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Kitabı oku: «Waldröschen IV. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 2», sayfa 13

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23. Kapitel

Nach dieser Zeit der Aufregung folgten auf der Hacienda del Erina einige Wochen ruhigen Stillebens. Sternau wollte nicht eher fortgehen, als bis der Patient hergestellt sei, der geringfügigste, unvorhergesehene Umstand konnte ja dessen Genesung, sogar sein Leben in Frage stellen. Nach vierzehn Tagen war der Kranke bereits so weit, daß er sein Bett verlassen konnte, nach weiteren acht Tagen durfte er sich im Garten ergehen, und als noch eine Woche vergangen war, versuchte er sich bereits in weiteren Fußtouren.

Geistig war er vollständig wiederhergestellt, aber seit dem Augenblick, da sein Gedächtnis von neuem erwacht war, lebte in ihm nur der eine Gedanke, sich an Alfonzo de Rodriganda zu rächen. Darum ließ er die Freunde nicht fort, er wollte sich ihnen auf ihrem Rachezug anschließen, und da er dies nicht konnte, bevor er sich an das Reiten gewöhnt hatte, so mußten sie notgedrungenerweise warten, bis dies geschehen war. Jetzt war ihm die Erschütterung, die der Gang des Pferdes auf sein Gehirn hervorbrachte, noch zu unerträglich, er konnte sich an dieselbe nur durch langsam fortschreitende Übung gewöhnen.

So vergingen noch einige Wochen.

Während dieser Zeit stand Mariano mit seiner Geliebten in brieflichem Verkehr. Er hatte ihr einige Male geschrieben und auch ihre Antworten erhalten. Sie ermunterte ihn, sich der Führung Sternaus auch fernerhin anzuvertrauen, und versicherte ihn ihrer innigsten Liebe und ewigen Treue.

Sternau hatte in Verakruz, ehe er den Ritt nach Mexiko antrat, seiner Frau geschrieben und sie gebeten, ihren nächsten Brief nach Mexiko an ihre Freundin Amy Lindsay zu richten, durch deren Hand er denselben auf alle Fälle erhalten werde, er möge sein, wo er wolle. Heute erhielt Mariano abermals ein Schreiben von der Geliebten, das Kuvert hatte einen ziemlichen Umfang, und als er es öffnete, enthielt es auch einen an Sternau adressierten Brief.

Dieser Brief war aus der Heimat, aus Rheinswalden gekommen, und Sternau öffnete ihn, als er sich in sein Zimmer zurückgezogen, mit vor Freude zitternden Händen. Der Inhalt strömte über von Glück und Liebe, er füllte mehrere eng geschriebene Bogen und enthielt auch ein Blatt an Kapitän Helmers, dessen eine Seite von seiner Frau und die andere von dem kleinen Kurt beschrieben war.

Rosa erzählte alles, was sich während Sternaus Abwesenheit zugetragen hatte, kam dann auf ihre eigene Angelegenheit zu sprechen und erwähnte dabei, daß der Staatsanwalt sich alle Mühe gebe, aber bisher noch keinen weiteren Erfolg zu verzeichnen habe. Das größte Glück aber gewährte dem Leser der Schluß des Schreibens, der in Worten, die die Wangen der schönen Schreiberin sicherlich vor Glück, Freude und wonniger Scham hatten erglühen lassen, ihm eine Kunde brachte, bei deren Lesen er einen lauten Jubelruf ausstieß und das Papier zehnmal und zehnmal küßte. Die Worte lauteten:

»Und nun noch eins, mein Carlos, was ich Dir mit entzücktem, wonneschauerndem Herzen mitteile, obgleich eine mädchenhafte Regung mir gebieten will, es Dir zu verschweigen. Sollte Deine Reise länger dauern, als ich hoffe und erwarte, so findest Du deine Rosa nicht mehr allein, sondern sie eilt Dir entgegen, auf dem Arm einen kleinen Carlico oder eine allerliebste Rosilla, denn anders als Carlos oder Rosa werden wir das geliebte Wesen, das mich für die Zukunft begeistert, doch nicht nennen. Freue Dich mit mir und nimm die Millionen Küsse, die Dir über das weite Meer hinübersendet

Deine unendlich glückselige Rosa.«

Und wie selten eine Dame schreiben kann, ohne ein Postskriptum anzufügen, so folgte auch hier ein solches. Es lautete:

»P. S. – Du wirst nicht zürnen, daß ich dieselbe Botschaft auch meiner Amy mitgeteilt habe! Sie ist meine einzige Freundin gewesen und wird ganz glücklich sein zu erfahren, welchen Wonnen ich entgegensehe.

Rosa.«

Sternau faltete den Brief zusammen, steckte ihn in die Brusttasche, damit er auf seinem Herzen ruhe, und ging hinunter, um sich das wildeste Pferd zu fangen, aufzuspringen und in die weite Savanne hineinzujagen. Die Hazienda war zu klein für sein Glück. Und dennoch, als er zurückkehrte, war es das erste, was er tat, daß er sich in sein Zimmer zurückzog, um den Brief aber- und abermals zu lesen und zu küssen. Es gibt einen Himmel bereits auf Erden, und dieser Himmel ist nur zu finden in einem Herzen, das liebt und weiß, daß diese Liebe erwidert wird.

Anton Helmers, der Patient, trug bis jetzt auf dem Loch, das in seine Schädeldecke gebohrt worden war, ein Stück gekochtes Leder, das später mit einer Goldplatte vertauscht werden sollte. Er machte täglich vorsichtige Reitausflüge mit Sternau und erstarkte dabei so weit, daß er bald bedeutendere Strecken zurücklegen konnte, vorausgesetzt, daß er ein gutes Pferd hatte, das einen sanften Gang besaß. Sternau setzte den Tag der Abreise fest; man wollte noch eine Woche in der Hacienda del Erina bleiben.

Diese Wochen waren für Emma und den Geliebten eine Zeit des Glücks gewesen, und beide hegten eine unendliche Dankbarkeit gegen Sternau, dem sie dieses Glück ja ganz allein zu verdanken hatten.

Pedro Arbellez war von Juarez, dem später so berühmten Präsidenten, zum Verwalter der Hacienda Vandaqua ernannt worden und daher oft drüben in der Nachbarbesitzung anwesend. Eines Tages war seine Anwesenheit wieder dort notwendig geworden; er wollte aber seinen künftigen Schwiegersohn vor dessen Abreise noch möglichst genießen, und so bat er ihn um seine Begleitung. Da bereits die Dämmerung nahe war, so sagte er, daß sie erst am nächsten Tag zurückkehren würden. Beide ritten ab.

Kurze Zeit, nachdem sie die Hazienda verlassen hatten, sah Sternau von seinem Fenster aus einen Reiter am Horizont auftauchen, der sich der Besitzung schnell näherte. Als er näher kam, erkannte der Deutsche, daß es ein Lanzenreiter, und zwar ein Offizier sei. Sternau ging rasch zu den übrigen, die sich bereits im Speisesaal versammelt hatten, und meldete ihnen die Ankunft des Fremden.

Dieser ritt bereits nach kurzer Zeit in den Hof ein und wurde von Emma, als der Dame des Hauses, empfangen.

»Hier ist die Hacienda del Erina?« fragte er nach dem ersten Gruß. – »Ja«, antwortete ihm Emma. – »Deren Besitzer Pedro Arbellez heißt?« – »So heißt er, ich bin seine Tochter.« – »Dann erlauben Sie mir die Mitteilung, Señorita, daß ich ein Kurier bin, der mit Depeschen von Juarez nach Monclova geschickt wurde. Juarez sagte, daß Señor Arbellez mir gern Gastfreundschaft gewähren würde, wenn ich mein Ziel vor der Nacht nicht erreichen könnte.« – »Das versteht sich ja von selbst, Señor. Zwar ist Vater nicht anwesend, er kehrt erst morgen zurück, aber Sie werden alles finden, was Sie zu Ihrer Bequemlichkeit bedürfen. Bitte, überlassen Sie Ihr Pferd dem Vaquero, und folgen Sie mir nach dem Saal.«

Er folgte ihr mit dem Anstand und in der Haltung eines Edelmannes nach oben, wo sie ihn den dort anwesenden Herren vorstellte. Er mußte sich setzen und sofort an dem Mahl teilnehmen. An der Unterhaltung beteiligte er sich wenig, und als Sternau ihn nach dem gegenwärtigen Aufenthalt Juarez‘ fragte, sagte er ausweichend:

»Diplomatische und kriegerische Gründe verbieten zuweilen die Beantwortung einer solchen Frage, Señor. Juarez will nicht wissen lassen, wo er sich befindet«

Das klang befremdlich. Sternau warf einen forschenden Blick auf den Sprecher und sah von einer Unterhaltung mit ihm gänzlich ab.

Der Fremde erklärte nach einiger Zeit zur Ruhe gehen zu wollen, da er in der Frühe wieder aufbrechen müsse, und so wurde ihm von der alten Marie Hermoyes sein Zimmer angewiesen. Dort angekommen aber entkleidete er sich nicht, um schlafen zu gehen, sondern streckte sich auf seine Hängematte und brannte eine Zigarette an. Als diese zu Ende, nahm er eine zweite, dritte und vierte; so rauchte er fort und horchte dabei auf den Korridor hinaus, bis die Mitternacht herankam. Er nahm jetzt das Licht und trat zum Fenster, vor dem er mit demselben einen Kreis beschrieb. Dies tat er noch zweimal, dann löschte er es aus. Einige Minuten später wurden einige Sandkörnchen gegen das Fenster geworfen, und er öffnete.

Als der Offizier den Speisesaal verlassen hatte, kam das Gespräch erst in ordentlichen Fluß. Seine Anwesenheit hatte nicht wohltuend gewirkt. Sein Auge hatte etwas Stechendes, seine Stimme etwas Scharfes, Zurückstoßendes gehabt. Am nachdenklichsten war Sternau gestimmt. Es sprach ein Etwas in ihm gegen diesen fremden Offizier, aber er konnte sich nicht klarwerden, was es war. Die Uniform hatte ihm nicht gepaßt, es war gewesen, als ob sie für einen anderen gemacht worden sei; weiter aber ließ sich nichts sagen.

Als man sich getrennt hatte, um zur Ruhe zu gehen, und Sternau sich in seinem Zimmer befand, schritt er nachdenklich in demselben auf und nieder. Er fühlte eine Unruhe in sich, die er nicht begreifen konnte; nur das wußte er, daß sie mit der Anwesenheit dieses Offiziers zusammenhing.

War der Mann wirklich Offizier? Verdoja und Pardero waren mit Rachegedanken fortgegangen, und seit Arbellez die Hacienda Vandaqua zu verwalten hatte, war die Hacienda del Erina von Vaqueros entblößt. Sternau beschloß, wachsam zu sein. Er schlich sich also hinaus auf den Korridor und horchte an der Tür des Fremden. Dieser mußte schlafen, denn es ließ sich nicht das mindeste Geräusch vernehmen. Er schlich sich nun wieder zurück und begab sich hinunter in den Hof, um da einen Rundgang zu machen und zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Er ahnte nicht, was ihm bevorstand.

Von dem Städtchen Nombre de Dios her nämlich kam, als die Sonne im Untergehen war, eine bewaffnete Reiterschar. Sie zählte fünfzehn Mann, und an ihrer Spitze ritten – Verdoja und Pardero. Die Männer ritten der Hacienda del Erina entgegen und hielten, nachdem es dunkel geworden war, bei dem Wald an, an dessen äußerster Ecke sich der Stein befand, der dem Kapitän als Postoffice gedient hatte. Dort stiegen sie ab, führten die Tiere zwischen die Bäume und banden sie an. Drei Mann blieben als Wache zurück, und die anderen zehn folgten ihren beiden Anführern nun zu Fuß nach der Hazienda.

Verdoja und Pardero flüsterten leise.

»Es war doch gut, daß sich unsere Uniformen noch in der Stadt befanden«, meinte der erstere; »so konnte sich Enrico als Spion einschleichen, und wir sind von allem unterrichtet, ehe wir beginnen.« – »Wenn man ihn nur nicht durchschaut!« sagte Pardero. – »Ich habe keine Sorge. Er ist ein gewandter Halunke, der sich durch keinen Blick, keine Miene verraten wird. Ich habe die Ahnung, daß alles glücklich gelingen wird.«

Es war Neumond und also dunkel. Die Männer umschlichen die Hazienda und kamen an deren hintere Seite, als Mitternacht in der Nähe war.

»Da oben sind die Fremdenzimmer; da oben wohnt er«, sagte Pardero leise. »Er wird uns bald das Zeichen geben. Wollen wir einstweilen übersteigen?« – »Wir verstecken uns in einer dunklen Ecke.«

Die Mannschaften mußten draußen halten bleiben und sich hinter den Palisaden niederducken; die beiden aber stiegen über dieselben hinweg und schlichen sich in die nahe Ecke. Kaum hatten sie dort Posto gefaßt, so hörten sie den Sand des Hofes leise knirschen. Sternau war es, der daherkam.

»Nieder, ganz nieder! Es kommt jemand!« flüsterte Verdoja.

Sternau kam langsam und leise herbei, blieb an der Ecke des Hauses stehen, horchte eine Weile nach der anderen Seite hin und schritt weiter.

»Er war es!« sagte Pardero leise. »Was tun wir?« – »Drauf! Ich schlage ihn mit dem Kolben nieder. Droben macht er uns mehr Arbeit als hier, wo wir ihn überraschen.« – »Aber wenn man ihn vermißt?« – »Man wird ihn nicht vermissen. Es sind alle zu Bett, und er ist auf eigenen Antrieb rekognoszieren gegangen. Aufgepaßt!«

Verdoja nahm sein Doppelgewehr bei den Läufen und schlich sich an den Palisaden hin, Sternau nach. Dort an den Palisaden war so reichlich Gras aus dem Sand hervorgewachsen, daß man seine Schritte nicht hörte. Hart bei Sternau angekommen, duckte er sich einen Augenblick nieder, um die Figur des letzteren und die Entfernung von ihm gegen das Sternenlicht genau abzumessen, und sprang vorwärts.

Sternaus Ohren waren scharf; er hörte hinter sich ein leises Geräusch und drehte sich um; aber gerade in diesem Augenblick krachte ein fürchterlicher Kolbenschlag auf seinen Kopf hernieder, so daß er sofort, ohne einen Laut auszustoßen, zusammenstürzte.

»Pardero!« sagte der Ex-Kapitän halblaut. – »Hier!« – »Kommen Sie!« – »Haben Sie ihn?« – »Ja; ich binde ihn bereits. Lassen Sie sich einen Knebel herüberwerfen!«

Nach einigen Augenblicken brachte Pardero den Knebel.

»Hier!« sagte er. »Das ist günstig abgelaufen. Dieser Kerl war der einzige, den man zu fürchten hatte; nun wir ihn haben, werden uns die anderen keine große Arbeit machen. Ah, dort gibt Enrico das Zeichen!«

Man sah eben jetzt den dreimaligen Lichtkreis, den der angebliche Offizier an seinem Fenster beschrieb; dann verlöschte das Licht.

»Wo bringen wir Sternau unter?« fragte Pardero. – »Wir legen ihn ganz einfach in die Ecke, in der wir uns befanden, dort ist er sicher. Er ist festgebunden; vielleicht habe ich ihn gar erschlagen; entkommen kann er uns auf keinen Fall.«

Nachdem Sternau fortgeschafft war, warf Verdoja einige Sandkörner gegen das Fenster, hinter dem vorher das Lichtzeichen erschienen war.

»Enrico?« – »Ja«, antwortete es leise von oben. – »Alles in Ordnung?« – »Alles!« – »Den Faden herab!«

Während Enrico eine Schnur aus dem Fenster herabließ, ließ Pardero sich von einem der draußen harrenden Männer eine Strickleiter geben, die zu diesem Zweck mitgebracht worden war. Sie wurde an die Schnur gebunden, an derselben emporgezogen und oben befestigt.

»Sie wird halten!« flüsterte Enrico von oben herab.

Verdoja stieg empor, und als er an das Fenster gelangte, sagte er:

»Wir sind glücklich gewesen. Wir haben Sternau schon.« – »Ah! Wie denn?« – »Er schlich um das Haus, da habe ich ihn niedergeschlagen und gefesselt.« – »Das ist gut. Er ist ein starker Mensch, und seinetwegen war es mir bange. Er muß durch die vordere Tür gegangen sein, denn diese steht offen. Da bedürfen Sie der Strickleiter nun eigentlich gar nicht.« – »O doch. Wenn wir hier bei dir einsteigen, sind wir sofort oben, während wir hier im Flur und auf der Treppe Geräusche erregen könnten. Aber ich will zwei Mann an das Portal beordern, damit niemand entkommen kann.«

Verdoja stieg wieder die Leiter hinab und befahl seinen Leuten, sich leise über die Palisaden herüberzuschwingen. Als dies geschehen war, gebot er ihnen, einer nach dem anderen an der Leiter empor in das Zimmer Enricos zu steigen. Zwei aber nahm er mit sich und führte sie geräuschlos um die Ecke nach der Vorderfront des Gebäudes, wo er die Tür wirklich nur angelehnt fand. Hinter ihr mußten diese beiden sich aufstellen und erhielten den Befehl, darauf zu sehen, daß kein Bewohner des Hauses dasselbe verlasse.

Nun kehrte Verdoja zur Strickleiter zurück, stieg empor, und nachdem sie wieder emporgekommen war, schloß man das Fenster.

24. Kapitel

Bis jetzt war alles gut abgelaufen. Man war in die Hazienda gekommen, ohne von den in ihrer Umgebung lagernden Vaqueros bemerkt worden zu sein; man hatte sich bereits des gefürchtetsten Gegners bemächtigt, und nun galt es, das übrige möglichst geräuschlos zu vollenden.

»Der Haziendero ist nicht daheim«, flüsterte Enrico. – »Wo ist er?« fragte Verdoja. – »Auf Vandaqua.« – »Allein?« – »Sein Schwiegersohn ist mit« – »Alle Teufel! Hat er einen Schwiegersohn?« fragte der Ex-Kapitän hastig. – »Ich wollte sagen, der Verlobte seiner Tochter.« – »Verlobt ist sie? Mit wem?« – »Sie nannte ihn Señor Antonio; er muß, wie ich hörte, sehr krank gewesen sein.« – Ah, dieser! Pah! Und er ist auf Vandaqua?« – »Ja.« – »Immerhin! Ihn brauchen wir nicht. Aber Mariano ist da?« – »Ja.« – »Und Señor Helmers?« – »Ja.« – »Auch Señorita Emma und die Indianerin?« – »Ich habe beide gesehen.« – »Gut Ich kenne die Zimmer, in denen sie alle schlafen. Hast du das Blendlaternchen?« – »Ja. Soll ich anbrennen?« – »Gewiß. Folgt mir!«

Sie öffneten leise die Tür des Zimmers und traten hintereinander hinaus auf den Korridor, auf den Enrico einen Strahl seiner Laterne fallen ließ, damit sie sich orientieren konnten, dann steckte er sie wieder in die Tasche zurück.

Verdoja führte die Leute zunächst vor die Tür Marianos, die sie ganz geräuschlos erreichten. Er klopfte einige Male leise an, bis von drinnen eine Stimme fragte:

»Wer ist da?« – »Ich, Sternau!« antwortete er flüsternd, aber so, daß es drinnen gehört werden konnte. – »Ah, du! Was gibt es?« – »Mach schnell einmal auf! Ich habe dir etwas sehr Notwendiges zu sagen.« – »Gleich!«

Man hörte drin das Lager rascheln.

»Du brauchst kein Licht anzubrennen«, flüsterte der vorsichtige Verdoja.

Mariano zog die nötigsten Kleidungsstücke an und öffnete.

»Komm herein«, sagte er leise, und neugierig, zu erfahren, was Sternau von ihm wolle, hörte er nur einen Mann eintreten, aber nicht, daß ihm mehrere folgten. »Es muß etwas sehr Wichtiges sein«, meinte er. »Willst du nicht die Tür schließen?«

In demselben Augenblick wurde er bei der Gurgel gepackt; zwei Hände schlangen sich um seinen Hals und drückten ihm die Kehle so zusammen, daß ihm der Atem verging und er keinen Laut ausstoßen konnte. Er wollte sich wehren, aber er wurde jetzt von vielen kräftigen Armen ergriffen; feste Riemen wanden sich ihm um Leib, Arme und Beine, und ein Knebel schloß ihm den Mund; dann erst ließen die beiden Hände von seinem Hals ab – er war gefangen.

»Den haben wir! Nun zu Helmers!« sagte Verdoja.

Bei Helmers wurde ganz in derselben Weise und mit demselben Erfolg verfahren. Sternau, Mariano und Helmers waren gefangen, ohne daß jemand im Haus erwacht wäre.

»Jetzt zu der Señorita«, gebot Verdoja.

Auch an Emmas Tür wurde leise geklopft.

»Mein Gott, wer ist draußen?« fragte sie.

Verdoja gab seiner Stimme den weichsten Flüsterton, als er antwortete:

»Ich bin es, Karja!« – »Was willst du?« – »Ich muß mit dir sprechen. Öffne, Emma!« – »Warum?« – »Nicht so laut. Es ist wegen des fremden Offiziers. Ich weiß nicht, ob ich Señor Sternau wecken soll.«

Emma ging in die Falle.

»Ah, es gibt eine Gefahr!« sagte sie. »Warte, ich öffne sogleich!«

Man hörte, daß sie sich vom Lager erhob, an die Tür kam, den Riegel zurückschob und mit leiser, aber vor Besorgnis zitternder Stimme sagte:

»Komm herein! Was ist es denn?«

Verdoja huschte hinein und hatte sie im nächsten Augenblick bei der Kehle. Sie brach ohne jeden Versuch der Gegenwehr zusammen; der fürchterliche Schreck hatte sie ohnmächtig gemacht, so daß sie am Boden lag, ohne sich zu regen. Verdoja fesselte und knebelte sie selbst; dann ging man nach dem Schlafzimmer der Indianerin.

Auch hier hatte die List denselben Erfolg, nur daß Karja nicht in Ohnmacht fiel. Sie war die Tochter eines Indianerhäuptlings und besaß nicht die zarten Nerven einer verwöhnten Mexikanerin. Jetzt waren alle Personen, die man haben wollte, in den Händen der Räuber.

Die ganze erste Etage befand sich im Besitz derselben. Verdoja und Pardero wußten, daß unten im Parterre einige Räumlichkeiten lagen, in denen Vaqueros schliefen. Sie wollten sich ihren Raub nicht gern streitig machen lassen und verboten daher jede Plünderung. Je vier ihrer Begleiter wurden zu Mariano und Helmers beordert, um ihnen ihre Kleider anzuziehen; Verdoja aber begab sich zu Emma, während Pardero die Indianerin aufsuchte.

Als Verdoja das Zimmer der Señorita betrat, war dasselbe noch dunkel. Er brannte die Kerze an. Emma lag noch ohnmächtig am Boden. Er befreite das Mädchen von seinen Banden und zog ihm die Kleider an, die es am Tag vorher getragen hatte, sie lagen noch auf dem Stuhl; endlich suchte er aus dem Schrank noch einiges hervor, was ihm bei einem weiten Ritt dienlich schien, und nahm bei ihr Platz, um ihr Erwachen zu erwarten.

Pardero fand Karja nicht leblos am Boden liegend. Sie wälzte sich hin und her und gab sich alle Mühe, sich ihrer Fesseln zu entledigen. Er zog die Tür hinter sich zu und brannte die Kerze an.

Die Zeit drängte. Rasch griff er nach ihren Fesseln und löste dieselben vorsichtig so weit, daß sie nicht ihre vollständige Freiheit erhielt, dann zwang er sie, sich ganz anzukleiden. Sie ließ alles ruhig geschehen. Erst hatten ihre Augen mit unendlicher Wildheit auf ihn geblickt und geblitzt, jetzt aber hielt sie dieselben geschlossen, es schien ihr ganz gleichgültig zu sein, was mit ihr geschah, nur, als er ihre Hand berührte, fühlte er, daß diese vollständig kalt war.

Da öffnete sich die Tür, und Verdoja blickte herein.

»Sind Sie fertig?« fragt er. – »Ja.« – »Nehmen Sie noch einige Tücher und Decken. Es geht jetzt fort.«

Auch die beiden männlichen Gefangenen hatten ihre Kleidung bekommen. Sie waren so gefesselt und eingewickelt daß sie kein Glied zu regen vermochten, und wurden nun hinunter in den Hof getragen. Verdoja und Pardero brachten die Mädchen nach.

Das geschah so leise und vorsichtig, daß es von keinem Menschen gehört wurde. Nun öffnete man ebenso leise das große Tor und holte Sternau herbei. Es war dunkel, und man sah also nicht, ob er die Augen geöffnet hielt; eine Bewegung bemerkte man nicht an ihm.

Jetzt nahmen je zwei und zwei einen Gefangenen auf die Schultern und trugen ihn unhörbar davon. Verdoja blieb zurück, um das Tor zu verschließen, über die Palisaden hinauszuspringen und den anderen nachzufolgen. Seit sie die Hazienda erreicht hatten, war eine Stunde vergangen; eine halbe Stunde später erreichten sie ihre Pferde im Wald.

Für die fünf Gefangenen hatte man fünf Pferde mitgebracht, für die Mädchen sogar Damensättel. Man fesselte sie auf die Pferde, und dabei zeigte es sich, daß Sternau wieder zu sich gekommen war.

Jetzt teilten sich die fünfzehn Mann in fünf Gruppen. Je drei Mann hatten einen Gefangenen oder eine Gefangene bei sich. Sie trennten sich und ritten in verschiedenen Richtungen davon. Dies war eine List, die geradezu raffiniert genannt werden konnte, denn sie erschwerte eine Verfolgung auf das äußerste. Verdoja hatte diese Trennung angeraten. Erst nach einer vollen Tagereise sollten je zwei Abteilungen zusammentreffen, und diese sollten dann am Ende der zweiten Tagereise zu ihm stoßen. Die Punkte, wo dies geschehen sollte, waren vorher bestimmt, und ein jeder von den Räubern hatte einige Tage vor dem Überfall den Weg, den er zurückzulegen hatte, ganz genau rekognosziert. So war an einem Gelingen kaum zu zweifeln.

Zwei Punkte freilich fielen hierbei gegenteilig ins Gewicht. Verdoja lief nämlich bei dieser Zersplitterung Gefahr, von seinen eigenen Helfershelfern betrogen zu werden, und außerdem konnten bei einem Überfall drei Mann doch nicht denselben Widerstand leisten wie fünfzehn.

Das überlegte er sich erst, als er mit den Seinen am anderen Morgen den ersten Halt machte. Er hatte Emma bei sich, die anderen Gefangenen waren Pardero und den Mexikanern anvertraut worden. Die erste Tagereise führte ihn auf den Kamm des Gebirges, das als ein Teil der mittelamerikanischen Kordilleren sich von Norden nach Süden durch das Land zieht. Am anderen Morgen ritt er am westlichen Abhang dieses Gebirges herab und erreichte am Nachmittag den Rand der Wüste Mapimi, die als die verrufenste Strecke Mexikos bekannt ist.

Hier war das Rendezvous, wo die vier anderen Trupps zu ihm stoßen sollten, und nun erwartete er mit ängstlicher Spannung den Erfolg der listigen Maßregel, die er getroffen hatte.

Bereits eine Stunde nach seiner Ankunft sah er einen Reitertrupp von Süden kommen. Als derselbe sich näherte, zählte er acht Männer. Sein Herz wurde leicht, denn diese Leute gehörten zu ihm. Es zeigte sich, daß es die vereinigten Abteilungen waren, die Sternau und Mariano zu transportieren hatten. Sie wurden von ihm mit großer Befriedigung empfangen.

Die beiden Gefangenen waren auf eine geradezu unmenschliche Weise gefesselt Nur die Knebel waren ihnen abgenommen, so daß sie wenigstens Atem holen konnten.

Gegend Abend trafen zur großen Freude Verdojas auch die übrigen mit Karja und Helmers ein. Es war keine einzige der fünf Abteilungen verfolgt oder beunruhigt worden, und so glaubte Verdoja, daß er von jetzt an seinen Ritt mit Sicherheit fortsetzen könne.

Es wurde jedoch zunächst ein Lager errichtet. Man brannte ein Feuer an und aß, dann fütterte man die Gefangenen, die sich ja ihrer Hände nicht bedienen konnten, teilte sich in die Wache und legte sich zur Ruhe.

Verdoja hatte die erste Wache übernommen, obgleich er dies nicht nötig hatte, da er ja der Anführer war. Aber er hatte sich vorgenommen, die Gefangenen, von denen keiner ein Wort gesprochen hatte, zu peinigen. Sie lagen in der Mitte des Kreises, den die dreizehn Mexikaner bildeten. Er trat zunächst zu Helmers.

»Nun, Bursche, wie gefällt dir dieser Spazierritt?« fragte er. »Ich habe euch von jemand zu grüßen, der sich sehr für euch interessiert« – »Von wem denn?« fragte Helmers. – »Von einem gewissen Cortejo.« – »In Mexiko?« – »Ja. Er scheint ein sehr guter Freund von euch zu sein.«

Verdoja gab hier sein Geheimnis preis, und zwar mit Absicht. Es lag ihm nämlich daran, zu erfahren, weshalb Cortejo den Tod dieser Männer wünschte, er hätte dann eine Waffe gegen ihn in der Hand gehabt. Darum brachte er also die Rede auf ihn, denn er dachte, durch irgendein Wort oder eine unbedachte Äußerung der Gefangenen Aufschluß zu erhalten.

»Hole ihn der Teufel!« sagte Helmers. – »Das tut er nicht, aber euch wird er holen.« – »Ohne dich sicherlich nicht!« – »Schweig, Schurke! Sonst will ich dir zeigen, wen du vor dir hast«

Er gab Helmers einen Fußtritt und schritt weiter zu Mariano.

»Siehst du nun, was daraus wird, wenn man Schurken als Sekundant dient?« sagte er. »Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen! Kennst du euern Freund Cortejo?«

Mariano antwortete nicht

»Kennst du ihn?« wiederholte Verdoja.

Mariano schwieg noch immer.

»Ah, ich sehe, daß ich euch erst gefügig machen muß. Ihr werdet schon noch reden lernen.«

Verdoja gab auch ihm einen Fußtritt und kam nun zu Sternau. Dieser war so gebunden, daß er weder Arme noch Beine rühren konnte, aber die Knie konnte er an den Leib ziehen.

»Nun zu dir, du Hund!« sagte Verdoja. »Du hast uns um unsere Hände gebracht und wirst doppelt büßen müssen. Wie war dir‘s denn, als du meinen Hieb auf den Kopf bekamst?«

Sternau beachtete ihn gar nicht.

»Was, du willst auch nicht antworten? Warte, ich werde dir gleich Worte machen!«

Er erhob den Fuß, um auch Sternau einen Tritt zu geben, dieser aber zog blitzschnell die Beine an sich, streckte sie wieder aus und trat ihm mit solcher Gewalt auf den Unterleib, daß er hinten überstürzte und mit dem Kopf gerade in das hell lodernde Feuer fiel. Zwar raffte er sich sofort wieder auf, aber ein lautes Schmerzgeheul zeigte, daß er in irgendeiner Weise verwundet worden sei.

»Mein Auge, mein Auge!« brüllte er.

Die Schläfer erhoben sich sofort, nahmen ihm die Hand vom Auge und untersuchten dasselbe. Da stellte sich heraus, daß er sich ein Ästchen des brennenden Holzes in das Auge gestochen hatte, es war abgebrochen, und die Spitze stak noch im Auge.

»Das Auge ist verloren, denn es gibt keinen Arzt«, sagte Pardero.

Verdoja wimmerte noch immer, er mochte furchtbare Schmerzen haben. Er lief im Kreis umher und bat, ihm die Spitze des Ästchens auszuziehen, aber keiner konnte es tun.

»Hier vermag nur einer zu helfen«, sagte Pardero. – »Wer?« fragte Verdoja. – »Sternau.« – »Sternau, dieser Hund, dem ich dieses Unglück verdanke! Totprügeln werde ich ihn!« rief der Verwundete grimmig. – »Es ist mir eingefallen, daß er Arzt ist.« – »Arzt? Ah, wirklich, es ist wahr. Er hat ja den Kranken auf del Erina behandelt.« – »Er wird Ihnen den Splitter entfernen können!« – »Das soll er, ja, das soll er. Und dann, dann werde ich ihn krumm auf das Pferd schließen. Er soll an mich und meine Rache denken.«

Pardero trat an Sternau heran und fragte:

»Sind Sie Augenarzt?«

Da Sternau mit »Sie« und im höflichen Ton angeredet worden war, so antwortete er:

»Ja.«

Er hätte aber trotzdem keine Antwort gegeben, wenn ihm nicht der Gedanke durch den Kopf gefahren wäre, daß er jetzt entfliehen könne.

»Werden Sie den Splitter entfernen können?« – »Das weiß ich nicht. Ich muß das Auge erst untersuchen.« – »So kommen Sie.« – »Ich kann mich ja nicht erheben!« – »Ah, so! Nun, ich werde Ihnen die Fesseln so weit abnehmen, daß Sie aufstehen können. Warten Sie!«

Pardero nahm Sternau die Riemen von den Beinen und Füßen und schob ihn zum Feuer, an dem Verdoja wimmernd saß.

»Untersuchen Sie ihn!« gebot Pardero.

Verdoja nahm die Hand vom Auge, das er geschlossen hielt, blickte ihn mit dem anderen grimmig an und sagte:

»Kerl, wenn du mir das Auge nicht sofort wieder herstellst, so lasse ich dich mit glühenden Zangen zwicken. Sieh her!«

Er hielt das verletzte Auge einige Sekunden lang geöffnet, und Pardero leuchtete mit einem Feuerbrand dazu. Das Gespräch wurde natürlich in mexikanisch-spanischer Sprache geführt. Sternau war überzeugt, daß unter allen, die sich hier befanden, nur Helmers Deutsch verstehe, und so sagte er, indem er das Auge sehr aufmerksam betrachtete, in deutscher Sprache:

»Mut! Ich werde euch befreien!« – »Was sagst du da?« brüllte Verdoja. – »Wir Ärzte nennen jede Krankheit und Wunde bei ihrem lateinischen Namen, ich sagte den lateinischen Namen der Verletzung«, antwortete Sternau. – »Geht der Splitter zu entfernen?« – »Ja.« – »Tut es sehr weh?« – »Nein, fast gar nicht« – »So tut es, augenblicklich!« – »Die Hände sind mir ja gebunden.« – »Bindet ihn los!« gebot Verdoja. – »Aber wenn er entflieht!« meinte Enrico. – »Bist du klug?« fragte Pardero. »Wir sind fünfzehn Mann. Wie will er uns entkommen? Bildet einen Kreis und nehmt ihn in die Mitte.«

Dies geschah. Als Sternau die deutschen Worte sprach, hatte Helmers sich geräuspert, zum Zeichen, daß er ihn verstanden habe. Jetzt konnte Sternau handeln.

»Mit dem Finger kann ich den Splitter nicht fassen«, sagte er. »Gebt mir ein Messer.«

Er erhielt das Messer. Jetzt war er frei von allen Banden und hatte eine Waffe in der Hand. Es handelte sich nur noch darum, ein Gewehr mit Munition zu bekommen.

Um das Lager weideten die Pferde. Die Gewehre waren in Pyramiden zusammengestellt, und Verdoja hatte über seinen um die Hüften gewundenen Schal einen breiten Gurt geschlungen, der ihm als Kasse diente. An demselben hing der Pulver- und Kugelbeutel. Sternaus Plan war in einer Sekunde gefaßt.

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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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