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Kitabı oku: «Winnetou 1», sayfa 3

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Klekih-petra

Wir befanden uns beinahe am Ende des herrlichen nordamerikanischen Herbstes und waren schon über drei Monate in Tätigkeit, hatten unsere Aufgabe aber noch nicht gelöst, während die andern Sektionen meist schon nach Hause zurückgekehrt waren. Hierfür gab es zwei Gründe.

Der erste Grund lag in dem Umstande, daß wir eine sehr schwierige Gegend zu bearbeiten hatten. Die Bahn sollte durch die Prärieen dem Laufe des südlichen Kanadian folgen; die Richtung war also bis zum Quellgebiete desselben vorgezeichnet, während sie von New Mexiko an durch die Lage der Täler und Pässe ebenso vorgeschrieben wurde. Unsere Sektion aber lag zwischen dem Kanadian und New Mexiko, und wir hatten die geeignete Richtung also erst zu entdecken. Dazu waren zeitraubende Ritte, anstrengende Wanderungen und viele vergleichende Messungen nötig, ehe wir an die eigentliche Arbeit gehen konnten. Erschwert wurde dies alles noch dazu dadurch, daß wir uns in einer gefährlichen Gegend befanden, denn es trieben sich da die Kiowa-, Komanche- und Apache-Indianer herum, welche von einer Bahn durch das Terrain, welches sie als ihr Eigentum bezeichneten, nichts wissen wollten. Wir mußten uns ungemein in acht nehmen und stets auf unserer Hut sein, wodurch unsere Tätigkeit selbstverständlich außerordentlich erschwert und verlangsamt wurde.

In Rücksicht auf diese Indianer mußten wir darauf verzichten, uns durch die Erträgnisse der Jagd zu ernähren, denn wir hätten die Roten dadurch auf unsere Spur gelenkt. Wir bezogen vielmehr alles, was wir brauchten, durch Ochsenwagen aus Santa Fé. Leider war aber dieser Transport auch ein sehr unsicherer, und wir konnten wiederholt mit unseren Messungen nicht vorwärts schreiten, weil wir auf die Ankunft der Wagen warten mußten.

Die zweite Ursache lag in der Zusammensetzung unserer Gesellschaft. Ich habe erwähnt, daß ich in St. Louis von dem Oberingenieur und den drei Surveyors sehr freundlich begrüßt worden sei. Diese Aufnahme, welche ich bei ihnen fand, ließ mich ein gutes und erfolgreiches Zusammenwirken erwarten; darin sollte ich mich aber leider getäuscht haben.

Meine Kollegen waren echte Yankees, welche in mir das Greenhorn, den unerfahrenen Dutchman sahen, dieses letztere Wort als Schimpfwort genommen. Sie wollten Geld verdienen, ohne viel danach zu fragen, ob sie ihre Aufgabe auch wirklich gewissenhaft erfüllten. Ich war als ehrlicher Deutscher ihnen dabei ein Hemmschuh, dem sie die erst gezeigte Gunst sehr bald entzogen. Ich ließ mich dies nicht anfechten und tat meine Pflicht. Es war noch nicht viel Zeit vergangen, so machte ich die Bemerkung, daß es mit ihren Kenntnissen eigentlich nicht sehr weit her war; sie warfen mir die schwierigsten Arbeiten zu und machten sich das Leben so leicht wie möglich. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden, denn ich bin stets der Ansicht gewesen, daß man um so stärker wird, je mehr man leisten muß.

Mr. Bancroft, der Oberingenieur, war der unterrichtetste von ihnen; leider aber stellte es sich heraus, daß er den Branntwein liebte. Es waren einige Fäßchen dieses verderblichen Getränkes aus Santa Fé gebracht worden, und seitdem beschäftigte er sich weit mehr mit dem Brandy als mit den Meßinstrumenten. Es kam vor, daß er halbe Tage lang total betrunken an der Erde lag. Riggs, Marcy und Wheeler, die drei Surveyors, hatten, ebenso wie auch ich, den Schnaps mit bezahlen müssen, und sie tranken, um ja nicht zu kurz zu kommen, mit ihm um die Wette. Es läßt sich denken, daß auch diese Gentlemen sich oft nicht in der besten Verfassung befanden. Da ich keinen Tropfen trank, so war ich natürlich der Arbeitsmann, während sie sich in steter Abwechslung zwischen dem Trinken und dem Ausschlafen ihres Rausches hielten. Wheeler war mir noch der liebste von ihnen, denn er hatte so viel Verstand, einzusehen, daß ich mich für sie plagte, ohne im mindesten dazu verpflichtet zu sein. Daß unsere Arbeit unter diesen Verhältnissen litt, versteht sich ganz von selbst.

Die übrige Gesellschaft ließ nicht weniger zu wünschen übrig. Wir hatten bei unserer Ankunft auf der Sektion zwölf auf uns wartende »Westmänner« angetroffen. Ich als Neuling hegte in der ersten Zeit ganz bedeutenden Respekt vor ihnen, erkannte aber nur zu bald, daß ich es mit Leuten von sehr niederem moralischem Range zu tun hatte.

Sie sollten uns beschützen und bei unsern Arbeiten Hilfe leisten. Glücklicherweise kam volle drei Monate lang nichts vor, was mir Veranlassung gegeben hätte, mich in diesen sehr zweifelhaften Schutz zu begeben, und was ihre Hilfeleistungen betraf, so konnte ich mit vollem Rechte behaupten, daß hier die zwölf größten Faulenzer der Vereinigten Staaten sich ein Stelldichein gegeben hatten.

Wie traurig mußte es unter solchen Umständen mit der Disziplin beschaffen sein!

Bancroft war dem Namen und dem Auftrage nach der Kommandierende, und er gebärdete sich auch ganz so, es zu sein, doch kein Mensch gehorchte ihm. Wenn er einen Befehl erteilte, so lachte man ihn aus; dann fluchte er, wie ich selten einen Menschen habe fluchen hören, und ging zum Brandyfasse, um sich für diese Anstrengung zu belohnen. Riggs, Marcy und Wheeler handelten nicht viel anders. Da hätte nun wohl ich allen Grund gehabt, mich der Zügel zu bemächtigen, und ich tat dies auch, doch so, daß man es nicht bemerkte. So ein junger und unerfahrener Mensch konnte von solchen Leuten unmöglich für voll angesehen werden. Wäre ich so unklug gewesen, einmal im gebieterischen Tone zu sprechen, so hätte der Erfolg ganz gewiß in einem schallenden Gelächter bestanden. Nein, ich mußte leise und vorsichtig verfahren, ungefähr so wie eine kluge Frau, welche ihren widerhaarigen Mann zu lenken und zu leiten weiß, ohne daß er eine Ahnung davon hat. Ich wurde von diesen halbwilden, schwer zu zügelnden Westmännern täglich wohl zehnmal ein Greenhorn genannt, und doch richteten sie sich unbewußt nach mir, indem ich sie bei der Meinung ließ, daß sie ihrem eigenen Willen folgten.

Hierbei hatte ich einen vorzüglichen Beistand an Sam Hawkens und seinen beiden Gefährten Dick Stone und Will Parker. Diese drei Männer waren durch und durch ehrlich und dabei, was ich dem kleinen Sam bei unserm ersten Zusammentreffen in St. Louis nicht hatte ansehen können, erfahrene, kluge und kühne Westläufer, deren Namen weithin einen guten Klang besaßen. Sie hielten sich meist zu mir und zogen sich von den Andern zurück, doch so, daß diese sich nicht etwa beleidigt fühlen konnten. Besonders verstand es Sam Hawkens trotz seiner komischen Eigentümlichkeiten, dem, was er wollte, bei der widerspenstigen Gesellschaft Achtung zu verschaffen, und so oft er in seiner halb strengen und halb drolligen Tonart etwas durchsetzte, so geschah dies stets, um mir zur Erringung dessen, was ich wollte, behilflich zu sein.

Es hatte sich zwischen ihm und mir im Stillen ein Verhältnis herausgebildet, welches ich am besten mit dem Worte Suzeränität, Oberlehnsherrlichkeit, bezeichnen möchte. Er hatte mich unter seinen Schutz genommen, und zwar wie einen Menschen, den man gar nicht danach zu fragen braucht, ob er damit einverstanden ist. Ich war das Greenhorn und er der erfahrene Westmann, dessen Worte und Taten für mich unfehlbar zu sein hatten. Er gab mir, so oft sich Zeit und Gelegenheit bot, theoretischen und praktischen Unterricht in allem, was man im wilden Westen wissen und auch können muß, und wenn ich heut der Wahrheit nach sagen muß, daß ich später an Winnetous Seite die hohe Schule durchmachte, so muß ich billig eingestehen, daß Sam Hawkens mein Elementarlehrer gewesen ist. Er fertigte mir sogar höchst eigenhändig einen Lasso an und erlaubte mir, mich im Werfen dieser gefährlichen Waffe an seiner eignen kleinen Person und seinem Pferde zu üben. Als ich es dann so weit gebracht hatte, daß die Schlinge bei jedem Wurfe ihr Ziel unfehlbar faßte, freute er sich herzlich und rief aus:

»Schön so, mein junger Sir; so ist‘s recht! Doch bildet Euch auf dieses Lob ja nicht etwas ein! Ein Schulmeister muß selbst den dümmsten Jungen zuweilen loben, wenn dieser nicht ganz und gar sitzen bleiben soll. Ich bin der Lehrer schon manches jungen Westmannes gewesen, und sie alle haben viel, viel leichter gelernt und mich viel rascher begriffen als Ihr, doch wenn Ihr Euch so weiter übt, so ist es vielleicht möglich, daß man Euch nach sechs oder acht Jahren nicht mehr ein Greenhorn zu nennen braucht. Bis dahin mögt Ihr Euch mit der alten Erfahrung trösten, daß ein Dummer es zuweilen ebenso weit oder wohl gar noch weiter bringt als ein Gescheiter, wenn ich mich nicht irre!«

Er brachte dies scheinbar im größten Ernste vor, und ich nahm es mit demselben Ernste hin, wußte aber recht wohl, wie ganz anders er es meinte.

Von diesen Unterweisungen waren mir besonders die praktischen willkommen, denn die Berufsarbeit nahm mich so in Anspruch, daß ich, wenn Sam Hawkens nicht gewesen wäre, mir wohl nicht die Zeit genommen hätte, mich in den Fertigkeiten zu üben, welche ein Prairiejäger besitzen muß. Übrigens hielten wir diese Übungen geheim; sie wurden stets in solcher Entfernung vom Lager vorgenommen, daß man uns nicht beobachten konnte. Sam wollte es so, und als ich ihn einmal nach dem Grunde fragte, antwortete er:

»Geschieht Euch zuliebe, Sir. Ihr habt so wenig Geschick für solche Sachen, daß ich mich in Eure Seele hinein schämen müßte, wenn diese Kerls uns dabei sähen. So, nun wißt Ihr es, hihihihi. Nehmt es Euch zu Herzen!«

Die Folge davon war, daß die ganze Gesellschaft mir in Beziehung auf Waffenführung und körperliche Geschicklichkeit nichts zutraute, was mich aber nicht im mindesten kränken konnte.

Trotz aller vorhin erwähnten Hindernisse waren wir schließlich doch so weit gekommen, daß wir den Anschluß an die nächste Sektion nach Verlauf von vielleicht einer Woche erreichen konnten. Um dies dort zu melden, mußte ein Bote abgesandt werden. Bancroft erklärte, daß er diesen Ritt selbst machen und einen der Westmänner als Führer mitnehmen wolle. Diese Absendung einer Nachricht war nicht die erste, welche geschah, denn wir hatten sowohl mit der hinter als auch mit der vor uns liegenden Sektion in einem immerwährenden Botenverkehr stehen müssen. Infolge dessen wußte ich, daß der vor uns befehligende Ingenieur ein sehr tüchtiger Mann war.

Es war an einem Sonntage früh, als Bancroft aufbrechen wollte. Er hielt es für nötig, vorher einen Abschiedstrunk zu tun, an welchem sich alle beteiligen sollten. Ich allein wurde nicht dazu eingeladen, und Hawkens, Stone und Parker folgten der an sie ergangenen Aufforderung nicht. Der Trunk zog sich, wie ich gleich geahnt hatte, so sehr in die Länge, daß er erst dann aufhörte, als Bancroft kaum mehr lallen konnte. Seine Zechgenossen hatten gleichen Schritt mit ihm gehalten und waren nicht minder betrunken als er. Von dem beabsichtigten Ritte konnte für jetzt keine Rede sein. Die Kerls taten, was sie in diesem Zustande stets getan hatten: sie krochen hinter die Büsche, um auszuschlafen.

Was nun tun? Der Bote mußte fort, und diese Menschen schliefen nun jedenfalls bis weit in den Nachmittag hinein. Es war am besten, ich unternahm den Ritt; aber konnte ich fort? Ich war überzeugt, daß bis zu meiner Rückkehr nach voraussichtlich vier Tagen von Arbeit keine Rede sein werde. Während ich mit Sam Hawkens mich darüber beriet, deutete er mit der Hand nach Westen und sagte:

»Wird nicht nötig sein, daß Ihr reitet, Sir. Könnt die Botschaft den Beiden mitgeben, welche dort kommen.«

Als ich in die angegebene Richtung blickte, sah ich zwei Reiter, welche sich uns näherten. Es waren Weiße, und in dem einen erkannte ich einen alten Scout, welcher schon einige Male bei uns gewesen war, um uns von der nächsten Sektion Nachricht zu bringen. Neben ihm ritt ein jüngerer Mann, welcher nicht wie ein Westläufer gekleidet war. Den hatte ich noch nicht gesehen. Ich ging ihnen entgegen; als ich sie erreichte, hielten sie ihre Pferde an, und der Unbekannte fragte mich nach meinem Namen. Als ich ihm denselben genannt hatte, betrachtete er mich mit freundlich forschendem Blicke und sagte:

»So seid Ihr also der junge, deutsche Gentleman, der hier alle Arbeit tut, während die Andern auf der faulen Haut liegen. Ihr werdet wissen, wer ich bin, wenn ich Euch meinen Namen sage, Sir. Ich heiße White.«

Das war der Name des Dirigenten der westlich nächsten Sektion, zu welchem der Bote hatte geschickt werden sollen. Daß er selbst kam, mußte einen Grund haben. Er stieg vom Pferde, gab mir die Hand und ließ sein Auge suchend über unser Lager schweifen. Als er die Schläfer hinter den Büschen und dann auch das Branntweinfaß erblickte, ging ein verständnisvolles, aber keineswegs freundliches Lächeln über sein Gesicht.

»Sind wohl betrunken?« fragte er.

Ich nickte.

»Alle?«

»Ja. Mr. Bancroft wollte zu Euch, und da hat es einen kleinen Abschiedstrunk gegeben. Ich werde ihn wecken und«

»Halt!« fiel er mir in die Rede. »Laßt sie schlafen! Es ist mir lieb, daß ich mit Euch reden kann, ohne daß sie es hören. Gehen wir zur Seite, und wecken sie nicht auf! Wer sind die drei Männer, die dort bei Euch standen?«

»Sam Hawkens, Will Parker und Dick Stone, unsere drei zuverlässigen Scouts.«

»Ah, Hawkens, der kleine, sonderbare Jäger. Tüchtiger Kerl; habe von ihm gehört. Die Drei mögen mit uns kommen.«

Ich folgte dieser Aufforderung, indem ich sie zu uns winkte, und erkundigte mich dann:

»Ihr kommt selbst, Mr. White. Ist‘s etwas Wichtiges, was Ihr uns bringt?«

»Nichts weiter, als daß ich hier einmal nach dem Rechten sehen und mit Euch, grad mit Euch reden wollte. Wir sind mit unserer Sektion fertig, Ihr mit der Eurigen noch nicht.«

»Daran tragen die Schwierigkeiten des Terrains die Schuld, und ich will«

»Weiß, weiß!« unterbrach er mich. »Weiß leider alles. Wenn Ihr Euch nicht dreifach angestrengt hättet, so stände Bancroft noch da, wo er angefangen hat.«

»Das ist keineswegs der Fall, Mr. White. Ich weiß zwar nicht, wie Ihr zu der irrtümlichen Ansicht gekommen seid, daß ich allein fleißig gewesen sein soll, doch ist es meine Pflicht«

»Still, Sir, still! Es sind Boten zwischen Euch und uns hin und her gegangen; die habe ich ausgehorcht, ohne daß sie es bemerkten. Es ist sehr edelmütig von Euch, daß Ihr diese Säufer hier in Schutz nehmen wollt, aber ich will die Wahrheit hören. Und da ich sehe und höre, daß Ihr zu nobel seid, sie mir zu sagen, werde ich nicht Euch, sondern Sam Hawkens fragen. Setzen wir uns hier nieder!«

Wir waren nach unserm Zelte gegangen. Er setzte sich vor demselben in das Gras und winkte uns, dasselbe zu tun. Als wir dieser Aufforderung nachgekommen waren, begann er, Sam Hawkens, Stone und Parker auszufragen. Sie erzählten ihm alles, ohne zur Wahrheit ein überflüssiges Wort zu fügen; dennoch warf ich hier und da eine Bemerkung ein, um gewisse Härten zu mildern und meine Kollegen zu verteidigen, doch verfehlte dies den beabsichtigten Eindruck auf White. Er bat mich im Gegenteil wiederholt, diese meine Bemühungen einzustellen, da sie vollständig erfolglos seien.

Dann, als er alles wußte, forderte er mich auf, ihm unsere Zeichnungen und das Tagebuch zu zeigen. Ich brauchte ihm diesen Wunsch nicht zu erfüllen, tat es aber dennoch, weil ich ihn sonst beleidigt hätte, und ich sah doch, daß er es gut mit mir meinte. Er sah alles sehr aufmerksam durch, und als er mich danach fragte, konnte ich nicht leugnen, daß ich allein der Zeichner und Verfasser war, denn keiner von den Andern hatte einen Strich getan oder einen Buchstaben geschrieben.

»Aber aus diesem Tagebuche ersieht man nicht, wie viel oder wie wenig Arbeit auf den Einzelnen kommt,« sagte er. »Ihr seid in Eurer löblichen Kollegialität viel zu weit gegangen.«

Da bemerkte Hawkens mit pfiffigem Gesichte:

»Greift ihm doch mal in die Brusttasche, Mr. White! Da steckt ein blechernes Dings, worin Ölsardinen gewesen sind. Die Sardinen sind heraus, aber dafür steckt etwas Papiernes drin. Wird wohl sein Privattagebuch sein, wenn ich mich nicht irre. In diesem wird es ganz anders lauten als hier in dem offiziellen Berichte, in dem er die Faulheit seiner Kollegen vertuscht.«

Sam wußte, daß ich mir private Aufzeichnungen gemacht hatte und sie in der leer gewordenen Sardinenbüchse bei mir trug. Es war mir unangenehm, daß er es sagte. White bat mich, ihm auch das zu zeigen. Was sollte ich tun? Verdienten es meine Kollegen, daß ich mich für sie plagte, ohne Dank zu finden, und dies dann auch noch verschwieg? Ich wollte ihnen keineswegs schaden, aber auch nicht unhöflich gegen White sein. Darum gab ich ihm mein Tagebuch, doch unter der Bedingung, daß er zu niemand von dem Inhalte spreche. Er las es durch, gab es mir dann zurück und sagte:

»Eigentlich sollte ich die Blätter mitnehmen und an der betreffenden Stelle abgeben. Eure Kollegen sind ganz unfähige Menschen, denen kein einziger Dollar mehr ausbezahlt werden sollte; Euch aber müßte man dreifach bezahlen. Doch, wie Ihr wollt. Nur mache ich Euch darauf aufmerksam, daß es gut für Euch sein wird, diese Privatnotizen gut aufzuheben. Sie können Euch später leicht von großem Nutzen sein. Und nun wollen wir die famosen Gentlemen wecken.«

Er stand auf und schlug Lärm. Die »Gentlemen« kamen mit stieren Augen und verstörten Gesichtern hinter ihren Büschen hervor. Bancroft wollte darüber, daß man ihn im Schlafe gestört hatte, grob werden, zeigte sich aber höflich, als ich ihm sagte, daß Mr. White von der nächsten Sektion angekommen sei. Die Beiden hatten sich noch nicht gesehen. Das Erste war, daß er ihm einen Becher Brandy anbot; aber damit kam er an den unrechten Mann. White benutzte dieses Anerbieten sofort als Anknüpfungspunkt zu einer Strafrede, wie Bancroft gewiß noch keine gehört oder gar selbst erhalten hatte. Dieser hörte sie, vor Erstaunen wortlos, eine Weile an, dann fuhr er auf den Redner los, faßte ihn am Arme und schrie ihn an:

»Herr, wollt Ihr mir wohl gleich sagen, wie Ihr heißt?«

»White heiße ich; das habt Ihr ja gehört.«

»Und was Ihr seid?«

»Oberingenieur der benachbarten Sektion.«

»Hat jemand von uns Euch dort etwas zu befehlen?«

»Ich denke, nein.«

»Nun wohl! Ich heiße Bancroft und bin Oberingenieur der hiesigen Sektion. Es hat mir kein Mensch etwas zu befehlen, am allerwenigsten aber Ihr, Mr. White.«

»Es ist richtig, daß wir uns vollständig gleichstehen,« antwortete dieser ruhig. »Befehle von dem Andern anzunehmen, hat keiner von uns Beiden nötig. Aber wenn der Eine sieht, daß der Andere das Unternehmen, an welchem beide arbeiten sollen, schädigt, so ist es seine Pflicht, den Betreffenden auf seinen Fehler aufmerksam zu machen. Eure Lebensaufgabe scheint im Brandyfasse zu stecken. Ich zähle hier sechszehn Menschen, welche alle betrunken waren, als ich vor zwei Stunden hier ankam, und so«

»Vor zwei Stunden?« fiel ihm Bancroft in die Rede. »So lange seid Ihr schon hier?«

»Allerdings. Ich habe mir die Aufnahmen angesehen und mich darüber unterrichtet, wer sie gemacht hat. Das ist ja das reine Schlaraffenleben hier gewesen, während ein Einziger und noch dazu der Jüngste von Euch allen, die ganze Arbeit zu bewältigen hatte!«

Da fuhr Bancroft zu mir herum und zischte mich an:

»Das habt Ihr gesagt, Ihr und kein Anderer! Leugnet es einmal, Ihr niederträchtiger Lügner, Ihr heimtückischer Verräter!«

»Nein,« antwortete ihm White. »Euer junger Kollege hat als Gentleman gehandelt und nur Gutes über Euch gesprochen. Er hat Euch in Schutz genommen, und ich rate Euch, ihn um Verzeihung zu bitten, daß Ihr ihn einen Lügner und Verräter nanntet.«

»Um Verzeihung bitten? Fällt mir nicht ein!« lachte Bancroft höhnisch auf. »Dieses Greenhorn weiß kein Dreieck von einem Vierecke zu unterscheiden und bildet sich trotzdem ein, Surveyor zu sein. Wir sind nicht vorwärts gekommen, weil er alles verkehrt gemacht und uns aufgehalten hat, und wenn er nun, anstatt dies einzusehen und zuzugeben, uns bei Euch verleumdet und anschwärzt, so«

Er kam nicht weiter. Ich war monatelang geduldig gewesen und hatte diese Leute nach ihrem Belieben über mich denken lassen. Jetzt war der Augenblick da, ihnen zu zeigen, daß sie sich in mir geirrt hatten. Ich ergriff Bancroft beim Arme, drückte ihn so, daß er vor Schmerz den angefangenen Satz unausgesprochen ließ, und sagte:

»Mr. Bancroft, Ihr habt zuviel Schnaps getrunken und nicht ausschlafen können. Ich nehme an, daß Ihr noch betrunken seid, und es mag also so sein, als ob Ihr nichts gesagt hättet.«

»Ich, betrunken? Ihr seid verrückt!« antwortete er.

»Jawohl, betrunken! Denn wenn ich wüßte, daß Ihr nüchtern seid und die Beschimpfungen mit Ueberlegung ausgesprochen habt, so wäre ich gezwungen, Euch wie einen Buben zu Boden zu schlagen. Verstanden! Habt Ihr nun noch das Herz, Euren Rausch abzuleugnen?«

Ich hielt seinen Arm noch fest in meiner Hand. Er hatte gewiß nie geglaubt, jemals vor mir Angst haben zu müssen; jetzt aber fürchtete er sich; das sah ich ihm an. Er war keineswegs ein schwacher Mann; aber der Ausdruck meines Gesichtes schien ihn zu erschrecken. Er wollte nicht sagen, daß er noch betrunken sei, getraute sich aber auch nicht, seine Beschuldigungen aufrecht zu erhalten; darum wendete er sich um Hilfe an den Anführer der zwölf Westmänner, die uns zur Unterstützung beigegeben waren:

»Mr. Rattler, duldet Ihr es, daß dieser Mensch sich an mir vergreift? Seid Ihr nicht hier, um uns zu beschützen?«

Dieser Rattler war ein hoch und breit gebauter Kerl, welcher die Kraft von drei, vier Menschen zu besitzen schien, ein rohes Subjekt und zugleich Bancrofts liebster Trinkkumpan. Er konnte mich nicht leiden und nahm jetzt mit Freuden die Gelegenheit wahr, dem Grolle, den er gegen mich hegte, Luft machen zu dürfen. Er trat schnell herbei, faßte mich am Arme, so wie ich Bancroft noch immer bei dem seinigen hatte, und antwortete:

»Nein, das kann ich nicht dulden, Mr. Bancroft. Dieses Kind hat seine ersten Strümpfe noch nicht abgelaufen und will hier erwachsenen Männern drohen, sie verschänden und verleumden. Tu‘ die Hand von Mr. Bancroft weg, Junge, sonst zeige ich dir, was für ein Greenhorn du bist!«

Diese Aufforderung war an mich gerichtet. Er schüttelte mir bei derselben den Arm. Das mußte mir noch lieber sein, denn er war ein stärkerer Gegner als der Oberingenieur. Wenn ich ihn Mores lehrte, mußte es besser wirken, als wenn ich diesem zeigte, daß ich kein Feigling sei. Ich riß meinen Arm aus seiner Hand und entgegnete:

»Ich ein Junge, ein Greenhorn? Widerruft das augenblicklich, Mr. Rattler, sonst schmettere ich Euch zu Boden!«

»Ihr mich?« lachte er. »So ein Greenhorn ist wirklich so albern, zu glauben, daß«

Er konnte nicht weiter reden, denn ich schlug ihm die Faust an die Schläfe, daß er steif wie ein Sack niederstürzte und betäubt liegen blieb. Einige kurze Augenblicke herrschte tiefes Schweigen; dann rief einer von Rattlers Kameraden:

»All devils! Sollen wir ruhig zusehen, wenn so ein hergelaufener Dutchman unsern Anführer schlägt? Drauf auf den Halunken!«

Er sprang auf mich ein. Ich empfing ihn mit einem Fußtritte in die Magengegend. Dies ist ein sichres Mittel, den Gegner zum Fall zu bringen, nur muß man dabei sehr fest auf dem andern Beine stehen. Der Kerl stürzte nieder. In demselben Momente kniete ich auf seinem Leibe und gab ihm den betäubenden Fausthieb an die Schläfe. Dann sprang ich schnell auf, riß die beiden Revolver aus dem Gürtel und rief:

»Wer noch? Der mag kommen!«

Rattlers ganze Bande hätte wohl nicht übel Lust gehabt, die Niederlage ihrer beiden Kameraden zu rächen. Einer blickte den Andern fragend an. Ich warnte aber:

»Hört mein Wort, ihr Leute: Wer einen Schritt nach mir tut oder mit der Hand nach der Waffe greift, bekommt augenblicklich eine Kugel in den Kopf! Denkt meinetwegen von den Greenhorns im allgemeinen, was und wie ihr wollt; von den deutschen Greenhorns aber will ich euch beweisen, daß ein einziges es recht gut mit zwölf solchen Westmännern aufnimmt, wie ihr seid!«

Da stellte sich Sam Hawkens an meine Seite und sagte:

»Und ich, Sam Hawkens, will euch auch warnen, wenn ich mich nicht irre. Dieses junge, deutsche Greenhorn steht unter meinem ganz besondern Schutze. Wer es wagen sollte, ihm nur ein Haar zu krümmen, dem schieße ich sofort ein Loch durch die Gestalt. Ist mein voller Ernst; könnt es euch merken, hihihihi!«

Dick Stone und Will Parker hielten es für angezeigt, sich auch neben mir aufzupflanzen, um anzudeuten, daß sie ganz der Meinung von Sam Hawkens seien. Das imponierte den Gegnern. Diese wendeten sich von mir ab, murmelten unterdrückte Flüche und Drohungen in die Bärte und beschäftigten sich dann angelegentlich mit den beiden Gefallenen, um sie zum Bewußtsein zurückzubringen.

Bancroft hielt es für das Klügste, nach dem Zelte zu gehen und in demselben zu verschwinden. White hatte mit großen, verwunderten Augen auf mich geblickt. Jetzt schüttelte er den Kopf und sagte im Tone ungekünstelten Erstaunens:

»Aber, Sir, das ist ja fürchterlich! In Eure Finger möchte ich auf keinen Fall geraten. Man sollte Euch wahrhaftig Shatterhand nennen, weil Ihr einen baumlangen und baumstarken Menschen mit einem einzigen Fausthiebe niederschmettert. So etwas habe ich noch nie gesehen.«

Dieser Vorschlag schien dem kleinen Hawkens zu gefallen. Er kicherte fröhlich:

»Shatterhand, hihihihi! Ein Greenhorn, und schon einen Kriegsnamen, und nun gar einen solchen! Ja, wenn Sam Hawkens seine Augen auf ein Greenhorn wirft, so kommt etwas dabei heraus, wenn ich mich nicht irre. Shatterhand, Old Shatterhand! Ganz ähnlich wie Old Firehand, der auch ein Westmann ist, stark wie ein Bär. Was sagt ihr dazu, Dick, Will, zu diesem Namen?«

Ich bekam nicht zu hören, was sie antworteten, denn ich hatte meine Aufmerksamkeit auf White zu richten, welcher, meine Hand ergreifend und mich beiseite führend, sagte:

»Ihr gefallt mir außerordentlich, Sir. Habt Ihr keine Lust, mit mir zu gehen?«

»Lust oder nicht, Mr.White, ich darf nicht.«

»Warum?«

»Weil meine Pflicht mich hier bindet.«

»Pshaw! Ich verantworte es.«

»Das nutzt mir nichts, wenn ich es nicht selbst verantworten kann. Ich bin hierher geschickt worden, um diese Sektion vermessen zu helfen, und darf nicht fort, weil wir noch nicht fertig sind.«

»Bancroft wird es mit den drei Andern fertig machen.«

»Ja, aber wann und wie! Nein, ich muß bleiben.«

»Aber bedenkt, daß dies gefährlich für Euch ist!«

»Warum?«

»Das fragt Ihr noch? Ihr müßt doch einsehen, daß Ihr Euch diese Leute spinnefeind gemacht habt.«

»Ich nicht. Ich habe ihnen nichts getan.«

»Das ist wahr, oder vielmehr es war bis vorhin wahr. Nun Ihr aber zwei von ihnen niedergeworfen habt, ist es aus zwischen Euch und ihnen.«

»Mag sein; ich fürchte mich nicht vor ihnen. Und grad diese beiden Fausthiebe haben mich in Respekt gesetzt; es wird sich nicht gleich jemand an mich wagen. Uebrigens stehen mir Hawkens, Stone und Parker zur Seite.«

»Wie Ihr wollt. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, doch oft auch seine Hölle. Ich hätte Euch gebrauchen können. Aber wenigstens ein Stück zurückbegleiten werdet Ihr mich doch?«

»Wann?«

»Jetzt.«

»Ihr wollt gleich aufbrechen, Mr. White?«

»Ja, ich habe die Verhältnisse hier so gefunden, daß es mich nicht gelüsten kann, länger, als notwendig ist, hier zu bleiben.«

»Aber etwas essen müßt Ihr doch, ehe Ihr aufbrecht, Sir?«

»Ist nicht nötig. Wir haben in unsern Satteltaschen, was wir brauchen.«

»Wollt Ihr Euch nicht von Bancroft verabschieden?«

»Habe keine Lust dazu.«

»Aber Ihr seid doch wohl gekommen, um Geschäftliches mit ihm zu besprechen!«

»Allerdings. Doch kann ich Euch das auch sagen. Bei Euch findet es sogar besseres Verständnis als bei ihm. Vor allen Dingen wollte ich ihn vor den Roten warnen.«

»Habt Ihr welche gesehen?«

»Nicht direkt, sondern nur ihre Fährten. Es ist jetzt die Zeit, in welcher die wilden Mustangs und Büffel südwärts ziehen; da verlassen die Roten ihre Dörfer, um zu jagen und Fleisch zu machen. Die Kiowas sind nicht zu fürchten, denn mit ihnen haben wir uns wegen der Bahn geeinigt; die Komanchen und Apachen aber wissen noch nichts davon, und so dürfen wir uns vor ihnen ja nicht sehen lassen. Was mich betrifft, so bin ich mit meiner Sektion fertig und verlasse diese Gegend. Macht, daß Ihr auch zu Ende kommt! Der hiesige Boden wird von Tag zu Tag gefährlicher für Euch. Sattelt jetzt Euer Pferd und fragt Sam Hawkens, ob er Lust hat, mitzukommen.«

Natürlich hatte Sam Lust.

Eigentlich hatte ich heut arbeiten wollen; aber es war Sonntag, der Tag des Herrn, an welchem jeder Christ, selbst wenn er sich in der Wildnis befindet, sich sammeln und mit seinen geistlichen Pflichten beschäftigen soll. Dazu hatte ich wohl einmal einen Ruhetag verdient. Ich ging also zu Bancroft in das Zelt und sagte ihm, daß ich heut nicht arbeiten, sondern White mit Sam Hawkens ein Stück begleiten würde.

»Geht in des Teufels Namen, und laßt euch von ihm die Hälse brechen!« antwortete er, und ich dachte nicht, daß dieser rohe Wunsch in kurzer Zeit beinahe in Erfüllung gehen würde.

Ich war seit einigen Tagen nicht in den Sattel gekommen, und mein Rotschimmel wieherte freudig auf, als ich ihm das Zeug auflegte. Er hatte sich als ein vortreffliches Pferd bewährt, und ich freute mich schon im voraus darauf, dies meinem alten »Gunsmith« Henry sagen zu dürfen.

Wir ritten munter in den schönen Herbstmorgen hinein, sprachen über das geplante, großartige Bahnunternehmen und über alles, was uns auf dem Herzen lag. White gab mir die nötigen Winke, welche sich auf den Anschluß an seine Sektion bezogen, und zu Mittag machten wir an einem Wasser Halt, um ein frugales Mahl zu genießen. Dann ritt White mit seinem Scout weiter, und wir blieben noch ein Weilchen liegen, um uns über religiöse Dinge zu unterhalten.

Hawkens war nämlich ein frommer Mensch, wenn er dies auch gegen Andere nicht zutage treten ließ.

Kurz, bevor wir aufbrachen, um zurückzukehren, bückte ich mich zum Wasser nieder, um mit der Hand zu schöpfen und zu trinken. Da sah ich durch die kristallhelle Flüssigkeit auf dem Boden einen Eindruck, welcher von einem Fuße herzurühren schien. Natürlich machte ich Sam darauf aufmerksam. Er betrachtete den Eindruck aufmerksam und sagte dann:

»Dieser Mr. White hatte ganz recht, als er uns vor den Indianern warnte.«

»Meint Ihr, Sam, daß diese Spur von einem Indianer herrührt?«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
620 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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