Kitabı oku: «Rien ne va plus», sayfa 2

Yazı tipi:

Tagebuch Claudia

Ich weiß nicht, was mich dazu trieb, seine Kaffeeeinladung anzunehmen. Fühle ich mich wirklich so bedürftig, so einsam, dass ich es nötig habe, mit einem viel zu jungen und noch dazu verheirateten Mann etwas anzufangen? Etwas anfangen. Wie das klingt. Was fange ich denn an? Wohin könnte das alles führen? Ich weiß es nicht, vermute aber, mehr oder weniger schnell ins Bett. Vermutlich meines, da seines ja nicht frei ist. Ist er einer, der auf dieser Masche reitet? Ältere Frauen anmachen, die er durch seinen Job kennenlernt, weil er bei ihnen mehr Chancen hat zu landen? Sich weniger ins Zeug legen muss? Hat er einen Mutterkomplex?

Ich muss gestehen, dass mich Sascha an Oliver erinnert. Dieselbe Größe und Statur; auch Oliver hatte diese ganz besondere Ausstrahlung, mit der er jeden und vor allem jede in seinen Bann ziehen konnte. Eloquent und schlagfertig, Eigenschaften, die ich so sehr schätze. Und auch Oliver war verheiratet gewesen. Nachdem er seine Frau zunächst wegen mir verlassen hatte, ging er doch nach ein paar Monaten zu ihr zurück, und ich stand wieder allein da. Weil ich ihn nicht jeden Tag in der Bank sehen wollte, ließ ich mich sogar in eine andere Filiale versetzen.

Nun also Sascha. Was erhofft er sich? Was erhoffe ich mir? Zugegeben: Ich hatte schon lange keinen Sex mehr. Ich hatte mich sogar schon damit abgefunden, nie mehr in meinem Leben welchen zu haben. Und es hätte mir nicht einmal was ausgemacht. Die Wechseljahre habe ich hinter mir, jetzt war meine biologische Uhr auf Ruhe eingestellt. Irgendwie. Aber ich habe auch gemerkt, dass da in meinem Körper noch nicht alles abgestorben ist. Dass da tief drinnen noch Bedürfnisse sind, die durch Sascha geweckt wurden. Ist das jetzt gut oder schlecht?

Hätte ich seine Kaffee-Einladung nicht annehmen sollen?


Erstes Treffen

Wir trafen uns in einem Ausflugscafé mitten im Taunus, das damals, im November nur spärlich besucht war. Als ich ankam, saß sie schon drin. Sie stand auf und streckte mir die Hand zur Begrüßung hin. Ich ignorierte die Hand und umarmte sie stattdessen. Ich küsste sie rechts und links auf die Wange. Sie roch gut. Sie trug über einem engen Bleistiftrock eine weiße, lose fallende Bluse, unter der man den BH sehen konnte. Er war schwarz. Sehr inspirierend. Ich stand auf schwarze Dessous. Ich durfte mir ihre langen Beine nicht in schwarzen halterlosen Strümpfen vorstellen, sonst hätte ich die Beule in meiner Hose nicht verbergen können. Die anfängliche Unsicherheit legte sich schnell, und wir redeten über unsere Jobs und Filme, die wir gesehen, Bücher, die wir gelesen hatten. Ich trank Kaffee, Claudia Tee. Ich hatte zwei Stunden Zeit, bis ich wieder ins Casino musste, um meinen Dienst dort anzutreten.

Sie schien beim Friseur gewesen zu sein, denn ihr Haar war dunkler und glatt geföhnt, so dass es etwas länger schien und ihren schlanken Hals umspielte. Sie gefiel mir. Als sie auf die Toilette ging, sah ich, dass sie Stiefel trug und ihre langen Beine in dem Rock ebenso gut zur Geltung kamen, wie ihr sehr frauliches Hinterteil. Der Gedanke, der mir angesichts von Claudias wiegendem Gang durch den Kopf schoss, ließ mir meine Hose zu eng werden. Als sie wiederkam, entschuldigte ich mich und ging ebenfalls aufs Klo.

Als ich zurückkam, setzte ich mich nicht mehr ihr gegenüber, sondern über Eck auf die andere Seite der Ledercouch, und während wir über unsere Vorlieben beim Wellness sprachen, legte ich, wie nebenbei, meine Hand auf ihr Knie. Würde sie es tolerieren? Mein Herz schlug wie ein Presslufthammer. Sie tat so, als merke sie es nicht. Also wagte ich mich ein Stückchen höher. Ich übte mit meiner Hand ab und zu ein wenig Druck auf ihren Schenkel aus und beobachtete ihre Reaktion. Sie hatte sich wirklich gut in der Gewalt. Aber ich spielte gern.

»Wenn es dir unangenehm ist, musst du es sagen«, warf ich in normalem Plauderton hin. Sie errötete leicht. Das »Du« hatte ich ihr kurz zuvor angeboten, und sie war einverstanden gewesen. Eine Frau, die in diesem Alter noch errötete. Interessant. Ich legte meine Hand wieder auf den Tisch und berührte ihre. Sie hatte schöne schlanke Hände, und auch heute trug sie keinen Ring. Ich dachte an all die Frauenhände, mit Nägeln, lackiert und unlackiert, rundgefeilt oder spitz wie Krallen, die sich auf dem grünen Filz des Tisches bewegten wie Spinnenbeine und über das Alter der Frau Auskunft gaben. Dicke Wurstfinger, mit protzigen Goldreifen und riesigen Klunkern geschmückt, von Altersflecken übersäte Handrücken, doch nur selten Hände wie Claudias. Hände, die nicht durch knotige Gelenke entstellt, durch Arthritis gekrümmt waren.

Claudias Fingernägel waren nicht allzu lang, aber perfekt gepflegt und mit einem farblosen Lack überzogen, der leicht rosig schimmerte. Ich hatte Mühe, mir diese Hände nicht auf meiner Haut vorzustellen. Immer wieder drifteten meine Gedanken in diese Richtung ab. Wie sie wohl in halterlosen Nylons aussehen würde? Oder in Netzstrümpfen? Bei diesen langen Beinen sicher atemberaubend! Ich muss gestehen, dass ich ein Fußfetischist bin. Ich liebe schön geformte Frauenfüße, ich küsse sie gern – mit und ohne Nylons – und sauge an den Zehen. Bei dem Gedanken, dass mir Claudias Füße in schwarzen Strümpfen meinen Schwanz massierten, wurde ich schon wieder ganz hart.

Die zwei Stunden gingen viel zu schnell vorbei, und ich brachte sie zu ihrem Auto, das in einer Tiefgarage stand.

»Sehen wir uns wieder?«, fragte ich sie und hielt ihre Hände fest.

»Willst du denn?«, fragte sie zurück. Statt einer Antwort zog ich sie zu mir heran und küsste sie auf den Mund. Ihre Lippen waren genauso, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Weich und süß. Sie schmeckte gut. Sie schmeckte nach mehr. Wir knutschten wie zwei Teenager und meine Erektion schmerzte. Es schien ihr genauso zu gefallen wie mir; sie war durchaus nicht schüchtern, sondern legte schnell ihre anfängliche Zurückhaltung ab. Es schien ihr auch egal zu sein, ob uns jemand sah.

»Lass uns ins Auto gehen!«, schlug ich vor.

Als ich endlich neben ihr auf dem Beifahrersitz ihres Autos saß, ließ ich meine Hand auf ihrem Bein höher wandern. Leider trug sie eine Strumpfhose, was mein Vorgehen erschwerte. Doch ich fühlte durch den Stoff hindurch die Form ihrer Möse, und nachdem ich sie eine Weile gestreichelt hatte, durchdrang ihre Feuchtigkeit die dünnen Stoffschichten. Während ich sie bearbeitete, übte sie mit ihrer Hand Druck auf mein steifes Glied aus. Ich stand kurz vor der Explosion.

Leider musste ich mich losreißen, ich wäre sonst zu spät zum Dienst gekommen.

»Du riechst gut«, sagte ich, nachdem ich an meinen Fingern geschnuppert hatte. Sie wurde wieder rot. »Ich hoffe, wir können das fortsetzen«, sagte ich. »Ich will auch wissen, wie du schmeckst.«

Sie blieb mir eine Antwort schuldig.

Bevor ich meinen Dienst antreten konnte, musste ich mir auf dem Klo Erleichterung verschaffen. Dabei hatte ich die langen Beine Claudias vor Augen, die sich öffneten und mir unbeschreibliche Wonnen bescherten.

Ich musste diese Frau haben!


Tagebuch Claudia

Unsere Fummeleien im Dunkel der Tiefgarage, das hatte schon was. Irgendwie pubertär. So heimlich, so verschämt. Und dann immer die Angst, jemand könnte kommen und unser Spiel sehen. Das erinnert mich an meine Träume, in denen ich genau solche Situationen erlebt habe. Sex in der Öffentlichkeit, die Angst vorm Entdeckt-werden.

Seine Küsse waren zärtlich und fordernd zugleich. Seine Hände kräftig zupackend. Jetzt, da ich hier sitze und schreibe, stelle ich mir vor, wie sie mich an allen Stellen meines Körpers berühren, ins Zentrum meiner Lust vorstoßen und mich endlich wieder auf einen Gipfel hinauftreiben, auf dem ich schon so lange nicht mehr gestanden habe.

Wenige Stunden später hatte ich auf WhatsApp eine Nachricht von ihm: »Danke für die schönen Stunden. Ich will mehr von dir! Beim Gedanken an deine Lippen, deinen Duft, wird mir gerade meine Hose wieder zu eng.«

Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Ich weiß noch immer nicht, wohin dieser Weg führen wird, wenn ich mich entschließe, ihn zu gehen. Aber eins weiß ich: Ich will diesen Mann wiedersehen. Nicht nur an seinem Arbeitsplatz, an dem ich ihn gestern überraschte.

Zunächst beschäftigte mich die Frage, was ich anziehen sollte. Die Menschen, die ins Casino gingen, waren sicherlich sehr festlich angezogen. Da musste ich mithalten. Schließlich wollte ich, dass er mich im besten Licht sieht. In meinem Kleiderschrank befand sich, geschützt von einer Plastikhülle, ein schwarzes Paillettenkleid, das ich mir vor Jahren einmal für einen Opernbesuch geleistet hatte. Seitdem hatte ich es nicht wieder getragen. Ob ich überhaupt noch hineinpasste?

Der Stoff war dehnbar, und so schmiegte er sich um meine Brüste, die ich mit einem Push-Up betonte und endete zwei Handbreit über meinem Knie. War das nicht zu kurz? Nein, entschied ich, und suchte meine höchsten Absatzschuhe heraus. Dass meine Beine immer noch – zumindest in blickdichten Strumpfhosen – ansehnlich waren, wusste ich.

Die Haare föhnte ich über eine große Rundbürste, so dass sie mir weich auf die Schultern fielen. Ein bisschen Make-Up – der Lippenstift durfte diesmal auch ein wenig auffälliger sein – und zum Schluss noch mein neues Parfüm hinter die Ohren gespritzt. Als ich mich im großen Innenspiegel des Kleiderschranks betrachtete, war ich zufrieden. Man sah mir meine fünfzig Lenze nicht an. Wie alt Sascha wohl ist? Ich werde ihn bitten, mir sein Alter nicht zu verraten. Ich will nicht wissen, dass er zehn Jahre oder noch mehr jünger ist als ich. Das würde mich nur verunsichern.

Wieviel Geld wollte ich umtauschen? Wieviel war ich bereit, notfalls zu verlieren? Ich setzte mir ein Limit von hundert Euro.

Im hiesigen Casino war ich noch nie. Ich bin zwar oft im Kurpark und gehe dann auch meist am Casino und am Kaiserbrunnen vorbei, ohne es jedoch groß zu beachten. Ohnehin ist das gelbe Gebäude mit den Rundbogenfenstern und dem goldenen Gitter um den Anbau eher unspektakulär. Nicht zu vergleichen mit dem in Baden-Baden, das die Säulen des Kurhauses nebenan aufnimmt und wo ich einmal mit Kollegen zum Spielen war.

Ich parkte im zugehörigen Parkhaus, damit ich bequem mit meinen hohen Absätzen in den Casinobereich kam.

Wie in Baden-Baden musste ich meinen Ausweis vorzeigen; der Mitarbeiter trug etwas in seinen PC ein. Dann gab ich meinen Mantel an der Garderobe ab. Ein Angestellter hielt mir die linke Seite der doppelflügeligen Tür auf, und ich stand bereits im nicht allzu großen Spielsaal. Links standen drei Roulettetische, an zweien wurde gespielt, rechts zwei, wovon einer besetzt war. Hauptsächlich Männer liefen zwischen den Tischen hin und her, setzten mal hier und mal dort. Ich stand unschlüssig herum und fühlte mich nicht wohl. Deshalb ging ich erstmal aufs Klo. Ich durchquerte den Spielsaal, kam durch einen kleinen Raum, in dem ebenfalls Spieltische standen, wie es aussah Black-Jack und Poker, linkerhand schien die Bar zu sein, und bevor es durch eine weitere Glastür ging, sah ich die abwärts zu den Toiletten führende Treppe.

Ich ging die Marmorstufen hinunter und öffnete die Tür, auf der eine Frauenfigur aus Messing angebracht war. Der Vorraum der Toiletten war mit roten Lederhockern ausgestattet und in der Luft hing der Geruch eines Sprühduftes.

Die Kassen waren hinter der Bar vor dem Zugang zum Automatenspiel. Ich wechselte einen Hunderteuroschein. Vor mir standen zwei alte Männer, von denen der eine zweitausend Euro wechselte, der andere zweihundertfünfzig. Ich kam mir fast ein wenig schäbig vor mit meinem Hunderter. Aber der Mann, der hinter der Kasse stand, war nett und versuchte sogar, ein wenig mit mir zu flirten. Das meiste wechselte ich in Zwei-Euro-Jetons, das war die kleinste Einheit.

Weil ich immer noch etwas unsicher war, setzte ich mich auf einen der Hocker an der Bar, die alle noch leer waren. Sascha hatte ich beim Hereinkommen nicht an einem der Spieltische erblicken können. Wahrscheinlich war er gerade in der Pause.

Über den Sesseln und der Couch, alles in Grün, Türkis und Braun gehalten, hing ein Screen, auf dem die Ergebnisse der einzelnen Tische angezeigt wurden. Permanenzanzeige nennt man das, hatte Sascha mir gesagt. Die Decken waren mit verspiegelten Platten versehen, in denen kleine Halogenstrahler eingelassen sind. An den Wänden befanden sich tiefrote, in sich gemusterten Seidenstoffe. Links von der Bar schien der Raucherraum zu sein; auch hier standen ein Roulette- und ein Pokertisch. Hinter dem Raum, abgetrennt durch große Fenster, befand sich das Restaurant.

Ich bestellte mir einen Sekt. Niemand beachtete mich. Niemand sprach mich an oder setzte sich zu mir. Alle schienen nur ihr Spiel im Kopf zu haben. Lediglich das Personal streifte mich hin und wieder mit Blicken, und ich fragte mich, was sie dachten.

Da öffnete sich die Tür gegenüber der Treppe, die zu den Toiletten hinunterführte und eine Gruppe schwarz gekleideter Croupiers betrat den Gang. Sascha war auch dabei, doch er sah mich nicht, weil er gerade in eine Unterhaltung mit dem neben ihm gehenden Kollegen vertieft war. Mein Herz schlug schneller. Der Sekt stieg mir langsam zu Kopf. Der Kontakt meiner Hand mit dem kühlen polierten Stein der Bar beruhigte mich etwas.

Da ich nicht wusste, ob ich das Glas Sekt mit in den Spielsaal nehmen durfte, trank ich es aus, bevor ich mich erhob und so locker wie möglich den Raum betrat. Sascha saß am Kopfende des Französischen Roulettes. Ich setzte mich auf den Stuhl neben ihn, von dem gerade eine Frau aufgestanden war. Blond mit schwarzem langem Kleid, das ihre Tätowierungen auf der Schulter nicht verbarg. Das Gesicht künstlich gestrafft, die Wangenknochen vermutlich höhergelegt und die Lippen mit Botox aufgespritzt. Das Alter unmöglich zu schätzen, aber die Visage grauenvoll frankensteinmäßig.

Sascha gegenüber saß der Tischchef auf einem erhöhten Sessel, vor sich einen kleinen Bildschirm, auf den er bei Unstimmigkeiten die Kameraaufzeichnung herholen konnte. Ich wunderte mich, wie viele Jetons manche Leute setzten. Vor allem ein kleiner Japaner hörte gar nicht wieder auf, seine Stücke auf Zahlen und mehrfache Chancen zu setzen. Konnte er sich das alles merken? Ich fing klein an. Der Permanenzanzeige entnahm ich, dass vorher fünf rote Zahlen gekommen waren. Deshalb setzte ich auf Schwarz. Die Kugel rollte, der Croupier am Kessel sagte sein »Nichts geht mehr«, trotzdem platzierten noch einige Spieler ihre Jetons und gaben dem Croupier in ihrer Nähe Aufträge. Ich hatte gedacht, dass man danach wirklich gar nicht mehr setzen durfte. Aber anscheinend wurde das hier nicht so ernst genommen. Schließlich blieb die Kugel liegen. Im Fach mit der 21, und die war rot. Auf der Anzeige sah ich, dass dieselbe Zahl schon wenige Spiele vorher gekommen war. Erstaunlich. Mit Wahrscheinlichkeitsrechnung kam man hier wohl nicht weit. Als Sascha mit seinem Rechen, den man hier »Rateau« nannte, die Chips zusammenkehrte, blickte er mich kurz an und lächelte mit den Augen. Er hatte mich also wahrgenommen.

Den nächsten Jeton setzte ich wieder auf Schwarz. Irgendwann musste doch die Farbe wechseln! Aber wieder kam Rot. So langsam verlor ich die Lust. Vielleicht sollte ich mal auf eine andere einfache Chance setzen? Entweder »Pair« (Gerade) oder »Impair« (Ungerade), alternativ »Manque« – das waren die Zahlen von 1–18 oder »Passe« – die Zahlen von 19–36.

Am Fenster neben dem Tisch saß ein weißhaariger Herr, der in ein kleines Buch schrieb. Neben ihm stand ein Glas mit Bier. Im Fensterbrett die Statue einer schlanken Frauengestalt, die Arme vom Körper weggestreckt. Wie eine Tänzerin. Die Fensterscheiben waren mit undurchsichtigen weißen Folien abgeklebt. Über dem Ausgang hing eine Uhr. Immerhin musste man hier nicht die Zeit vergessen.

Die Zeit verging wie im Flug, schon verschwand Sascha in seine nächste Pause. Die Croupiers, die man auch Dealer nannte, wechselten jede Stunde und hatten dann fünfzehn Minuten Pause.

Während er weg war, ging ich noch einmal zur Toilette. Als ich mir die Hände wusch, bemerkte ich, dass ich meinen Ring nicht mehr trug. Siedend heiß fiel mir ein, dass ich ihn vor dem letzten Händewaschen abgezogen und neben das Waschbecken gelegt hatte. Dort lag er nun nicht mehr. Das hieß, entweder hatte ihn eine der wenigen Damen eingesteckt oder eine ehrliche Finderin hatte ihn abgegeben.

Als ich oben am Einlass danach fragte, schüttelte die Frau hinter dem Screen bedauernd den Kopf. Sie wollte aber die Toilettenfrau anrufen. Ich solle beim Verlassen der Spielbank noch einmal nachfragen. Aber ich hatte wenig Hoffnung. Dabei war der Ring ein Geschenk meiner Großmutter zu meiner Konfirmation gewesen. Ich trage ihn nur selten; für jeden Tag ist er mir zu schade, und Anlässe dafür gibt es nicht allzu oft.

In gedrückter Stimmung stellte ich mich erneut neben Saschas Tisch. Eigentlich hatte ich gar keine Lust mehr zu spielen. Doch meine Clutch war noch voll mit Jetons. Ob ich die auch mit nach Hause nehmen konnte? Für das nächste Mal?

Nein, ich würde nicht mit der Tasche voll Jetons nach Hause gehen! Ich würde jetzt erst richtig loslegen. Vorher würde ich mir aber noch einen Sekt an der Bar genehmigen. Vielleicht machte mich das ein wenig lockerer.


Der Anfang vom Ende

Als ich sie sah, blieb mir schier das Herz stehen. Fast hätte ich einen Gewinn falsch ausgezahlt. Sie hatte mich nicht vorgewarnt. War einfach gekommen. Als ich von unten aus der Kantine kam und beim Vorbeigehen einen Blick zur Bar warf, saß sie dort. Mit übergeschlagenen Beinen und in einem atemberaubenden Paillettenkleid. Eine wahre Lady. Und sie strahlte das gewisse Etwas aus, das ich schon von Anfang an bei ihr wahrgenommen hatte. Ich kann nicht erklären, was es war, aber diese Aura haben nur wenige Frauen. Dabei spielt das Alter überhaupt keine Rolle. Obwohl ich wusste, dass sie älter war – ich hatte sie noch nicht gefragt, wie viele Jahre, also würde es wohl ein Geheimnis bleiben – fühlte ich mich zu ihr hingezogen. Nicht nur körperlich – wie ich sofort, als ich sie entdeckte, an der Reaktion meines besten Stücks merkte – sondern auch geistig. Ich wollte alles über sie wissen, sie kennenlernen, ohne sagen zu können, wozu das Ganze gut sein sollte.

Dann kam sie lächelnd auf meinen Tisch zu. Allein ihr Gang war hollywoodreif. Neben mir verließ gerade Barbie, ein Stammgast, ihren Platz, und Claudia setzte sich. Ich musste so tun, als kenne ich sie nicht, denn wenn etwas ganz argwöhnisch vom Saalchef beobachtet wird, so sind es vermeintliche oder tatsächliche Kontakte zwischen uns Croupiers und den Gästen. Nicht umsonst sind auch unsere Jackentaschen zugenäht. Man will verhindern, dass uns von Gästen als Belohnung für eventuelle Absprachen und Bevorzugungen Geld zugesteckt wird.

Natürlich kennen wir die Stammgäste mittlerweile, sogar mit Namen, und ab und zu ergibt sich auch ein kurzes Gespräch. Am Tisch jedoch darf man keine Namen nennen, die Gäste werden nur mit »die Dame« oder »der Herr« angesprochen, manchmal auch mit »Madame«. Wir Croupiers untereinander nennen uns ebenfalls nicht beim Namen, sondern sagen »Herr Kollege« oder »Frau Kollegin«. Außerdem ist es ein Unterschied, ob man sich mit Männern und alten Omas unterhält, oder mit gutaussehenden Frauen, die noch dazu das erste Mal da sind.

Doch dieses so tun als ob gab dem Ganzen noch zusätzlich den gewissen Kick. Mir war heiß; die Gegenwart von Claudia, ihr Parfüm und der Oberschenkel, mit dem sie immer wieder – ob absichtlich oder nicht – mein Bein berührte, stellten mich und meine Konzentration auf eine harte Probe.

Sie hatte anfangs gar kein Glück, obwohl sie vorsichtig setzte. Immer nur auf einfache Chancen. Dann ging sie kurz weg, wahrscheinlich an die Bar, und als sie wiederkam, versuchte sie es mit dem ersten Dutzend. Es kam die 2. Auch bei den folgenden Einsätzen blieb sie bei den niedrigen Chancen, einmal spielte sie erfolgreich eine Kolonne. Insgesamt machte sie ein intelligentes Spiel, und ich war gespannt, ob sie es wagen würde, wie bei der Veranstaltung ihrer Bank, auch auf eine Zahl zu setzen.

Ich musste nicht lange warten, da legte sie einen Zweier auf die 14. Ich wusste sofort, warum gerade diese Zahl. Am 14. November waren wir uns zum ersten Mal persönlich begegnet. Gespannt verfolgte ich den Lauf der Kugel. Was würde passieren? Die Scheibe schien sich diesmal besonders lange zu drehen. Gebannt starrte Claudia auf die Kugel, die einfach nicht in einem Fach liegen bleiben wollte und immer wieder über die kleinen Rhomben sprang. Schließlich verkündete der Kollege: Vierzehn, Rot, Pair, Manque.

Claudia sprang auf und ballte die Faust. Ich gratulierte ihr mit einem leichten Kopfnicken und hoffte, sie hatte sich gemerkt, dass sie für die Angestellten einen Jeton in Höhe ihres Einsatzes spenden sollte. Bei der Veranstaltung ihrer Bank hatte ich ihr erklärt, dass wir nur ein sehr niedriges Grundgehalt beziehen und hauptsächlich von den Trinkgeldern der Gäste leben, die nach einem bestimmten System, das die Berufserfahrung und Ausbildung der Croupiers berücksichtigt, verteilt werden. Sie hatte es sich gemerkt und sagte dem Kollegen am Kessel, der die Gewinne auszahlte »Für die Angestellten«. Er bedankte sich.

Dass sie mit ihrem Aufspringen gegen die Etikette in der Spielbank verstieß, merkte sie selbst durch die indignierten Blicke der anderen Mitspieler. Aber immerhin gratulierten ihr auch einige und nickten ihr anerkennend zu. Sie würde es schon lernen.

Erneut kam die Zeit meiner Ablösung. Was würde Claudia tun? Weiterspielen? Sie schob die gewonnenen Jetons in ihre Handtasche und erhob sich. Ich wartete kurz an der Tür, die hinunter zur Kantine führte. Gegenüber ging die Treppe zu den Gästetoiletten hinunter. Wie erhofft, kam sie kurz darauf vorbei. Viel durfte ich nicht mit ihr reden, auch hier hingen überall Kameras.

»Glückwunsch«, sagte ich so neutral wie möglich. Sie wurde rot. Richtig süß.

»Ich glaube, ich höre jetzt auf«, sagte sie. »Bevor ich alles wieder verliere.«

»Eine sehr gute Idee«, pflichtete ich ihr bei, obwohl ich sie gern noch ein wenig länger an meinem Tisch gehabt hätte. Doch schon zu oft hatte ich erleben müssen, wie sich Spieler und Spielerinnen um ihr ganzes Vermögen gebracht hatten. Trotz Aufklärung, auch auf der Website des Casinos, auf der Telefonnummern zur Hilfe bei Spielsucht sowie Erkennungsmerkmale derselben zu finden waren. Das allerdings war weniger der Einsicht der Casinobetreiber zu verdanken als den gesetzlichen Vorschriften. Vor allem seit die Spielbank im Besitz einer städtischen Gesellschaft war.

»Sehen wir uns?«, fragte sie leise. Ich nickte nur und wandte mich zum Gehen. Der Blick zurück zeigte mir, wie sie auf die Kassen zusteuerte, um sich ihren Gewinn auszahlen zu lassen.

Nachdem ich mich gestärkt hatte, tippte ich eine WhatsApp-Nachricht an sie: Hat mich sehr gefreut, dass du da warst. Ich melde mich wieder.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺146,43

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
134 s. 8 illüstrasyon
ISBN:
9783960001379
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre