Kitabı oku: «Grantlkatz», sayfa 3

Yazı tipi:

»Und was war dein größter Fehler?«

»Dass ich dich hab laufen lassen und nicht um dich gekämpft hab. Mein falscher Stolz. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es für dich auf Grund deiner Hautfarbe noch Probleme geben konnte. Ich hab diesen Rassismus erst an der Uni in England richtig kennengelernt. Diese arroganten Schnösel aus den reichen Familien. Sie haben mich angekotzt. Aber zu meinem Vater zurück wollte ich auch nicht.«

»Tja, einmal der Neger, immer der Neger. Aber es gibt auch andere Menschen, und des macht Hoffnung«, stellte Emil lakonisch fest.

»Deine Kollegin, die ist nett, oder?«

»Ja, die Ilona ist ein Pfundskerl. Ich muss jetzt weiter, sie wartet unten auf mich.«

»Sehen wir uns wieder?«, fragte sie ängstlich.

»Ich bin ein Krüppel, ich sitz im Rollstuhl.«

»Das ist mir scheißegal. Es war mir auch immer scheißegal, dass du ein Schwarzer bist.«

»Das stimmt«, nickte Emil. »Ich werd darüber nachdenken.«

*

Als Steinböck zurück ins Büro kam, kontaktierte er als Erstes Bachstenzel vom K21. Sie verabredeten sich in der Kantine, und der Kollege vom Raub versprach, die Akten über die Rollstuhl-Überfälle mitzubringen. Frau Merkel ließ er im Büro zurück, da Tamara die Katze schon mal mit dem Besen aus ihrer Kantine gejagt hatte. Die ostpreußische Schnitzeldesignerin war der einzige Mensch im Revier, vor dem das Viech Respekt hatte.

»Servus, Steenbeck, wo warst du heit Mittag. Hab ich dein Leibgericht gekocht. Frischee Pfifferlinge mit bähmische Knedel«, schallte es dem Kommissar entgegen, kaum dass er die Kantine betreten hatte.

»Du bist halt ihr Liebling«, sagte Bachstenzel feixend, der neben ihn an die Ausgabe trat.

»Warste wieder auf der Straße, bei diesem jottlosen Berliner und hast Kerrywirst jefressen.«

»Geh, sei so nett und bring mir a leichtes Weißbier mit. Ich setz mich da hinten an den Tisch«, sagte Steinböck genervt zu dem Kollegen aus dem K21.

Gerade hatte er den Tisch erreicht, da schallte es durch den ganzen Speisesaal: »Ach nee, der Heerr Kommissar is wieder mal beleidigt.«

Wenig später setzte sich Bachstenzel zu ihm. »Des ist ja das reinste Spießrutenlaufen.«

»Ach, lass ihr doch ihr Freud. Erzähl mir lieber von den Raubüberfällen. Meine Leut haben mich angerufen und mir mitgeteilt, dass der Überfall heut Nacht von einem Mann im Rollstuhl ausgeführt wurde, der aber laufen konnte.«

»Bei uns verhält sich die Sache anders. Es sind zwei Täter. Der Mann im Rollstuhl lockt die Opfer an. Er bedroht sie mit einem Messer, jetzt kommt der zweite Täter, der sich versteckt hat, dazu und nimmt ihnen alle Wertsachen ab. Anschließend binden sie das Opfer mit einem Kabelbinder irgendwo fest und verschwinden. Dabei hat der zweite Mann den Rollifahrer immer weggeschoben.«

»Wie viele Fälle habt ihr?«

»Fünf Fälle. Immer liegen mindestens vier Monate und etliche Kilometer dazwischen. Starnberg, Grünwald, Herrsching, Tutzing und Stadtmitte.«

»Was habt ihr herausgefunden?«

»Beide Männer sind sehr groß. Zwischen 30 und 40 Jahre alt. Gesprochen hat nur der im Rollstuhl. Er hat vermutlich einen slawischen Akzent. Alle Opfer haben ausgesagt, dass er stark nach Knoblauch roch. Mehr haben wir nicht. Hier ein Foto von einem Reifenabdruck des Rollstuhls. Das ist alles.«

»Seid ihr an dem Fall noch dran?«

»Ehrlich gesagt: nein. Wir sind da nicht weitergekommen. Ich habe zu wenig Leute.«

»Kannst du mir die Akten überlassen, vielleicht hilft es ja bei unserem Fall.«

»Kein Problem, aber ich seh wenig Parallelen. Wir haben zwei Täter, wobei einer wirklich auf den Rollstuhl angewiesen ist. Einer von ihnen stinkt extrem nach Knoblauch. Außerdem haben die Zeugen den Mann im Rolli nie als brutal beschrieben. Das hört sich nicht nach einem eiskalten Mörder an.«

»Klingt logisch, aber wir sind noch am Anfang. Nichtsdestotrotz sprechen alle Opfer davon, dass der Mann einen slawischen Akzent hat«, stellte Steinböck fest.

»Sorry, ich muss los«, brummelte Bachstenzel und erhob sich. »Ich wünsch dir viel Glück mit deiner Tamara. Vielleicht macht sie dir ja noch ein paar Pfifferlinge.«

*

Gegen 15 Uhr trafen sich alle drei wieder im Büro. Steinböck reichte Mayer junior die Akten von Bachstenzel.

»Geh, Emil, schau dir die mal durch und vergleich des mit der Aussage von der Silke Maucher.«

»Es gibt da ein Problem«, druckste Emil herum.

»Worum geht’s?«

»Ich bin befangen.«

»Und?«, fragte Steinböck weiter. Mayer junior zögerte und schaute Hilfe suchend Ilona an.

»Jetzt erzähl’s ihm schon.«

»Ich kenn die Silke Maucher von früher.«

»Na und, wie lang ist des her?«

»Ungefähr zehn Jahre.«

»Und deshalb willst du dich aus dem Fall rausnehmen?«

Emil nickte.

»Spinnst jetzt? Ich kenn den Bruchmayer schon seit 40 Jahren, und er platzt mir alle paar Monate in meine Ermittlungen rein. Hab ich mich deswegen schon mal aus einem Fall rausgenommen?«

»Du wolltest den Bruchmayer aber nie heiraten.«

Steinböck schaute verdutzt und amüsiert zugleich. »Des stimmt allerdings. Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?«

»Warum eigentlich nicht? Gleichgeschlechtliche Ehen sind jetzt sogar in Bayern möglich«, bemerkte Frau Merkel höhnisch.

»Wie gesagt, vor zehn Jahren.«

»Hast du seither auf andere Art Kontakt mit ihr gehabt?«

Emil schüttelte den Kopf.

»Und möchtest du sie jetzt heiraten?«

»Nein, natürlich nicht.«

»Also, dann mach deine Arbeit. Und wenn dir des was hilft, führen Ilona oder ich eventuelle weitere Befragungen der Frau Maucher durch. Falls du weiteren privaten Kontakt mit ihr haben möchtest, wartest halt, bis die Sache abgeschlossen ist. So, und jetzt erzählts mal, was die Zeugin ausgesagt hat.«

*

Ohne eine Miene zu verziehen, ließ sich der Mann mit dem Schnauzbart von dem Justizbeamten abtasten.

»Er ist sauber«, sagte dieser und übergab ihn an seinen Kollegen, der ihn in den Besucherraum führte. An zwei Tischen saßen bereits Personen, die sich angeregt unterhielten. Ein älterer Mann mit einem grauen Bürstenhaarschnitt hatte sich weit weg von den anderen in der hintersten Ecke niedergelassen. Sein rechter Fuß war an einem der Tischbeine angekettet. Der Mann mit dem Schnauzer ging auf ihn zu und küsste ihm ehrfürchtig die Hand. Dann setzte er sich nieder und der Grauhaarigen ergriff seine Hände.

»Ned ohlanga«, knurrte der Justizbeamte.

»Und, verläuft alles nach Plan?«, flüsterte der Alte und zog seine Hände zurück.

»Ja, du kannst dich auf uns verlassen.«

»Und warum bist du dann heute schon hier?«

»Es ist wegen Milan. Du musst mit ihm reden.«

Das Gesicht des Älteren verzog sich zu einer Grimasse. »Was ist es diesmal?«

»Er hält sich nicht an deine Anweisung. Er macht Geschäfte auf eigene Faust. Er gefährdet unseren Plan.«

»Erzähl es mir«, flüsterte der Ältere.

Der Mann mit dem Schnauzbart beugte sich nach vorne und verbarg seinen Mund hinter der hohlen Hand, während er Bericht erstattete.

Das Gesicht seines Gegenübers wurde immer ernster. Schließlich sagte er: »Ich möchte, dass er zu mir kommt.«

Der Mann mit dem Schnauzer erhob sich und wieder küsste er dem Alten zum Abschied die Hand. »Ich werde es ihm ausrichten«, murmelte er und verließ, ohne sich noch einmal umzudrehen, den Raum.

*

Als Steinböck am späten Nachmittag zu Hause ankam und seinen Einkaufskorb aus dem Wagen holte, begegnete ihm eine junge Frau mit langen blonden Haaren, die ihm freundlich zulächelte.

»Guten Tag«, sagte sie. »Ich bin Morana, die Nichte von Aurelia, und wohne gerade bei ihr. Sie sind bestimmt der berühmte Kommissar.«

Steinböck fühlte sich zwar ein bisschen gebauchpinselt, aber Komplimente von so jungen hübschen Mädchen waren ihm meistens suspekt. »Da hat die Aurelia wohl stark übertrieben, trotzdem herzlich willkommen bei uns im Haus.«

Sie lächelte kokett und verschwand mit ihren prall gefüllten Einkaufstüten durch die Haustür. Steinböck nahm den Weg über die Wiese zum Wintergarten, dessen Tür wie immer offen stand. Frau Merkel hatte bereits am Supermarktparkplatz den Käfer verlassen, um auf ihren eigenen Wegen nach Hause zu kommen. So überraschte es ihn nicht, dass sie bereits vor dem neuen Fernseher hockte und einen Film ansah.

»Ist des jetzt Internet oder Fernsehen?«, wollte er wissen, während er den Korb mit den Einkäufen auspackte.

»Genial, die Fernbedienung hat eine YouTube-Taste. Unbeschreiblich, was für einen Mist sie dort zeigen.«

»Warum schaust du dir den Schmarren dann an?«

»Man muss schließlich auf dem Laufenden bleiben, was sich die Kiddies so reinziehen. Auch dir würde es ganz guttun, wenn du wenigstens etwas Ahnung davon hättest, was in der digitalen Welt vor sich geht.«

»Dafür hab ich ja dich«, stellte er lapidar fest und füllte die Katzenschüssel mit Trockenfutter.

»Denk daran, alter Mann, ich kann nicht immer auf dich aufpassen«, antwortete sie, sprang auf den Boden und schnupperte am Futter. »Heute keinen Thunfisch?«, fragte sie verschnupft.

»Du schimpfst doch dauernd, dass die Meere überfischt sind. Also beklag dich nicht.«

»Und was isst du heut Abend, nachdem du bereits einen veganfreien Schweinebraten verdrückt hast?«

»Ich denk, ich werd mir ein paar Steinpilztortellini aufwärmen, dazu ein feines Bärlauchpesto. Wie du siehst, absolut vegetarisch«, schmunzelte der Kommissar und verschwand in den Wintergarten. Dort hockte er sich in seinen Korbsessel, legte die Füße auf der Topfkante der Marihuanapflanze ab und drehte sich eine Zigarette.

Er ließ den neuen Fall noch einmal an sich vorüberziehen. Handelte es sich wirklich um dieselben Täter wie bei diesen Raubdelikten? Silke Maucher hatte nur von einem Täter gesprochen, der laufen konnte und den Rollstuhl vermutlich benutzte, um die Opfer in Sicherheit zu wiegen. Anders bei Bachstenzels Überfällen. Dort waren es eindeutig zwei Täter, von denen einer immer im Rollstuhl saß. Vielleicht ergab der Vergleich der beiden Rollstuhlprofile etwas Neues. Viel mehr Sorgen machte ihm Mayer junior. Ihr Team war zu klein, um ohne ihn zu arbeiten. Andererseits: Sollte sich herausstellen, dass Frau Maucher mehr als nur Opfer war, müsste er ihn wohl oder übel von dem Fall abziehen.

Steinböck entschied nach einem kurzen Blick zur Uhr, sich etwas zu essen zu machen. Es war weniger der Hunger als die ungewohnte Ruhe, die ihn dazu brachte, den Wintergarten zu verlassen. Frau Merkel schaute um diese Zeit ihre Quizsendung, und ihr ständiges Gemecker über Elton war normalerweise unüberhörbar. Umso erstaunter war der Kommissar, als er sie im Wohnzimmer schweigend auf der Couch entdeckte, wo sie einem jungen Mädchen im Fernsehen zusah, die sich gerade Silberpapier in die Haare eindrehte. Kopfschüttelnd ging Steinböck weiter in die Küche. Jetzt spinnt sie komplett, dachte er und machte sich, während er das Essen zubereitete, ernsthafte Sorgen. Irgendetwas war da, was ihn beunruhigte und durch seinen Kopf schwirrte. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und er stolperte fast über die Türschwelle, als er ins Wohnzimmer zurückeilte.

»Des Madel, die mit der Alufolie aufm Kopf, war des auf YouTube?«, fragte er aufgeregt. »Kann ich die noch mal sehen?«

»Jetzt erstaunst du mich doch ein bisschen, obwohl ich gestehen muss, dass dir ein Paar Beauty-Tipps nicht schaden würden. Aber Strähnchen dürften bei deiner Haarpracht ziemlich wirkungslos verpuffen.«

»Kann man des noch mal anschauen oder nicht?«

»Wenn du unbedingt willst.«

Es dauerte einen Moment, dann lief die Szene erneut ab.

»Da schau her, die Morana. A bisserl viel Make-up im Gesicht, aber sonst unverkennbar.«

»Du kennst sie?«

»Du etwa nicht?«

»Jetzt red scho, alter Mann.«

»Sag mal, seit wann sprichst du Dialekt?«

»Ich spreche keinen Dialekt, ich wollte dich nur zurück in die Gegenwart holen. Also, wer ist das Mädchen?«

»Das ist die Nichte von der Aurelia, die wohnt oben im zweiten Stock. Ich hab sie vorhin kennengelernt. Sie sah bloß a bisserl anders aus.«

»Hier bei uns im Haus? Wie konnte mir das entgehen? Ich muss das sofort überprüfen«, antwortete Frau Merkel, sprang vom Sofa und verschwand durch den Wintergarten.

»Bleib doch da! Was ist mit deiner noblen Zurückhaltung?« Genervt drückte Steinböck auf der Fernbedienung herum. »Wie komm ich jetzt aus dem YouTube zu meinem Fernsehprogramm? Typisch Merkel, erst Mist bauen und dann verschwinden.«

*

Der Mann mit der Wollmütze parkte den VW-Bus so vor der Einfahrt, dass noch genügend Platz war, um mit einem Auto daran vorbeizukommen. Der Beifahrer, der einen dunklen Kapuzenpulli trug, zog eine junge Frau aus dem Wagen und schob sie vor sich her durch den Torbogen.

»Sie, ist des Ihr Bus?«, keifte eine alte Frau und versuchte, sich dem Kapuzenmann mit ihrem Gehwagen in den Weg zu stellen. »Der muss da weg, des is a Feuerwehrzufahrt.«

Der Mann schüttelte verneinend den Kopf und drängte sich an der Alten vorbei, die junge Frau hinter sich herziehend.

»Ich kenn dich doch. Glaubst, ich bin bled, ich hab euch doch da aussteigen sehn«, zeterte sie, bis sie bemerkte, dass sie alleine in dem hohen Durchgang stand und ihre Stimme ungehört verhallte.

Unerbittlich schob die Kapuze die junge Frau vor sich her, die Treppe hinauf. In den Händen des Mannes schien sie wie eine Marionette, keine Gegenwehr, kein Widerwort. Ihr schönes Gesicht war blass und ihre großen dunklen Augen wie in Trance. Immer wieder strauchelte sie. Jetzt zog er sie mehr hinter sich her, als dass sie auf ihren eigenen Füßen lief. Schließlich erreichten sie ihr Ziel. Der Mann streifte die Kapuze zurück und stülpte sich eine Gummimaske über den Kopf. Auf der großen hölzernen Eingangstür befand sich ein goldenes Messingschild, auf dem lediglich das Wort »Praxis« stand. Sie war halb geöffnet, und in dem weiten Flur dahinter standen einige Stühle. Mehrere Türen führten in andere Räume. An einer der Wände hing ein leerer Bilderrahmen.

Ein untersetzter Mann mit Vollglatze trat aus einer der Türen. Er blickte die beiden verdutzt an und eilte dann auf das Mädchen zu, das inzwischen nur noch mit Hilfe des Maskierten einigermaßen aufrecht stehen konnte.

»Mein Gott, Melanie! Was ist mit ihr?«, fragte er und griff nach ihrem Arm. Erst jetzt bemerkte er das Messer in der Hand des Mannes. Mehr als einen höhnisch grinsenden Mund konnte er hinter der Gummimaske nicht erkennen.

Ein kurzer Schnitt am Hals des Mädchens, dann drückte der Maskierte dem völlig verdatterten Glatzkopf das Messer in die Hand. Gleich darauf verließ er die Praxis. Unten am VW-Bus angekommen, wechselte er ein paar Worte mit dem Fahrer und warf die Gummimaske auf den Rücksitz. Anschließend fuhr der Bus mit quietschenden Reifen davon, und der Mann mit der Kapuze kehrte in die überdachte Toreinfahrt zurück.

*

Inzwischen war die Katze zurückgekehrt. Steinböck lag auf dem Sofa und schlief. Neben ihm auf dem Tisch stand ein halb leeres Glas Whiskey.

»Ist das Mädchen nicht ein bisschen zu jung für dich?«, bemerkte Frau Merkel und deutete in Richtung Bildschirm, auf dem in Großaufnahme das Gesicht von Morana zu sehen war, eine Puderquaste auf ihrer Backe.

Irgendwie hatte es Steinböck geschafft, den Film anzuhalten und dabei den Vollbildschirm zu aktivieren.

»Kruzifix, wo bleibst denn? Seit über einer Stunde schau ich dem Madel zu wie sie an ihrem Pickel rumdrückt.«

»Ich hab dir doch gesagt, du sollst die Exit-Taste drücken, wenn du nicht mehr weiterweißt. Das gilt übrigens nicht nur für den Fernseher.«

»Sehr witzig. Und, hast du sie gesehen?«

»Nein, die Vorhänge waren zugezogen, aber ich bleib dran.«

»So, so, jetzt wirst auch noch zum Spanner«, kommentierte Steinböck süffisant, erhob sich und goss sich ein weiteres Glas Whiskey ein. Ein paar Tropfen Wasser drauf und zurück aufs Sofa.

»Es gibt eine neue Jesse-Stone-Verfilmung.«

»Ich weiß, ist heute angekommen.«

»Dacht ich mir doch, dass in diesem Kuvert eine DVD ist.«

»Bloß gut, dass du noch nicht die Post aufmachen kannst.«

»Das ist nur eine Sache der Evolution.«

»Stimmt, bei euch Katzen geht des ja alles viel, viel schneller«, bemerkte er höhnisch und leerte sein Glas.

»Und, sehen wir uns die DVD an?«

»Heut nimmer, die letzte Nacht war kurz. Ich glaub, ich geh früh ins Bett.«

»Gut dann zieh ich noch um die Häuser. Ein bisschen gehobenes geistiges Niveau ab und zu schadet nicht«, pöbelte Frau Merkel und verschwand durch den Wintergarten nach draußen. Steinböck winkte gönnerhaft ab und noch bevor er sich vom Sofa erheben konnte, war er eingenickt.

Er starrte auf sein Spiegelbild und stellte fest, dass er mit einem Friseurumhang bekleidet war. Eine weiße Pampe bedeckte sein ganzes Gesicht und auf den Augen hatte er zwei riesige Gurkenscheiben liegen. Es war ihm ein Rätsel, wie er sich trotz allem selbst sehen konnte. Aber da er wusste, dass es sich um einen Traum handelte, ignorierte er diesen Umstand. Dann tauchte plötzlich das Gesicht von Morana neben seinem Kopf auf. Mit einer Häkelnadel pflanzte sie ihm eine Haarsträhne nach der anderen in die Kopfhaut. Weil er dabei keinerlei Schmerz empfand, wartete er erst mal ab, was weiter passieren würde. Jetzt erschien auch noch Ilona Hasleitner, die ihm mit einer Pinzette die Haare aus den Ohren zupfte. Anschließend wurde sein gesamter Kopf mit einem warmen Wasserstrahl abgeduscht. Seine Gesichtshaut war so glatt wie ein Kinderpopo und die nassen Strähnen hingen ihm über die Stirn. Die überdimensionierten Lockenwickler, auf die diese nun aufgewickelt wurden, erschreckten Steinböck ein wenig, aber die Aussicht, anschließend mit einer vollen Lockenpracht zu erwachen, zauberte ein Lächeln auf sein glattes Gesicht. Morana schob die pinke Trockenhaube über seinen Kopf und stellte eine rosafarbene Zeituhr. Nicht unbedingt die Farben des Kommissars, aber:

»Wenn’s schee macht«, dachte er und schloss die Augen.

»Nicht vergessen, wenn’s klingelt, ausschalten, sonst fallen die neuen Haare wieder aus«, hörte er Morana, bevor er endgültig einschlief.

Dienstag

Die Katze saß auf Steinböcks Brust und schimpfte.

»Wenn du dein Smartphone abends nicht abschaltest, dann geh wenigstens ran, wenn es klingelt. Das schreckliche Western-Gedudel ist auf die Dauer nicht auszuhalten.«

Verschlafen strich Steinböck sich mit der Hand über den kahlen Kopf. »Zu spät«, murmelte er enttäuscht. Dann tastete der Kommissar nach dem Handy, das über den Tisch tanzte und laut die Titelmelodie von Bonanza dudelte. Hasleitner hatte sie ihm im vorletzten Jahr als Klingelton aufgespielt. Endlich erwischte er es. Horsti Schmalzls Foto blinkte auf dem Display. Verdutzt schaute er zur Uhr. Es war bereits nach Mitternacht. Um diese Zeit hatte ihn der Polizeipsychologe noch nie angerufen.

»Steinböck, du musst sofort kommen«, keuchte Schmalzls Stimme. »Sie braucht dringend einen Arzt. Alles ist voll Blut.«

»Mensch, Horsti, was ist los? Wo bist du?«

»In der Praxis, du musst an Sanka schicken, schnell! Sie verblutet.«

Es folgte ein langgezogenes Tuten. Unsanft schubste er die Katze von seiner Brust, wählte die 112 und schickte einen Notarzt zu Horstis Adresse. So schnell war er noch nie vom Sofa gesprungen.

»Vorsicht, alter Mann! Denk an deine Bandscheibe. Oder möchtest du mit Emil im Tandem-Rollstuhl sitzen?«

Steinböck ignorierte Frau Merkel und suchte nach seinen Autoschlüsseln. Für einen Moment überlegte er, Emil zu wecken, verwarf den Gedanken aber wieder. Er schlüpfte in seine Schuhe, griff nach seinem Tweed-Sakko und verschwand durch die Verandatür.

Die Katze überholte ihn mit weiten Sätzen und sprang auf das Dach von Steinböcks Käfer. Dort erwartete sie ihn. »Was ist los? Wenn es sich um Horsti handelt, möchte ich informiert werden.«

»Ich weiß auch nicht mehr. Von mir aus komm mit, aber benimm dich anständig. Du weißt, der Horsti ist sehr sensibel.«

»Horsti hat dir nichts erzählt?«, stocherte die Katze weiter, als sie mit ein paar Fehlzündungen vom Hof fuhren.

»Er hat nur von viel Blut geredet und dass sie am Verbluten wäre.«

»Wer ist ›sie‹?«, nervte Frau Merkel weiter.

»Ja Kruzifix, woher soll ich des wissen«, schimpfte Steinböck, und es war nicht zu übersehen, dass er mehr als beunruhigt war.

Den Rest des Weges schwiegen beide.

Als Steinböck endlich die Praxis des Psychotherapeuten und Gerichtsgutachters Horst Schmalzl erreichte, standen bereits ein Kranken- und ein Notarztwagen vor der Tür. Im Sanka herrschte hektische Betriebsamkeit. Der Notarzt legte gerade eine Blutkonserve an, und der Sanitäter wiederholte laut die Werte, die er vom Blutdruckmessgerät ablas.

»Was ist passiert?«

»Wer will des wissen?«, knurrte der Arzt ungehalten, ohne aufzusehen.

»Steinböck, Mordkommission.«

»Jemand hat ihr die Kehle durchg’schnitten.«

»Kommt sie durch?«, wollte der Kommissar wissen.

»Schaut ned gut aus«, flüsterte der Arzt. Und lauter: »Um den Typ droben muss sich jemand anderes kümmern. Und schmeißts die Katz hier raus.«

Als der Fahrer den hinteren Teil des Sankas verließ und die Türen schloss, konnte Steinböck einen Blick auf die Frau werfen. Ihr Gesicht kam ihm seltsam vertraut vor. Dann fiel ihm Horsti wieder ein. Im Laufschritt stieg er die Treppen hoch. Natürlich ging das nicht gut. Im zweiten Stock musste er schwer atmend eine Pause einlegen. Er lehnte sich mit dem Oberkörper auf das Treppengeländer.

»Mach langsam, alter Mann. Nur weil du hippe Boxershorts trägst, heißt das noch lange nicht, dass du wie ein 20-Jähriger die Stufen nehmen kannst. Und vergiss nicht: Der Notarzt ist bereits weg.«

Wütend musterte Steinböck die Katze, aber er hatte einfach nicht genug Luft, um ihr zu antworten. Er atmete ein paarmal tief durch, stieß sich vom Geländer ab und nahm die letzten Stufen bis zur Praxis. Typischer klassizistischer Münchner Altbau erwartete ihn. Hohe Decken mit Stuck und mächtige alte Holztüren. Einer psychologischen Praxis würdig. Am Ende des breiten Ganges, der zugleich Wartezimmer war, saß Horsti Schmalzl, von oben bis unten mit Blut besudelt, auf einem der eleganten Biedermeier-Stühle. Er starrte mit glasigem Blick auf seine Hände und murmelte immer wieder denselben Satz vor sich hin: »Ich wollt ihr doch nur helfen. Ich wollt ihr doch nur helfen.«

Steinböck umrundete vorsichtig die riesige Blutlache gleich hinter der Eingangstür und ging zu Schmalzl. »Mensch, Horsti, was ist passiert?« Dabei schüttelte er ihn sanft an den Schultern.

»Ich hab meine Hand ganz fest draufgedrückt, dass sie ned so viel Blut verliert.« Jetzt blickte Schmalzl ihm in die Augen. »Gell, Steinböck, sie ist tot?«

»Sie ist ned tot. Ihr geht’s gut, sie bringen sie ins Krankenhaus«, log der Kommissar.

»Gott sei Dank«, murmelte der Psychologe, wobei er unkontrolliert mit dem Kopf wackelte und langsam vom Stuhl sackte.

Steinböck griff nach seinen Schultern und ließ ihn vorsichtig zu Boden gleiten. »Also, Horsti, was ist passiert?«, versuchte er es noch mal. Inzwischen war ein zweiter Krankenwagen eingetroffen. Ein Notarzt schob Steinböck zur Seite und kniete sich vor Schmalzl nieder. »Können Sie mich hören?«, fragte er eindringlich.

Steinböck richtete sich auf und bemerkte die Kollegen von der Spurensicherung, die ebenfalls gerade aufgetaucht waren. »Wo kommts ihr so schnell her?«, erkundigte er sich.

»Die Ilona hat uns angerufen. Da kommt sie ja schon«, entgegnete der Kollege von der SpuSi.

»Mensch, Madel, warum bist du schon da?«

»Die Zentrale hat mich verständigt. Von denen wusste keiner, dass du bereits am Tatort bist. Was ist passiert?«

Steinböck schob sie durch die Tür ins Behandlungszimmer und erzählte ihr von Schmalzls Anruf und der Frau, die auf dem Weg ins Krankenhaus war und mit ihrem Leben kämpfte.

»Und du bist sicher, dass das Opfer Horstis ehemalige Internetbekanntschaft ist, die ihn um 5.000 Euro beschissen hat?«, wollte Ilona wissen.

»Ja, des ist Melanie35, da bin ich mir ganz sicher. Du weißt, ein Gesicht vergess ich nicht.«

»Glaubst du, Horsti war’s?«

»Nein, natürlich nicht, aber schließlich hat man sie in seinen Armen gefunden. In seiner linken Hand das Messer und die andere auf ihren Hals gepresst.«

»Wie hat er dich dann angerufen? Hat man sein Handy gefunden?«

»Keine Ahnung, am besten warten wir den Bericht der SpuSi ab.«

»Was willst du jetzt machen? Willst du ihn einsperren?«, erkundigte sich Ilona misstrauisch und schob nach: »Schließlich ist er dein Freund.«

»Verdammt, des weiß ich auch. Grad deshalb müssen wir besonders sorgfältig vorgehen. Geh, schau nach, ob es in seinem Büro etwas Interessantes gibt«, brummte der Kommissar und stieg geschickt über mehrere Fähnchen, mit denen der Fotograf einige Blutspritzer und einen Damenschuh markiert hatte. Er beugte sich neben dem Notarzt nieder, der Horsti eine Injektion in den Arm gegeben hatte.

»Was ist mit ihm? Kann ich ihm ein paar Fragen stellen?«, wandte er sich an den Arzt.

»Des glaub ich eher nicht. Ich hab ihm nur a ganz leichtes Beruhigungsmittel g’spritzt. Der Kerl ist eh schon high. Auf jeden Fall gehört er ins Krankenhaus. Ich muss weiter, ich schick die Kollegen mit der Bahre rauf.«

Einer der SpuSi-Mitarbeiter kam mit einer Plastiktüte auf Steinböck zu, die er ihm grinsend aushändigte.

»Des ist offensichtlich die Tatwaffe. Schaut ziemlich martialisch aus.«

Steinböck inspizierte den Inhalt der Tüte: ein protziger Dolch mit einem überladenen Griff, an dessen Ende ein silberner Totenkopf mit zwei roten, geschliffenen Steinen in den Augenhöhlen prangte. Steinböck reichte das Messer an Hasleitner weiter.

Zwei weitere Sanitäter kamen mit einer fahrbaren Bahre. Der Fotograf war inzwischen fertig und winkte die beiden durch. Horsti schaffte es nur mit Hilfe der Rettungsassistenten, auf die Liege zu klettern, und schon waren die drei im Treppenhaus verschwunden.

»Ich kenn des Teil«, überlegte Steinböck, als Ilona ihm das Messer zurückgab. »Es hing an der Wand hinter seinem Schreibtisch. Er hat es von seinem Vater geerbt. Scheiße, Horsti, des schaut überhaupt ned gut für dich aus«, seufzte er und schaute wehmütig auf die Eingangstür, durch die sein Freund gerade verschwunden war.

»Und was ist mit dem Hund?«, tönte es plötzlich von hinten in seinem Kopf.

Er drehte sich um und blickte auf Frau Merkel. Er hatte die Katze völlig vergessen. Es war ungewöhnlich, dass sie sich bisher noch nicht mit irgendeinem unpassenden Kommentar bemerkbar gemacht hatte.

»Welcher Hund?«

»Welcher Hund?«, äffte sie ihn nach. »Dieser hässliche kleine Dackel, den sich Horsti zugelegt hat. Er war doch völlig aus dem Häuschen, als er ihn uns präsentiert hat.«

»Scheiße, der Dackel, wer kümmert sich jetzt um den Hund?«

»Du hast aber ned mit der Katz g’redt?«, fragte Ilona Hasleitner, die aus Schmalzls Büro zurückkam, vorwurfsvoll.

»So ein Schmarrn! Ich hab dir schon hundert Mal g’sagt, dass ich ned mit der Katz red. Mir ist nur grad sein Hund eing’fallen. Ich kann unmöglich zulassen, dass der ins Tierheim kommt. Des verzeiht mir der Horsti nie.«

»Und wo soll der Hund sein?«

»Das letzte Mal hatte er ihn in seinem Büro.«

»Da ist er nicht, hab ich schon inspiziert!«

»Hey, Steinböck, kann ich den Dolch jetzt in die KTU schicken?«, wollte Staller, der SpuSi-Kommissar, wissen.

»Habt ihr alle Räume untersucht?«

»Nur die Praxisräume. An der Tür da hinten, die mit der Hundeklappe, da steht ›Privat‹ drauf und sie ist abgeschlossen. Ich wollt dich eh fragen, ob wir da rein sollen.«

»Habt ihr einen Schlüssel gefunden?«

»Naa, aber das Schloss is nur zugeschnappt, des kriag ich mit a Kreditkarten auf.«

Zwei Minuten später standen Steinböck und Ilona in Schmalzls Privatwohnung.

»Da ist kein Hund«, versicherte Ilona. »Dackel san wachsam, der hätt schon lang gekläfft.«

»Des ist eher ein müder Dackel, soweit ich mich erinnere.«

Sie fanden ihn in der Küche, dort saß der Hund zitternd in seinem Körbchen. Als er Steinböck und die Katze erkannte, kam er freudig schwanzwedelnd auf sie zugelaufen.

»Ob der was von dem ganzen Theater da draußen mitbekommen hat?«

»Also ein geeigneter Zeuge ist der ned«, bemerkte Ilona feixend.

»Und wer kümmert sich jetzt um den Hund?«, wollte der Kommissar wissen.

»Du brauchst mich gar ned anschauen!«, rief sie entrüstet. »Ich wohne im fünften Stock und du im Parterre mit Garten. Dein Freund! Dein Hund! Wir sehen uns morgen früh im Büro.«

Steinböck nahm die Hundeleine, die neben der Tür an einem Haken hing, packte ein paar Dosen Hundefutter in eine Tüte und folgte Ilona nach draußen.

»Wo sie recht hat, hat sie recht. Geh zua, Zamperl, dann kommst halt mit mir mit.«

»Jetzt sind wir endgültig auf den Hund gekommen. Aber vielleicht kommt so ein bisschen Leben in die Bude. Wir könnten auf YouTube Influencer anschauen und zusammen über diese großartige Jugendkultur diskutieren.«

*

Abgesehen davon, dass der Dackel dreimal durch die Katzenklappe nach draußen rumpelte und unbedingt neben Frau Merkel an Steinböcks Fußende schlafen wollte, verlief die Nacht ereignislos. Schwieriger wurde es am Morgen. Steinböck war schnell klar, dass er den Hund nicht alleine zu Hause lassen konnte, und sein Vertrauen in die Katze, als verantwortungsvoller Babysitter zu fungieren, war eher gering. Also verstaute er Frau Merkel und den Hund in seinen alten VW Käfer und machte sich auf den Weg zum Präsidium.

Schneehofer an der Information reagierte sichtlich genervt: »Mensch, Steinböck, wennst des nächste Mal auch noch an Vogel mitbringst, muss ich mir echt Gedanken machen.«

Bevor der Kommissar etwas erwidern konnte, winkte der Kollege mit säuerlicher Miene ab. »Ich weiß schon, der Dackel ist Zeuge in einem Mordfall und nur zur Vernehmung da.«

»Woher weiß er das?«, fragte die Katze süffisant.

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26 mayıs 2021
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