm hatte sich in außerordentlicher Sorge um unser Schicksal befunden, aber noch stets hatte man gehofft, uns wohlbehalten zurückkehren zu sehen. Jetzt nun wurde diese Hoffnung zuschanden. Der Tod Mohammed Emins versetzte den ganzen Stamm in die tiefste Trauer, und es wurde eine große Feier veranstaltet, um sein Gedächtnis zu ehren.
Ganz anders aber war es bei Hanneh, welche sich bei unserm Erscheinen jubelnd in die Arme ihres Halef warf. Er war ganz entzückt von ihrem Anblick, und sein Entzücken verdoppelte sich, als sie ihn und mich in das Zelt führte, um ihm einen kleinen Hadschi zu zeigen, welcher während unserer Abwesenheit sich zur irdischen Pilgerreise eingefunden hatte.
»Und weißt du, Sihdi, welchen Namen ich ihm gegeben habe?« fragte sie mich.
»Nun?«
»Er heißt – nach dir und seinem Vater – Kara Ben Halef.«
»Du hast wohl daran getan, du Krone der Weiber und du Blume der Frauen,« rief Halef aus. »Mein Sohn wird ein Held werden, wie sein Vater ist, denn sein Name ist länger als der Speer eines Feindes. Alle Männer werden ihn ehren, alle Mädchen ihn lieben, und alle Feinde werden fliehen, wenn in dem Kampfe ertönt der Name Kara Ben Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah!«
Natürlich war auch Scheik Malek erfreut, uns wieder zu sehen. Er hatte einen bedeutenden Einfluß auf die Haddedihn gewonnen, und es war vorauszusehen, daß er, wie die Verhältnisse jetzt lagen, recht bald den Rang eines Anführers einnehmen werde. In diesem Falle konnte mein kleiner, treuer Hadschi darauf rechnen, einst zu den Scheiks der Schammar zu gehören.
Wir besuchten in zahlreicher Begleitung alle die Orte, welche wir bei unserem ersten Aufenthalte gesehen hatten, und des Abends saßen wir im Zelte oder vor demselben, um den neugierigen Arabern unsere Erlebnisse zu erzählen, wobei Halef niemals vergaß, ganz besonders seinen Schutz zu betonen, unter welchem ich mich während der langen Fahrt befunden hatte.
Die beiden Irländer waren noch vorhanden. Sie waren während unserer Abwesenheit halb wild geworden und hatten sich vom Arabischen so viel angeeignet, als nötig war, sich mit ihren Gastfreunden zu verständigen. Dennoch aber sehnten sie sich fort von hier, und als sie hörten, daß sie auf ihren verschollenen Herrn nicht rechnen könnten, baten sie mich, von jetzt an mich ihrer anzunehmen. Ich sagte zu, denn in dieser Absicht war ich ja hergekommen.
Mein Entschluß war, nach Palästina zu gehen, und von da zur See nach Konstantinopel. Doch wollte ich vorher erst Damaskus sehen, die Stadt der Ommijaden, und um allen für mich vielleicht unliebsamen Begegnungen von Mossul her aus dem Wege zu gehen, entschloß ich mich, südlich von El Deïr über den Euphrat zu setzen und eine so weit nach Mittag gelegene Richtung einzuschlagen, daß ich über das Haurangebirge nach Damaskus kam.
Aber die Haddedihn wollten mich sobald nicht von sich lassen. Halef bestand mit allem Nachdruck darauf, mich nach Damaskus zu begleiten; ich durfte ihm diesen Wunsch nicht abschlagen, und da ich ihm doch Zeit geben mußte, seinen glücklichen Familienverhältnissen gerecht zu werden, so dauerte mein Aufenthalt weit, weit länger, als ich vorher beabsichtigt hatte. Woche um Woche verging, die kurze, rauhe Jahreszeit war hereingebrochen und neigte sich bereits wieder zu Ende; nun aber ließ ich mich nicht länger halten. Wir reisten ab.
Ein großer Teil der Stammesangehörigen begleitete uns bis an den Euphrat, an dessen linkem Ufer wir Abschied nahmen: Halef auf kurze Zeit, ich aber für lebenslang. Mit allem Nötigen reichlich versehen, setzten wir über den Fluß und hatten ihn bald aus den Augen verloren. Eine Woche später erblickten wir die Höhen des Hauran vor uns, hatten aber zwei Tage vorher eine Begegnung, welche von einigem Einflusse für spätere Begebenheiten war.
Wir sahen nämlich des Morgens vier Kamelreiter weit vor uns, welche die gleiche Richtung mit uns einzuhalten schienen. Da den Beduinen des Hauran nicht recht zu trauen ist, so wäre es uns lieb gewesen, Begleiter zu bekommen, und darum ritten wir schneller, um jene Reiter einzuholen. Als sie uns bemerkten, trieben auch sie ihre Tiere zu einem rascheren Gang an, doch kamen wir ihnen trotzdem immer näher. Als sie dies erkannten, hielten sie an und wichen seitwärts, um uns vorüber zu lassen. Es war ein älterer Mann mit drei jüngeren, rüstigen Begleitern; sie sahen nicht sehr kriegerisch aus, hatten aber die Hände an den Waffen, um uns Respekt einzuflößen.
»Sallam!« grüßte ich, mein Pferd anhaltend. »Laßt die Waffen in Ruhe; wir sind keine Räuber.«
»Wer seid ihr?« fragte der Aeltere.
»Wir sind drei Franken aus dem Abendlande, und dieser mein Diener ist ein friedlicher Araber.«
Da erheiterte sich das Gesicht des Mannes, und er fragte in gebrochenem Französisch, jedenfalls um sich von der Wahrheit meiner Behauptung zu überzeugen:
»Aus welchem Lande sind Sie, mein Herr?«
»Aus Deutschland.«
»Ah,« meinte er naiv, »das ist ein sehr friedliches Land, in welchem die Bewohner nichts tun, als Bücher lesen und viel Kaffee trinken. Woher kommen Sie? Sind Sie vielleicht auch ein Kaufmann wie ich?«
»Nein. Ich reise, um über die Länder, welche ich sehe, Bücher zu schreiben, die dann zum Kaffee gelesen werden. Ich komme von Bagdad und will nach Damaskus.«