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Kitabı oku: «Waldröschen VI. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 1», sayfa 8

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11. Kapitel

Am anderen Morgen war Gerard der erste, der das Zimmer betrat. Resedilla hatte ihn kommen hören und trat herein, um ihm einen guten Morgen zu wünschen.

»Habt Ihr gut geschlafen, Señor?« fragte sie. – »Mehr und besser als gut; ich danke, Señorita«, entgegnete er, sein Gewehr an den Tisch lehnend. »Und wißt Ihr, wem ich dies zu danken habe? Euch!« – »Mir?« fragte sie unter einem leichten Erröten. »Warum?« – »Ich habe während der ganzen Nacht von Euch geträumt.«

Sie errötete noch tiefer und versetzte:

»Ihr scherzt, Señor. Wenn man außerordentlich ermüdet ist, wie Ihr es wart, so pflegt man nicht zu träumen.« – »Nur der Körper war ermüdet«, antwortete er, »aber nicht der Geist. Dieser spann die Gedanken fort, die ihn jetzt allezeit beschäftigen. Wißt Ihr, wem diese Gedanken galten?« – »Gedanken sind Eigentum der Seele, in der sie auch bleiben sollen, Señor. Ihr habt lange nichts genossen. Soll ich Euch eine Schokolade bringen?« – »Ich bitte darum.«

Sie entfernte sich, um in die Küche zu gehen, und er nahm am Tisch Platz. Nach einer kurzen Zeit trat Pirnero herein und grüßte mürrisch:

»Guten Morgen.« – »Guten Morgen«, dankte Gerard. – »Ausgeschlafen?« – »Ja.« – »Das läßt sich denken. Ich habe noch keinen solchen Langschläfer gesehen wie Euch.« – »Möglich.« – »Sagt einmal, schlaft Ihr denn auch in der Savanne so lange?« – »Vielleicht.« – »Und im Urwald?« – »Kann sein.« – »Nun, dann ist es kein Wunder, daß ich noch kein Stück Wild in Eurer Hand gesehen habe. Ein guter Diplomat sieht es Euch auf den ersten Blick an, daß Ihr kein Westmann, sondern ein echtes Murmeltier seid.«

Señor Pirnero besaß, wie so viele andere Leute, die unangenehme Eigenschaft, sich des Morgens nach dem Erwachen in übler Laune zu befinden. Dies hatte Gerard jetzt zu büßen gehabt. Er nahm es jedoch gleichgültig hin.

Der Wirt setzte sich dann auf seinen Stuhl am Fenster und blickte hinaus. Es regnete immer noch, wenn auch nicht so sehr wie gestern; darum sagte er nach einer Weile mißmutig:

»Armseliges Wetter!«

Gerard antwortete nicht. So fuhr jener nach einer kleinen Weile fort:

»Fast noch wie gestern!«

Und als Gerard jetzt noch nichts sagte, wandte er sich zu ihm und rief ihm zu:

»Nun?« – »Was denn?« fragte der Jäger ruhig. – »Armseliges Wetter!« – »Hm, ja!« – »Fast wie gestern.« – »Freilich!« – »Glaube nicht, daß er da kommen wird.« – »Wer?« – »Wer? Welche Frage! Der Schwarze Gerard natürlich. Wen sollte ich sonst meinen?« – »Oh, dem ist das Wetter gleichgültig; der kommt, wenn er überhaupt will.« – »Meint Ihr? Ihr müßt nämlich wissen, daß er hier erwartet wird.« – »Ja, von Euch.« – »Allerdings, aber auch von noch jemandem.« – »Wer könnte das sein? Eure Tochter etwa?« – »Die? Fällt ihr nicht ein! Das ist ja eben mein Leiden. Da könnten tausend Schwiegersöhne gelaufen kommen, die guckte sicher keinen an; am allerwenigsten aber wartet sie auf einen. Nein, ich meine einen anderen, einen Jäger.« – »Ah, einen Jäger, der bei Euch ist?« – »Richtig. Er kam gestern, als Ihr Euch bereits niedergelegt hattet.« – »Und er ist bei Euch geblieben, um den Schwarzen Gerard zu erwarten?« – »Ja.« – »Woher kam er?« – »Aus dem Llano estacado.« – »Ah!« – »Nicht wahr, da staunt Ihr. Ja, Ihr wäret wohl nicht der Mann, durch den Llano zu reiten, obgleich Ihr zehnmal größer und stärker seid als er. Und was ist es für ein Kerl. Er hat die Taschen voll Nuggets.« – »Wirklich? Was ist es für ein Landsmann? Vielleicht ein Yankee?« – »Nein, sondern ein Deutscher.« – »Das sind die besten, zuverlässigsten Leute. Wie heißt er?« – »Andreas Straubenberger.« – »Kenne diesen Namen nicht.« – »Das ist möglich, denn … ah, da kommt er!«

Straubenberger trat ein. Er grüßte, dann ging sein erster Blick hinaus nach dem Wetter, sein zweiter aber galt Gerard. Seine Beobachtung schien ihn zufriedengestellt zu haben, denn er setzte sich neben Gerard und fragte:

»Ihr seid der Señor, der seit gestern nachmittag hier geschlafen hat?« – »Ja«, antwortete der Gefragte. – »Das nenne ich einen Kapitalschlaf. Ihr müßt außerordentlich ermüdet gewesen sein.« – »Allerdings.« – »Von der Jagd?« – »Auch mit.« – »Hm! Gedenkt Ihr, lange hierzubleiben?« – »Vielleicht nur einige Stunden.« – »Wohin geht Ihr dann?« – »Hinüber in die Berge.« – »Alle Wetter! Allein?« – »Ja.« – »So nehmt Euch um Gottes willen in acht. Es sollen sich viele Rote dort befinden.« – »Das geht mich nichts an.« – »Seid nicht leichtsinnig, Señor! Wenn sie Euch beim Schopf haben werden, dann wird es Euch recht wohl etwas angehen. Wollt Ihr aber trotzdem hinüber, so könnt Ihr mir einen Gefallen tun. Kennt Ihr den Schwarzen Gerard?« – »Man hört sehr viel von ihm.« – »Gut! Sucht zu erfragen, wo er sich befindet, und wenn Ihr ihn zufällig trefft, so sagt ihm, daß einer hier sei, der auf ihn wartet.« – »Und wenn er mich fragt, wer dieser eine sei?« – »So sagt ihm, daß es der Kleine André ist.« – »Donnerwetter, Ihr seid der Kleine André?« – »Ja. Eigentlich heiße ich Andreas Straubenberger. Die französischen Jäger haben aber Andreas in André verwandelt, und weil ich von Gestalt kein Riese bin, so werde ich der Kleine André genannt. Das ist mein Savannenname.« – »Ich kenne ihn, Señor, und weiß, daß Ihr ein tüchtiger Jäger seid. Übrigens können wir, wenn es Euch lieb ist, auch deutsch zusammen reden.« – »Deutsch! Versteht Ihr Deutsch, Señor?« – »Ja freilich. Obgleich ich eigentlich Franzose bin.« – »Wie ist Euer Name, Herr?« – »Mason. Und in Paris hatte ich den Beinamen l‘Allemand, weil ich der deutschen Sprache mächtig bin.«

Der Wirt hatte diesem Gespräch schweigend zugehört; jetzt meinte er:

»Wie, Ihr versteht deutsch?« – »Ja.« – »So seid Ihr doch kein so unebener Kerl, wie ich dachte. Aber, was bringst du da?«

Diese Worte galten Pirneros Tochter, die aus der Küche getreten war und jedem der drei Männer eine Tasse Schokolade vorsetzte. Schokolade ist der gewöhnliche Morgentrank in Mexiko und in den angrenzenden Ländern.

Resedilla sah ihren Vater an, und er erklärte ihr in strengem Ton:

»Hat Señor Mason die Schokolade bestellt?« – »Warum fragst du, Vater?« – »Ehe er trinkt, muß er sie bezahlen. Du weißt, daß ich ihm keinen Kredit gebe.«

Resedilla errötete bis hinter die Ohren. Mason aber fragte gleichmütig:

»Was kostet sie?« – »Einen Quartillo. Ich will es billig mit Euch machen.« – »Hier!«

Gerard griff in die Tasche, nahm die Kupfermünze heraus und schob sie dem Alten hin. Der Kleine André hatte diese Szene mit großem Erstaunen beobachtet. Er schüttelte den Kopf und sagte zu dem Franzosen:

»Nichts für ungut, Señor! Seid Ihr wirklich ein Jäger?« – »Ja.« – »Ein wirklicher Westmann?« – »Ich denke es.« – »Ah, das glaube ich nicht.« – »Warum?« – »So kommt nach dem Norden und seht, was ein Trapper in Eurer Lage getan hätte.« – »Ich weiß es. Er hätte Señor Pirnero die Kugel durch den Kopf gejagt oder das Messer in das Herz gestoßen.« – »Ah, Ihr wißt das so gut und tut es nicht?« – »Fällt mir nicht ein.« – »So seid Ihr kein richtiger Westmann!« – »Das ist möglich. Adieu, Señores!«

Gerard sagte dies im gleichgültigsten Ton und erhob sich.

»Adieu!« antworteten die beiden anderen.

Gerard hatte mit einem Mal den Anspruch auf Achtung bei dem Kleinen André verscherzt, trotzdem dieser gestern in ähnlicher Weise von Pirnero behandelt worden war. Als er in den Hausflur trat, stand Resedilla dort. Sie hatte alles gehört und befand sich in der größten Verlegenheit.

»Mein Gott, wie hat der Vater Euch abermals beleidigt!« sagte sie. »Er ist sonst so gut, aber gegen Euch scheint er ein Vorurteil zu haben.« – »Habt keine Sorge, Señorita«, entgegnete er.»Ich hoffe, daß dieses Vorurteil nicht lange Bestand haben wird.« – »Ihr werdet ihm verzeihen?« – »Gern.« – »Oh, Señor, wie danke ich Euch! Werdet Ihr wiederkommen?« – »Erlaubt Ihr mir es denn, Señorita Resedilla?« – »Gern.« – »So werde ich ebensogern wiederkommen.« – »Wann?« – »Heute noch, wie ich denke. Gott behüte Euch!«

Er drückte ihr die Hand und ging. Sie blickte ihm nach. Warum sprach er diesen ernsten Gruß? Lag etwas so Ernstes vor ihm oder vor ihr? Auch sein Gesicht hatte einen so entschlossenen Ausdruck gehabt nicht wie Zorn über die widerfahrene Beleidigung, sondern wie die Erwartung eines Ereignisses, dem man mit Sammlung entgegengehen muß.

Er schaute sich nicht nach ihr um, sondern ging nach dem Stall und zog ein Pferd heraus, das sich sicher ebenso ausgeruht hatte wie er. Dann stieg er auf und ritt davon.

Es war hohe Zeit dazu, denn er hatte ja mit Bärenauge die Verabredung getroffen, heute pünktlich mittags an der großen Eiche bei den Teufelsbergen zu sein.

Die Sierra del Diablo, zu deutsch das Teufelsgebirge, liegt im Nordwesten von Fort Guadeloupe und fällt in steilen, zerklüfteten Wänden nach dem Rio Puercos ab, an dem das Fort liegt und von dem es dann noch durch einen breiten Präriestreifen getrennt ist Diesen Streifen hatte Gerard in Zeit von zwei Stunden durchritten und gelangte nun an den Fuß des Gebirges.

Einer der Vorberge war nicht so sehr steil wie die anderen. An seiner Lehne ritt der Jäger hinauf. Oben angekommen, erblickte er vor sich eine zweite gewaltige Bergesmasse, von ihm nur durch ein tiefes Tal getrennt, und auf der Spitze dieses Berges erhob sich, weithin sichtbar, eine riesige Eiche, deren Zweige einen Umkreis beschatteten, der ganz sicher mehrere hundert Schritt im Durchmesser hatte. Das war die Eiche, unter der die Apachen ihn jetzt erwarteten.

Er ritt zunächst in das Tal hinab und dann drüben wieder empor. Er rechnete, daß er noch über eine Stunde zubringen werde, um das Stelldichein zu erreichen, aber da plötzlich knackte es neben ihm in den Büschen. In demselben Augenblick hatte er auch bereits seine Büchse im Anschlag, ließ sie jedoch sogleich wieder sinken, als er sah, daß es unnötig sei, sich zu verteidigen, denn vor ihm stand Bärenauge, sein Verbündeter.

»Mein weißer Bruder ist sehr pünktlich«, sagte dieser. – »Mein roter Bruder ebenso«, antwortete Gerard, indem er vom Pferd sprang und dem Indianer die Hand entgegenstreckte. – »Bärenauge hat nicht gewartet, bis sein weißer Bruder zur Eiche kam, denn er hat ihm Wichtiges zu sagen.« – »Was ist es?« – »Mein weißer Bruder erwartet Leute, die aus Osten kommen?« – »Ja.« – »Leute, die vom großen Vater der Yankees kommen?« – »Ja.« – »Und dem Präsidenten Juarez viel Geld bringen?« – »So ist es.« – »Bärenauge war bei Juarez, während mein weißer Bruder in Chihuahua war.« – »Ich weiß es. Was sagte Juarez?« – »Er vertraut meinem weißen Bruder, der der Schwarze Gerard genannt wird, und sagte mir, er solle mich und meine Krieger zu den Franzosen führen, die das Fort Guadeloupe überfallen wollen.« – »Wie viele Krieger hast du mit?« – »Fünf mal hundert.« – »Und sechshundert Komantschen wollen den Franzosen zu Hilfe kommen, um Juarez zu vertreiben?« – »Ja, aber sie werden noch nicht gleich ihre Lager verlassen.« – »Warum?« – »Sie haben gehört, daß Juarez viel Geld erwartet, das durch den bösen Llano estacado herbeigebracht werden soll.« – »Ah!« rief Gerard erschrocken. »Woher weißt du das?« – »Ich war im Lager der Komantschen, als sie Beratung hielten, und habe sie belauscht.« – »Bärenauge, das ist so kühn, daß ich selbst mir es nicht getraute.«

Der junge, stolze Indianer machte eine Bewegung der Geringschätzung und fuhr dann fort:

»Sie werden heute zweihundert Krieger aussenden, um die Spuren derer zu suchen, die das Geld bringen. Diese Männer sollen getötet werden; das Geld erhalten die Franzosen, die übrige Beute aber und die Skalpe die Komantschen. Dann erst werden die sechs mal hundert Komantschen ausziehen, um den Präsidenten Juarez zu überfallen.« – »Diese Nachricht ist sehr wichtig. Ich muß sofort wieder nach dem Llano estacado, nachdem wir die Franzosen vertrieben haben.« – »Mein Bruder weiß, wann sie kommen?« – »Ja.« – »Und welchen Weg sie gehen?« – »Ja, ich habe ihre Lagerfeuer gesehen.« – »Wo werden wir sie treffen?« – »Da, wo das Teufelsgebirge mit der Sierra del Chanate zusammenstößt, geht eine Öffnung durch das Gebirge, die von einem Bach gebildet wird. Durch diesen Paß werden sie ganz sicher kommen.« – »Wann?« – »Heute abend oder morgen früh.« – »So ist es gut, daß ich dich hier erwartet habe und nicht droben auf dem Berg bei der Eiche. Wir haben keine Zeit zu verlieren, denn wir müssen den Paß besetzen.« – »Wo sind deine Krieger?« – »Du wirst sie sogleich sehen.«

Bärenauge nahm einen hohlen Geierknochen an den Mund und stieß jenen schrillen Pfiff aus, durch den sich die Indianer zuweilen ihre Zeichen geben. Sofort rauschte es in den Büschen, und aus denselben brachen fünfhundert Reiter hervor, die dahinter verborgen gewesen waren. Einer von ihnen brachte das Pferd Bärenauges mit. Keines von all diesen Pferden hatte geschnaubt oder in irgendeiner anderen Weise seine Anwesenheit verraten, als Gerard sich genaht, so gut waren diese Tiere dressiert.

Der Häuptling gab einen Wink, ritt mit Gerard an die Spitze, und der Zug setzte sich in Bewegung, ohne daß ein Wort des Kommandos oder der Verständigung gesprochen wurde. Nach Indianersitte ritt einer genau hinter dem anderen. Der letzte führte Gerards Pferd am Halfter, das er vor seinem Ritt nach Chihuahua Bärenauge in Verwahrung gegeben hatte.

»Mein weißer Bruder reitet ein fremdes Pferd?« fragte der junge Häuptling jetzt. – »Ich nahm es gestern früh von einer Herde.« – »Wann wird er es gegen das seinige umtauschen?« – »Jetzt noch nicht. Einige Franzosen kennen mein Pferd. Reite ich es, so wissen sie, wer ich bin. Soll ich auf Kundschaft voranreiten?« – »Nein. Die Franzosen sind keine Jäger; sie sind blind und taub, bei ihnen ist es nicht notwendig, solche Vorsicht anzuwenden.«

Aus diesen Worten war zu erkennen, daß der Häuptling die Franzosen nicht hoch schätzte, denn er hielt eine Kompanie von ihnen nicht einmal der Vorsicht für wert, die er einem einzigen Jäger gegenüber angewandt hätte.

So ging der Zug nach Süden, bis dahin, wo die Teufelsberge endeten, die hier an die Sierra del Chanate stießen, von der sie durch jenen Paß getrennt wurden, von dem Gerard gesprochen hatte. Dieser Paß war zwar nicht sehr breit, an seiner schmälsten Stelle höchstens zweihundert Fuß, aber er stieg nicht steil, sondern langsam empor, bot schönen Grasboden und war aus diesem Grund leicht und bequem zu passieren. An beiden Seiten war er von Höhen eingefaßt, deren Bäume genug Holz zur Feuerung boten, und da diese Höhen die Winde abhalten, so wären die schönsten, wenn auch die gefährlichsten Nachtlagerplätze hier gewesen.

Nämlich der Feind konnte, wenn er zahlreich war, die Höhen rechts und links so gut und leicht besetzen, daß kein Mensch zu entkommen vermochte. Selbst ein einzelner Mann, der sich da oben hinter die Bäume und Sträucher versteckte, hätte einer vorüberziehenden Truppe den größten Schaden bereiten können, während ihn keine Kugel gefährdete.

Als die fünfhundert Apachen diesen Paß vor sich sahen, machte ihr Häuptling halt.

»Weiß mein Bruder genau, daß die Franzosen hier durchkommen werden?« wandte er sich an Gerard. Dieser antwortete in bestimmtem Ton: »Ich habe die Richtung gesehen, die sie einschlugen. Sie sind nördlich von Conchas über den Rio gegangen, da, wo die Nordgrenze des Presidio del Norte und de las Yuntas liegt. Wenn sie nach Fort Guadeloupe wollen und keinen großen Umweg einschlagen wollen, müssen sie hier passieren.« – »So mögen meine Leute die Höhen besetzen. Wir beide aber reiten weiter, um zu sehen, ob wir die Feinde bemerken.«

Der Indianer gab nun seine Befehle, und augenblicklich verschwanden die Leute unten zwischen den Bäumen, um die beiden Seiten des Passes zu besetzen; er selbst setzte mit Gerard den Ritt fort, zwar im scharfen Trab, stets aber doch die Stellen aussuchend, wo die Hufe der Pferde die wenigst sichtbare Spur hinterlassen mußten.

So ritten sie mehrere Stunden fort. Die Sonne erreichte den Zenit und begann wieder zu sinken. Längst schon lag die Höhe des Passes hinter ihnen. Es mochte drei Uhr nachmittags sein, als endlich die jenseitige Prärie, die sich nach dem Rio del Norte hinüberzieht, vor ihnen lag. Die Sonne stand tief und beleuchtete die Ebene scharf, so daß es für ein gutes Auge nicht schwer war, bis auf sehr weite Entfernung alles zu überblicken.

Die beiden Männer beschatteten ihre Augen mit den Händen und beobachteten die Prärie genau. Eben wollte Gerard eine Bemerkung machen, als Bärenauge die rechte Hand ausstreckte und nach Westen deutete.

»Ugh!« sagte er. »Mein weißer Bruder blicke da hinüber.« – »Ich habe diese Reiter bereits bemerkt«, antwortete Gerard. – »Wie viele zählt mein Bruder?« – »Hundert und zwanzig.« – »Auch ich zähle zwölf mal zehn. Sind es die Franzosen?« – »Ja.« – »Woran erkennt sie mein Bruder?« – »An dem Glanz ihrer Uniformen.« – »Was funkelt in der Luft?« – »Bajonette.« – »Tragen bei den Franzosen auch Reiter Bajonette?« – »Nein. Diese Kompanie besteht nicht aus Reitern, sondern aus Infanterie. Man hat den Leuten Pferde gegeben, weil hier diese Tiere nichts kosten und doch das Fortkommen erleichtern und beschleunigen.« – »Uff! Es sitzt nicht auf jedem Pferd ein Mann.« – »Sie werden Packpferde mit haben.« – »Ich sehe aber Frauen auf den Pferden sitzen.« – »Sie werden eine Marketenderin mithaben.« – »Was ist das?« – »Ein Weib oder Mädchen, das Getränke und Lebensmittel verkauft« – »Ich sehe mehrere Weiber, vier, fünf, sechs.« – »Ah, die Franzosen lieben die Frauen! Die Offiziere werden sich einige hübsche Mädchen aus Chihuahua mitgenommen haben.« – »Ugh!« rief Bärenauge erstaunt. »Hat der große Geist ihnen das Gehirn genommen, daß sie Mädchen mit auf einen Kriegszug schleppen?« – »Diese Kerle sind zu dumm, um zu wissen, welchen Fehler sie begehen.« – »Sie reiten nebeneinander. Sie machen eine Fährte, so breit wie die Bahn einer Büffelherde. Sie werden untergehen.« – »Sie sind verloren. In einer halben Stunde werden sie den Paß erreichen.« – »Was tun wir? Meint mein weißer Bruder, daß wir zurückkehren?« – »Ja.« – »Warum? Wollen wir sich nicht vorüberlassen und sehen, wo sie sich lagern werden?« – »Nein, in einer halben Stunde sind sie hier, wie ich schon sagte, dann ist nur noch zwei Stunden Tag. Um diese Zeit werden sie jenseits der Paßhöhe einen Ort erreichen, der breit und bewässert ist. Dort haben sie Platz, und ihre Pferde finden Trank und Futter. Sie werden so dumm sein, dort zu lagern, und wir können sie beobachten und jedes Wort hören, was gesprochen wird. Davon soll es abhängen, ob wir sie töten oder gefangen nach Fort Guadeloupe schaffen. Mein roter Bruder möge mir folgen.«

Bärenauge nickte beistimmend; sie wandten sogleich die Pferde um und kehrten zurück, selbst im Gras kaum eine Spur ihres Hierseins zurücklassend.

12. Kapitel

Unterdessen zogen die Franzosen auf die Öffnung des Passes zu. Wer sie so dahinreiten hätte sehen können, dem wäre himmelangst um sie geworden. Gleich beim ersten Blick mußte man sehen, daß die Kompanie aus den verschiedenartigsten Elementen zusammengesetzt war. Turkos und Zuaven, Jäger und Linieninfanteristen, die nie ein Pferd bestiegen hatten, saßen auf ihren Tieren wie der Affe auf dem Kamel. Auch die Bewaffnung war verschieden. Es war eine jener verlorenen Kompanien, die, aus den verzweifeltsten Menschen zusammengesetzt, an die Grenze geschickt wurde, entweder um sie loszuwerden oder weil gerade solche obstinaten Charaktere am geeignetsten sind, mit Todesverachtung die schwierigsten Aufgaben zu lösen.

Diese eigentümliche Truppe bestand nur aus neunzig militärischen Personen. Außer diesen waren zwei bebrillte Zivilisten zu bemerken, von denen jeder ein bepacktes Handpferd mit sich führte. Die Marketenderin war an ihrer phantastischen Uniform zu erkennen. Außer ihr befanden sich fünf junge Damen dabei, die allerliebst zu Pferde saßen, was nicht zu verwundern war, da jede Mexikanerin das Reiten versteht. Es war klar, daß diese Damen zur mexikanischen Demimonde gehörten. Die übrigen Pferde waren Packpferde, alle zusammen hundertundzwanzig Stück, wie der Apache und sein Freund Gerard ganz richtig gezählt hatten.

Der Kapitän, oder wie wir deutsch zu sagen pflegen, der Hauptmann, ritt an der Spitze. Neben ihm der Premierleutnant. Sie waren in der eifrigsten Unterhaltung begriffen.

»Verflucht, daß uns der Führer davongelaufen ist!« brummte der Leutnant. »Nun können wir sehen, ob wir den rechten Weg auch wirklich treffen.« – »Keine Sorge, Leutnant, wir haben ihn«, antwortete der Kapitän. »Ich bin vor unserem Wegzug vorsichtig gewesen und habe mir von einem Vaquero die ganze Gegend beschreiben lassen. Sehen Sie, daß sich da gerade vor uns das Gebirge öffnet? Das muß der Paß sein, den ich suche.« – »Ein Paß?« fragte der Oberleutnant, das Monokel so nachlässig in das Auge klemmend, als ob er sich im Parkett eines Theaters befände. – »Ja, ein Paß.« – »In welchem Gebirge?« – »Zwischen zwei Gebirgen.« – »Pardon, Kapitän. Ein Paß ist stets nur in einem Gebirge.« – »Oh, er kann auch zwei Gebirge scheiden.« – »Scheiden? Hm! Wahrhaftig, es ist möglich! Also zwei Gebirge. Wie heißen sie?« – »Links die Sierra del Diablo.« – »Links? Ah ja, links! Und rechts?« – »Rechts die Sierra del Chanate.« – »Chanate? Rechts? Ah ja! Hm! Interessant!«

Der Oberleutnant hielt sein Pferd an und betrachtete sich die Berge durch das Augenglas gerade so, als ob er den Schnurrbart eines guten Kameraden nach Motten durchsuchen wolle. Er sowohl, als auch der Hauptmann sprachen in jenem näselnden, weltmüden Ton, der in Offizierskreisen so gern affektiert wird.

»Und diese Öffnung im Gebirge?« fragte der Premier weiter. – »Bildet einen Paß, wie ich bereits sagte«, antwortete der Hauptmann. – »Und diesen Paß?« – »Werden wir durchreiten.« – »Höchst interessant! Ein Paß, ein Defilee! Wird man da jemandem begegnen?« – »Wem sollte man begegnen?« – »Hm! Einer hübschen Indianerin.« – »Ah, Sie verraten einen exotischen Geschmack, Leutnant.« – »Ich habe gehört, die Komantschinnen oder Apachinnen sollen reizend sein!« – »Wirklich?« lächelte der Hauptmann.

Sein Lächeln war das eines Faun, ebenso das des Leutnants.

»Ja, auf Ehre!« antwortete dieser. »Habe gehört, daß besonders die Apachenmädchen wahre Wunder von Schönheit sein sollen.« – »Sie erregen wahrhaftig meine Neugierde.« – »Die meinige ist längst da. Sie sollen noch schöner und verführerischer sein als die allersüßesten Soubretten oder Chansonetten.« – »Oh, doch nicht!« – Auf Ehre! Füßchen und Händchen wie Pepita oder Fanny Elsner.«

Der Kapitän schnalzte mit der Zunge, als ob er eine große Delikatesse vor sich habe, und sagte:

»Und Sie meinen, daß eine dieser Apachinnen reizender wäre, als zum Beispiel Ihre Señorita Pepi?«

Bei dem letzteren Wort warf der Kapitän einen Blick hinter sich, wo die mexikanischen Damen ritten.

»Als Pepi?« fragte der Leutnant. »Ah, doch nicht. Pepi würde schöner sein. Sie ist bei Gott das schönste Mädchen, das ich gesehen habe.« – »Sie und Zilli, ihre Schwester«, nickte der Kapitän plötzlich ernsthaft. – »In die Sie verliebt sind, Kapitän!« meinte der Premier mit einem erzwungenen Lachen. – »Hole Sie der Teufel!« brauste der Kapitän auf. – »Ah, jetzt noch nicht«, meinte der Leutnant »Oh, diese Pepi!«

Er schnalzte dabei mit den Fingern wie ein Austernesser, dem nach langem Fasten endlich wieder einmal ein Dutzend Prima Austern geboten werden.

»Und o diese Zilli!« fügte der Kapitän hinzu. »Wären doch diese beiden verdammten Österreicher nicht!«

Bei diesen Worten warf er einen Blick auf die beiden Brillen tragenden Zivilisten hinter sich. Der Leutnant sekundierte diesen Blick mit einem heimlichen Ballen seiner Faust und meinte halblaut:

»Kapitän, man hat uns betrogen.« – »Ja, mich und Sie.« – »Ich koche vor Rachedurst.« – »Ich ebenso.« – »Ich habe an diese Pepi geglaubt, wie der Russe an seinen Hausheiligen.« – »Und ich an diese Zilli, wie der Türke an seinen Imam.« – »Und dennoch war alles Lüge!« – »Und Heuchelei!« – »Ich nahm Pepi mit, weil ich glaubte, sie liebe mich.« – »Und ich erlaubte Zilli, mich zu begleiten, weil ich dachte, sie sei in mich vernarrt.« – »Und nun läuft diese Pepi diesem Doktor nach.« – »Und Zilli dem anderen Doktor.« – »Der Teufel hole alle Doktoren!« – »Und die Hölle verbrenne alle Gelehrten! Warum hängt man uns denn eigentlich die beiden Österreicher an den Hals!« – »Hm, ich habe einen Gedanken«, meinte der Premier. – »Ah, welch ein Wunder«, meinte sein ergrimmter Nachbar, »daß Sie einmal einen Gedanken haben!« – »Keine Beleidigung, Kapitän! Ich fange nämlich an, zu bezweifeln, daß diese beiden Kerle Gelehrte sind.« – »Ah! Warum?« – »Sie sind mir zu jung und hübsch dazu. Gelehrte sind lang, dürr und steif; diese beiden Menschen aber sind jung, beweglich, rotwangig und – hol‘s der Teufel, ich glaube es ungeschworen, daß sie von den Damen für liebenswürdig gehalten werden.« – »Das ist wahr. Aber was sollen sie denn sein, wenn sie keine Gelehrten sind?« – »Hm, Spione.« – »Unsinn!« – »Jawohl, Spione des österreichischen Max nämlich. Da kommen diese beiden und legitimieren sich als Naturwissenschaftler. Sie bitten, sich uns anschließen zu dürfen, um das Land zu studieren und Werke über die Fauna und Flora herauszugeben. Sie reiten mit uns von Mexiko nach Querétaro, Guanajuato, Zacatecas, Durango und Chihuahua. Wohin wir kommen, schnappen sie uns die schönsten Mädchen weg, sie, die Österreicher, uns den Franzosen! Da, auf einmal sollen wir weiter nach Norden; sofort sind sie wieder da. Sie sind Schmarotzer, deren wir uns entledigen müssen. Habe ich recht?« – »Vollständig!« – »Ich glaube, sie wollen nicht ein Werk über die Fauna und Flora dieses Landes herausgeben, sondern über Pepi und Zilli.« – »Das soll ihnen nicht gelingen. Treffe ich Zilli noch einmal bei ihm, so jage ich ihm eine Kugel durch den Kopf.« – »Und treffe ich Pepi bei dem anderen, so lasse ich ihn an den ersten besten Baum aufknüpfen. Unsere Jungens können die beiden Deutschen ja auch nicht ausstehen.« – »Ja, bringen wir sie nach Fort Guadeloupe, so ist es zu spät. Wir sind dann in geordneten Verhältnissen, und sie spielen den Hahn im Korb. Man müßte sie unterwegs verlieren.«

»Ah, ganz richtig, Kapitän! Ich wollte nur wissen, wie Sie über diese Sache denken. Also Sie werden meine Patronen nicht nachzählen, wenn Sie heute etwa einen Schuß hören?« – »Fällt mir nicht ein. Wir befinden uns hier in der Wildnis, wo das Gesetz der Savanne gilt. Finde ich meine Geliebte bei einem anderen, so jage ich ihm ebenso eine Kugel durch den Kopf, wie Sie jenem.« – »Das gilt?« – »Auf Ehre!« – »Topp?« – »Topp.«

Sie reichten einander die Hände. Diese beiden leichtsinnigen Franzosen beschlossen den Tod zweier deutscher Ehrenmänner mit derselben Gleichgültigkeit, mit der sie sich auf eine Hasenjagd versprochen hätten.

Während dieser Unterhaltung war der Zug in einen Paß eingebogen, der hier nach Osten aufzusteigen begann. Man ließ den Kapitän und seinen Premier voranreiten, sonst aber wurde nicht die mindeste Ordnung eingehalten. Der Sekondeleutnant ritt mit dem Portepeejunker im dichtesten Gewirr; die beiden hatten den Auftrag erhalten, über das Wohl der Damen zu wachen.

So wurde die Höhe des Passes erreicht, hinter der er sich wieder abwärts senkte. Auch die Sonne sank immer tiefer, bis sie endlich den Horizont erreichte; für die Franzosen aber, die in der Tiefe des Defilees ritten, war sie schon verschwunden.

Da plötzlich erweiterte sich der Paß zu einer Art Rundteil, das wie zu einem Lagerplatz geschaffen zu sein schien. Es war genau die Stelle, von der Gerard zu dem Apachenhäuptling gesprochen hatte. Die beiden voranreitenden Offiziere hielten, auf das freudigste überrascht, ihre Pferde an.

»Donnerwetter, wie bequem!« sagte der Kapitän. »Gerade wie zum Biwak angelegt!« – »Ganz so!« meinte der Premier und quetschte das Monokel in das Auge, um sich den Platz aufmerksam anzusehen. – »Platz genug für uns alle«, fuhr der Kapitän fort. – »Wasser auch«, meinte der Premier. – »Und Gras für die Pferde.« – »Schutz gegen die Winde.« – »Wie gut, daß es bereits seit Mittag aufgehört hat zu regnen. Wir werden hier ziemlich trocken liegen.« – »Ganz und gar trocken. Mein Zelt und meine Decken sind vollständig wasserdicht.« – »Die meinigen auch. Also hier bleiben und lagern?« – »Ja. Wollen das Zeichen geben.«

Der Hornist erhielt den Befehl und blies zum Lagern. Einige Augenblicke später herrschte das tollste Gewirr und ein lautes Schreien, Rufen und Zanken, ganz der französischen Sorglosigkeit und Lebhaftigkeit angemessen. Kein Mensch dachte daran, daß man sich auf dem Kriegspfad bewegte und daß man sich zwischen den Jagdgebieten der einzelnen Apachenstämme befand. Es war der Leichtsinn, der weiß, daß er mit dem Tode spielt, sich aber Mühe gibt, nicht daran zu denken.

Die Soldaten gruppierten sich auseinander, und Lager und Zelte wurden errichtet. Die der Offiziere, der Damen und der beiden Gelehrten kamen in die Mitte; die Pferde durften frei weiden und trinken. Niemand dachte daran, die Umgebung abzusuchen, und nur an den Ein- und Ausgang des Rundteils kam ein Einzelposten zu stehen, jedoch nur, damit sich keines der Pferde verlaufen solle. Kein Präriejäger hätte gewagt, hier zu übernachten, und nun lagerte sich ein Trupp von neunzig Franzosen da, wo ringsum das Verderben ihnen entgegengähnte; es war geradezu unbegreiflich.

Zudem wurden große Feuer gemacht, deren Flammen haushoch emporloderten, so daß selbst der kleinste Zweig hell erleuchtet wurde. Dann holte man die Proviantvorräte herbei, und nun wurde gebraten und gekocht, als ob man sich hier unter den sicheren Hallen von Paris, nicht aber an den Teufelsbergen von Nordamerika befände. Das Tal war in zehn Minuten von Bratenduft erfüllt, der einem Indianer diese Truppe meilenweit hätte verraten müssen. Nur Franzosen verfahren in dieser Manier, obgleich man gerechterweise gestehen muß, daß die französischen Waldläufer und Pelzjäger des Felsengebirges mit die kühnsten, erfahrensten und vorsichtigsten sind.

Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
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