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Kitabı oku: «Winnetou 1», sayfa 29

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»Yes, hast‘s getroffen, alter Will,« antwortete der Gefragte. »Es kommt mir auf einige mehr oder weniger gar nicht an, wenn es sich darum handelt, Sam loszumachen. Ist sonst ein kleiner Pfiffikus; hat aber heut grad seinen schwachen Tag gehabt.«

Ja, allerdings, an diesem Tage war Sam recht schwach gewesen. Ich ging im stillen mit mir zu Rate, auf welche Weise er am besten zu befreien sei. Mein Leben hatte ich für ihn wagen dürfen, aber war ich berechtigt, seinetwegen auch dasjenige der Apachen auf das Spiel zu setzen? Vielleicht konnte man auf dem Wege der List leichter und ungefährlicher an das Ziel gelangen. Das mußte sich nachher ergeben, wenn wir uns hinüberschlichen. Um für alle Fälle gerüstet zu sein, wollte ich da die Apachen auch mitnehmen. Vielleicht stellte es sich heraus, daß ein plötzlicher Angriff Vorteile bot, welche wir mit keinen großen Wagnissen erreichen konnten.

Jetzt mußten wir noch warten, denn wir machten die Bemerkung, daß es drüben noch sehr lebhaft zuging. Bald aber wurde es ruhiger, und diese Stille wurde nur durch kräftige, weithin schallende Tomahawkhiebe unterbrochen. Die Roten schlugen Holz von den Bäumen; wahrscheinlich hatten sie die Absicht, Feuer bis zum Morgen in der jetzigen, ungewöhnlichen Weise zu unterhalten.

Dann hörten auch die Axtschläge auf. Die Sterne deuteten Mitternacht an, und ich hielt es für an der Zeit, ans Werk zu gehen. Zunächst sorgten wir dafür, daß die Pferde, welche wir zurücklassen mußten, gut angebunden waren und nicht loskommen konnten; dann sah ich noch einmal nach den Fesseln und dem Knebel des gefangenen Kiowa. Hierauf verließen wir unsern Lagerplatz und schlugen genau denselben Weg ein, auf welchem ich vorhin nach dem Flußbette gegangen war.

Als wir unterhalb des Wäldchens in demselben standen, befahl ich den Apachen, unter der Anführung Dick Stones hier zurückzubleiben und ja jedes Geräusch zu vermeiden. Dann stieg ich mit Will Parker leise zu den Bäumen empor. Als wir die Uferhöhe erreicht hatten, legten wir uns nieder und lauschten. Es herrschte tiefste Stille ringsumher. Nun krochen wir langsam vorwärts. Die acht Feuer brannten noch immer so hoch. Ich sah, daß ganze Haufen starker Aeste in dieselben geworfen worden waren. Das machte mich stutzig. Wir rückten weiter und weiter vor und sahen keinen Menschen. Endlich überzeugten wir uns, freilich unter Beachtung aller Vorsicht, daß das Wäldchen leer war. Es gab keinen einzigen Kiowa mehr da.

»Sie sind fort, wirklich fort, heimlich fort!« sagte Parker erstaunt. »Und doch haben sie die Feuer noch so geschürt!«

»Um ihren Rückzug zu maskieren. So lange die Feuer brennen, müssen wir denken, daß sie noch da sind.«

»Aber wohin sind sie? Ganz fort?«

»Ich vermute es, weil Sam für sie eine gute Beute ist, die sie in Sicherheit bringen wollen. Aber es ist auch möglich, daß sie eine Teufelei beabsichtigen.«

»Welche?«

»Uns drüben zu überfallen, wie wir sie jetzt hier hüben angegriffen hätten.«

»Wetter, das ist freilich möglich! Da müssen wir schleunigst vorbeugen, Sir!«

»Ja; wir müssen hinüber und unsere Pferde in Sicherheit bringen, auch wenn es sich später als unnötig erweisen sollte. Besser ist besser.«

Wir stiegen zu den Apachen hinab und eilten nach unserm Lagerplatze, wo wir alles in Ordnung fanden. Doch die Kiowas konnten auch noch später kommen; darum stiegen wir auf und ritten ein tüchtiges Stück in die Prairie hinein, wo wir uns lagerten. Wenn die Kiowas ja noch kamen, so fanden sie uns nicht am alten Platze und mußten den Tag abwarten, um uns zu sehen. Den Gefangenen hatten wir natürlich nicht liegen lassen, sondern mitgenommen.

Nun blieb auch uns nichts anderes übrig, als uns bis zum Morgen zu gedulden. Wer schlafen konnte, der schlief; wer das nicht fertig brachte, der wachte. So verging die Nacht, und als der Morgen zu dämmern begann, setzten wir uns auf die Pferde und ritten zunächst nach unserem Lagerplatz zurück. Es war niemand dagewesen, und wir hatten uns also ohne Grund entfernt; doch das schadete nichts. Dann ging es über den Fluß nach dem Wäldchen hinüber. Die Feuer waren niedergebrannt und hatten Aschenhaufen hinterlassen als die einzigen Zeichen davon, daß es gestern hier so lebhaft zugegangen war.

Nun untersuchten wir die Spuren. Von der Stelle, an welcher ich die Pferde gesehen hatte, führte die Gesamtspur der Kiowas fort; sie waren hier aufgestiegen, und hatten sich in südöstlicher Richtung entfernt. Es lag klar, daß sie es aufgegeben hatten, sich in einen Kampf mit uns einzulassen, welcher ihnen keinen Nutzen bringen konnte, weil es ihnen nicht mehr möglich war, uns zu überraschen.

Und Sam? Den hatten sie mitgenommen, was Dick Stone und Will Parker außerordentlich in das Gemüt griff. Auch mir tat das liebe Kerlchen herzlich leid, und ich war gern bereit, alles halbwegs Vernünftige zu seiner Befreiung zu unternehmen.

»Wenn wir ihn nicht losmachen, so werden sie ihn am Pfahle martern,« klagte Dick Stone.

»Nein,« tröstete ich ihn. »Wir haben ja auch einen Gefangenen, eine Geisel für ihn.«

»Aber ob sie das wissen!«

»Jedenfalls. Sam ist unbedingt so klug gewesen, es ihnen zu sagen. Wie man es ihm macht, so machen wir es mit unserm Gefangenen.«

»Aber wir müssen diesen Indsmen nachreiten, es mag stehen, wie es will!«

»Nein.«

»Was? Ihr wollt ihn im Stiche lassen?«

»Auch nein.«

»Aber wie reimt Ihr dieses beides zusammen?«

»Dadurch, daß ich mich von diesen roten Kerls nicht an der Nase in der Savanne herumführen lasse.«

»An der Nase? Ich verstehe Euch nicht.«

»Nun, seht Euch einmal ihre Fährte an! Wie alt ist sie wohl?«

»Sie sind schon vor Mitternacht fort, wie es den Anschein hat.«

»Das denke ich auch. Von da an bis jetzt sind gegen zehn Stunden vergangen. Denkt Ihr, daß wir diesen Vorsprung heut einholen können?«

»Nein.«

»Oder morgen?«

»Auch nicht.«

»Und wohin meint Ihr, daß sie geritten sind?«

»Nach ihrem Dorfe.«

»So kommen sie dort an, ehe wir sie einholen können. Seid Ihr nun vielleicht der Ansicht, daß wir zwölf Personen uns mitten in das weite Gebiet der Kiowas wagen können, um eines ihrer Dörfer zu überfallen und einen Gefangenen zu befreien?«

»Das würde Wahnsinn sein.«

»Schön! Wir sind also einer Meinung; wir reiten ihnen nicht nach.«

Da kratzte er sich hinter dem Ohre und murmelte ratlos und ärgerlich:

»Aber Sam, Sam, Sam! Unser alter Sam, was wird mit dem? Wir können ihn doch nicht aufgeben!«

»Nein, das tun wir nicht, sondern wir werden ihn im Gegenteile befreien.«

»Hol Euch der Teufel, Sir! Ich bin nicht dazu geschaffen, diese Art von Rätseln zu lösen. Einmal sagt Ihr, daß wir den Roten nicht folgen wollen, und gleich darauf behauptet Ihr, daß ihr Gefangener befreit werden soll. Das ist doch ganz so, als ob Ihr einen Esel in einem Atem erst ein Kamel und dann einen Affen nennt! Das mag begreifen, wer will, ich aber nicht!«

»Es ist schon etwas anderes, denn Euer Beispiel trifft nicht zu. Die Kiowas wollen nämlich gar nicht nach ihrem Dorfe.«

»Nicht? Wohin denn?«

»Erratet Ihr das nicht?«

»Nein.«

»Hm! Was für alte, erfahrene Westmänner ihr doch seid! Da lobe ich mir doch die Greenhorns, welche solche Nüsse knacken, ohne sich die Zähne daran auszubeißen! Die Roten wollen nämlich nach dem Nuggetberg.«

»Nach dem behold! Sollte das die Wirklichkeit sein, Sir?«

»Sie ist es; darauf könnt Ihr Euch verlassen.«

»Zuzutrauen wäre es ihnen wirklich!«

»Ich traue es ihnen nicht nur zu, sondern ich behaupte es mit Bestimmtheit.«

»Aber sie dürfen doch das Begräbnis nicht stören!«

»Das beabsichtigen sie auch nicht. Sie werden warten, bis es vorüber ist. Sie sind uns und den Apachen feindlich gesinnt; sie streben nach Rache. Da war ihnen Santers Ankunft sehr willkommen. Sie erfuhren den Tod Intschu tschunas und seiner Tochter und freuten sich darüber. Wie gern werden sie Winnetou und uns das gleiche Schicksal wünschen. Sie hatten es uns zugedacht, als sie hörten, daß Santer Verfolger hinter sich habe. Wir aber waren vorsichtig und gingen, Sam ausgenommen, nicht in die Falle. Nun versuchen sie es anders. Sie tun, als ob sie die Absicht hätten, nach ihrem Dorfe zu reiten; das hält uns ihrer Ansicht nach davon ab, ihnen zu folgen; sie nehmen also an, daß wir zu Winnetou zurückkehren werden. Wenn sie aber einige Zeit südöstlich geritten sind und dabei, wenn der Zufall es bietet, noch mehr Krieger an sich gezogen haben, wenden sie um und gehen nach dem Nuggetberge, wo wir, wie sie denken, uns ahnungslos überfallen und abschlachten lassen werden.«

»Schönes Exempel, jawohl, schönes Exempel! Werden aber dafür sorgen, daß es ein anderes Fazit ergibt!«

»Ja, das werden wir. Wahrscheinlich ist ihnen dieser Plan von Santer eingegeben worden, welcher diese Gelegenheit benützen will, sich Gold zu holen. Kurz und gut, ich bin vollständig überzeugt, daß der Stock so schwimmt, wie ich es jetzt erklärt habe. Wollt Ihr nun noch hinter den Kiowas her?«

»Fällt mir nicht ein. Eure Berechnung erscheint mir zwar etwas gewagt, aber so lange ich Euch kenne, habt Ihr Euch noch nie geirrt, sondern stets recht gehabt; darum denke ich, daß es diesmal auch so zutreffen wird. Was meinst du dazu, alter Will?«

»Ich meine, daß es genau so ist, wie Old Shatterhand sagt. Wir müssen fort von hier, augenblicklich fort, um Winnetou rechtzeitig warnen zu können. Seid Ihr einverstanden, Sir?«

»Ja.«

»Und den Gefangenen nehmen wir mit?«

»Natürlich. Wir binden ihn auf Sams Mary, was ihm freilich keinen großen Genuß bereiten wird. Nachdem ihr das besorgt habt, brechen wir gleich auf. Vorher jedoch wollen wir unten im Flusse einen Wassertümpel suchen, um unsere Pferde zu tränken.«

Eine halbe Stunde später waren wir unterwegs, keineswegs sehr zufrieden mit dem Erfolge unseres Rittes. Anstatt Santer zu fangen, hatten wir Sam Hawkens verloren, aber durch seine eigene Schuld, und wenn meine Voraussetzung sich später bewahrheitete, so stand fast mit Sicherheit zu erwarten, daß wir Sam Hawkens befreien und Santer ergreifen würden.

Bei der Verfolgung des Letzteren waren wir natürlich gezwungen gewesen, auf seiner Spur zu bleiben, und hatten infolgedessen einen Umweg gemacht, weil er von seiner ursprünglichen Richtung abgewichen war, und einen stumpfen Winkel geritten hatte. Ich beschloß, diesen Winkel abzuschneiden, und die Folge davon war, daß wir schon kurz nach Mittag des nächsten Tages vor der Schlucht hielten, welche hinauf nach der Lichtung führte, auf der der Ueberfall und Doppelmord geschehen war.

Wir ließen die Pferde unter der Obhut eines Apachen unten im Tale und stiegen empor. Am Rande der Lichtung stand ein Wächter, der uns nur mit einer stillen Bewegung der Hand begrüßte. Wir sahen beim ersten Blicke, wie fleißig die zwanzig Apachen gewesen waren, um das Begräbnis ihres Häuptlings und seiner Tochter vorzubereiten. Ich sah eine Menge schlanker Bäume liegen, welche mit den Tomahawks gefällt und zum Gerüste bestimmt waren. Sodann gab es große Haufen von Steinen, welche herbeigeschleppt worden waren und noch immer herbeigetragen wurden. Zu diesen Arbeitern gesellten sich sogleich die Apachen, welche ich mit mir gehabt hatte. Ich erfuhr, daß das Begräbnis am nächsten Tage stattfinden sollte.

Seitwärts hatte man eine interimistische Hütte errichtet, in welcher die beiden Leichen aufbewahrt wurden. Winnetou befand sich in derselben. Es wurde ihm gesagt, daß wir angekommen seien, und er trat heraus. Wie sah er aus!

Er war ja überhaupt sehr ernst und nur in seltenen Fällen glitt einmal ein Lächeln über sein Gesicht; laut lachen aber habe ich ihn niemals hören; jedoch lag auf seinen männlich schönen Zügen trotz dieses Ernstes stets ein Ausdruck der Güte und des Wohlwollens, und sein dunkles Sammetauge konnte bei Gelegenheit sogar außerordentlich freundlich blicken. Wie oft hat es auf mir mit einer Liebe und Zärtlichkeit geruht, deren Licht man sonst nur in Frauenaugen zu finden pflegt! Heut aber gab es von alledem keine Spur. Sein Gesicht schien steinhart geworden zu sein, und sein Auge blickte düster innenwärts. Seine Bewegungen waren langsam und schwer. So kam er auf mich zu, warf einen trüben, forschenden Blick umher, schüttelte mir matt die Hand, sah mir mit einem Ausdrucke, der mir tief in die Seele schnitt, in die Augen und fragte:

»Wann ist mein Bruder zurückgekehrt?«

»Soeben.«

»Wo befindet sich der Mörder?«

»Er ist uns entgangen.«

Die Aufrichtigkeit gebietet mir, zu gestehen, daß ich bei dieser Antwort den Blick zu Boden senkte. Ich möchte beinahe sagen, daß ich mich schämte, diese Worte auszusprechen.

Auch er sah zur Erde nieder. Ich hätte in sein Inneres blicken mögen! Erst nach einer langen Pause erkundigte er sich:

»Hat mein Bruder die Spur verloren?«

»Nein; ich habe sie noch jetzt. Er wird hierher kommen.«

»Old Shatterhand mag mir erzählen!«

Er setzte sich auf einen Stein; ich tat desgleichen und lieferte ihm einen genauen, wahrheitsgetreuen Bericht. Er hörte ihn wortlos bis zu Ende an, schwieg auch noch darüber hinaus und fragte dann:

»So weiß mein Bruder nicht genau, ob der Mörder von den Revolverkugeln getroffen worden ist?«

»Nein, ich möchte aber annehmen, daß ich ihn nicht verwundet habe.«

Er nickte leise, drückte mir die Hand und sagte:

»Mein Bruder mag mir die Frage verzeihen, welche ich vorhin aussprach, die Frage, ob er die Spur verloren habe! Old Shatterhand hat alles getan, was er tun konnte, und am Schlusse noch außerordentlich weise gehandelt. Sam Hawkens wird es sehr bedauern, unvorsichtig gewesen zu sein; wir werden es ihm verzeihen und ihn befreien. Ich denke auch wie mein Bruder: die Kiowas werden kommen; sie sollen uns aber anders finden, als sie uns zu finden hoffen. Der Gefangene mag nicht hart behandelt, aber scharf beobachtet werden. Morgen sollen die Gräber über Intschu tschuna und Nscho-tschi errichtet werden. Wird mein Bruder dabei sein?«

»Es würde mich sehr schmerzen, wenn Winnetou es mir nicht erlaubte!«

»Ich erlaube es nicht, sondern ich bitte dich darum. Deine Gegenwart wird vielleicht vielen Söhnen der Bleichgesichter das Leben erhalten. Das Gesetz des Blutes fordert den Tod vieler weißer Menschen; aber dein Auge ist wie die Sonne, deren Wärme das harte Eis zerweicht und in erquickendes Wasser verwandelt. Du weißt, wen ich verloren habe. Sei du mir Vater, und sei du mir Schwester zugleich; ich bitte dich darum, Scharlih!«

Eine Träne stand in seinem Auge. Er schämte sich ihrer, die er vor einem andern als mir unmöglich sehen lassen durfte, eilte davon und verschwand bei den Toten in der Hütte. Er nannte mich heut zum erstenmal bei meinem Vornamen Karl und hat ihn auch in Zukunft nie anders als jetzt, nämlich Scharlih, ausgesprochen.

Nun sollte ich von dem Begräbnisse erzählen, welches mit allen indianischen Feierlichkeiten vorgenommen wurde; ich weiß auch sehr wohl, daß eine eingehende Beschreibung dieser Feierlichkeiten gewiß interessieren würde, aber wenn ich an jene traurigen Stunden denke, fühle ich noch heut ein so tiefes Weh, als ob sie erst gestern vergangen wären, und die Schilderung derselben kommt mir wie eine Entweihung vor, nicht eine Entweihung der »Grabmäler«, welche wir den beiden Toten damals am Nugget-tsil erbauten, sondern des Denkmales, welches ich ihnen in meinem Herzen errichtete und stets treu gehütet habe. Darum bitte ich, die Beschreibung unterlassen zu dürfen.

Intschu tschunas Leiche wurde auf sein Pferd gebunden, worauf man um beide Erde häufte, bis sich das Tier nicht mehr bewegen konnte; dann bekam es eine Kugel in den Kopf. Der Erdhaufen wurde erhöht, bis er den Reiter, seine Waffen und seine Medizin ganz bedeckte, und dann rundum mit mehreren Steinschichten bis zur Spitze bedeckt.

Nscho-tschi erhielt auf meine Bitte ein anderes Grab. Ich wollte sie nicht so unmittelbar mit Erde bedeckt haben. Wir richteten sie an dem Stamme eines Baumes in sitzende Stellung auf und fügten dann um sie herum Steine zu einer festen, hohlen Pyramide zusammen, aus deren Spitze der Gipfel des Baumes ragte.

Ich bin später einigemal mit Winnetou am Nugget-tsil gewesen, um die Gräber zu besuchen. Wir haben sie immer unverletzt gefunden.

Sams Befreiung

Es läßt sich denken, welch großen Schmerz Winnetou über den Verlust seines Vaters und seiner Schwester empfand. Während des Begräbnisses durfte er demselben noch Ausdruck geben, dann aber mußte er ihn streng in seinem Innern verschließen; dies wurde ihm einesteils durch die indianische Sitte und andernteils durch die Notwendigkeit geboten, seine ganze Aufmerksamkeit auf die erwartete Ankunft der Kiowas zu richten. Er war jetzt nicht mehr der durch den herben Verlust fast niedergeschmetterte Sohn und Bruder, sondern der Anführer seiner Kriegerschar, mit welcher er den Angriff der Feinde abzuweisen hatte und den Mörder Santer fangen wollte. Er schien mit dem Plane dazu schon fertig zu sein, denn gleich nach dem Begräbnisse befahl er den Apachen, sich zum Aufbruche bereit zu machen und darum die Pferde, welche sich unten im Tale befanden, heraufzuholen.

»Warum erteilt mein Bruder diese Weisung?« fragte ich ihn. »Das Terrain ist so schwierig, daß es sehr viel Mühe machen wird, die Tiere hierher zu bringen.«

»Das weiß ich,« antwortete er; »aber es muß dennoch geschehen, weil ich die Kiowas dadurch überlisten will. Sie haben sich des Mörders angenommen und werden alle sterben müssen alle!«

Sein Gesicht hatte bei diesen Worten einen drohenden, entschlossenen Ausdruck; wenn er seinen Vorsatz zur Ausführung brachte, waren die Kiowas verloren. Ich hegte mildere Gesinnungen als er. Sie waren allerdings unsere Feinde, trugen aber doch nicht die Schuld an dem Tode Intschu tschunas und seiner Tochter. Durfte ich es wagen, ihn anders zu stimmen? Vielleicht lud ich dadurch seinen Zorn auf mich; aber die Gelegenheit zu einer solchen Bitte war günstig, weil wir uns ganz allein auf der Lichtung befanden. Die Apachen hatten seinen Befehl sofort befolgt und sich entfernt, und Stone und Parker waren mit ihnen gegangen. Es hörte es also niemand, wenn er mir in der Erzürnung eine Antwort gab, welche mich in Gegenwart anderer hätte beleidigen müssen. Ich sprach ihm also die soeben erwähnte Ansicht aus, und zu meiner Ueberraschung trat die Wirkung nicht ein, welche ich befürchtet hatte. Er sah mich zwar mit großen, finstern Augen an, antwortete aber in ruhigem Tone:

»Das mußte ich freilich von meinem Bruder erwarten; er hält es nicht für eine Schwachheit, dem Feinde auszuweichen.«

»So habe ich es nicht gemeint, von einem Ausweichen kann keine Rede sein; ich habe sogar schon daran gedacht, wie wir sie alle festnehmen werden. Aber sie sind nicht an Dem schuld, was hier geschehen ist, und es wäre ungerecht, sie die Strafe dafür mittragen zu lassen.«

»Sie haben sich des Mörders angenommen und kommen hierher, um uns zu überfallen! Ist das nicht Grund genug für uns, sie ohne Schonung zu behandeln?«

»Nein, es ist kein Grund, wenigstens für mich nicht. Es tut mir leid, zu hören, daß mein Bruder Winnetou in den Fehler fallen will, welcher die Ursache zum Untergange aller roten Nationen ist.«

»Welchen Fehler meint Old Shatterhand?«

»Den, daß die Indsmen sich gegenseitig zerfleischen, anstatt einander gegen den allgemeinen Feind beizustehen. Erlaube mir, recht aufrichtig zu dir zu reden! Wer meinst du wohl, wer im allgemeinen listiger und klüger ist, der rote Mann oder das Bleichgesicht?«

»Das Bleichgesicht. Ich sage dies, weil es die Wahrheit ist. Die Weißen haben mehr Kenntnisse und Geschicklichkeiten als wir; sie sind uns fast in allem überlegen.«

»Das ist richtig; wir sind euch überlegen. Du aber bist kein gewöhnlicher Indianer. Der große Geist hat dir Gaben verliehen, welche auch unter den Weißen nur selten einer besitzt, und darum möchte ich haben, daß du anders denkst als ein gewöhnlicher roter Mann. Dein Verstand ist scharf, und dein Blick reicht weit, viel, viel weiter als das körperliche und geistige Auge eines gewöhnlichen Kriegers. Wie oft ist der Tomahawk des Kampfes unter euch ausgegraben! Du mußt einsehen, daß dies ein fortgesetzter, gräßlicher Selbstmord ist, den der rote Mann an sich selbst begeht, und wer in derselben Weise handelt, nimmt an diesem Selbstmorde teil. Intschu tschuna und Nscho-tschi sind getötet worden, nicht von roten, sondern von weißen Männern; einer der Mörder hat sich zu den Kiowas geflüchtet und sie beredet, euch zu überfallen; das ist wohl Grund, sie hier zu erwarten und mit ihnen zu kämpfen, rechtfertigt es aber nicht, sie wie gefangene, tolle Hunde niederzuschießen. Sie sind rote Brüder von dir, bedenke das wohl!«

In dieser Weise fuhr ich noch einige Zeit fort. Er hörte mir ruhig zu, reichte mir, als ich das letzte Wort gesprochen hatte, die Hand und sagte:

»Old Shatterhand ist ein wirklicher, aufrichtiger Freund aller roten Männer, und er hat recht, wenn er vom Selbstmorde spricht. Ich werde tun, was er wünscht; ich will die Kiowas gefangen nehmen, sie dann aber wieder freigeben und nur den Mörder festhalten.«

»Gefangen nehmen? Das wird schwer halten, denn sie werden in Ueberzahl kommen. Oder solltest du denselben Gedanken haben wie ich?«

»Welchen?«

»Die Kiowas an einen Ort zu locken, wo sie sich nicht wehren können?«

»Ja, das ist mein Plan.«

»Der meinige auch. Du kennst die hiesige Gegend, und ich wollte dich fragen, ob es hier wohl einen solchen Ort gibt.«

»Es gibt einen, und er liegt gar nicht weit von hier, nämlich eine enge Felsenschlucht, welche einem schmalen Kañon gleicht. Da hinein will ich die Feinde locken.«

»Hoffst du, daß es dir gelingt?«

»Ja. Wenn sie sich in dieser Schlucht befinden, welche zu beiden Seiten nicht erstiegen werden kann, werden wir sie von vorn und auch von hinten angreifen, und sie müssen sich ergeben, wenn sie sich nicht wehrlos niederschießen lassen wollen. Ich werde ihnen das Leben schenken und damit zufrieden sein, daß ich Santer in meine Hand bekomme.«

»Ich danke dir! Mein Bruder Winnetou hat für ein gutes Wort ein offenes Herz. Vielleicht denkt er in einer andern Angelegenheit ebenso milde.«

»Was meint mein Bruder Old Shatterhand?«

»Du wolltest allen Weißen Rache schwören, und ich bat dich, dies nicht gleich zu tun, sondern bis nach dem Begräbnisse zu warten. Darf ich erfahren, was du nun beschlossen hast?«

Er blickte eine kurze Zeit zur Erde nieder, richtete dann sein Auge hell auf mich, deutete auf die Hütte, in welcher die Leichen gelegen hatten, und antwortete:

»Ich habe die vergangene Nacht dort bei den Toten zugebracht und im Kampfe mit mir selbst gelegen. Die Rache gab mir einen großen, kühnen Gedanken ein. Ich wollte die Krieger aller roten Nationen zusammenrufen und mit ihnen gegen die Bleichgesichter ziehen. Ich wäre besiegt worden. Aber in dem Kampfe gegen mich selbst heut in der Nacht bin ich Sieger geblieben.«

»So hast du diesen großen, kühnen Gedanken fallen lassen?«

»Ja. Ich habe drei Personen, welche ich liebe, befragt, zwei Tote und einen Lebenden; sie rieten mir, diesen Plan fallen zu lassen, und ich beschloß, ihrem Rate zu folgen.«

Ich sprach eine Frage aus, nicht durch Worte, sondern durch den Blick, welchen ich auf ihn richtete; da fuhr er fort:

»Mein Bruder weiß nicht, von welchen Personen ich spreche? Ich meine Klekih-petra, Nscho-tschi und dich. Euch drei habe ich in Gedanken befragt und eine dreifache, aber gleichlautende Antwort erhalten.«

»Ja, wenn beide noch lebten und du sie fragen könntest, sie würden dir ganz gewiß dasselbe sagen, was ich dir rate. Der Plan, den du hegtest, war groß, und du wärest der Mann dazu gewesen, ihn auszuführen, doch«

»Mein Bruder mag bescheidener von mir denken und sprechen,« unterbrach er mich. »Sollte es wirklich einem roten Häuptlinge gelingen, die Krieger aller Stämme unter sich zu vereinigen, so könnte es doch nicht so schnell geschehen, wie ich es wünschte, sondern es würde eines langen, mühevollen Menschenlebens bedürfen, um an dieses Ziel zu gelangen, und es wäre dann, am Schlusse dieses Lebens, zu spät, den Kampf zu beginnen. Einer allein, und wäre er ein noch so großer und berühmter roter Mann, kann diese Aufgabe nicht lösen, und nach seinem Tode würde der würdige Nachfolger fehlen, der imstande wäre, das Werk fortzusetzen und zu Ende zu führen.«

»Es freut mich, daß mein Bruder Winnetou zu dieser Ansicht gekommen ist; sie ist die richtige. Einer reicht nicht aus, und ein Nachfolger würde sich schwerlich finden. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, so würde der Kampf der Roten gegen die Weißen für euch unglücklich enden.«

»Ich weiß es; er würde unsern Untergang nur beschleunigen. Und wenn wir aus allen Kämpfen als Sieger hervorgingen, so sind der Bleichgesichter so viele, daß sie immer neue Scharen gegen uns senden könnten, während es uns unmöglich wäre, unsere Verluste zu ersetzen. Die Siege würden uns zwar langsamer aber doch grad auch so aufreiben, als wenn wir geschlagen würden. Das habe ich mir gesagt, als ich während der Nacht bei meinen Toten saß, und den Entschluß gefaßt, auf die Ausführung meines Planes zu verzichten. Ich wollte mich damit begnügen, den Mörder zu fangen und mich an denen zu rächen, welche ihm Hilfe geleistet haben und nun mit ihm kommen, uns zu überfallen. Aber auch dies hat mir mein Bruder Old Shatterhand ausgeredet, und so soll meine Rache denn nun nur darin bestehen, daß ich Santer festnehme und ihn bestrafe. Die Kiowas lassen wir laufen.«

»Diese deine Worte machen mich stolz auf die Freundschaft, welche uns verbündet; ich werde sie dir nie vergessen. Wir beide sind, obgleich wir es nicht mit Sicherheit behaupten können, doch überzeugt, daß die Kiowas kommen werden. Es handelt sich nun darum, den Zeitpunkt ihrer Ankunft zu erfahren.«

»Der Tag ihrer Ankunft hier ist heut,« behauptete er in einem so sichern Tone, als ob es sich um eine vollständig festgestellte Tatsache handle.

»Wie ist es dir möglich, dies so bestimmt zu sagen?«

»Ich schließe es aus dem, was du mir von eurem letzten Ritte erzählt hast. Die Kiowas sind scheinbar nach ihrem Dorfe gezogen, um euch hinter sich her zu locken, wollen aber eigentlich hierher; sie haben also einen Umweg gemacht, sonst hätten sie schon gestern eintreffen können. Sie haben auch noch andere Abhaltungen gehabt, durch welche ihre Ankunft verzögert worden ist.«

»Andere Abhaltungen? Welche?«

»Wegen Sam Hawkens. Den bringen sie natürlich nicht mit hierher, sondern sie haben ihn heim zu den Ihrigen geschickt; dazu mußte ein passender Ort und der geeignete Zeitpunkt abgewartet werden, vielleicht auch eine Gelegenheit, welche sich zufällig bot. Ebenso war es nötig, einen Boten abzusenden, welcher eure Ankunft zu melden hatte.«

»Ah, du meinst, daß die Krieger des Dorfes uns entgegenreiten sollten?«

»Ja. Die Krieger, mit denen ihr es dort am ausgetrockneten Flusse zu tun hattet, haben euch hinter sich her ziehen wollen, hatten aber, weil sie beabsichtigten, hierher zu reiten, nicht die nötige Zeit, dann mit euch anzubinden. Sie haben also jedenfalls einen oder einige Boten an die Ihrigen abgeschickt, damit man euch vom Dorfe aus entgegenziehe. Diesen Boten ist Sam Hawkens mitgegeben worden. Dann, nachdem dies geschehen ist, sind die Kiowas von ihrer Richtung abgewichen und haben den Weg nach dem Nugget-tsil eingeschlagen. Diese Schwenkung durftet ihr aber nicht entdecken; darum mußte sie an einer Stelle vor sich gehen, an welcher keine Spuren zurückbleiben konnten. Dergleichen Stellen sind selten; sie liegen meist nicht am Wege und müssen extra aufgesucht werden. Auch das ergibt einen Zeitverlust. Darum konnten die Kiowas unmöglich schon gestern hier sein. Sie sind auch bis jetzt noch nicht angekommen, werden aber ganz gewiß heut noch eintreffen.«

»Woher weißt du, daß sie jetzt noch nicht da sind?«

Er deutete nach der nächsten Bergkuppe. Der Wald, welcher sie bedeckte, wurde von einem sehr hohen Baume überragt. Dort war der höchste Punkt der Nuggetberge, und wer auf dem Baume saß und ein scharfes Auge hatte, der konnte rundum die angrenzende Prairie überblicken.

»Mein Bruder weiß nicht,« antwortete er, »daß ich einen Krieger dort hinaufgeschickt habe, welcher aufpassen soll und die Ankunft der Kiowas bemerken wird, denn er besitzt die Augen eines Falken. Sobald er sie kommen sieht, steigt er herab, um es mir zu melden.«

»Das ist gut. Die Meldung ist noch nicht erfolgt, also sind sie noch nicht da. Und du meinst aber, daß sie ganz bestimmt heut noch kommen?«

»Ja, denn länger dürfen sie nicht zögern, wenn sie uns antreffen wollen.«

»Sie hatten aber nicht die Absicht, bis zum Nugget-tsil vorzugehen, sondern sie wollten dir in der Nähe desselben einen Hinterhalt legen, um euch auf eurer Heimkehr zu überfallen.«

»Dies wäre ihnen vielleicht gelungen, wenn du sie nicht belauscht hättest; nun ich es aber weiß, wird aus dem Hinterhalte nichts, sondern ich locke sie hierher. Die Heimkehr hätte mich nach Süden geführt, und in dieser Richtung hätten sie sich also lagern müssen; nun tue ich aber, als ob ich nordwärts gegangen sei, und locke sie hinter mir her.«

»Ob sie dir folgen werden?«

»Gewiß. Sie müssen auf alle Fälle einen Späher senden, um zu erfahren, ob wir überhaupt noch da sind. Diesem Kundschafter tun wir natürlich nichts, sondern lassen ihn unbelästigt zu ihnen zurückkehren. Seinetwegen habe ich den Befehl gegeben, die Pferde hier heraufzubringen. Das sind über dreißig Tiere; er muß trotz des harten Bodens und trotz des Steingerölls ihre Spuren unbedingt sehen und wird ihnen folgen. Wir suchen von hier aus die Schlucht auf, welche die Falle sein soll, in der wir sie fangen wollen. Dorthin wird er uns nicht nachgehen, sondern er wird unserer Fährte nur eine kurze Strecke folgen, um sich zu überzeugen, daß wir wirklich fort sind, und dann schnell wieder umkehren, um den Seinen zu melden, daß wir nicht südwärts, sondern nach Norden davongeritten sind. Stimmt mein Bruder mir da bei?«

»Ja. Sie werden dadurch gezwungen, auf den beabsichtigten Hinterhalt zu verzichten, und es läßt sich beinahe mit Sicherheit erwarten, daß sie dann hierherkommen und uns von hier aus nachreiten.«

»Das werden sie; ich bin überzeugt davon. Santer, den ich haben muß, wird noch heut in meinen Händen sein.«

»Was wirst du mit ihm machen?«

»Ich bitte meinen Bruder, mich nicht danach zu fragen. Er wird sterben; das ist genug.«

»Wo? Hier? Oder transportierst du ihn nach dem Pueblo?«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
620 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain